Parlamentskorrespondenz Nr. 303 vom 12.05.1998

IM NATIONALRAT: DER FALL PETER ROSENSTINGL

Wien (PK) - Als einziger Tagesordnungspunkt dieser Sitzung liegt dem Nationalrat vor:

BERICHT DES IMMUNITÄTSAUSSCHUSSES ÜBER DAS ERSUCHEN DES LANDESGERICHTES FÜR STRAFSACHEN WIEN VOM 8. MAI 1998, 22c Vr 1208/97, UM ZUSTIMMUNG ZUR VERHAFTUNG DES ABGEORDNETEN ZUM NATIONALRAT PETER ROSENSTINGL, ZU DIESEN BETREFFENDE HAUSDURCHSUCHUNGEN SOWIE ZU DESSEN BEHÖRDLICHER VERFOLGUNG

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Nachdem zu Sitzungsbeginn Nationalratspräsident Dr. FISCHER die Abgeordneten Dkfm. Bauer und Mag. Haupt als entschuldigt bekannt gibt, meldet sich VP-Klubobmann Dr. KHOL im Zusammenhang mit der Absenz von Abgeordnetem Rosenstingl zur Geschäftsbehandlung.

Zumal der Verdacht auf betrügerische Handlungen in privaten Firmen, aber auch im Bereich des Ringes Freiheitlicher Wirtschaftstreibender besteht, spricht sich Khol dafür aus, von heute an die in der Geschäftsordnung vorgesehene 30tägige Frist laufen lassen, nach der Rosenstingl aufzufordern ist, binnen weiterer 30 Tage zu erscheinen oder seine Abwesenheit zu rechtfertigen. Für diesen Zweck will der VP-Klubobmann eine Sondersitzung zum frühestmöglichen Zeitpunkt einberufen haben.

Präsident Dr. FISCHER hält fest, dass die Freiheitliche Partei gestern ein Schreiben an ihn gerichtet hat, in dem sie mitteilt, dass Abgeordneter Rosenstingl mit sofortiger Wirkung aus dem FPÖ-Klub ausgeschlossen wurde.

In der von ihm beantragten und einstimmig beschlossenen Debatte zur Geschäftsbehandlung spricht Abgeordneter Dr. KHOL (VP) vom Verdacht, dass Abgeordneter Rosenstingl unter dem Schutz der Immunität ein "grosses, weitverbreitetes, betrügerisches Geflecht von Firmen" aufgebaut und dabei das hohe Ansehen, das ein Abgeordneter geniesst, missbraucht hat. Rosenstingl hatte überdies hohe Parteiämter inne, unter anderem war er Klubkassier und hatte öffentliche Mittel zu verwalten. Dieser Mann stehe im Verdacht, mit 200 Mill. S "abgepascht" zu sein. Daher habe das Hohe Haus begründetes Interesse daran, das Mandat des Abgeordneten Rosenstingl so schnell wie möglich abzuerkennen.

Abgeordneter Dr. KOSTELKA (SP) ist überzeugt, dass es möglich sein werde, die Terminfrage im Einvernehmen von wenigstens vier Parteien zu lösen, um sicherzustellen, dass Rosenstingl dem Nationalrat nach Ablauf der für das Mandatsaberkennungsverfahren vorgesehenen Frist nicht mehr angehört. Die Frage der Verantwortung sei damit aber nicht erledigt. Die FPÖ wird Rede und Antwort stehen müssen, denn sie sei das "Biotop", in dem jene Vermengung von Politik und privaten Geschäften des Abgeordneten Rosenstingl habe gedeihen können. Rosenstingl habe mit einer Reihe von F-Abgeordneten Geschäfte gemacht. "Er ist weg, seine Freunde sind aber noch da." Kostelka kritisiert das "weinerliche Selbstmitleid", das die freiheitliche Partei zeige. Während sie bei anderen rufe: "Haltet den Dieb!", verabsäume sie es, die Justiz im Fall Rosenstingl zu unterstützen. "Denken Sie endlich an diejenigen, die von Rosenstingl und seinen Hintermännern um erspartes Geld gebracht wurden, ihnen gilt unser Mitleid."

Abgeordneter Mag. STADLER (F) findet es "rührend", wie sehr sich VP-Klubobmann Khol dafür einsetze, dass die FPÖ das Mandat Rosenstingls so rasch wie möglich nachbesetzen kann. Aber: "Rosenstingl ist nicht unser Fall", denn "mit gewöhnlichen Gaunern haben wir nichts zu tun. Die Zudecker- und Vertuscherparteien SPÖ und ÖVP werden das freiheitliche Erneuerungsprojekt nicht zum Stoppen bringen."

