Parlamentskorrespondenz Nr. 135 vom 05.03.1997

MITTELSTANDSBERICHT IM WIRTSCHAFTSAUSSCHUSS

Wien (PK) - Im Wirtschaftsausschuss stand heute der BERICHT ÜBER DIE SITUATION DER KLEINEN UND MITTLEREN UNTERNEHMUNGEN DER GEWERBLICHEN WIRTSCHAFT 1995 zur Enderledigung auf der Tagesordnung; er wurde nach ausführlicher Debatte mit SP-VP-Mehrheit zur Kenntnis genommen.  Wirtschaftsminister Dr. FARNLEITNER berichtete von einer enormen internationalen Dynamik bei den mittelständischen Unternehmen, wobei Österreich besser liege als die meisten EU-Länder. Farnleitner nannte positive Vergleichszahlen über Förderungsaktivitäten, Entwicklung der Betriebszahlen, Investitionen und Beschäftigung. Arbeitsplätze werden praktisch nur noch in Betrieben bis zu maximal 100 Beschäftigten geschaffen, fügte er hinzu, während er starke Schrumpfungstendenzen bei privaten Zimmervermietern und Kleinhändlern feststellte. Als wichtiges Hoffnungsgebiet bezeichnete der Minister den industrienahen Dienstleistungssektor.

Die gute Entwicklung bei den Unternehmensgründungen, vor allem auch  die wiederum steigende "Überlebensrate" neugegründeter Betriebe, führte Farnleitner auf bessere Unternehmenskonzepte im technischen und Dienstleistungssektor zurück. Um die Gründung von Unternehmen zu unterstützen, will Farnleitner zusätzliche BÜRGES-Mittel einsetzen und Haftungen anstelle von verlorenen Zuschüssen anbieten. Grosse Hoffnungen setzt er auch auf die Gewerbeordnungsreform, die die Gründung einer Vielzahl neuer Teilgewerbe ermöglichen soll. Da kleine und mittlere Unternehmen in der Regel nicht für den Export, sondern für den Inlandsmarkt arbeiten, sei zudem sicherzustellen, dass die - allerdings durch das Sparpaket verringerte - Nachfrage aufrecht bleibe.

Der vorliegende Bericht mit seinen Daten aus dem Jahr 1994/95 sei nicht mehr aktuell. Für die Zukunft regte der Ressortleiter daher an, statt zweijähriger Kompendien jährlich aktuelle Berichte zu erstatten. Dieser Vorschlag wurde von Vertretern aller Fraktionen positiv aufgenommen. Abgeordneter Dr. HEINDL (SP) merkte seinerseits an, man könnte die Entwicklung der kleinen und mittleren Unternehmen in den sommerlichen Wirtschaftsbericht aufnehmen und darüber hinaus Anfang des Jahres eine Debatte über die aktuellen Trends führen.

Abgeordneter Dipl.-Ing. PRINZHORN (F) konnte die positive Entwicklung, von der der Wirtschaftsminister sprach, nicht nachvollziehen. Die Situation der KMU sei in Österreich vielmehr schlecht. Nach wie vor fehle es an Risikokapital und an der Förderung von Forschung und Entwicklung. Österreich bilde hier das "europäische Schlusslicht", stellte Prinzhorn deprimiert fest.

Auch Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) nannte "erschreckende" Zahlen über 50prozentige Rückgänge bei den Unternehmensgründungen

und beklagte über administrative Hindernisse für die Betriebe. Als "dramatisch" bezeichnete Van der Bellen den Rückgang bei den Lehrstellen.

Abgeordneter HAIGERMOSER (F) wollte wissen, wie es in Österreich wirtschaftspolitisch weitergehen soll. Die Bundesregierung und das Parlament hätten dringenden Handlungsbedarf, denn der Mittelstand drohe "wegzubrechen", sagte Haigermoser. Er verdolmetschte die Besorgnisse des Handels wegen der enormen EURO-Umstellungskosten und berichtete von grosser Unzufriedenheit der Gewerbetreibenden, die nach dem Auslaufen der Gewerbestrukturverbesserungsaktion mit Ende 1996 vor verschlossenden Türen stehen.

Besorgt zeigt sich auch Abgeordneter ROSENSTINGL (F), der auf eine Steuerreform zur Verbesserung der Eigenkapitalbildung drängte.

Abgeordneter Dr. PUTTINGER (VP) klagte über die schlechte Nahversorgung im ländlichen Raum und warnte angesichts wachsender Umsätze in grossflächigen Verkaufsstellen vor der Gefahr einer Verödung ganzer Regionen.

