Parlamentskorrespondenz Nr. 15 vom 19.01.2000
DEM PENSIONSSYSTEM GALT IN AKTUELLER AUSSPRACHE DAS HAUPTINTERESSE
Wien (PK) – Die jüngsten Ereignisse rund um die Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP boten Mitgliedern des Sozialausschusses Anlass, Ministerin HOSTASCH nach in Aussicht genommenen weit reichenden Reformen im Sozial- und Gesundheitsbereich zu fragen. Die Themenpalette reichte von der Anhebung des gesetzlichen Frühpensionsalters über die Erhöhung des Karenzgeldes bis zur Harmonisierung der Selbstbehalte und der Abfertigung neu.
Im Einzelnen teilte die Ressortchefin zur Harmonisierung der Pensionssysteme mit, dass alle neu in den öffentlichen Dienst eintretenden Mitarbeiter einem gemeinsamen Pensionsversicherungsrecht, welches den Bestimmungen des ASVG angeglichen wird, unterstellt werden sollen. Um eine Vereinheitlichung zu erreichen, wird es auch notwendig sein, den Eigenfinanzierungsgrad bei den selbständigen Pensionen anzuheben.
In den vergangenen Jahren wurden wiederholt Maßnahmen gesetzt, damit Frauen auch bei kürzerer Erwerbstätigkeit Pensionsansprüche erhalten. Dies geschieht durch eine stärkere Berücksichtigung der Ersatzzeiten ebenso wie durch die Bezahlung des Arbeitnehmersozialversicherungsbeitrages für den Fall, dass eine pflegebedürftige Person zu Hause betreut wird. Nun gibt es Überlegungen, teilte Hostasch mit, die Karenzmonate in anderer Form im Pensionsrecht zu berücksichtigen: Das Karenzgeld soll auf 6.000 S erhöht werden, hinzu kommt ein Zuschlag von 250 S, der als Pensionsbeitrag einbehalten wird; somit werden Karenzzeiten pensionsbegründend.
Dem Drei-Säulen-Modell der FPÖ – Grundpension, verpflichtende betriebliche Vorsorge und Eigenvorsorge – kann die Ressortleiterin nicht beitreten. Sie lehnt eine angeordnete 2. Säule genauso ab wie die Eigenvorsorge, da Bevölkerungsschichten mit niedrigem Einkommen davon ausgeschlossen wären.
Hostasch rechnet damit, dass es 2000 und 2001 je 55.000 vorzeitige Alterspensionisten geben wird, lösen doch manche Unternehmungen ihre betrieblichen und strukturellen Probleme durch Überführung von älteren MitarbeiterInnen in das Pensionssystem. Mit bereits beschlossenen und jetzt erst in Kraft tretenden Maßnahmen hofft man, dieser Tendenz entgegenwirken zu können.
1999 konnten auf dem Arbeitsmarkt große Erfolge erzielt werden. Bei den unselbständig Beschäftigten – nicht durch geringfügige Beschäftigung – wurden Rekordziffern erzielt. Auch die Arbeitslosigkeit der älteren ArbeitnehmerInnen nahm ab. Der Rückgang der vorgemerkten Arbeitslosen zwischen 50 und 55 Jahren betrug sogar 8,9 %; als weniger erfreulich qualifizierte sie die Tatsache, daß die Zahl der arbeitslosen 55- bis 60-jährigen nicht abgebaut werden konnte. Daher will man besondere Maßnahmen ergreifen. So kann ein Dienstgeber bei Weiterbeschäftigung eines älteren Arbeitnehmers über 50 Jahre mit einer Reduktion der Lohnnebenkosten um 17 % rechnen.
Von einer Generalisierung der Selbstbehalte wird Abstand genommen, betonte sie.
Überleitend zu den SP-VP-Verhandlungen gab die Sozialministerin bekannt, dass die Überlegung besteht, das vorzeitige Pensionsalter schrittweise um zwei Jahre anzuheben - unter Wahrung des Vertrauensschutzes. Es bedarf aber hiezu begleitender arbeitsmarktpolitischer und arbeitsrechtlicher Maßnahmen.
