Parlamentskorrespondenz Nr. 23 vom 21.01.2000

571 PERSONEN WANDTEN SICH 1998 AN DIE GLEICHBEHANDLUNGSANWALTSCHAFT

Wien (PK) - Im Jahr 1998 haben sich insgesamt 571 Personen (477 Frauen und 94 Männer) zur Beratung an die Gleichbehandlungsanwaltschaft gewandt. Das geht aus dem Gemeinsamen Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes hervor, der von Frauenministerin Mag. Prammer und Sozialministerin Hostasch im Jänner dem Parlament zur Behandlung vorgelegt wurde (III-13 d.B.). Dabei stellte das Problem der sexuellen Belästigung (32,5 % der Anfragen) den Schwerpunkt der Beratungstätigkeit dar.

Im Vergleich zum Vorjahr sind damit die Erstkontakte (1998: 571 Personen, 1997: 542 Personen) weiter angestiegen, konstatierte Gleichbehandlungsanwältin Nikolay Leitner. Erstmals leicht zurückgegangen sind jedoch die Anfragen zum Thema sexuelle Belästigung. Während die Beratungsgespräche in Westösterreich, vor allem aber in Tirol, erwartungsgemäß zugenommen haben, gibt es nach wie vor wenige Anfragen von Personen aus Süd- bzw. Südostösterreich. Dies mache nach Auffassung der Gleichbehandlungsanwältin deutlich, wie sehr sich die große Entfernung zu Information und Beratung in Gleichbehandlungsfragen auswirke.

Zwei Bereiche, in denen sich Beschwerden von Frauen häufen, sind der EDV-Sektor und der Bankenbereich, heißt es im Bericht. Frauen würden trotz hervorragender Qualifikation durchschnittlich deutlich schlechter bezahlt als männliche Kollegen auf gleicher Ebene. Schwierigkeiten treten vor allem im Falle von Schwangerschaften auf und auch im Zuge von Fusionen werden Frauen häufig Opfer von männlichem Lobbyismus.

Weiters wird im Bericht darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit betrieblicher Altersversorgung und betrieblichen Sozialplänen neue Gleichbehandlungsprobleme auftreten. Die Pensionskassen etwa stützten sich bei ihren Berechnungen auf dieselben versicherungsmathematischen Unterlagen wie die privaten Krankenversicherungen. Dies führe u.a. dazu, dass Frauen aufgrund des „Risikos“ der durchschnittlich höheren Lebenserwartung von vornherein mit geringeren Auszahlungen zu rechnen haben. Die Gleichbehandlungsanwältin tritt deshalb für die Erarbeitung von so genannten „Unisex-Modellen“ ein, wie dies in skandinavischen Ländern üblich ist. Zudem habe die Gleichbehandlungsanwaltschaft auch erstmals Hinweise darauf erhalten, dass das niedrigere gesetzliche Pensionsanfallsalter von Frauen im Einzelfall als Argument dafür verwendet werde, bei - mit Betriebsschließungen in Zusammenhang stehenden -Sozialplänen weniger günstige Regelungen zu treffen.

DIE ARBEIT DER GLEICHBEHANDLUNGSKOMMISSION

Derzeit bestehen zwei Möglichkeiten des Rechtsschutzes für Personen, die sich auf das Gleichbehandlungsgesetz berufen: Die Gleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt und die Arbeits- und Sozialgerichte. Die Kommission ist eine Einrichtung, deren Prüfergebnisse und Gutachten rechtlich nicht durchsetzbar sind. Sie ist dadurch aber nicht so strikt an die Verfahrensvorschriften gebunden wie ein Gericht und kann insbesondere bei ihren Vorschlägen an die ArbeitgeberInnen flexibler agieren. Schadenersatz und sonstige finanzielle Ansprüche hängen aber, insofern sie nicht freiwillig geleistet werden, von der Entscheidung eines Gerichts ab, das - aufgrund der bestehenden „Doppelgleisigkeit“ - in der Sache selbst eine andere Auffassung vertreten kann.

Seit der Einrichtung der Gleichbehandlungsanwaltschaft im Jahr 1991 wurden insgesamt 117 Überprüfungsverfahren in der Gleichbehandlungskommission eingeleitet. 1998 wurden bis zum Stichtag 31. Dezember 27 Fälle in der Kommission behandelt, 23 Einzelfälle und 4 Gutachten. 15 Einzelfälle und 2 Gutachten konnten bereits erledigt werden, 7 Einzelverfahren und 2 Gutachten sind noch anhängig, ein Antrag wurde zurückgezogen.

Im Berichtszeitraum wurden insgesamt 23 Anträge eingebracht, der Großteil davon durch Interessenvertretungen und sechs durch die Gleichbehandlungsanwaltschaft. Dabei wurden Diskriminierungsvermutungen vor allem in folgenden drei Bereichen konstatiert: Entgeltfestsetzung, Beförderung sowie Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Beispielsweise wandte sich eine seit zwei Jahren bei einer Baumarktfiliale beschäftigte Frau an die Gleichbehandlungsanwaltschaft, da ein neueintretender männlicher Kollege um mehr als 2.000 S brutto mehr verdiente. Die Geschäftsleitung argumentierte, dass der männliche Kollege eine Zusatzqualifikation in Form einer Ausbildung in Erster Hilfe nachgewiesen hat. Die Verkäuferin, die sich mehrere Male darüber beschwerte hatte, dass sie trotz Zuteilung zusätzlicher Verantwortungsbereiche seit der Vakanz des Postens der Abteilungsleitung ohne finanzielle Entschädigung geblieben war, wurde schließlich gekündigt.

