Parlamentskorrespondenz Nr. 670 vom 24.10.1997
IST LEBEN PATENTIERBAR?
Wien (PK) - Der Besondere Ausschuss zur Vorberatung des Gentechnik-Volksbegehrens tagte heute zum zweiten Mal und ging dabei, gemäss dem zuletzt vereinbarten Procedere, in die Spezialdebatte analog den Forderungen des Volksbegehrens ein. Auf der Agenda stand demzufolge eine Diskussion der Maxime "Kein Patent auf Leben".
Zuerst resümierte Dr. Peter WEIHS, der Bevollmächtigte des Volksbegehrens, das zentrale Anliegen der Initiatoren. Es gehe darum, dass Leben und Teile von Leben nicht patentfähig sein sollten. Diesem Ansatz müsse man europaweit zum Durchbruch verhelfen, weshalb er hoffe, dass der Ausschuss zu einem entsprechend klaren Ergebnis komme.
In einer Fragerunde begehrten die Abgeordneten - namentlich Dr. LUKESCH (VP), Mag. BARMÜLLER (L), Mag. MAIER und GRADWOHL (beide SP) sowie Ing. LANGTHALER (G) - von den geladenen Experten Auskunft, wie es sich mit der Patentierung im allgemeinen und der EU-Patentrechtsrichtlinie im besonderen verhalte. Zur Sprache kamen dabei auch der Themenkomplex Anwendungs- und Verfahrenspatent versus Stoffpatent, der ethische Aspekt der Patentierung von Leben sowie die Frage, welche Alternativen des Schutzes wirtschaftlicher Interessen sich zu einer Patentierung allfällig bieten könnten.
Bundesminister Dr. FARNLEITNER und Dr. RAFEINER, Präsident des Österreichischen Patentamts, wiesen darauf hin, dass Österreich in der Debatte um die geplante Richtlinie eine sehr entschlossene Haltung eingenommen habe und es gelungen sei, ganz wesentliche Fortschritte im österreichischen Sinne zu erzielen, etwa im Zusammenhang mit einer deutlichen Unterscheidung von Entdeckung und Erfindung, mit entsprechenden Verbesserungen beim Stoffschutz und hinsichtlich des Klonens, wo kein Patentschutz möglich sein soll.
Univ.-Prof. Dr. RUCKENBAUER bezeichnete in der Expertenrunde die Sortenschutzregelung als mögliche Alternative zur Patentvariante. Die Sorte an sich sei zwar geschützt, doch dürfe sie als Grundstoff für neue Kreuzungen verwendet werden. Prof. Dr. STRAUS meinte, es könne kein Patent auf Leben geben, sondern ein Patent beziehe sich auf die technische Lehre, die aus einer konkreten Fragestellung abgeleitet werde. Die ethische Frage müsse in einem Gesamtzusammenhang betrachtet werden, schliesslich sei es, dem Eigentumsrecht folgend, ja auch möglich, Tiere zu schlachten und zu verzehren, sie zu halten, zu züchten und dergleichen mehr. Was den Stoffschutz anbelange, so sei es durchaus möglich, ihn in Detailfragen auszuschliessen.
Dr. THEN konzedierte, es lasse sich nichts gegen Arzneimittelschutz einwenden, doch ein Produktpatent auf Gene, was praktisch das gesamte Gen inkludiere, müsse abgelehnt werden. Vor allem Patente auf menschliches Leben sollten und dürften nicht vergeben werden. Im übrigen habe sich der Sortenschutz bewährt. EP-Abgeordneter ROTHLEY urgierte entsprechende Transparenz in diesen Fragen, damit sich die Forschung nicht im geheimen abspiele und sich so der Öffentlichkeit entziehe. Es bestehe die Gefahr einer Rechtszersplitterung beim Patentrecht, weshalb eine einheitliche europäische Richtlinie notwendig sei. Die Wichtigkeit der Transparenz unterstrich auch Univ.-Prof. Dr. VOGEL, der letztlich darauf hinwies, wenn jemand das Zahnrad erfunden habe, so sei deshalb das Eisen, aus dem es bestehe, noch keine Innovation. Man müsse also zwischen der wissenschaftlichen Leistung einerseits und dem allgemeinen Grundstoff andererseits unterscheiden.
