Parlamentskorrespondenz Nr. 207 vom 02.04.1998
GESUNDHEITSAUSSCHUSS LEHNT FREIGABE WEICHER DROGEN AB
Wien (PK) - Vor Eingang in die Tagesordnung setzte der Obmann des Ausschusses Dr. PUMBERGER (F) gemäss der Geschäftsordnung des Nationalrates eine aktuelle Aussprache an. Als Themen nannte er die Neuregelung, dass Zahnambulatorien auch festsitzende Zahnersätze machen dürfen, und die Einführung von Selbstbehalten für in der Sozialversicherungsanstalt für Bauern Versicherte ab 1. Juli dieses Jahres.
Diese Themenvorgabe führte zu Wortmeldungen der Abgeordneten Mag. GUGGENBERGER (SP), Dr. LEINER (VP) und MOTTER (L), die darauf hinwiesen, dass die genannten Punkte nicht in den Arbeitsbereich des Gesundheitsausschusses fallen, sondern im Sozialausschuss behandelt werden müssten und somit in der laufenden Sitzung nicht hinterfragt werden können. Dem widersprachen sowohl der Ausschussobmann als auch seine Fraktionskollegen Dr. POVYSIL und Dkfm. Holger BAUER. G-Abgeordnete HAIDLMAYR teilte die Auffassung der Ausschussmehrheit und regte ihrerseits an, über die Impfaktion eine aktuelle Aussprache abzuhalten.
Dazu erklärte Gesundheitsministerin HOSTASCH, dass das Ressort für die Impfaktion ein grösseres Budget als bisher bereitstelle, um eine höhere Impfprophylaxe bei Kindern zu erreichen. So sollen für Säuglinge und Kinder bis zu 15 Jahren die vom Obersten Sanitätsrat empfohlenen Impfstoffe kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Die Ressortleiterin bestritt, dass es hinsichtlich dieser Aktion ein Chaos gebe.
Da man sich über die Abhaltung der aktuelle Aussprache nicht einigen konnte, wurde die Sitzung unterbrochen und nach deren Wiederaufnahme seitens des Ausschussobmannes verkündet, dass die Aussprache nicht stattfinden wird, weil entgegen parlamentarischer Gepflogenheit die anderen Fraktionen nicht rechtzeitig verständigt worden seien.
NEUES BUNDESINSTITUT FÜR ARZNEIMITTEL
Gemäss einer Regierungsvorlage werden die drei bundesstaatlichen Arzneimitteluntersuchungsanstalten zu einem Bundesinstitut für Arzneimittel zusammengeführt. Im Rahmen der Umstrukturierung der Arzneimittelanstalten soll auch die Rechtslage hinsichtlich des nicht mehr bestehenden Serotherapeutischen Instituts und der nicht mehr existenten staatlichen Schutzimpfungsanstalt gegen Wut bereinigt werden.
In ihren positiven Stellungnahmen sprachen die Abgeordneten HAIDLMAYR (G) und MOTTER (L) von einer sinnvollen Regelung. Ministerin HOSTASCH stellte fest, durch die Zusammenführung werde kein Personal abgebaut, die Mitarbeiter behalten jenen Rechtsstatus, den sie sich bisher erworben haben.
Kritik kam von freiheitlicher Seite. Abgeordnetem Dr. PUMBERGER wäre es lieber gewesen, wenn es eine Zusammenlegung und nicht eine Zusammenführung gegeben hätte. Zudem sei man den Empfehlungen des Rechnungshofes nicht nachgekommen. Konkret wollte Pumberger wissen, ob es zu einer Ausgliederung der Gutachtertätigkeit komme und diese von der Pharmaindustrie bezahlt werde.
Gesundheitsministerin HOSTASCH betonte, dass diese Vorlage erst ein erster Schritt sei, in einem weiteren werde den Empfehlungen des Rechnungshofes durch die Schaffung eines Anstaltengesetzes Rechnung getragen werden.
Seitens des Ressorts wurde die Ausgliederung der Gutachtertätigkeit damit begründet, dass in der Pharmakologie die Spezialisierung zunehme und nicht alle Bereiche mit der doch geringen Anzahl an Gutachtern abgedeckt werden können. Die Vorstände der pharmakologischen Institute hätten daher dem Ministerium gegenüber in Aussicht gestellt, gegebenenfalls als Gutachter zur Verfügung zu stehen.
Die Novelle wurde gegen die Stimmen der Freiheitlichen beschlossen.
G UND L FÜR FREIGABE WEICHER DROGEN, VOR ALLEM VON CANNABIS
Unter einem wurden sodann zwei oppositionelle Anträge, die sich mit der Freigabe von Cannabis befassen, behandelt: So fordern die Grünen mit der Begründung, der Konsum von Cannabisprodukten verursache geringere Gesundheitsschäden als Alkohol oder Tabak, eine Legalisierung von Cannabis für den eigenen Gebrauch und für medizinische Zwecke. Auch das Liberale Forum tritt für eine Entkriminalisierung von Cannabisprodukten, wenn auch mit einer anderen Begründung, ein.
