Parlamentskorrespondenz Nr. 816 vom 14.12.1998
VERFASSUNGSAUSSCHUSS BESCHLIESST NEUES VERTRAGSBEDIENSTETENRECHT
Wien (PK) - Das neue Vertragsbedienstetenrecht könnte doch noch mit 1. Jänner 1999 in Kraft treten. Ein entsprechender Gesetzentwurf passierte heute teilweise mit den Stimmen der beiden Koalitionsparteien, teilweise auch mit Zustimmung der Liberalen den Verfassungsausschuss und soll bereits am Mittwoch vom Plenum des Nationalrates abgesegnet werden. Gibt der Bundesrat in seiner Sitzung am 22. Dezember ebenfalls grünes Licht, gelten die neuen Dienst- und Besoldungsregelungen wie ursprünglich geplant ab Beginn kommenden Jahres. Noch im November waren die mehrmonatigen Verhandlungen zwischen Finanzstaatssekretär Ruttenstorfer und der Gewerkschaft an der Frage der Pragmatisierung gescheitert.
Der vom Verfassungsausschuss beschlossene Gesetzentwurf, der auf zwei - heute vertagten - Initiativanträgen von SPÖ bzw. ÖVP beruht, zielt auf die Schaffung eines modernen und leistungsbezogenen Besoldungssystems für Vertragsbedienstete ab. Vertragsbediensteten soll eine durchgängige, 21 Entlohnungsstufen umfassende Voll-Laufbahn eröffnet werden, wobei das Gehalt vor allem im ersten Laufbahndrittel nicht nur beträchtlich über der alten Entlohnung für Vertragsbedienstete, sondern auch deutlich über den vergleichbaren Beamtenbezügen liegt. Das weitere Schema verläuft dann jedoch gegenüber den Beamten flacher und ist damit weniger alterslastig. Besonders verantwortungsvolle Tätigkeiten sollen zusätzlich durch eine von der Arbeitsplatzbewertung, nicht aber vom Dienstalter abhängige Funktionszulage abgegolten werden.
Sämtliche Leitungsfunktionen, die bisher ausschliesslich Beamten vorbehalten waren, werden künftig auch für Vertragsbedienstete geöffnet. Was die bis zuletzt umstrittene Frage der Pragmatisierung betrifft, einigten sich SPÖ und ÖVP nunmehr darauf, für Vertragsbedienstete in Spitzenpositionen einen Rechtsanspruch auf Pragmatisierung vorzusehen, allerdings muss der betreffende Vertragsbedienstete einen entsprechenden Antrag stellen. Prinzipiell weiter pragmatisiert wird in Teilbereichen der Parlamentsdirektion, der Volksanwaltschaft, des Rechnungshofes und der Justiz.
Spätestens fünf Jahre nach Eintritt in den Bundesdienst muss in Hinkunft feststehen, ob der Bedienstete eine Vertragsbedienstetenlaufbahn oder eine Beamtenlaufbahn einschlägt, zudem wird eine Altersobergrenze von 40 Jahren für die Aufnahme in das Beamten-Schema festgelegt. Hinsichtlich der arbeitsplatzbezogenen dienstlichen Ausbildung gilt, dass eine Nichtablegung der Grundausbildung den Ablauf der Ausbildungsphase verhindert und einen Kündigungsgrund darstellt.
Alle Vertragsbediensteten des neuen Systems werden in die Kranken- und Unfallversicherung der Beamten einbezogen, die Alters- und Invaliditätsversorgung richtet sich jedoch nach wie vor nach dem ASVG. Gleichzeitig ist ab 1.1.2000 die Einrichtung einer betrieblichen Pensionskasse des Bundes in Aussicht genommen, die den Vertragsbediensteten - bei einem Pensionsbeitrag des Dienstgebers und des Dienstnehmers von je ca. 0,75 % - eine Zusatzpension von rund 10 % des Letztbezuges bringen soll. Mit Ausnahme der neu eingeführten Leistungsprämie tritt die Reform in vollem Umfang und ohne Etappenregelung mit 1. Jänner 1999 in Kraft, die derzeitigen Vertragsbediensteten können selbst entscheiden, ob sie im bisherigen Schema bleiben oder in das neue V-Schema wechseln.
