Parlamentskorrespondenz Nr. 16 vom 19.01.2000

FÜR MENSCHENRECHTE DIESSEITS UND JENSEITS UNSERER GRENZE

Wien (PK) Freude und Befriedigung über die Tatsache, dass der neue Nationalrat nun einen Ausschuss für Menschenrechte hat, die Überzeugung, dass dieser Ausschuss die Einhaltung der Menschenrechte diesseits und jenseits der Grenze unseres Landes im Auge haben müsse und dass die Arbeit des Ausschusses selbst im Geist der Toleranz und des Respekts erfolgen solle - dies war der Tenor der ersten Arbeitssitzung des Ausschusses für Menschenrechte unter dem Vorsitz von dessen Obfrau Mag. STOISITS (G). Zu Beginn der Sitzung wählte der Ausschuss in Ergänzung der Tagesordnung Abg. JÄGER (SP) zur Schriftführerin.

ANTRÄGE ZU TOLERANZ, DEMOKRATIE, MENSCHENRECHTEN

Auf die Anträge der VP (34/A[E] ) der SP 39/[E] ), der Grünen (21/A[E] sowie der eigenen Fraktion (48/A[E] ) zum Thema Toleranz, Menschenrechte und Demokratie Bezug nehmend, erklärte F-Abgeordneter Dr. Ofner, Integration könne niemals über das Strafgesetzbuch erfolgen, sondern nur über den Arbeitsmarkt. An den Anträgen der drei anderen Fraktionen kritisierte er, dass die darin enthaltenen Prämissen nichts mit den Tatsachen zu tun hätten und reine Polemik, "eingefrorene Wahlkampftöne" seien - ein Vorwurf, der von den Sprechern vor allem der Regierungsfraktionen zurückgewiesen wurde.

Dank des neuen Ausschusses werde es möglich sein, die Zivilgesellschaft stärker in den parlamentarischen Raum einzubeziehen, sagte Abg. Mag. POSCH (SP). Er sieht in dem Ausschuss den Ort, Diskussionen über die nationale und internationale Durchsetzung der Menschenrechte durchzuführen. Abg. Dr. FEKTER meinte dazu, der Ausschuss dürfe sich nicht allein mit österreichischen Interna befassen und müsse auf seine Außenwirkung bedacht sein. Sie beklagte das mangelhafte Menschenrechts-Bewusstsein vor allem bei jungen Menschen. Abg. ELLMAUER (VP) meinte, daran anknüpfend, Menschenrechts-Erziehung sei eine "Investition in die gemeinsame Zukunft".

Abg. Dr. Pittermann (SP) beklagte, dass der Antisemitismus zunehmend salonfähig geworden sei; es gelte, aus diesem Klima, das sich entwickelt habe, herauszufinden. Dazu brauche es sachliche Argumentation. Auf die interne Menschenrechtssituation gingen auch die Abg. Schweitzer (F) und Jäger (S) ein. Während Schweitzer danach fragte, wie es im Parlament um das freie Mandat, die Minderheitenrechte (Untersuchungsausschüsse) und die direkte Demokratie bestellt sei, verwies Jäger auf die Problemkreise Integration von Ausländern und Antisemitismus.

G-Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) plädierte für eine intensive Zusammenarbeit mit Organisationen, die in Österreich im Bereich der Menschenrechte tätig sind. Ausschuss-Obfrau Mag. STOISITS (G) sprach sich programmatisch dafür aus, in den eigenen Reihen für die Arbeit des Ausschusses für ein positives Klima zu werben. Anregungen sollten aufgenommen, Anliegen konkret und sachlich vorgebracht, eine "Besudelung des eigenen images" vermieden werden. Es gelte, die Zusammenarbeit mit Menschenrechtsorganisationen im Ausschuss zu institutionalisieren. Die Menschenrechts-Erziehung ist nach Überzeugung der Ausschuss-Vorsitzenden "Kern und Basis" dieser Arbeit. Sie sprach sich außerdem für ein Monitoring von Beschlüssen aus und äußerte die Hoffnung, Abg. Dr. Ofner werde - als Mitglied des Konvents zur Erarbeitung einer europäischen Grundrechtscharta - dem Ausschuss darüber regelmäßig berichten und auch Anregungen des Ausschusses aufnehmen. Abg. Ofner sagte dies in einer Wortmeldung ausdrücklich zu.

F-Abg. Dr. KRÜGER mahnte das Recht auf freie Meinungsäußerung und Respekt vor der Meinung des anderen ein. Der Antisemitismus sei seit 1945 in Österreich "stark rückläufig", meinte Krüger, und ergänzte, heute seien manche Äußerungen von Regierungsmitgliedern in der 2. Hälfte der 40er Jahre "nicht zu fassen". VP-Abg. Dr. BRINEK meinte in diesem Zusammenhang, dass es seither auch eine "Moralentwicklung" gegeben habe. Krüger kritisierte eine "Intoleranz insbesondere der Linken" gegenüber allem anderen Gedankengut. An den Vertreter des Bundeskanzleramts richtete er die Frage, warum es in Österreich, trotz eines Erkenntnisses des Europäischen Gerichtshofs, kein privates terrestrisches Fernsehen gebe.

