Parlamentskorrespondenz Nr. 1 vom 10.01.2000
"ÖKOSYSTEMANSATZ" FÜR DEN GEWÄSSERSCHUTZ HAT VORRANG
Wien (PK) – "Das gesteigerte Umweltbewusstsein der letzten Jahre hat dazu geführt, die Gewässer nicht nur im Hinblick auf ihre Nutzungsfunktion für den Menschen zu schützen, sondern sie auch in ihrer Gesamtheit als Lebensraum wahrzunehmen". Diese Feststellung trifft der 3. Gewässerschutzbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, der den Berichtszeitraum 1996 – 1998 umfasst und der jetzt dem Parlament vorliegt (III-23.d.B).
ÖSTERREICH BEZIEHT SEIN TRINKWASSER ZU 99% AUS GRUND- UND QUELLWASSER
Als wasserreiches Gebirgsland verfügt Österreich über etwa 9.000 natürliche und künstliche Seen. Das Fließgewässernetz erstreckt sich über rd. 100.000 km. Die jährliche Niederschlagshöhe beträgt im Mittel 1.170 mm, das sind ca. 98 Mrd. m3 Wasser. Das jährliche nutzbare Wasserangebot liegt bei durchschnittlich 84 Mrd. m3, wovon etwa ein Drittel auf das Grundwasser entfällt. Der gesamte Wasserbedarf für Nutzungszwecke umfasst hingegen nur 2,6 Mrd. m3 pro Jahr, er entspricht damit rd. 3% des Angebots. Pro Person werden durchschnittlich 150 l Wasser am Tag verbraucht. Die Grundwasservorkommen werden zu 6% für wirtschaftliche Zwecke genutzt. Lediglich 2,5% des Grundwasserangebots werden für die Abdeckung des Trinkwasserbedarfs benötigt. Zu 99% wird das Trinkwasser aus Grund- und Quellwasser bezogen.
87% aller Haushalte sind an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen.
GEWÄSSER WERDEN AUSDRÜCKLICH ALS ÖKOSYSTEME GESEHEN
Im Wasserrechtsgesetz wurde bereits 1990 verankert, dass unter dem Schutz der Gewässer auch die Erhaltung und Verbesserung der ökologischen Funktionsfähigkeit zu verstehen ist, die nicht nur durch Abwasserbelastung, sondern auch durch Eingriffe in das Abflussgeschehen und in die Struktur des Gewässers gefährdet werden kann. Deshalb würden die Gewässer, so der Bericht, unter einem ganzheitlichen Ansatz ausdrücklich als Ökosysteme gesehen. Unter dieser Prämisse wurde unter anderem in den letzten Jahren im Bereich der Schutzwirtschaft der Weg in Richtung "Gewässerbetreuung" beschritten, wofür als übergeordnete Planungsinstrumente interdisziplinäre Gewässerbetreuungskonzepte entwickelt werden. Im Jahr 1998 wurde eine bundesweite Fließgewässerkampagne unter dem Titel "Lebende Flüsse" mit dem Ziel der Erhaltung und Wiederherstellung von naturnahen, ökologisch intakten Flussökosystemen durchgeführt. Demzufolge soll bis zum Jahr 2000 die Sanierung von 500 km ökologisch verarmter Fließgewässerabschnitte, die Begründung von 500 ha Auwald, das Anlegen von 500 ha Uferrandstreifen und die Aktivierung von 500 ha Überflutungsräumen erfolgen.
KORMORAN GEFÄHRDET FISCHBESTÄNDE
Von den ursprünglich vorhandenen 64 Arten unserer Fischfauna existieren noch 59 Arten. Die Ursachen für diese prekäre Situation liegen hauptsächlich in den anthropogenen Eingriffen in die Gewässer. Neben der Abwassersituation gefährdet aber auch das Auftreten fischfressender Vogelarten, insbesondere des Kormorans, die Fischbestände. Im Rahmen internationaler Zusammenarbeit sollen wirksame und weitreichende Maßnahmen zur Lösung dieses speziellen Problems ergriffen werden, auf EU-Ebene wurde zu diesem Zweck eine eigene Arbeitsgruppe eingesetzt.