VP-Klubobmann Dr. KHOL betonte im Rahmen der Debatte, dass durch die getroffene Pragmatisierungs-Regelung dem Artikel 20 der Bundesverfassung Rechnung getragen werde, wonach an der Spitze der Verwaltung öffentlich Bedienstete zu stehen hätten. Seiner Ansicht nach ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sozusagen "die Quadratur des Kreises" gelungen, da man damit sowohl dem Anliegen nach mehr Flexibilität im öffentlichen Dienst als auch dem Berufsbeamtentum Rechnung trage. Positiv zum Gesetz äusserte sich auch SP-Klubobmann und Ausschussvorsitzender Dr. KOSTELKA, er sprach von einem grossen Werk und wies darauf hin, dass das neue Vertragsbedienstetenrecht eine faire Alternative zum pragmatisierten Dienstverhältnis biete.
Differenziert wurde das neue Vertragsbedienstetenrecht von der Opposition beurteilt.
Abgeordneter Dr. GRAF (F) wertete den Gesetzentwurf als Eingeständnis des Scheiterns der Koalition, man habe es verabsäumt, die richtigen Weichen zu stellen. Er wies darauf hin, dass die Regierung ursprünglich ein einheitliches Bundesangestelltengesetz angestrebt habe, nunmehr werde es künftig aber vier verschiedene Dienstrechte im öffentlichen Dienst - Beamte Alt, Beamte Neu, Vertragsbedienstete Alt, Vertragsbedienstete Neu - geben. Auch werde keine prinzipielle Durchforstung der einzelnen Bereiche im Hinblick auf nicht notwendige Pragmatisierungen vorgenommen. Als "Wunsch an das Christkind" beurteilte Graf die Erwartung, dass sich aufgrund der höheren Einstiegsgehälter mehr Bedienstete für den Vertragsbedienstetenstatus entscheiden werden, da Beamte bei den Pensions- und Kündigungsregelungen nach wie vor bessergestellt seien.
Abgeordneter MOSER (L) meinte, ein einheitliches Bundesangestelltengesetz wäre auch seiner Fraktion lieber gewesen, er begrüsste das neue Vertragsbedienstetenrecht aber als Schritt in Richtung einer moderneren, flexibleren und leistungsorientierteren Verwaltung. Seiner Auffassung nach ist das Berufsbeamtentum im Auslaufen begriffen, es entspreche nicht mehr den Erfordernissen einer modernen Verwaltungsorganisation. Pragmatisierung sei ein Privileg, so Moser, das nicht mehr angebracht sei. Bei der Abstimmung votierte der Abgeordnete mit Ausnahme jener Bestimmungen, die auf die Übernahme der neuen Vertragsbediensteten in die Kranken- und Unfallversicherung der Beamten abzielen, für die Neuregelung.
Abgeordnete Mag. STOISITS (G) begrüsste die künftig vorgesehenen attraktiveren Bezüge für junge Bundesbedienstete und die Öffnung der Leitungsfunktionen für Vertragsbedienstete, bezeichnete es aber angesichts der ursprünglichen Ankündigungen von Staatssekretär Ruttenstorfer als "kühn", sich über den Kompromiss zu freuen. Viele Punkte des Gesetzes sind ihr zufolge noch nicht abschätzbar, Stoisits fragt sich beispielsweise, was die Einbeziehung der neuen Vertragsbediensteten in die Kranken- und Unfallversicherung der Beamten für Vorteile bringen solle. Sie kann sich ausserdem nicht vorstellen, dass ein Vertragsbediensteter in Leitungsfunktion auf die Pragmatisierung verzichtet.