Univ.-Prof. Dr. VIRT bezeichnete die Richtlinie als Zwischenprodukt im Gefolge eines Nachdenkprozesses, doch bedürfe es noch weiterer Verfeinerungen. Es gelte abzuklären, wie sich die Richtlinie konkret auswirken werde. Mag. BRENNER und Univ.-Prof. Dr. POTZ sprachen sich dafür aus, Anwendungs- und Verfahrenspatente zuzulassen, da hier jeweils ein originärer Input zu konstatieren sei, Stoffpatente seien jedoch tendenziell abzulehnen.
In der Folge entspann sich eine Debatte darüber, was nun tatsächlich als "neu" einzustufen sei. Die DNA etwa sei seit langem bekannt, weshalb ein Patent darauf einigermassen befremdend wirken müsste. Es gebe hier, so etwa Vogel, ein permanentes Missverständnis zwischen Molekularbiologen und Juristen. Vogel votierte dafür, Gene und Gensequenzen aus der Patentierbarkeit herauszunehmen und alles weitere der Intelligenz der Industrie zu überlassen.
Bundesrat Dr. BÖHM (F) meinte, es brauche ein Schutzrecht eigener Art, das sich etwa am Urheberrecht orientieren solle, denn die mühevollen Adaptionen des Patentrechts zeigten, dass dieses Mittel nicht wirklich tauglich sei. EP-Abgeordnete Dr. BERGER (SP) sagte, Verfahrens- resp. Stoffpatente seien heftiger Diskussionsgegenstand im Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments, wobei sie die Ansicht vertrete, dass zwar Verfahrenspatente - vor allem für die Industrie - von einiger Wichtigkeit seien, dass man aber Nein zu Stoffpatenten sagen müsse. Es stelle sich die Frage, wie zwischen der Stoffsequenz, etwa der Genkonfiguration, und allen Folgeschritten unterschieden werden könne. Immerhin sei die jetzige Vorlage besser als der ursprüngliche Vorschlag der Kommission. Es gelte, einen gesamteuropäischen Konsens in dieser Frage zu erzielen.
In einer zweiten Abgeordnetenrunde interrogierte Abgeordneter Mag. Barmüller, wie es sich bei der Patentvergabe verhalte, wenn die öffentliche Hand die entsprechenden Forschungen durch die Vergabe von Mitteln entscheidend gefördert habe. Auch stelle sich die Frage, wie es sich mit dem Stoffschutz bei zwei verschiedenen Verfahren, die jeweils zum selben Ergebnis führten, verhalte. Abgeordneter Dipl.-Ing. KUMMERER (SP) wollte wissen, welchen Stellenwert die Ethik-Kommission haben werde. Könne diese vorab tätig sein oder obliege es ihr nur, hinterher ein Resümee zu ziehen. Ausschussvorsitzende RAUCH-KALLAT (VP) schliesslich interessierte sich dafür, wieweit sich die geplante Richtlinie der EU vom geltenden österreichischen Patentrecht unterscheidet.
Rauch-Kallat brachte auch einen VP-SP-Entschliessungsantrag ein, wonach ein österreichisches Monitoring-Komitee zur Evaluation der Wirkungen der Richtlinie zum Schutz biotechnologischer Erfindungen eingerichtet werden sollte. Hauptaufgabe sollte es sein, die Auswirkungen der in Umsetzung der Richtlinie erlassenen österreichischen Rechtsvorschriften auf Menschenrechte, Tiere, Pflanzen und ökologische Systeme, aber auch auf den Konsumentenschutz sowie die Landwirtschaft zu überprüfen und die forschungs- und wirtschaftspolitischen Konsequenzen zu beobachten.
In dieses Komitee sollten Vertreter der Sozialpartner, des Konsumentenschutzes, des Umweltbundesamtes sowie des Gentechnik-VB eingebunden sein. Der Minister für wirtschaftliche Angelegenheiten hätte dem Komitee in regelmässiger Folge Bericht zu legen, so der Antrag. (Schluss)