Parlamentskorrespondenz Nr. 80 vom 12.02.1998

FPÖ HINTERFRAGT IM BUNDESRAT LESUNG VON OTTO MÜHL IM BURGTHEATER

Wien (PK) - Bundesrätin MÜHLWERTH (F) bezeichnet es in ihrer Anfragebegründung als unerträglich, dass ein rechtskräftig verurteilter "Kinderschänder" an einer staatlich subventionierten Bühne ungestraft die Justiz verhöhnen dürfe. Auch sei die Haltung des Staatssekretärs Wittmann unzulässig, sich hier als zuständiger Politiker aus der Verantwortung stehlen zu wollen. Mühl zeige sich immer noch uneinsichtig und betrachte sich gleichsam als "Dissidenten", der von der Justiz als unbequemer Künstler verfolgt worden sei. Kritik übt die Rednerin auch am ORF, dessen Bericht Mühls Verbrechen auf die Ebene eines "Bagatelldeliktes" reduziert habe. Otto Mühl trete den Rechtsstaat mit Füssen, die Regierung schweige dazu, kritisiert Mühlwerth, die hofft, dass sich solche Fälle nicht wiederholen.

Staatssekretär Dr. WITTMANN meint, Mühl sei von einem österreichischen Gericht rechtskräftig verurteilt worden und habe seine Strafe vollständig verbüsst. Die Delikte seien schwerwiegend gewesen und sollten nicht verharmlost werden, dennoch müsse zwischen dem Menschen Mühl und dem Künstler Mühl getrennt werden. Die Politik habe sich nicht in den Spielplan eines Hauses einzumischen. Es widerspreche seiner Auffassung von Kunst, "auf künstlerische Veranstaltungen, sofern sie sich im Rahmen der Gesetze bewegen, inhaltlich Einfluss nehmen zu wollen". Die Politik solle sich nicht in das künstlerische Tagesgeschehen eines Hauses einmischen, die Unabhängigkeit eines Theaterleiters müsse gewahrt bleiben, zumal in Zeiten, da die Autonomie der Bundestheater gestärkt werden soll. Er werde sich auch in Zukunft nicht in die Spielplangestaltung der einzelnen Häuser einmischen.

Der Staatssekretär betont, keineswegs einer Verharmlosung der von Mühl begangenen, schwerwiegenden Delikte das Wort reden zu wollen, vielmehr habe man sich mit diesen - "nicht zuletzt auch im Licht der gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen" - sehr genau auseinanderzusetzen. Mühl sei jedoch Vertreter des Wiener Aktionismus, einer der "wichtigsten Beiträge Österreichs zur zeitgenössischen bildenden Kunst". Mühls Einfluss auf diese Kunstrichtung könne man kritisch würdigen, ohne deshalb die von ihm begangenen Delikte gutheissen zu müssen.

In Beantwortung der konkreten Fragen stellt Wittmann fest, für die Veranstaltung seien lediglich Ausstattungskosten von 2.000 S für ein Podest und 7.000 S für ein Prospekt entstanden. Die Einnahmen der Lesung hätten 76.475 S betragen, dem Autor wurden 14.000 S als Honorar ausbezahlt. Sonstige Spesen seien nicht angefallen. Mühls Buch "Aus dem Gefängnis 1991 bis 1997" sei ebensowenig subventioniert worden, wie Mühl oder seine Kommune im jetzigen Kompetenzbereich des Bundeskanzleramts Subventionen erhalten hätten. Es gebe auch keine Pläne, das genannte Buch seitens des Bundes aufzukaufen. Generell solle man nicht über das Strafrecht hinausgehende Verfolgungsmassnahmen setzen, wenn es um einen Künstler gehe.

Bundesrat Mag. GUDENUS (F) hält es für einen Skandal, Otto Mühl ein öffentliches Auftreten zu ermöglichen und sich dabei hinter dem Paravent "Freiheit der Kunst" und "Freiheit des Burgtheaters" zu verstecken. Er klage den Zeitgeist an, sagt Gudenus und meint in Richtung von Staatssekretär Wittmann, dieser hätte ganz andere Möglichkeiten, mit seinen Institutionen umzugehen. "Tun Sie etwas, agieren Sie, verstecken Sie sich nicht", ruft er Wittmann auf. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass bei der Causa nicht die Kunst Otto Mühls zur Debatte steht, sondern seine Taten, und kritisiert "die Werbung für einen Kriminellen".

Bundesrat Mag. HIMMER (VP) führt aus, man müsse kein prüder Kleinbürger sein, um der wohlwollenden Behandlung Otto Mühls durch manche Personen verständnislos gegenüberzustehen. Seiner Meinung nach tragen jene, die Burgtheater-Direktor Peymann seinerzeit bestellt haben, dafür die Verantwortung, was jetzt im Burgtheater stattfindet, "da kann man sich nicht so einfach davonschleichen". Claus Peymann sei, so Himmer, ein sehr begabter Regisseur, ein unfähiger Manager und ein erbärmlicher Mensch. Für ihn sind die Grenzen der Freiheit der Kunst mit der Lesung Mühls im Burgtheater überschritten worden.