Abgeordneter Dr. FEURSTEIN (VP) wies darauf hin, dass Beamte und Vertragsbedienstete hinsichtlich der Lebensverdienstsumme nur in der Aktivzeit gleichgestellt seien, bei den Pensionen seien Beamte nach wie vor bevorzugt. Er zeigte sich daher prinzipiell über die in Aussicht genommene Pensionskassenregelung erfreut.
Staatssekretär Dr. RUTTENSTORFER erklärte, er sehe im Vertragsbedienstetenrecht einen wichtigen Schritt in Richtung Verwaltungsreform, und unterstrich, Ziel der Bundesregierung sei es, die Pragmatisierungen im öffentlichen Dienst schrittweise zurückzunehmen. Derzeit liege der Anteil der Vertragsbediensteten am gesamten öffentlichen Dienst bei rund einem Drittel, diesen Prozentsatz gelte es zu erhöhen. Mit dem neuen Vertragsbedienstetenrecht schaffe man einen Anreiz in diese Richtung, da Vertragsbedienstete in Zukunft in ihrer Aktivzeit ebensoviel wie Beamte verdienten und die gleichen Karrierechancen hätten. Zur Frage der Pragmatisierungen stellte der Staatssekretär klar, dass Vertragsbedienstete in Leitungsfunktionen, die sich für eine Pragmatisierung entscheiden, keine pekuniären Vorteile hätten, da sie besoldungs- und pensionsrechtlich im Vertragsbedienstetenrecht verblieben. Er geht daher davon aus, dass nicht alle die Möglichkeit der Pragmatisierung in Anspruch nehmen werden.
Bezüglich der in Aussicht genommenen Pensionskasse des Bundes betonte Ruttenstorfer, es seien keine Sonderregelungen gegenüber anderen betrieblichen Pensionskassen geplant. Angepeilt werde eine Zusatzpension von 10 % des Letztbezuges der Vertragsbediensteten, der vom Arbeitnehmer voraussichtlich zu leistende Gehaltsanteil von 0,75 % könne steuerlich geltend gemacht werden.
Mit SP-VP-L-Mehrheit passierte ein Antrag der beiden Koalitionsparteien auf Novellierung des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung eines SP-VP-Abänderungsantrages den Verfassungsausschuss. Demnach erhalten die Länder in Zukunft volle Autonomie bei der Gestaltung des Dienstrechtes der Bediensteten der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände; bisher waren sie angehalten, die in Angelegenheiten des Dienstrechtes erlassenen Gesetze und Verordnungen so zu gestalten, dass ein Wechsel von öffentlichen Bediensteten zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden "nicht wesentlich behindert wird".
Um dennoch eine gleichwertige Entwicklung im Dienstrecht und im Arbeitnehmerschutz zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu ermöglichen, wird im B-VG normiert, dass Bund und Länder einander über Vorhaben in den genannten Angelegenheiten zu informieren haben. Die Bestimmung, dass Amtstitel für Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände durch Bundesgesetz einheitlich festgesetzt werden, entfällt.
Die vorliegende Novellierung des Bundes-Verfassungsgesetzes enthält aber nicht nur Änderungen hinsichtlich des Landes-Dienstrechtes, sondern auch eine Neuregelung in bezug auf die grundsätzlichen Kompetenzen von Gemeindewachekörpern. Demnach können Gesetze zu einzelnen Materien künftig Regelungen darüber beinhalten, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen Angehörige von Gemeindewachekörpern für die jeweils zuständige Behörde - in der Regel die Bezirksverwaltungsbehörde - Exekutivdienst versehen dürfen. Schliesslich wird - analog zu einer bereits vorgenommenen Novellierung des Bundespräsidentenwahlgesetzes - eine Änderung des B-VG dahin gehend vorgenommen, dass ein Austausch der KandidatInnen für das Amt des Bundespräsidenten im zweiten Wahlgang nicht mehr gestattet ist. Der heute eingebrachte SP-VP-Abänderungsantrag enthält im wesentlichen legistische Klarstellungen und die Behebung von Redaktionsversehen früherer B-VG-Novellen. (Fortsetzung)