Was die 1998 abgeschlossenen Verfahren anbelangt, so ist allgemein festzustellen, dass sämtliche von der Gleichbehandlungsanwaltschaft beantragten Verfahren vor der Kommission im Sinne der betroffenen Frauen entschieden wurden, was jedoch nicht verhindern konnte, dass sieben von acht Frauen zur Geltendmachung ihrer Ansprüche eine Klage vor dem Arbeits- und Sozialgericht einbringen mussten.

ERSTE REGIONALANWALTSCHAFT IN TIROL ERÖFFNET

1998 wurden die Voraussetzungen im Stellenplan und hinsichtlich der finanziellen Ressourcen geschaffen, um mit den konkreten Vorbereitungen für die Installierung eines Regionalbüros für die drei westlichen Bundesländer (Tirol, Vorarlberg und Salzburg) mit Sitz in Innsbruck zu beginnen. Am 1. November 1999 konnte schließlich die neue Regionalanwältin, Mag. Christine Baur, ihre Tätigkeit aufnehmen. In den ersten sechs Wochen haben sich bereits insgesamt 12 Personen zur Beratung im Regionalbüro angemeldet.

KOOPERATION, INFORMATION UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

Positiv wird im Bericht hervorgehoben, dass sich die Gleichbehandlungsanwaltschaft innerhalb des Beratungs- und Unterstützungsnetzwerkes, auf das ArbeitnehmerInnen im Konfliktfall bauen können, als anerkannte und wegen ihrer Spezialkompetenz selbstverständlich in Anspruch genommene Einrichtung etabliert. Als Erfolg der langjährigen Informationsarbeit könne gewertet werden, dass das „Bundesgesetz über die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben“ endgültig den Status der „großen Unbekannten“ verloren zu haben scheint, meinen die Autorinnen. Großes Augenmerk werde auch auf die intensive Zusammenarbeit mit den ArbeitnehmerInnenvertretungen, den Gleichbehandlungs-einrichtungen des öffentlichen Dienstes, den sozial- und arbeitsmarktpolitischen Institutionen sowie den Fraueninitiativen gelegt, damit die einzelnen Aktivitäten gezielt zum besten Nutzen für die betroffenen ArbeitnehmerInnen aufgeteilt werden können.

Fachvorträge und Referate für Frauenorganisationen und Frauengruppen, Berufsvereinigungen, Erwachsenenbildungs-einrichtungen, Universitäten und sozialpolitische Institutionen bilden einen wesentlichen Bestandteil der Arbeit der Anwältin für Gleichbehandlungsfragen. Da es nicht möglich sein wird, alle Personengruppen direkt zu informieren, soll versucht werden, auf Basis der bereits vorhandenen, umfangreichen Erfahrung mit der Informationsarbeit eine Art „Grundkurs Gleichbehandlungsrecht“ zu entwickeln, der allenfalls auch publiziert werden könnte.

Was die internationalen Kontakte betrifft, so hat Nikolay-Leitner u.a. am EU-Projekt „Preparing Women to Lead“ als Mentorin teilgenommen. Diese Initiative der EU-Kommission dient der Förderung des weiblichen Führungsnachwuchses und vermittelt besonders qualifizierten Hochschulabsolventinnen nach intensiver Vorbereitung mehrmonatige Praktika bei Führungsfrauen in Wirtschaft, Politik und Verwaltung.

WEITERENTWICKLUNG DES GLEICHBEHANDLUNGSGESETZES

Die vierte Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes, die u.a. die Möglichkeit zur Regionalisierung der Gleichbehandlungs-anwaltschaft vorgesehen hat, ist mit 1. Mai 1998 in Kraft getreten. Um den Schutz von betroffenen ArbeitnehmerInnen noch wirksamer und effektiver zu gestalten, werden sowohl im Bericht der Frauenministerin als auch der Sozialministerin eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, die nach Auffassung der Autorinnen des Berichts in der fünften Novelle Berücksichtigung finden sollten: Einbeziehung von nicht geschlechtsneutralen Stellenausschreibungen durch ArbeitgeberInnen in die Verwaltungsstrafbestimmung (derzeit unterschiedliche Behandlung von privaten Arbeitsvermittlern und Arbeitgebern); verbesserter Schutz bei Diskriminierung durch sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz (z.B. Ausbau der präventiven Maßnahmen, Einräumung des subjektiven Beschwerderechts, Verbesserungen beim Kündigungsschutz etc.); Erleichterung der Beweisführung in Fällen sexueller Belästigung; Schutz bei Folgediskriminierungen; Angleichung der Fristen zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen; sprachliche Gleichbehandlung durch das Gleichbehandlungsgesetz; Einbeziehung von Personen, die arbeitnehmerInnenähnlich beschäftigt sind, in den Geltungsbereich des Gesetzes.

Da, wie bereits oben erwähnt wurde, die Entscheidungen der Gleichbehandlungskommission rechtlich nicht durchsetzbar sind, wird zudem angeregt, diese als Behörde mit richterlichem Einschlag einzurichten. Solche Behörden sind beispielsweise dort installiert worden, wo über zivilrechtliche Ansprüche entschieden wird, jedoch durch ein öffentlich-rechtliches Interesse eine starke Anbindung an die Verwaltung besteht (z.B. Grundverkehrskommission, Datenschutzkommission etc.). Angestrebt werde außerdem eine Parteistellung der Gleichbehandlungsanwaltschaft im Verwaltungsverfahren, das Recht auf Verbandsklage sowie eine Stärkung der Rechtsstellung der Gleichbehandlungsanwältin.

Überdies sollten einige Verbesserungen durchgeführt werden, die aufgrund der Angleichung des österreichischen Rechts an EU-Bestimmungen notwendig sind: die Aufhebung der Schadenersatzobergrenzen bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses und beim beruflichen Aufstieg und die Anpassung der Beweislastverteilung an die Beweislast-Richtlinie. (Schluss)