Abgeordnete Dr. FEKTER (VP) zeigte sich verwundert darüber, dass der Grossindustrielle Prinzhorn so negativ über die kleinen und mittleren Betriebe spreche. Denn diese seien das "wirtschaftliche Standbein der Nation" und entwickeln sich hinsichtlich Betriebszahlen, Beschäftigung, Produktion und Produktivität weit besser als die Grossbetriebe, argumentierte Fekter.

Abgeordneter PARNIGONI (SP) befasste sich mit dem Strukturwandel im Tourismus und wies auf Steigerungen am Qualitätssektor, rückgängige Lehrlingszahlen sowie steigende Ausländer- und Frauenbeschäftigung hin. Er verlangte eine Schwerpunktdiskussion über Probleme in der Angebots- und Preisstruktur im heimischen Fremdenverkehr.

Abgeordneter Mag. BARMÜLLER (L) sprach den Wirtschaftsminister auf die umweltpolitischen Leitlinien an, die für ihn aus dem Nationalen Umweltplan zutreffen. Hinsichtlich der Neugestaltung der Stromtarife warnte Barmüller vor der Besserstellung von Grossbetrieben auf Kosten der kleinen Unternehmen und privaten Haushalte.

Abgeordneter Mag. STEINDL (VP) wandte sich gegen den FP-Vorschlag für die Abschaffung der Kommunalabgabe. Er begrüsste die zukunftsweisenden Vereinbarungen über die Gewerbeordnungsnovelle, die Arbeitszeitflexibilisierung, zur Lösung der Lehrlingsprobleme und für mehr Risikokapital in wachstumsorientierte KMU.

Abgeordneter OBERHAIDINGER (SP) machte auf die Rechtsunsicherheit bei den Photovoltaik-Betreibern aufmerksam und erkundigte sich nach den Förderungsvorstellungen des Wirtschaftsministers.

Abgeordneter KIERMAIER (SP) beurteilte die jüngsten Vereinbarungen zum Thema Lehrlinge positiv und forderte eine Entsteuerung des Faktors Arbeit.

Auf die Detailfragen eingehend, erläuterte der Wirtschaftsminister schliesslich die jüngsten Vereinbarungen über Massnahmen zur Verbesserung auf dem Lehrstellenmarkt. Alle Wünsche der Wirtschaft, mit Ausnahme der erleichterten Kündigung und der Möglichkeit, Lehrlinge bis 23 Uhr zu beschäftigen und die Behaltefrist zu verringern, konnten berücksichtigt werden. Mit Hilfe eines Fonds für den internen Lastenausgleich zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben werde es möglich sein, rund 500 Mill. S an die Ausbildungsbetriebe fliessen zu lassen. Überdies sollen bis zum Sommer neue, dringend benötigte Berufsbilder im EDV-Bereich entwickelt werden, was laut Farnleitner dazu beitragen wird, das derzeitige Missverhältnis zwischen 4.500 Lehrstellensuchenden und nur 2.500 offenen Lehrstellen zu verbessern.

Bis zum Jahr 2000 will der Wirtschaftsminister für die kleinen und mittleren Unternehmen das Prinzip der allgemeinen Veranlagung nach dem Vorbild der Schweiz und der USA einführen. Die Eigenkapitalprobleme führte er darauf zurück, dass Fremdkapitaleinsatz Jahre hindurch gegenüber eigenem Kapital begünstigt wurde. Der Ressortleiter hielt eine neue Finanzierungsphilosophie für notwendig. Hinsichtlich der Steuerreform zeigte er sich skeptisch gegenüber dem Vorschlag auf Förderung nicht entnommener Gewinne. "Wie soll man so Betriebe fördern, die keine Gewinne machen", fragte Farnleitner, der Erleichterungen bei der Übernahme von Betrieben präferiert.

Von einer Krise der Tourismusbranche will Wirtschaftsminister Farnleitner nicht länger sprechen. Denn dadurch werde ein Sektor, der ganz unterschiedliche Betriebe mit derzeit gegensätzlichen Konjunkturbedingungen umfasse, pauschal in ein schiefes Licht gerückt. Städtetourismus, Winterfremdenverkehr und Kulturreisen entwickeln sich gut. Schlecht geht es allerdings dem Sommertourismus.

Hinsichtlich der auch vom Abgeordneten Dipl.-Ing. HOFMANN (F) angesprochenen Bedingungen zur Einspeisung von erneuerbaren Energieträgern bekannte sich Farnleitner zu der vereinbarten Fondslösung und zu Investitionszuschüssen. Laufende Subventionen für Einspeisungen lehne er ab. Eine zentrale Strompreisregelung habe er nur für den Fall angedroht, dass die Energieversorger die Folgen der Strompreisliberalisierung auf die privaten Haushalte abwälzen wollen. Ansonst liege die Verantwortung für die Stromtarife bei den Bundesländern. 