Abgeordnete Dr. POVYSIL (F) hielt es für wichtig, die jungen Menschen stark und unabhängig zu machen und dem Suchtverhalten entgegenzuwirken. Das in der Berichterstattung vorgebrachte medizinische Argument liess sie nicht gelten, da es genügend Schmerz- und appetitanregende Mittel auf dem Markt gebe. Sie wies ferner auf einen Bericht der Vereinten Nationen hin, wonach in Westeuropa eine zu liberale Drogenpolitik betrieben werde und diese zu einem Ansteigen des Drogenkonsums führe.
Abgeordnete Dr. PITTERMANN (SP) stellte fest, in der Wissenschaft gebe es immer kontroversielle Stellungnahmen, und machte darauf aufmerksam, dass Cannabis Schäden im Gehirn hervorrufe. Auch meinte sie, Jugendliche müssten lernen, mit Stress und Frustration umzugehen und nicht "wegzutauchen". Cannabis macht ihrer Ansicht nach zwar nicht körperlich, aber psychisch abhängig.
Abgeordneter Dr. RASINGER (VP), der sich, wie er ausführte, seit acht Jahren mit Drogenpatienten befasst, nannte seine Gründe für die Ablehnung der beiden Anträge: Hasch, Cannabis und Heroin werden auf der gleichen Vertriebsschiene verkauft, bei einer Freigabe bleibt es nicht nur beim Probieren, sondern es besteht die Gefahr eines Dauergebrauchs, und die ausländischen Beispiele sind nicht positiv.
Ausschussobmann Dr. PUMBERGER zeigte sich über die Wortmeldungen der Sprecher der Regierungsparteien befriedigt und hofft, dass diese Linie weiter fortsetzt werde.
G-Abgeordnete HAIDLMAYR verwies auf die Gesundheitskosten, welche Alkohol und Nikotin verursachen, und stellte dem die Kosten für die Folgen von Cannabiskonsum gegenüber. Abgeordnete MOTTER (L) trat für eine strengere Einhaltung des Jugendschutzgesetzes ein und sprach sich dafür aus, weiche Drogen nicht anders zu behandeln wie Alkohol und Nikotin.
Beide Anträge wurden von den Koalitionsparteien und den Freiheitlichen abgelehnt.
PILOTPROJEKT FÜR ÄRZTLICH KONTROLLIERTE HEROINABGABE ABGELEHNT
In einem weiteren Antrag verlangen L-Abgeordnete von der Regierung gesetzliche Massnahmen, um ein Pilotprojekt starten zu können, bei dem neben der weiteren Untersuchung des Ersatzstoffes Methadon auch die Wirkungen einer therapeutischen Behandlung mit Heroin geprüft werden.
Abgeordneter Dr. LEINER (VP) fragte sich, wozu Österreich ein diesbezügliches Pilotprojekt brauche, wenn solche in der Schweiz bereits existierten. Viel wichtiger sei der Ausbau entsprechender psychosozialer Betreuung. Für eine solche sprach sich auch die Abgeordnete Dr. PITTERMANN (SP) aus, die darüber hinaus anderen Substitutionsmöglichkeiten, etwa durch Methadon oder durch orale Morphine, das Wort redete.
Während Abgeordnete HAIDLMAYR (G) die Forderung nach Heroin auf Krankenschein erhob, meinte Abgeordneter Dr. RASINGER (VP), drei Ziele sollte die Politik in diesem Bereich verfolgen: dass die Menschen gar nicht erst süchtig werden, dass sie, einmal süchtig, wieder aufhören und erst drittens Möglichkeiten der Substitution ausgelotet werden. In diesem Sinne äusserte sich auch Ausschussobmann Dr. PUMBERGER und Abgeordnete Dr. POVYSIL (F), die dem Schweizer Projekt konzedierte, für die Wissenschaft unter Umständen neue Erkenntnisse zu liefern, was aber nicht dafür spreche, die Methadon-Programme zugunsten von Heroin aufzugeben.
Mit der Mehrheit von SPÖ, ÖVP und FPÖ wurde der Antrag abgelehnt.
Für eine 15a-Vereinbarung betreffend bundeseinheitliche Anerkennung des Berufes AltenfachbetreuerInnen und FamilienhelferInnen plädieren die Freiheitlichen in einem Entschliessungsantrag, der auf Antrag der SPÖ dem Sozialauschuss zugewiesen wurde.
Die Ausweitung des Fachholschulstudiengesetzes auf den Bereich der gehobenen medizinisch-technischen Dienste erachtet Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl von der FPÖ als sinnvoll und notwendig, zumal dieser Bereich alle vorgeschriebenen Voraussetzungen für eine Anerkennung als Fachhochschul-Studiengang erfüllt.
Abgeordneter Mag. MAIER (SP) stellte zu diesem Antrag fest, dass dafür gegenwärtig die Rechtsgrundlage fehle. Im übrigen liege im Wissenschaftsausschuss ein ähnlich gelagerter Antrag, der erst kürzlich vertagt worden sei, weshalb es zweckdienlich erscheine, auch diesen Antrag zu vertagen. - Für den Vertagungsantrag votierten alle Fraktionen ausser der FPÖ. (Schluss)