Der Leiter des Verfassungsdienstes des BKA, Sektionschef Dr. Okresek, stellte in seiner Antwort fest, die Äußerung des EUGH habe sich nicht auf das terrestrische Fernsehen bezogen, sondern auf Hörfunk und Kabel-TV. Er verwies auf derzeit laufende rechtspolitische Bemühungen betreffend terrestrisches Privat-TV.

SP-Abg. REHEIS trat für eine unkonventionelle Zusammenarbeit mit den NGOs und ein Auftreten nach außen ein. Im Hinblick auf die Menschenrechts-Situation in Österreich stellte er die Frage, wie mit der Minderheit der Roma umgegangen werde. Grundsätzliche Fragen im Zusammenhang mit der Arbeitsweise des Ausschusses thematisierte Abg. Dr. JAROLIM (SP): Der Ausschuss müsse seinen Fokus auf Menschenrechts-Fragen richten; dies bedeute, dass er sich so weit wie möglich aus der Alltagspolitik heraushalten und dass seine Mitglieder sich persönlich "stark zurücknehmen" müssten. Jarolim plädierte für "harmonische Abschlüsse".

Die Veränderungen im gesellschaftlichen Klima machte SP-Abg. Mag. PLANK an der Sprache fest; sie mahnte in diesem Zusammenhang "mehr Sorgfalt" ein. F-Abg. Dr. Krüger sprach sich gegen Gesinnungsschnüfflei, sein Fraktionskollege Mag. Schweitzer für einen gemeinsamen Antrag auf Wahrung der Menschenrechte und Ausbau der Demokratie aus.

Ein Antrag von Abg. Mag. Posch (SP) auf Vertagung der vier Anträge wurde einstimmig angenommen.

VERANKERUNG VON VOLKSGRUPPEN IN DER VERFASSUNG

Ebenfalls einstimmig vertagt wurde ein Antrag der Grünen (13/A) , in dem Abgeordnete Terezija Stoisits und ihre FraktionskollegInnen ein ausdrückliches Bekenntnis der Republik Österreich zu ihren Minderheiten in der Bundesverfassung urgieren. Vorgeschlagen wird die Einfügung einer Staatszielbestimmung mit folgendem Wortlaut: "Die Republik Österreich bekennt sich zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt. Diese Vielfalt ist zu achten, zu bewahren, zu fördern und zu schützen." Die Grünen machen darauf aufmerksam, dass ein solches eigenständiges Bekenntnis Österreichs zu den Volksgruppen fehlt, obwohl diese einen bedeutenden Beitrag für die Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt in Österreich leisten würden.

In der Sitzung wies G-Abgeordnete Mag. STOISITS darauf hin, dass der vorliegende Antrag bereits in der letzten Legislaturperiode vom Verfassungsausschuss ausführlich behandelt worden sei, jedoch keine Einigung erzielt werden konnte. Der ehemalige ÖVP-Klubobmann Khol habe aber zugesichert, sich mit dem Anliegen weiter auseinander zu setzen.

VP-Abgeordnete Dr. FEKTER äußerte sich dennoch skeptisch. Sie unterstütze zwar grundsätzlich eine Förderung der Volksgruppen und der kulturellen Vielfalt in Österreich, betonte sie, die österreichische Verfassung sei aber prinzipiell nicht auf die Aufnahme von Staatszielbestimmungen ausgerichtet. Fekter hält es, wie sie sagte, "für ein Unding, die Verfassung mit Dingen zu überfrachten, für die sie nicht geschaffen wurde". Auch Senioren, Bauern, Kleingewerbetreibende oder Lehrlinge würden dann berechtigter Weise mit ähnlichen Forderungen kommen. Die Abgeordnete warnte davor, dass der Verfassungsgerichtshof mit Hinweis auf eine Staatszielbestimmung jede politische Entscheidung "schmeißen" könnte. Auch die ausdrückliche Aufnahme der Gleichstellung von Frauen in die Verfassung hat ihrer Auffassung nach in der Praxis nichts gebracht, keine einzige Frau habe dadurch ihre Position verbessern können.

Abgeordneter Mag. POSCH (SP) gab dem gegenüber zu bedenken, dass die Vertreter aller Volksgruppen mit dem Wunsch an das Parlament herangetreten seien, eine entsprechende Staatszielbestimmung in der Verfassung zu verankern. Er regte die Abhaltung eines Expertenhearings an. (Schluss)