Im einzelnen macht Stadler die SPÖ auf den Fall Marizzi aufmerksam, wirft SP-Klubobmann Kostelka vor, 33 Mill. S veruntreut zu haben, und erinnert daran, dass Nationalratspräsident Dr. Fischer seit Monaten von der Pfändung des Abgeordnetengehaltes Rosenstingls wisse. 

Präsident Dr. FISCHER gibt das Einlangen einer Reihe von Verlangen auf tatsächliche Berichtigungen bekannt, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass tatsächliche Berichtigungen in Geschäftsordnungsdebatten nicht zulässig sind.

Ohne Abgeordneten Rosenstingl, der sich vermutlich strafrechtlich schuldig gemacht hat, in Schutz nehmen zu wollen, ersucht der Nationalratspräsident, den Ausdruck  "Gauner" zu vermeiden. Für den Vorwurf einer strafbaren Handlung gegenüber Klubobmann Kostelka erteilt er Abgeordnetem Stadler einen Ordnungsruf.

Abgeordnete Dr. SCHMIDT (L) hält es für ungeheuerlich, zu welchen Mitteln die Freiheitliche Partei in dieser Debatte greift. Sie weist es scharf zurück, Abgeordneten Rosenstingl mit irgendeinem Abgeordneten dieses Hauses zu vergleichen. Grundsätzlich wendet sich die Klubobfrau der Liberalen dagegen, Debatten zur Geschäftsbehandlung für inhaltliche Auseinandersetzungen zu missbrauchen, merkt aber an, dass auch sie dafür sei, Rosenstingl das Mandat so schnell wie möglich abzuerkennen. Sie hätte sich aber erwartet, dass die Freiheitlichen den Fristenlauf selbst in Gang setzen.

Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) bekennt sich zu einem möglichst raschen Aberkennungsverfahren des Mandats. Für bezeichnend hält sie es, dass die freiheitliche Partei erst jetzt zu handeln beginnt. Denn "dies ist kein Fall Rosenstingl, sondern ein Fall FPÖ". Dringend klärungsbedürftig seien die von den Medien aufgezeigten Verflechtungen zwischen Rosenstingl und der FPÖ. Haider reagiere immer sehr rasch, wenn es darum gehe, parteiinterne Kritiker und ganze Landesparteien auszuschalten. Diese Tatkraft wäre auch beim Fall Rosenstingl angebracht, der dem Parlament schade.

Abgeordnete RAUCH-KALLAT (VP) spricht von einem einmaligen Fall in der Geschichte des österreichischen Parlaments, der aber in der FPÖ offensichtlich kein Einzelfall sei. Rosenstingl war Verkehrssprecher seiner Partei, also "Verkehrsminister" im Schattenkabinett Haiders, Rumpold stehe demnächst in Oberösterreich vor Gericht, Meischberger sei wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden. Eine ehrenwerte Gesellschaft, in der sich Haider befinde, meint Rauch-Kallat und schliesst: "Man darf Sie nicht nur den geistigen Ziehvater des rechtsextremen Terrors in Österreich, sondern auch den Ziehvater dubioser politischer Figuren nennen."

Präsident Dr. FISCHER erteilt Abgeordneter Rauch-Kallat für den Ausdruck "dubiose politische Figuren" einen Ordnungsruf.

Abgeordneter SCHIEDER (SP) plädiert dafür, den Ablauf der 30-Tage-Frist beginnen zu lassen, um Rosenstingl so rasch als möglich aus dem Hohen Haus "verabschieden" zu können. Die aktuelle Debatte bezeichnet Schieder als beschämend. Abgeordneter Stadler habe die SPÖ, viele Abgeordnete, den Präsidenten und die Parlamentsdirektion verdächtigt und nur eine einzige Fraktion, nämlich die Freiheitlichen, als unschuldig dargestellt. Dabei sei mit jedem Satz und jedem Wort sein eigenes schlechtes Gewissen deutlich gemacht worden. Haider habe gestern angekündigt, eine gläserne Partei zu schaffen - "das passt, denn im Glashaus sitzt er bereits", sagt Abgeordneter Schieder.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) erinnert Abgeordnete Rauch-Kallat an die Waffengeschäfte ihres Mannes und die ÖVP an das arbeitslose Einkommen ihres Abgeordneten Höchtl. Die Rednerin zeigt sich betroffen, dass ein Kollege vermutlich strafbare Handlungen begangen hat, unterstreicht aber, dass die FPÖ sofort reagiert, offengelegt, kontrolliert, Strafanzeige erstattet und Rosenstingl aus der Partei ausgeschlossen hat. Der Vorwurf der Säumigkeit sei an die Staatsanwaltschaft zu richten, die sich eine Woche Zeit gelassen habe, dem Parlament Auslieferungsunterlagen zu schicken.