NATIONALES GÜTEMONITORING – EINHEITLICHE KRITERIEN ZUR FESTSTELLUNG DER WASSERGÜTE
Einen breiten Raum widmet der Bericht der Darstellung der Güte österreichischer Gewässer. Mit der Wassergüte-Erhebungsverordnung ist seit 1991 die österreichweite einheitliche Immissionserfassung von Grundwässern und Fließgewässern gesetzlich geregelt. Das Beobachtungsnetz ist seit Mitte 1996 voll ausgebaut und umfasst insgesamt 2.049 Grundwasser-Messstellen und 244 Fließgewässer-Messstellen.
GRUNDWASSERSITUATION IM WESTEN ÖSTERREICHS ZUFRIEDENSTELLEND BIS SEHR GUT
Die Ergebnisse der Untersuchung der Grundwassergüte aus dem Berichtszeitraum 1995-1997 zeigen, dass österreichweit ca. 81% aller gemessenen Nitratwerte unter dem Schwellenwert von 45 mg/l liegen, wobei sich die Belastungen im Wesentlichen auf landwirtschaftlich intensiv genutzte Ackerbauregionen im Südwesten und Osten des Bundesgebietes konzentrieren, während in den westlichen Bundesländern die Nitratsituation in der Regel "zufriedenstellend bis sehr gut" ist. 69% wiesen sogar einen Nitratgehalt unter 30 mg/l auf. Immerhin aber musste bei 16% der Grundwässer eine Überschreitung des Trinkwassergrenzwertes von 50 mg/l festgestellt werden (in Wien betraf dies über 57% aller gemessenen Werte, im Burgenland 32%; in Tirol und Vorarlberg wurden keine Werte über 50 mg/l gemessen). Zur Grundwassersanierung wurde aufgrund einer EU-Richtlinie ein österreichweites Sanierungsprogramm erstellt. Die Pestiziduntersuchungen ergaben einen stark rückläufigen Trend. Insgesamt beträgt das Flächenausmaß der nitratbelasteten Gebiete ca. 6.200 km2 und hinsichtlich der Belastung durch Atrazin und Abbauprodukte ca. 5.000 km2.
Für die Auswertung der Fließgewässerdaten gibt es noch keine rechtsverbindliche Bewertungsbasis, weshalb die EU-Fischgewässerrichtlinie aus dem Jahr 1978 herangezogen wird, die jedoch aus heutiger Sicht, so der Bericht, nicht mehr ausreichend ist. Gemessen an dieser Richtlinie belegen die Ergebnisse insgesamt eine allgemein gute Wasserqualität der österreichischen Fließgewässer, da kaum Überschreitungen der Grenzwerte festgestellt werden konnten.
BIOLOGISCHE GEWÄSSERUNTERSUCHUNG DOKUMENTIERT DEUTLICHE SANIERUNGSERFOLGE
Im Bericht wird besonders die Bedeutung der biologischen Gewässeruntersuchung unterstrichen, da dadurch auch die Erkennung diskontinuierlicher Belastungen möglich wird, während die chemisch-physikalische Untersuchungsmethode die Wasserbeschaffenheit nur zum jeweiligen Untersuchungszeitpunkt erfassen kann. Ein Vergleich der biologischen Gütebilder der Jahre 1966/71, 1988, 1995 und 1998 lässt deutliche Sanierungserfolge erkennen, die in erster Linie auf abwassertechnische Maßnahmen (Errichtung kommunaler Kläranlagen, Sanierung von Industriebetrieben, Verbesserung der Reinigungsleistungen) zurückzuführen ist. Der Anteil der Gewässerstrecken, die eine massive Belastung mit leicht abbaubaren organischen Stoffen aufweisen, ist seit den siebziger Jahren wesentlich zurückgegangen. Güteklasse I konnten 1998 7% der Gewässer aufweisen, Güteklasse I – II 23%, Güteklasse II 51%, womit 81% des Gewässernetzes als kaum bis mäßig verunreinigt zu beurteilen sind und somit dem Güteziel entsprechen. Der Anteil an der Güteklasse III – IV liegt unter 1%.