Vorarbeiten für eine Neuregelung der Abfertigung bestehen im Sozialressort. Eine große Expertengruppe arbeitet an entsprechenden arbeitsrechtlichen Maßnahmen.
Überlegt wird auch eine neue Gesellschaftsform für das Arbeitsmarktservice. Es soll in eine GesmbH umgewandelt werden, um u.a. den AMS-Organen mehr Autonomie zu geben.
VERBESSERUNGEN FÜR BESCHÄFTIGTE DER LEBENS- UND GENUSSMITTELBRACHNE
Die Zustimmung aller vier Fraktionen fand sodann eine Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes und des Arbeitsmarktservice-gesetzes. Ziel dieses SP-VP-Antrages ist es, Beschäftigten der Lebens- und Genussmittelbranche auch noch im Jahr 2000 den Eintritt in Maßnahmen der für diese Branche eingerichteten Arbeitsstiftung „Aufleb“ zu ermöglichen. Als Begründung nennen die Antragsteller die nach wie vor ungünstige Arbeitsmarktlage im Nahrungs- und Getränkebereich. Dadurch soll jedoch die Stiftung „Aufleb“ nicht verlängert werden; diese endet wie geplant mit Ende des Jahres 2003. (52/A)
Abgeordnete HALLER (F) stellte grundsätzliche Überlegungen zum Stiftungsmodell an und regte an, die Treffsicherheit dieser Unterstützungsmaßnahmen besser zu untersuchen. Zudem liege ihrer Ansicht nach oft eine ungerechte Behandlung der Arbeitnehmer vor, da Beschäftigte von kleinen und mittleren Unternehmen weniger Chancen hätten, an Stiftungen teilzunehmen.
Abgeordneter STAFFANELLER (F) warnte vor einer „Stiftungshysterie“. Seiner Meinung nach sollte im Vorfeld jeweils gründlich geprüft werden, ob eine Stiftung wirklich erforderlich sei. Aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit habe er auch festgestellt, dass die Vermittlungsmöglichkeit der Personen zu wenig ausgelotet werde, bevor sie in Stiftungen aufgenommen werden.
Abgeordneter DIETACHMAYR (SP) bezeichnete die Stiftungen als hervorragende arbeitsmarktpolitische Maßnahme. Da die strukturellen Veränderungen in der Lebensmittelbranche noch lange nicht abgeschlossen sind, sei die Stiftung „Aufleb“ sehr sinnvoll und wichtig, betonte er.
Auch Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (VP) bekannte sich zum Modell der Arbeitsstiftung, trat jedoch dafür ein, die Treffsicherheit dieser kostenintensiven Maßnahme zu prüfen.
Bundesministerin HOSTASCH räumte gegenüber Abgeordnetem Staffaneller ein, dass kein Wildwuchs bei den Stiftungen erwünscht sei. Es handle sich dabei um eine teure, aber auch sehr effektive Maßnahme, an der auch sehr viele Beschäftigte von KMU teilnehmen, führte sie weiter aus. So sei sie stolz darauf, dass die Arbeitsstiftungen eine Vermittlungsquote von 87 % aufweisen.
AUSDEHNUNG DES GELTUNGSBEREICHES DER EUROPÄISCHEN BETRIEBSVERFASSUNG
Schließlich beschlossen die Ausschussmitglieder einstimmig eine Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes (14 d.B.). Dadurch werden einerseits der Geltungsbereich der Europäischen Betriebsverfassung auf Grossbritannien ausgedehnt und andererseits die bis zum Inkrafttretensdatum abgeschlossenen eigenständigen Vereinbarungen über eine länderübergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer abgesichert. Aus dem vorliegenden Entwurf geht hervor, dass eine Kostenbelastung für ein in Österreich ansässiges Unternehmen nur dann vorliegt, wenn es ein Unternehmen mit Niederlassungen im Vereinigten Königreich hat. (Schluss)