Den Antrag des Abgeordneten Khol bezeichnet Partik-Pable als überflüssig, weil die Frist zur Aberkennung des Mandats laufe, ob eine Sitzung stattfinde oder nicht. Das einzige Motiv für die Debatte sei der Versuch, aus der Causa Rosenstingl politisches Kapital zu schlagen. An Nationalratspräsident Fischer wiederholt die Abgeordnete den Vorwurf, von der Pfändung des Einkommens Rosenstingls gewusst zu haben. Es werde der SPÖ und der ÖVP nicht gelingen, den Ruf der Freiheitlichen zu schädigen, sie bleibe die Partei, die offenlegt, wenn etwas passiert.

Abgeordneter WABL (G) sieht die FPÖ über ihre Terminologie und ihre Methode der politischen Vereinfachung stolpern. Auch im Fall Rosenstingl setze sie den "Holzhammer" ein. Dazu gehöre, den Präsidenten aufzufordern, den Datenschutz zu verletzen. Es stelle sich nun die Frage, wie eine autoritäre Partei reagiere, wenn einer von ihnen mit dem Geldkoffer flüchtet. Die FPÖ habe ein strukturelles Problem, weil sie die Unwahrheit zu einem politischen Stilmittel mache.

Zum Abschluss dieser Debatte stellt Nationalratspräsident Dr. FISCHER fest, dass die Frist zur Aberkennung des Mandats von Abgeordnetem Rosenstingl gemäss Paragraph 2 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu laufen beginnt. 

Der vorsitzführende Präsident Dr. NEISSER kündigt vor Eingang in die Tagesordnung für 15 Uhr eine kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag der FPÖ betreffend Abschaffung der ausserberuflichen Immunität für Nationalratsabgeordnete an.

Justizminister Dr. MICHALEK teilt mit, dass die erste Anzeige gegen Rosenstingl bei der Staatsanwaltschaft am 23.2.1998 eingelangt ist und am 27.2. an die Wirtschaftspolizei weitergeleitet wurde. Dieser lagen bereits die in den Medien kolportierten Anzeigen des Vorjahres vor. Am 8.5. wurde durch die Staatsanwaltschaft die Einleitung einer Voruntersuchung gegen Rosenstingl wegen des Verdachtes der Untreue und des Betrugs sowie die Erlassung eines Haftbefehls beantragt. Gegenstand des Antrags waren die in den Anzeigen der Firma Omikron und des Ringes Freiheitlicher Wirtschaftstreibender enthaltenen Vorwürfe. Das Justizministerium wird sich, wie Michalek betont, über den Fortgang des Verfahrens laufend berichten lassen.

Abgeordneter Dr. KOSTELKA (SP) wirft der FPÖ vor, viel zu spät Aufklärungshandlungen gesetzt zu haben, und spricht von einem "Kartell der Vertuscher" und von "Mitschuld der Hintermänner". Schon in den Jahren 1994 und 1995 habe es einschlägige Hinweise gegeben, und FP-Obmann Haider habe längst über die Vorwürfe gegen Rosenstingl Bescheid gewusst. Aus Rücksicht auf die Landtagswahlen habe man aber stillgehalten und damit gegen die Interessen der anständigen Anleger verstossen, meint Kostelka. Für den SP-Klubchef trägt Haider in der Causa Rosenstingl eine "culpa in eligendo".

Kostelka weist auch auf eine, wie er sagt, Vermengung von Privatgeschäften und politischen Geschäften hin, wobei er insbesondere die FPÖ-Niederösterreich anspricht. Die Rolle von Funktionären wie Schreiner, Ofner, Mentil und Schimanek sei jedenfalls aufklärungsbedürftig. Der Redner fordert die FPÖ auf, sich wie die SPÖ der Kontrolle eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers zu unterwerfen.

Abgeordneter Mag. STEINDL (VP) stellt fest, die Causa Rosenstingl zeige den Zustand der FPÖ auf, die sich immer als Aufräum- und Saubermann-Partei präsentiert hat. Auch wenn die Freiheitlichen jetzt Kindesweglegung betreiben wollen, so handle es sich doch um ihr Parteisystem und um ihren Sumpf. Steindl zweifelt an der Effizienz der internen Kontrolle in der FPÖ und meint im übrigen, die Aufdeckerpartei FPÖ sei zu lange auf Tauchstation gewesen.

Der Fall wirft nach den Worten Steindls ein fragwürdiges Licht auf das Image der FPÖ als Wirtschaftspartei und als Partei der kleinen Leute. Der Redner fordert volle Aufklärung über das Ausmass des Schadens und über die zahlreichen Firmenverflechtungen der FPÖ.

(Fortsetzung)

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