Der Bericht weist jedoch darauf hin, dass das biologische Gütebild, das primär nur die Belastung mit abbaubaren organischen Stoffen widerspiegelt, heute nicht mehr ausreicht, um den tatsächlichen Stand zu beschreiben. Im Hinblick auf eine ökologische Betrachtungsweise und der Beurteilung der ökologischen Funktionsfähigkeit müssten auch sämtliche negative Einwirkungen auf Gewässer (Abflussverhalten, Struktur und Ausprägung der Gewässer) miteinbezogen werden.
ÖSTERREICHISCHE SEEN HABEN GUTE BADEQUALITÄT
Österreich besitzt ca. 6.000 natürliche Seen. Seit rund einem Jahrzehnt kann die Badequalität aufgrund rigoros durchgezogener Sanierungsprogramme (Errichtung von Ringkanalisationen mit Ausleitung der Abwässer aus dem Einzugsgebiet der Seen sowie der Ausbau von Kläranlagen) wieder als durchwegs "gut bis sehr gut" bezeichnet werden, so der Bericht. Dies wird auch durch die Ergebnisse einer Untersuchung der Europäischen Kommission von 1997 untermauert. In Bezug auf die durch die Richtlinie festgelegten Grenzwerte weisen die ermittelten Daten einen Konformitätsgrad von 96,6% und in Bezug auf die Richtwerte einen Konformitätsgrad von 85,1% auf. Vielfach konnte sogar ein Gütezustand erreicht werden, wie er etwa in den dreißiger Jahren, also vor dem Auftreten starker Verunreinigung, dokumentiert wurde.
Die Sanierungserfolge, aber auch noch bestehende Probleme werden dann in weiterer Folge anhand der Entwicklung limnologischer und hygienischer Verhältnisse von Neusiedler See, Bodensee, Wörthersee, Millstätter See, Traunsee und Attersee aufgezeigt.
GRENZÜBERSCHREITENDE ZUSAMMENARBEIT IM DONAURAUM
Im Hinblick auf die Bedeutung, welche die Donau als größter Fluss Österreichs und als wichtigster Zubringer für das Schwarze Meer hat, sowie hinsichtlich der Tatsache, dass unser Staatsgebiet zu 96% im Einzugsgebiet der Donau liegt, widmet sich ein eigenes Kapitel der Wassergüte des Donauraumes. Innerhalb Österreichs konnte die Donau 1997 und 1998 zwischen Passau und Linz wieder in die biologische Güteklasse II eingestuft werden. Güteklasse II herrscht auch entlang der weiteren Flussstrecke fast immer vor (bei Asten sowie in Wien – Simmering bis Wien – Albern weist die Donau Güteklasse II – III auf). Der Schutz des Donaudeltas und des Schwarzen Meeres erfordert jedoch Anstrengungen aller Staaten im Einzugsgebiet, die Emissionen von Stickstoff und Phosphor weiter zu drosseln. Das 1994 in Sofia unterzeichnete und 1998 vom österreichischen Nationalrat ratifizierte Donauschutzübereinkommen stellt daher eine wichtige Grundlage dar, die Belastungen des Flusses grenzüberschreitend im gesamten Donauraum durch detaillierte Regeln für einen modernen Gewässerschutz auch in Zukunft zu reduzieren.
81,5 % DER EINWOHNER SIND AN ÖFFENTLICHE ABWASSERREINIGUNGSANLAGEN ANGESCHLOSSEN
Waren 1995 75,7% der Einwohner an einen Kanal angeschlossen, so stieg dieser Prozentsatz im Jahr 1998 auf 81,5%. In den nächsten Jahren ist vorgesehen, den Anschlussgrad auf 85% zu erhöhen, was unter Berücksichtigung der österreichischen Siedlungsstruktur (zahlreiche Streulagen) laut Bericht als Obergrenze anzusehen ist. Dazu wird jedoch festgestellt, dass die Reinigung der Abwässer des verbleibenden Bevölkerungsteils durchaus auch dem Stand der Technik unterliegt, und zwar über geeignete dezentrale Anlagen, wie Hauskläranlagen und Senkgruben, erfolgt.
