Parlamentskorrespondenz Nr. 770 vom 27.11.1998
PLENUM: RICHTERBESOLDUNG, BUDGETTHEMEN UND FRISTSETZUNGSDEBATTE
Wien (PK) - Im weiteren Verlauf seiner Sitzung wendet sich der Nationalrat einer Regierungsvorlage mit einem neuen Besoldungsschema für Richter und Staatsanwälte zu. Im einzelnen geht es um eine
ÄNDERUNG DES RICHTERDIENSTGESETZES, DES GERICHTSORGANISATIONSGESETZES, DES STAATSANWALTSCHAFTSGESETZES, DES BEAMTEN-DIENSTRECHTSGESETZES 1979, DES GEHALTSGESETZES 1956, DES NEBENGEBÜHRENZULAGENGESETZES, DER REISEGEBÜHRENVORSCHRIFT 1955, DES PENSIONSGESETZES 1965 UND DES BUNDESFINANZGESETZES 1999
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Abgeordneter GAUGG (F) bezeichnet das Gesetz als Schritt in die richtige Richtung und begrüsst insbesondere die Anhebung der Anfangsbezüge bei gleichzeitiger Abflachung der Endbezüge. Kein Verständnis hat Gaugg allerdings für die Versetzung in den Ruhestand infolge einer negativen Leistungsbeurteilung.
Abgeordnete HAGENHOFER (SP) spricht ebenfalls von einem richtigen Schritt in die richtige Richtung und hebt die Verflachung der Einkommenskurve als beispielgebend für andere Bereiche hervor.
Abgeordneter Mag. BARMÜLLER (L) spricht von einem Vorbild für die Besoldung anderer Bereiche im öffentlichen Dienst.
Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) schliesst sich der positiven Beurteilung seiner Vorredner nur bedingt an. Er begrüsst die flachere Gehaltskurve, das Gesetz sei aber zu wenig transparent.
Staatssekretär Dr. RUTTENSDORFER nimmt die Anregung gerne auf, die Gehaltsverläufe nicht so steil antsteigen zu lassen, dafür aber die Gehälter für Jüngere anzuheben. Er gibt jedoch zu bedenken, dass eine diesbezügliche Umstellung nur schrittweise möglich ist.
Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) kritisiert, bei dieser Reform seien die Rechtspraktikanten vergessen worden, die schon durch das Sparpaket Einbussen hinnehmen mussten.
Bei der Abstimmung wird die Änderung des Richterdienstgesetzes in dritter Lesung einstimmig angenommen.
VP-SP-ANTRAG 937/A BETREFFEND ÄNDERUNG DES BUNDESHAUSHALTSGESETZES*L-ANTRAG 414/A BETREFFEND ERHÖHUNG DER TRANSPARENZ DER ENTWICKLUNG DES BUNDESHAUSHALTES
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Abgeordneter Mag. TRATTNER (F) kritisiert die Gesetzesänderung als eine Legitimation für die grauen Schulden des Bundes. Die Regierung gehe den Weg der Auslagerung, um die Finanzschuld niedrig zu halten und die Maastricht-Kriterien zu erreichen. Dadurch wird das Bild der Budgetwahrheit verzerrt, klagt Trattner.
Abgeordneter Dr. NOWOTNY (SP) hebt demgegenüber die Bedeutung der nunmehr im Haushaltsrecht verankerten Flexibilisierungsklausel hervor. Erstmals erhält der öffentliche Sektor die Chance, durch eigenverantwortliches Handeln Kosten zu reduzieren, die der jeweiligen Abteilung dann zugute kommen können. Nowotny spricht in diesem Zusammenhang von einer Investition in die Zukunft.
Abgeordneter Dr. KIER (L) warnt vor dem Verlust der Budgettransparenz beim Personalstand infolge von Veränderungen im Gefüge der Bundesministerien. Das Bundeshaushaltsgesetz Gesetz nehme auf diesen Umstand keine Rücksicht.
Abgeordneter Mag. MÜHLBACHLER (VP) merkt zustimmend an, durch dieses Gesetz könnten nun Ausgabeneinsparungen und Einnahmenvermehrungen im Ressort verbleiben.
Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) unterstützt die Novelle und begrüsst die verstärkte Flexibilität im Haushaltsrecht und die Ergebnisverantwortung der betroffenen Organisationseinheiten. Positiv sei insbesondere der auch Experimentcharakter des Gesetzes.
