Parlamentskorrespondenz Nr. 73 vom 18.02.1999

WIRTSCHAFTSMINISTER FARNLEITNER ZUR AKTUELLEN LAGE IN LASSING

Wien (PK) - Im weiteren Verlauf der heutigen Sitzung des Wirtschaftsausschusses informierte Wirtschaftsminister Dr. FARNLEITNER die Abgeordneten über den aktuellen Stand der Bemühungen zur Vermeidung von Unfällen, zur Untersuchung von Untergrund und Grubengebäude sowie über die Wasserhaltung und die Stabilisierung des Verbruchschlotes im Talkbergwerk Lassing. Es ging um die Einrichtung eines aus über 100 Punkten bestehenden Beobachtungsnetzes, die Umstellung des Bergbaukartenwerkes auf eine digitale Datenbasis, Projektierungen für die Bergung der verschütteten Bergleute und die Betreuung und Information der Angehörigen. Farnleitners Bericht wurde nach lebhafter Debatte mit SP-VP-Mehrheit zur Kenntnis genommen und vom Ausschuss enderledigt. Ein von Abgeordnetem Dipl.-Ing. HOFMANN (F) gestellter und von Abgeordneter Dr. PETROVIC (G) unterstützter Antrag auf Behandlung des Berichts im Plenum hatte keine Mehrheit erhalten.

Im einzelnen teilte Minister FARNLEITNER mit, dass die internationale Expertengruppe bereits mit der Formulierung ihres Gutachtens begonnen hat. Der Bericht soll noch vor dem Sommer vorliegen, sagte der Minister, er werde das Parlament unverzüglich informieren.

Auf Ansuchen der Naitsch Mineralwerke hat die Bergbehörde die Frist zur Vorlage des Vorprojektes mit den drei Bergevarianten bis 15. März 1999 erstreckt, um Bohrungen zu ermöglichen, die erst bis Ende Februar abgeschlossen werden können. Er rechne mit einer weiteren, einmonatigen Fristerstreckung, führte der Minister aus.

Den Naitsch Mineralwerken wurden 1998 25 Mill. S an Berbauförderungsmitteln gewährt, um technische Notstandsfälle zu überbrücken. Das Ansuchen der Firma auf 10 Mill. S für das Jahr 1999 werde derzeit geprüft. Bedenken der Abgeordneten Dr. PETROVIC (G), Förderungsmittel würden vom Unternehmen für Investitionszwecke verwendet, zerstreute der Ressortleiter.

Gegenüber Abgeordnetem Dr. KRÄUTER (SP), der die Bezahlung der Leistungen eines deutschen Unternehmens einmahnte, für die das Land Steiermark eine Vor-Vorfinanzierung übernommen habe, stellte der Wirtschaftsminister fest, sein Ressort übernehme den Kostenanteil für Leistungen, die es angefordert habe.

Weiters informierten Minister Dr. FARNLEITNER und Experten des Ressorts über die laufenden Arbeiten zur Sanierung und Bergung in Lassing. Dabei war zu erfahren, dass die Auswertungen der im Rahmen des Untersuchungsprogramms durchgeführten Bohrungen wider Erwarten keinen Verbruch im Felsbereich ergeben haben. Zu den neuen Erkenntnissen zähle auch die Entdeckung eines bisher unbekannten Grundwasserhorizontes, der möglicherweise - neben anderen Ursachen - für die Katastrophe verantwortlich war. Der Einbruchsbereich konnte, wie Abgeordneter Mag. BARMÜLLER (L) erfragte, bislang nicht lokalisiert werden, er liegt wahrscheinlich weiter nördlich als zunächst angenommen. Derzeit werde die Möglichkeit von Injektionen zur Stabilisierung des Einbruchsbereichs getestet, um eine Mobilisierung von Schlammassen hintanzuhalten. Zur Vermeidung von Wasserzutritt aus der Talfüllung müssen zeitaufwendige Abdichtungsmassnahmen vorgenommen werden, die durch die winterlichen Witterungsbedingungen erschwert und verzögert werden.

