Parlamentskorrespondenz Nr. 621 vom 01.10.1998

HEINZ FISCHER - EIN PRÄSIDENT WIRD 60

Wien (PK) ‑ Nationalratspräsident Dr. Heinz FISCHER wurde am 9. Oktober 1938 in Graz geboren. Die Kriegsjahre verlebte er in Wien. In eine sozialdemokratische Familie hineingeboren, wurde er früh erwachsen und erkannte die Grausamkeit dieses Regimes und des von ihm entfesselten Weltenbrandes. Fischers Vater Rudolf schloss sich nach dem Kriegsende sofort der wiedergegründeten Sozialdemokratie an. Dabei war Rudolf Fischer kein "kleiner Fusssoldat" ‑ er gehörte 1954 bis 1956 als Staatssekretär der Bundesregierung an ‑, sodass Heinz Fischer praktisch von klein auf mit der hohen Politik aufwuchs, trafen sich doch in der Wohnung der Eltern immer wieder prominente SPÖ‑Funktionäre zum Gedankenaustausch. Für Heinz Fischer war es dann auch beinahe eine Selbstverständlichkeit, zum erstbesten Zeitpunkt selbst in den Reihen der Arbeiterbewegung aktiv zu werden. Als sich 1953 der Verband Sozialistischer Mittelschüler konstituierte, zählte Fischer zu den Gründungsmitgliedern.

Nach der Matura begann er 1956 an der Universität Wien Jus zu studieren und wechselte demgemäss in den VSStÖ über. Nur wenig später "schnupperte" der künftige Nationalratspräsident erstmals "parlamentarische Luft", wählten ihn die Studenten doch als Vertreter des VSStÖ zum Mandatar der Österreichischen Hochschülerschaft, ein Amt, das Fischer von 1959 bis 1961 ausübte. In diesem Jahr 1961 promovierte Fischer auch zum Doktor der Rechte.

Nun lag für ihn eigentlich der weitere Lebensweg als Jurist auf der Hand, doch plötzlich erhielt er das Angebot, als Rechtsexperte Mitarbeiter des SPÖ‑Parlamentsklubs zu werden. Nach kurzem Überlegen nahm er an und bezog damit vor nunmehr 36 Jahren erstmals im Hohen Haus ein Büro. In den folgenden Jahren prägte er zunächst mit Leopold Gratz, später in alleiniger Verantwortung, die Arbeit der sozialistischen Fraktion. Seine kompetente und sachverständige Art fand dabei nicht nur allerorten Beifall, sie prädestinierte ihn gleichsam für "höhere Weihen", und so war es denn auch nicht verwunderlich, dass die SPÖ den 33jährigen für die Nationalratswahlen 1971 kandidierte. Im November dieses Jahres wurde er als Abgeordneter angelobt und nahm sogleich in der zweiten Reihe des Sitzungssaales Platz, um so eine gute Kommunikationsbasis mit dem neuen Klubobmann Gratz zu haben, da Fischer weiterhin auch die Agenden des Klubdirektors wahrnahm. Ob seiner Erfahrung war er schnell eingearbeitet und wurde zum unverzichtbaren Bestandteil der sozialistischen Parlamentarierriege. Dem trug die Partei Rechnung, als sie Fischer 1975 zum geschäftsführenden Klubobmann  - nominell hatte Kanzler Kreisky dieses Amt inne - wählte. Vier Jahre später wurde Fischer auch stellvertretender Parteivorsitzender, eine Funktion, die er seit nunmehr 19 Jahren ausübt.

Als sich Anfang der achtziger Jahre das Ende der Ära Kreisky abzuzeichnen begann, zählte Fischer neben Gratz und Blecha - Androsch war im Januar 1981 aus allen politischen Ämtern geschieden - zu den prominentesten "Kronprinzen" des "Sonnenkönigs". Als Kreisky 1983 die neuerliche absolute Mehrheit versagt blieb und er daraufhin zurücktrat, ging die SPÖ eine Koalition mit den Freiheitlichen ein, in der Heinz Fischer das Amt des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung übernahm. Beinahe vier Jahre gehörte er der Bundesregierung an, ehe er im Januar 1987 wieder den Posten des Klubobmannes ‑ und diesmal nicht "nur" geschäftsführend ‑ übernahm.

Nach den Nationalratswahlen 1990 wurde Fischer mit überwältigender Mehrheit zum Nationalratspräsidenten gewählt. Mittlerweile ist er in diesem Amt nach Anton Benya bereits der am zweitlängsten amtierende Vorsitzende, und in seiner Ära als Präsident des Hohen Hauses standen ihm bislang zwei Zweite (Dr. Lichal, Dr. Neisser) und drei Dritte (Dr. Schmidt, Mag. Haupt, Dr. Brauneder) Präsidenten zur Seite.

Doch bei allem Engagement in der Politik hat Fischer nie auf ein zweites Standbein im Berufsleben verzichtet. Schon in den siebziger Jahren unterrichtete er an der Universität Innsbruck Politikwissenschaften, ist mittlerweile dort ordentlicher Universitätsprofessor und etablierte sich in den letzten 25 Jahren auch als Autor zahlreicher politikwissenschaftlicher und historischer Sachbücher, wie etwa "Das politische System Österreichs" (1975) und "Die Kreisky‑Jahre" (1993).

Unter der Vorsitzführung Fischers wandelte sich das Parlament zu einem Ort der Begegnung. Nicht nur dass die Zahl ausländischer Besuche seit 1990 sprunghaft angestiegen ist ‑ so waren u.a. der spanische König Juan Carlos, Ex‑Präsident Michail Gorbatschow oder der Vorsitzende der palästinensischen Autonomiebehörde Yassir Arafat zu Gast ‑, auch in kultureller Hinsicht konnte das Haus am Ring in den letzten Jahren einen merklichen Aufschwung verzeichnen. Künstler aller Schattierungen, Wissenschaftler und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens kommen immer wieder zu den verschiedensten Veranstaltungen im Parlament zusammen. (Schluss)