Abgeordneter Ing. GARTLEHNER (SP) erwartet sich von dem Gesetz höhere Produktivität bei geringeren Kosten. Dem Antrag der Liberalen betreffend Erhöhung der Transparenz bringt Gartlehner, wie er sagt, Sympathien entgegen, er spricht sich aber für weitere, genauere Diskussionen darüber aus.
Abgeordneter Ing. NUSSBAUMER (F) zweifelt, dass es durch dieses Gesetz zu einer Effizienzsteigerung kommen wird. Die Flexibilisierung werde durch den Einbau des Controlling-Beirates behindert, der durch die zu kontrollierenden Organe bestimmt wird.
Staatssekretär Dr. RUTTENSDORFER weist auf zuletzt gesteigerte Efizienz im öffentlichen Dienst hin. Trotz vermehrter Aufgabenstellung ist es zu einem leichten Rückgang des Personals gekommen. Die Idee des Beirates begrüsst Ruttendsdorfer als Nachempfindung einer betriebswirtschaftlichen Orientierung. Unter diesem Aspekt weist er die Kritik Nussbaumers zurück.
Abgeordneter Dr. STEINDL (VP) führt das Umdenken in der Budgetpolitik auf die ÖVP zurück. Der Redner kritisiert die Praxis, selbständige Anträge im Nationalrat ohne Kostenabschätzungen oder Bedeckungsvorschläge einzubringen.
Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (VP) sieht die Budgetpolitik vor drei Herausforderungen stehen: Umsetzung der Steuerreform, Fortsetzung der Stabilisierung des Staatshaushaltes und Neuregelung des Finanzausgleiches. Wichtig seien auch neue Rahmenbedingungen für den Staatshaushalt, wobei Stummvoll betont, wie wichtig die Qualität der öffentlichen Verwaltung für die Wirtschaft ist.
Die Änderung des Bundeshaushaltsgesetzes wird mit der - im Hinblick auf Verfassungsbestimmungen - erforderlichen Zweidrittelmehrheit beschlossen, den negativen Bericht des Budgetausschusses über den Antrag der Liberalen betreffend Erhöhung der Transparenz der Entwicklung des Bundeshaushaltes nehmen die Abgeordneten mehrheitlich zur Kenntnis.
2.BUDGETÜBERSCHREITUNGSGESETZ 1998*3.BUNDESFINANZGESETZ-NOVELLE 1998*3.BUNDESFINANZGESETZ-NOVELLE 1999
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Abgeordneter GAUGG (F) betont, bei der Erstellung des Budgets habe die Beschäftigung im Vordergrund zu stehen. Er habe kein Verständnis dafür, dass das Arbeitsmarktservice sein Angebot aufgrund von Budgetkürzungen zurücknehmen müsse, für kulturelle Ereignisse im Rahmen des EU-Vorsitzes aber zusätzliche Mittel zur Verfügung stünden. Kritik übt der Abgeordnete zudem an Frauenministerin Prammer; ihre voreilige Warnung vor österreichischem Rindfleisch habe den Staat 62 Mill. S gekostet. Einverstanden sei die FPÖ mit den Spendenmassnahmen für Mittelamerika, Gaugg urgiert aber Kontrollmassnahmen zur Überprüfung der Treffsicherheit.
Abgeordneter SIGL (SP) weist auf Entwicklungen hin, die bei der Erstellung des Bundeshaushaltes nicht vorhersehbar gewesen seien. Er begrüsst die Mittel für eine Lehrlings-Beschäftigungsoffensive, die bereits jetzt mehr als 1.000 junge Menschen eine Ausbildungschance gibt. Sigl hält fest, dass das Budgetüberschreitungsgesetz saldenneutral sei, Mehrausgaben würden durch Ausgabeneinsparungen, Mehreinnahmen und Rücklagenauflösungen bedeckt.
Abgeordneter SMOLLE (L) legt einen L-G-Entschliessungsantrag vor, der darauf abzielt, in Archiven von Ministerien und nachgeordneten Dienststellen die Skartierung, das Ausscheidung von Akten aus dem von der Historikerkommission untersuchten Zeitraum einzustellen. Anlass dafür sei die Tatsache, dass das Landesgericht Klagenfurt beginne, Archivmaterialien aus den vierziger Jahren zu skartieren.
Abgeordneter Mag. MÜHLBACHLER (VP) zeigt sich erfreut darüber, dass das 2. Budgetüberschreitungsgesetz 1998 auch 2 Mill. S für ein Haus der Heimat der volksdeutschen Landsmannschaften vorsehe. Dieses Haus der Heimat ermögliche den Betroffenen unter anderem verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, die vielleicht entscheidend zur Aufhebung der Benes-Dekrete in Tschechien beitragen könne.
Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) unterstützt den Entschliessungsantrag des Abgeordneten Smolle. Angesichts der Katastrophenhilfe für Mittelamerika meint Petrovic, die vom Hurrikan Mitch verursachten Schäden seien ein zwingender Grund, rasch Massnahmen zum Klimaschutz zu setzen. Es müsse alles Erdenkliche getan werden, um eine weitere Schädigung der Atmosphäre zu verhindern. Petrovic bringt darüber hinaus das Bergwerksunglück von Lassing zur Sprache und weist auf dubiose Praktiken des Konzerns Rio Tinto hin.
Abgeordneter WIMMER (SP) verweist darauf, dass beim Budgetüberschreitungsgesetz ein Gesamtbetrag von 467 Mill. S durch Umschichtungen bedeckt werde. Trotz aller Unkenrufen der Opposition sehe er einen sehr erfolgreichen Budgetvollzug.
Abgeordneter Ing. NUSSBAUMER (F) unterstützt die Katastrophenhilfe für Nicaragua, sie sei aber nur dann sinnvoll, wenn sie zu einem Grossteil aus Warenlieferungen bestehe. Eine solche indirekte Exportförderung für die Wirtschaft bringe zusätzliche Arbeitsplätze in Österreich. Weiters wünscht sich Nussbaumer, dass bei der Berechnung der Folgekosten von Gesetzen auch die Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft berücksichtigt werden.
Abgeordneter SCHREFEL (VP) erwähnt, dass das BÜG zusätzliche Fördermittel für die Landwirtschaft, insbesondere zur Bewältigung der Schweinekrise beinhalte. Er bedauert, dass sowohl Liberale als auch Freiheitliche im Ausschuss gegen diese für die Bauern wichtige Massnahme gestimmt hätten.
Abgeordneter Dkfm. Holger BAUER (F) hält fest, die Budgetüberschreitung im Ausmass von rund einer halben Milliarde sei nur "ein kleiner Bruchteil der ganzen Wahrheit". Er gibt zu bedenken, dass nach dem Motto "konsumiere heute, zahle morgen" allein in den ersten drei Quartalen 1998 Vorbelastungen künftiger Budgets von über 4,5 Mrd. S eingegangen wurden. Insgesamt würden 1999 Vorbelastungen von 165 Mrd. S fällig.
Abgeordneter EDLER (SP) hält dem entgegen, dass sinnvolle Investitionen in die Zukunft wichtig und auch verantwortbar seien. Seiner Auffassung nach gibt es einen sehr ausgewogenen Staatshaushalt. Erfreut äussert sich Edler über die von der Regierung gestartete Beschäftigungsoffensive.
Abgeordnete AUMAYR (F) weist die Aussagen von Abgeordnetem Schrefel zurück, wonach die Freiheitlichen im Ausschuss gegen zusätzliche Mittel zur Behebung der Schweinekrise gestimmt hätten. Die vorliegenden Budgetgesetze enthielten keineswegs 150 Mill. S für diesen Zweck. Um dennoch eine entsprechende Förderung zu ermöglichen, stellt Aumayr einen Zusatzantrag. Zudem verlangt sie in einem Entschliessungsantrag, nur in Österreich geborenen Schweinen das österreichische Herkunftszeichen zu geben.
Abgeordneter MÜLLER (SP) begrüsst, dass im Zusammenhang mit dem Bergwerksunglück in Lassing zusätzliche Budgetmittel zur Verfügung gestellt werden. Freiheitliche und Liberale hätten dies im Ausschuss abgelehnt, die Grünen seien nicht einmal anwesend gewesen. Müller verteidigt darüber hinaus Frauenministerin Prammer gegen seiner Meinung nach unberechtigte Vorwürfe der Freiheitlichen.
Abgeordneter Dr. GRAF (F) meint, aufgrund des politischen Druckes der FPÖ werden nunmehr insgesamt 6 Mill. S für die Sudetendeutschen zur Verfügung gestellt. Er appelliert in diesem Zusammenhang an die Bundesregierung, dafür Sorge zu tragen, dass bei der Renovierung des Geburtshauses von Karl Renner eine Gedenktafel in deutscher Sprache angebracht wird. Ausserdem sollte sich die Regierung auf europäischer Ebene für die Aufhebung der Benes-Dekrete einsetzen.