In der Folge werden anhand von Fallbeispielen Anstrengungen österreichischer Industriebetriebe im Bereich Abwasserentsorgung und Abwasserreinigung dokumentiert.
"ÖPUL 2000" – UMWELT-PROGRAMM FÜR VORBEUGENDEN GEWÄSSERSCHUTZ
Die Landwirtschaft stellt eine wesentliche Quelle für die Nährstoffbelastung von Gewässern dar. Ihr Anteil an der Stickstoffbelastung der österreichischen Gewässer wird zwischen 39 und 46% geschätzt. In den letzten Jahren konnte zwar ein weiterer Anstieg des Nitratgehalts im Grundwasser vermieden werden, die mit der Wasserrechtsgesetznovelle 1990 angestrebte Grundwassersanierung durch Verordnung von Bewirtschaftungsbeschränkungen mit Gewährung von Zuschüssen bei Einkommensminderung sei jedoch bisher nicht realisiert worden, stellt der Bericht kritisch fest. Die Ursachen dafür werden im Wesentlichen in Interessenskollisionen bei der Festlegung von Bewirtschaftungsbeschränkungen, bei der Sicherung der Entschädigungszahlungen und schließlich in der Frage der Gewährung von Zuschüssen mit den Förderungsmöglichkeiten nach ÖPUL geortet.
Die Bemühungen um eine nachhaltige Landwirtschaft und der EU-Beitritt haben aber 1995 zur Schaffung des "Österreichischen Programms zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPUL)" geführt. Das neu gestaltete ÖPUL 2000 wurde speziell für Gebiete mit Wasserschutzproblemen konzipiert und enthält ein Maßnahmenpaket für den vorbeugenden Gewässerschutz
Ein eigenes Kapitel befasst sich mit dem Vollzug der Wasserrechtsgesetznovellen 1990, 1996 und 1997 und gibt u.a. eine Übersicht über die Maßnahmen der Länder im Bereich Gewässerschutz, Gewässeraufsicht und wasserwirtschaftliche Planung sowie über die Räumung und Sanierung von Deponien, insbesondere der Berger-Deponie und der Fischer-Deponie, über Grundwassersanierung oder den Schutz von Wasserversorgungsanlagen und der künftigen Wasserversorgung.
NEUORIENTIERUNG DER EU-POLITIK AUF DEM WASSERSEKTOR
Durch die zukünftige EU-Wasser-Rahmenrichtlinie – mit deren Verabschiedung Mitte 2000 gerechnet wird – soll die europäische Wasserpolitik einer umfassenden Neuordnung zugeführt werden. Wesentliche Punkte dabei sind die Ausdehnung des Gewässerschutzes auf alle Gewässer, die Verankerung eines kombinierten Ansatzes von Emissionsgrenzwerten und Immissionszielen zur Verringerung der Verschmutzungen, kostendeckende Preise für die Wasserver- und -entsorgung sowie die Straffung eines gemeinschaftlichen Rechtsbestandes auf dem Wassersektor. Der Bericht merkt jedoch kritisch an, dass die Richtlinie keine über bereits bestehende Emissionsregelungen hinausgehende zusätzliche branchenweise Emissionsregelung bringt und dass die Umsetzungsfristen viel zu lang sind. Bedauerlicherweise würden auch "keine allzu ambitionierten Regelungen" sowohl für die Bewertung der Monitoringergebnisse gefährlicher Stoffe in Fließgewässern als auch für die Bewertung des guten chemischen Zustandes des Grundwassers getroffen.
Weiters bietet das Kapitel eine kurze Zusammenstellung wasserrelevanter EU-Rechtsvorschriften.
Ein eigener Abschnitt informiert über Aktivitäten im Rahmen bereits seit Jahrzehnten bestehender bilateraler Grenzgewässerkommissionen und über internationale Abkommen. Den Abschluss des Berichts bildet eine Darstellung der Tätigkeit des Bundesamtes für Wasserwirtschaft und der vier Fachinstitute, die Zusammenfassung ressortübergreifender Gewässerschutzaktivitäten sowie Maßnahmen anderer Ressorts und privater Organisationen im Gewässerschutzbereich. (Schluss)