Um den natürlichen Grundwasserstrom von der Einbruchstelle fernzuhalten, werden täglich 5.000 bis 6.000 Kubikmeter Wasser vollautomatisch aus der Pinge gepumpt. Der Pumpbetrieb im Renee-Schacht wurde im Dezember wieder aufgenommen, dadurch wird ein Ansteigen des Wasserspiegels in der Grube verhindert. Die Sicherungsvorkehrungen für den Fall von Schmelz- und Hochwässern, ein Frage des Abgeordneten MARIZZI (SP), bezeichneten die Experten als ausreichend.

Die Stabilisierung des Verbruchschlotes ist mit erheblichem Zeitaufwand verbunden, weil Bohrlochabschnitte injiziert werden müssen, um ein Nachbrechen zu verhindern. Auch hier führen tiefe Temperaturen und starker Schneefall zu Verzögerungen. Aufbauend auf den Erkenntnissen dieser Massnahmen wird das Vorprojekt ausgearbeitet, die technische Ausführung der Bergevariante präzisiert und eine Kostenschätzung erstellt werden.

Die Angehörigen der Verschütteten werden aus erster Hand über den Stand der Arbeiten informiert, erfuhr VP-Abgeordnete RAUCH-KALLAT auf ihre diesbezügliche Frage. Der zuständige Beamte stehe den Angehörigen jede Woche persönlich vor Ort zur Verfügung. An diesen Treffen nehmen zeitweise auch Vertreter der Betriebsleitung und der Betriebsrat des Unternehmens sowie Vertreter des beauftragten Planungsbüros teil. Auch die Gemeinde Lassing ist bei den wöchentlich stattfindenden Besprechungen mit den Fremdunternehmungen regelmässig vertreten.

In der Debatte problematisierte Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) den Einsatz von Bergbauförderungsmitteln zur Abdeckung der auf eine Katastrophe zurückzuführenden Kosten. Gegenüber den Vertretern des Ressorts stellte sie einmal mehr Unvereinbarkeiten bei der Bestellung des Markscheiders in Lassing fest. Es entspreche weder dem alten noch dem neuen Berggesetz, den Betriebsleiter eines anderen Konzernstandorts als Markscheider zu nominieren. Angesichts allfälliger Regressansprüche des Bundes gegenüber dem Unternehmen plädierte die Rednerin für ein Durchgriffsrecht auf die Konzernzentrale und drängte auf Einschaltung der Finanzprokuratur. Bei den Sicherungs- und Bergemassnahmen gehe es nicht nur um die Bergung Verschütteter, sondern auch um Beweissicherung, sagt Petrovic und klagte über die sich täglich verschlechternde Beweislage.

Abgeordneter Dipl.-Ing. HOFMANN (F) sprach von einer oberflächlichen Pflichtübung des Wirtschaftsministers im Hinblick auf seine Berichtspflicht aufgrund der Entschliessung des Nationalrats vom 17. September 1998. Seine Kritik galt dem viel zu spät installierten Oberflächenalarmsystem, damit hätte man das Unglück vorhersagen und verhindern können.

Mit bezug auf eine Aussendung der Wirtschaftskammer machte  Abgeordneter Ing. NUSSBAUMER (F) auf Klagen über die Auswirkungen des neuen Mineralrohstoffgesetzes und auf die Enttäuschung mancher Wirtschaftsvertreter aufmerksam, die meinten, Rohstoffabbau sei mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zum Erliegen gekommen.

Diese Auffassung wies Wirtschaftsminister Dr. FARNLEITNER entschieden zurück. Von mehreren Abgeordneten auf die Zukunft des Talkabbaus und der Talkmühle in Lassing angesprochen, sagte der Minister schliesslich, er habe keinen Hinweis, dass der Konzern Rio Tinto daran denke, den Standort Lassing aufzugeben. (Schluss)