Das 2. Budgetüberschreitungsgesetz 1998 wird mehrheitlich angenommen, der Zusatz- und der Abänderungsantrag der Freiheitlichen werden abgelehnt. Mehrheitliche Zustimmung findet die 3. BFG-Novelle 1998. Bei der getrennten Abstimmung wird die 3. BFG-Novelle 1999 teils mehrheitlich, teils einstimmig angenommen. Der F-Entschliessungsantrag betreffend Hilfe für Schweinebauern verfällt der Ablehnung.
Die dann folgende 151. Sitzung dient geschäftsordnungsmässigen Zuweisungen und Mitteilungen. Eingangs gibt der dritte Nationalratspräsident Dr. BRAUNEDER bekannt, dass Abgeordneter Mag. Schweitzer (F) beantragt hat, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Entschliessungsantrag 728/A(E) betreffend Alternativen zum Semmering-Basistunnel eine Frist bis zum 15.12.1998 zu setzen. Darüber findet eine Kurze Debatte statt.
Abgeordneter Mag. STADLER (F) meldet sich zur Geschäftsbehandlung und beantragt die Anwesenheit von Verkehrsminister Dr. Einem bei der, wie er sagt, Debatte über den Misstrauensantrag. VP-Klubobmann Dr. KHOL (VP) und SP-Klubobmann Dr. KOSTELKA (SP) weisen darauf hin, dass bei der Abstimmung über den in der gestrigen Sitzung eingebrachten FP-Misstrauensantrag gegen Bundesminister Einem, die nach Mitternacht stattfinden werde, keine Debatte mehr vorgesehen sei. Abgeordneter Dr. Khol beantragt, die Fristsetzungsdebatte sofort durchzuführen. Daraufhin verlangt Abgeordneter Mag. STADLER (F) die Anwesenheit des Verkehrsministers auch bei dieser Debatte. - Die beiden Zitationsanträge bleiben in der Minderheit. Mehrheitlich angenommen wird der Antrag, die Fristsetzungsdebatte sofort durchzuführen.
Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) erläutert, der Antrag der Freiheitlichen ziele auf den Baustopp des Semmering-Basis-Tunnels, über den der Rechnungshof-Bericht bestätige, dass es sich nicht gelohnt habe, 3 Mrd. S zu investieren, und zugleich auf den Nordabschnitt der Südost-Spange. Seit 10 Jahren werde über diese beiden Projekte diskutiert. Für die Dringlichkeit der Südostspange argumentiert Schweitzer mit dem Hinweis auf die zahlreichen Staus auf der Südautobahn, von denen 500.000 Ostösterreicher betroffen sind.
Abgeordneter PARNIGONI (SP) macht darauf aufmerksam, dass mit den Ländern über ein Nahverkehrskonzept verhandelt werde, um eine Lösung für die Pendler zu finden. Weiters weist er darauf hin, dass sich mit dem Bau des Semmering-Basis-Tunnels die Fahrzeit zwischen Wien und Graz um eine Stunde verkürzen wird. Sollte der Tunnel, zu dem es keine Alternative gibt, nicht gebaut werden, dann werde der Bahn ein Transportsubstrat in der Höhe von 400.000 - 500.000 Tonnen verlieren.
Die ÖVP steht dem Semmering-Basis-Tunnel kritisch gegenüber, konstatiert Abgeordneter Mag. KUKACKA (VP), aber über die Fehler und Versäumnisse, die im Rechnungshofbericht aufgezeigt werden, müsse offen diskutiert werden. Der Antrag der Freiheitlichen sei völlig überholt, sie wollen ein politisches Spektakel veranstalten.
Abgeordneter Dr. HAIDER (F) fragt sich, was die Koalitionsparteien daran hindert, dem Fristsetzungsantrag zuzustimmen und endlich eine Wirtschaftlichkeitsstudie zur der Südost-Spange durchzuführen. Es müssen Alternativen zum Semmering-Basis-Tunnel - ein Milliardengrab für die Steuerzahler - überlegt werden, fordert Haider.
Nach Meinung der Abgeordneten Dr. MOSER (G) sei eine umfassende und substantielle Verkehrsdebatte dringend notwendig, aber nicht hier und jetzt. Überdies müsse seriös über die Kostenwahrheit im Verkehrsbereich diskutiert werden. Sie persönlich halte den Semmering-Bahn-Tunnel nicht für das "Gelbe vom Ei"; er zeige, wie politische Misswirtschaft zu einem Debakel führen kann.
Der Fristsetzungsantrag des Abgeordneten Schweitzer findet bei der Abstimmung keine Zustimmung. Präsident Dr. Brauneder unterbricht die Sitzung kurz nach 8 Uhr bis 28.11., 0.00 Uhr. (Fortsetzung)