GEWERBERECHTSNOVELLE WURDE UNTERAUSSCHUSS ZUGEWIESEN

Die Regierungsvorlage für eine Gewerberechtsnovelle 1997 wurde einstimmig dem bereits bestehenden Unterausschuss für die Reform der Gewerbeordnung zugewiesen. Die Bundesregierung will Betriebsgründungen erleichtern, und zwar durch die Konzentration, Vereinfachung und Beschleunigung der gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren. Parteianbringen sollen nicht mehr zugelassen werden, wenn der Verhandlungsgegenstand einmal entscheidungsreif ist. Und bei einer Änderung des Projektes soll es künftig für das Verfahren nicht mehr heissen: "Zurück an den Start". Ausserdem sollen im Zuge des gewerberechtlichen Verfahrens auch alle anderen für den Betrieb eines Unternehmens notwendigen bundesrechtlichen Genehmigungen erteilt werden.

Die Abgeordneten einigten sich heute darauf, die erste Sitzung des Unterausschusses am 4. April abzuhalten. Zentrales Thema soll das Betriebsanlagenrecht sein. Zu den Beratungen werden auch Experten zugezogen.

TROPENHOLZ KÜNFTIG NUR NOCH AUS NACHHALTIG GENUTZTEN WÄLDERN?

Einstimmig genehmigte der Ausschuss den Beitritt Österreichs zum Tropenholz-Abkommen 1994. Österreich, einer der Mitgliedstaaten des Tropenholz-Übereinkommens 1983, ist infolge des EU-Beitritts verpflichtet, dem neuen Abkommen beizutreten, ein solcher Schritt liege überdies im Interesse Österreichs, heisst es in den Erläuterungen. Hauptziele sind die internationale Zusammenarbeit auf dem Tropenholzmarkt und die Förderung der nachhaltigen Nutzung der Tropenwälder. Bis zum Jahr 2000 soll darüber hinaus eine Frist festgesetzt werden, ab der nur noch Tropenholzprodukte aus nachhaltig bewirtschafteten Beständen ausgeführt werden dürfen. Abgeordnete Dr. FEKTER (VP) begrüsste in der heutigen Sitzung, dass Österreich in der Tropenholzfrage nunmehr international akkordiert vorgehe.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) brachte einen mit dem Tropenholz-Abkommen in Zusammenhang stehenden Entschliessungsantrag ein, der jedoch keine Zustimmung der anderen Fraktionen erhielt. Van der Bellen wollte mit dem Antrag erreichen, dass das abgelaufene Programm "Österreichische Nationalinitiative Wald - Dritte Welt" bis zum Jahr 2001 verlängert und mit weiteren 200 Mill. S dotiert wird. Sowohl Abgeordneter Dr. HEINDL (SP) als auch Abgeordneter HAIGERMOSER (F) meinten, sie könnten ohne Kenntnis der Details einer solchen Budgetbelastung nicht zustimmen. Abgeordneter Mag. BARMÜLLER (L) steht, wie er sagte, der Initiative zwar positiv gegenüber, er will aber noch Rücksprache mit seiner Fraktion halten.

Nach Wiederaufnahme der am 2. Juli 1996 vertagten Verhandlungen über den Antrag des F-Abgeordneten Dipl.-Ing. SCHÖGGL betreffend ausreichende Dotierung des Büros für Internationale Forschungs- und Technologiekooperation (BIT) berichtete Wirtschaftsminister Dr. FARNLEITER, dass die damaligen Probleme nunmehr gelöst seien. Das BIT arbeite nach den durchgeführten Reformschritten sehr effizient, alle Wünsche der Klein- und Mittelbetriebe könnten erfüllt werden. Für 1997 liegt nach Auskunft des Ministers ein umfangreiches Programm vor.

Abgeordneter Dipl.-Ing. PRINZHORN kündigte daraufhin namens der Freiheitlichen an, den Antrag zurückzuziehen. Er klagte jedoch darüber, dass Klein- und Mittelbetriebe in Österreich viel zu wenig Informationen über EU-Förderaktivitäten hätten, und will daher Initiativen in diese Richtung setzen.

Von der Tagesordnung einstimmig abgesetzt wurde das Wiener Übereinkommen über die Errichtung einer internationalen Klassifikation der Bildbestandteile von Marken. (Schluss)