Parlamentskorrespondenz Nr. 547 vom 20.07.1998

KEIN BEDEUTUNGSVERLUST DES PARLAMENTS DURCH EU-MITGLIEDSCHAFT

Wien (PK) - In seiner Pressekonferenz anlässlich des Tagungsendes wies Nationalratspräsident Dr. FISCHER auf eine unverändert intensive Arbeit des Parlaments hin. In 54 Plenarsitzungen wurden 159 Gesetze beschlossen, die Zahl der Sitzungstage stieg damit gegenüber der vorangegangenen Tagung um 7, jene der Gesetzesbeschlüsse ebenfalls um 7. Die EU-Mitgliedschaft habe also nicht dazu geführt, dass der Gesetzgeber einen Teil seiner Aufgaben verliert, betonte Fischer. Vielmehr hat das Parlament neue Aufgaben übernommen, dies auch auf internationaler Ebene.

Fischer kündigte in diesem Zusammenhang für 24. und 25. Oktober eine Konferenz der Parlamentspräsidenten der Zentraleuropäischen Initiative (CEI) in Graz an. Am 23. und 24. November wiederum wird in Wien eine Tagung der Vorsitzenden der Europaausschüsse (COSAC) stattfinden, für den 1. Dezember ist ebenfalls in Wien eine Konferenz der Parlamentspräsidenten der EU-Staaten geplant, die sich mit den Ergebnissen des Gipfels von Pörtschach befassen und zudem die abschliessende Ratstagung vorbereiten wird.

Was die Causa Rosenstingl betrifft, erwartet sich der NR-Präsident, wie er betonte, keinen Imageverlust des Parlaments. Der Fall sei unangenehm, er, Fischer, könne sich aber nicht vorstellen, dass die Bürger das Hohe Haus dafür verantwortlich machen. Der Nationalrat habe ein einwandfreies Verfahren gewählt und sich zudem auch für jene Variante entschieden, die einer endgültigen Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof unterliegt.

In Anspielung auf Jahr für Jahr kolportierte Statistiken über die Tätigkeit von Abgeordneten stellte Fischer mit Nachdruck fest, dass der "Fleiss" eines Mandatars nicht an der Zahl seiner Wortmeldungen gemessen werden könne.

An für das nächste Parlamentsjahr geplanten Gesetzesvorhaben nannte der Präsident ein umfangreiches Demokratiepaket, durch das u.a. die Zahl der für die Bundespräsidentenwahl erforderlichen Unterstützungserklärungen einheitlich mit 6.000 festgesetzt wird. Die Privilegierung anderer Arten der Kandidatur soll dadurch abgeschafft werden. Für die Einleitung eines Volksbegehrens wiederum soll die erforderliche Zahl an Unterstützungserklärungen ein Promille der Bevölkerungszahl betragen, was in der Praxis, wie Fischer erläuterte, einer Senkung von 10.000 auf 8.000 gleichkommt.

Fischer nahm auch zum umstrittenen Homosexuellen-Paragraphen des StGB Stellung und bezeichnete die österreichische Gesetzgebung auf diesem Gebiet als "die diskriminierendste und rückständigste in Europa". Er bedauerte die divergierenden Meinungen innerhalb der Koalition, zeigte sich aber zuversichtlich, dass in Zukunft mit dem

Regierungspartner eine gemeinsame Basis in dieser Frage gefunden werden kann. (Schluss)