Bundesrat Dr. LUDWIG (SP) macht geltend, dass Otto Mühl für die von ihm begangenen Vergehen "zu Recht" verurteilt worden sei und seine Strafe verbüsst habe. Ihm zufolge ist die Lesung im Burgtheater sicher kein Höhepunkt im künstlerischen Schaffen des Burgtheaters gewesen, es könne aber nicht Aufgabe der Politik sein, den Spielplan eines Theaters zu bestimmen. Wenn man Interventionen fordere, solle man klar und deutlich sagen, dass man Zensur meine, sagt Ludwig, diese Zensur lehne er jedoch ab. Den Freiheitlichen wirft er vor, dass es ihnen nicht um die Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Werk Mühls gehe, sondern darum, aus den Ereignissen politisches Kapital zu schlagen.

Bundesrat Dr. BÖSCH (F) erklärt, auch für ihn sei die Freiheit der Kunst unbestritten, in diesem Fall gehe es aber um die "Doppelzüngigkeit der Bundesregierung". Es sei keine Trennung möglich zwischen dem Künstler Otto Mühl und jenem Otto Mühl, der die Verbrechen begangen habe, stellt er fest. Als "faule Ausrede" qualifiziert Bösch den Hinweis auf die Autonomie des Burgtheaters durch Wittmann. Dieser sei der für Kultur verantwortliche Staatssekretär und habe die Konsequenzen zu ziehen.

Bundesrätin Dr. RIESS-PASSER (F) kritisiert, dass Staatssekretär Wittmann in seiner Anfragebeantwortung kein einziges Wort über die Opfer Otto Mühls verloren habe, und wertet dies als Zynismus. Mühl zeige nach wie vor keine Einsicht in seine Taten und keine Reue, bedauert sie, er habe auch nichts in Richtung Entschädigung seiner Opfer unternommen. Riess-Passer glaubt, dass Otto Mühl ein Günstling des Bundeskanzlers und des Staatssekretärs ist. Was hier mit Unterstützung aus Steuergeldern geschehe, sei eine Schande.

Bundesrat Dr. TREMMEL (F) fragt sich, woher die Kommune Friedrichshof ihre durchaus bedeutenden Geldmittel gehabt habe, und wünscht sich, dass diesem Problem nachgegangen werde. Er macht in diesem Zusammenhang auf die hohen Kosten für den Prozess Otto Mühls, für den Unterhalt seiner Ehefrau und für "Schweigegelder" für die Opfer aufmerksam. Kein Verständnis zeigt Tremmel auch für die Aufführung einer "Häfenelegie" auf der grössten Bühne Österreichs.

Bundesrat DDr. KÖNIGSHOFER (F) weist darauf hin, dass Otto Mühl keine Einsicht in den Unrechtsgehalt seiner Taten zeige. In einer Zeit, wo in ganz Europa vermehrt Sexualdelikte gegenüber Kindern begangen würden, stelle man einem einschlägig vorbestraften Täter die grösste - mit öffentlichen Steuergeldern subventionierte - Bühne des Landes zur Verfügung. Damit werde ein Konnex zwischen Kindesmisshandlung und öffentlicher Förderung hergestellt.

Staatssekretär Dr. WITTMANN bekräftigt in einer zweiten Stellungnahme, dass die Taten Otto Mühls keineswegs zu verharmlosen seien, gibt aber zu bedenken, dass ihn dafür Gerichte verurteilt hätten. Seiner Meinung nach ist es eine gefährliche Forderung, in den künstlerischen Freiraum eines Theaterdirektors einzugreifen, weil dieser jemandem, der seine Strafe bereits verbüsst habe, seine Bühne zur Verfügung stelle. Ein Eingriff wäre nichts anderes als Zensur, unterstreicht Wittmann, das gleiche gelte für eine Intervention beim ORF aufgrund dessen Dokumentation über Otto Mühl.

Für Bundesrat MEIER (SP) ist es wichtig, dass die Gesetze des Landes eingehalten und Vergehen dagegen geahndet werden. Otto Mühl sei für seine strafbaren Handlungen verurteilt worden, es sollte nicht Aufgabe der Politik sein, in Kunstfragen Einfluss zu nehmen und zu beurteilen, ob etwas Kunst sei oder nicht. Die Gesellschaft müsse dies selbst entscheiden.

Bundesrat KONECNY (SP) drückt tiefes Unbehagen über die Art, wie in der heutigen Debatte zur dringlichen Anfrage argumentiert wurde, aus. So bemängelt er die Aussage von Bundesrat Gudenus, wonach Staatssekretär Wittmann mit den Verantwortlichen im Burgtheater "umspringen" sollte. Er betont ausserdem, dass es keine "gute Zensur" gebe. Im übrigen verwahrt sich Konecny dagegen, eine Partei, die SPÖ, in Verbindung mit den Geschehnissen rund um Otto Mühl zu bringen.

In einer zweiten Wortmeldung nimmt Bundesrätin Dr. RIESS-PASSER (F) zur Wortmeldung von Bundesrat Konecny Stellung und verweist darauf, dass Mühl einem Zeitungsbericht zufolge in den fünfziger Jahren der SPÖ beigetreten sei und eine der SPÖ nahestehende Wohnbauförderungsgesellschaft die Kommune Friedrichshof gefördert habe. (Schluss)

Format