Parlamentskorrespondenz Nr. 54 vom 08.02.2000
GRÜNE: "WIRTSCHAFTSPOLITISCHER SCHADEN, AUSSENPOLITISCHE ISOLIERUNG"
Wien (PK) - Mit einer Dringlichen Anfrage (322/J ) an Bundeskanzler Dr. Schüssel machte die Grüne Parlamentsfraktion die "persönliche und politische Verantwortung für den wirtschaftlichen Schaden und die außenpolitische Isolierung Österreichs auf Grund der Haider-Schüssel-Regierungsbildung" zum zentralen Thema der Sondersitzung des Nationalrats am Dienstag. Die Regierung Schüssel habe es geschafft, werfen die Grünen der neuen Bundesregierung vor, Österreich noch vor der Regierungserklärung "an den Rand Europas zu führen und zu isolieren", das Land im In-und Ausland unglaubwürdig zu machen und Österreich wirtschaftlich schwer zu schaden. "Alles deutet darauf hin", heißt es in der Anfrage, "dass der wirtschaftliche und politische Schaden voraussehbar waren, der österreichische Außenminister und seine Staatssekretärin über alle notwendigen Informationen verfügten und den Schaden bewusst in Kauf nahmen". Mit ihrer 21 Fragen umfassenden Anfrage im Nationalrat will die Grüne Fraktion die politische Verantwortung in fünf Themenfeldern klären: "für die Machtübernahme durch eine rechtsextreme Partei, für die absehbare politische Isolation, für die außenpolitische Handlungsunfähigkeit, für den absehbaren wirtschaftlichen Schaden und für die Irreführung der Öffentlichkeit, um von dieser Verantwortung abzulenken".
Diese Regierung habe noch vor ihrer ersten Präsentation im Parlament Österreich in einen außenpolitischen Scherbenhaufen geführt, begründete Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) die Dringliche Anfrage seiner Fraktion. Das habe noch keine andere Regierung bisher zustande gebracht. Verantwortlich für diese Isolation sei der Bundeskanzler. Als damaliger Außenminister hätte er wissen müssen, welchen Tabubruch man begehe, wenn man mit einer weit rechts stehenden Partei eine Regierung bilde. Österreich sei auf Grund seiner leidvollen Erfahrungen nicht irgendein Land. Der Abgeordnete räumte ein, dass es in Europa Parteien gebe, die noch weiter rechts stünden, aber diese agierten nur auf regionaler Ebene und nicht auf nationaler. Dieser Tabubruch habe Österreich in die außenpolitische Quarantäne geführt. Die außenpolitische Isolation sei fix, stellte der Mandatar fest, bilaterale Kontakte seien eingefroren und österreichische Kandidaten für Positionen in internationalen Organisationen hätten keine Unterstützung mehr. Ein Botschafter Petritsch, so Van der Bellen, hätte heute keine Chance mehr.
Die Frage sei, wie handlungsfähig die Bundesregierung innenpolitisch noch sein könne, wenn sie außenpolitisch handlungsunfähig ist. Die Situation werde sich dadurch verschärfen, weil Botschafter nur noch auf technischer Ebene empfangen würden und damit Österreich von den Vorverhandlungen ausgeschlossen sei. Im Hinblick auf Beteuerungen der Außenministerin und des Bundeskanzlers, sie hätten von den Maßnahmen der 14 EU-Staaten nichts gewusst, stellte Van der Bellen fest, dass es sich entweder um bewusste Falschinformation der Öffentlichkeit handle oder um das Eingeständnis, dass man Dinge, die man nicht gerne hört, einfach nicht wahrnehmen will. Alle hätten ihre Besorgnis geäußert und gewarnt. Als Beweis dafür nannte er eine Zusammenstellung, verfasst von der Präsidentschaftskanzlei, die eine Chronologie der Ereignisse festhält und auflistet, wie der Bundespräsident seine Informationen dem damaligen Außenminister weitergegeben habe. In Richtung FPÖ, die von ihrem Vorhaben, einen Untersuchungsausschuss wegen politischen Hochverrats zu beantragen, wieder abgegangen sei, stellte der Mandatar fest, dass er diese Frage durchaus gerne klären würde. Haider habe bislang nichts zur Deeskalation beigetragen, und er warf dem Kärntner Landeshauptmann vor, dass es diesem völlig egal sei, welchen Schaden er anrichte. Es sei eben ein Unterschied, ob man im Wirtshaus oder im Elysee-Palast rede. Die Zeche für eine derartige Politik bezahlen die kleinen Leute und, so fragte er, was können die Österreicher dafür, in der EU Lokalverbot zu haben? Zu all dem komme der wirtschaftliche Schaden, den die Volkspartei als Wirtschaftspartei in Kauf nehme. Wenn all das kein Grund für ein Misstrauensvotum sei, welche Gründe gebe es sonst dafür, schloss Van der Bellen fragend.
Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL begann die Beantwortung der Dringlichen Anfrage mit der Kritik, dass die gute und demokratische Usance, einer neuen Regierung die Chance zu geben, sich im Parlament zuerst mit ihrem Programm zu präsentieren, gebrochen worden sei. Er habe kein Verständnis dafür, dass manche so tun, als ob etwas Ungeheuerliches geschehen sei. Immerhin habe es eine demokratische Wahl gegeben, und nun gebe es im Parlament eine demokratisch legitimierte Mehrheit. Mit der Regierungsbildung habe man dem Land Instabilität und Neuwahlen erspart, man habe ein handlungsfähiges Programm erarbeitet und die Beurteilung möge anhand von Worten und Taten erfolgen. Schüssel bestritt die Vorhersehbarkeit der Maßnahmen durch die anderen 14 EU-Staaten. Natürlich seien vor der Wahl viele Fragen, Sorgen und Befürchtungen aufgeworfen worden, es sei jedoch ein Unterschied, ob befreundete Staatenlenker sagen, sei vorsichtig, oder ob 14 Länder ganz konkrete Schritte androhen. Diese Vorausinformation habe er nicht gehabt, weshalb auch der Vorwurf, er habe das Parlament bewusst falsch informiert, nicht stimme, bekräftigte der Bundeskanzler. Die entscheidende Frage sei, ob die Vorwürfe und Sanktionen verhältnismäßig seien, ob sie dem Geist und den Buchstaben der Verträge angemessen seien, oder ob sie diesen Geist und die Solidarität verletzen. Er habe immer glühend für die EU gekämpft, und er sei daher empört, wenn genau diese Prinzipien am Beispiel Österreichs nicht respektiert würden.
Schüssel hob hervor, dass zwischen der Chronologie der Präsidentschaftskanzlei und dem, was er gesagt habe, kein Gegensatz bestehe. Er habe am 31. Jänner um ca. 13 Uhr durch den portugiesischen Ratspräsidenten von der auf Grund eines belgischen Ansuchens verfassten schriftlichen Erklärung erfahren. Offiziell sei man davon erst um 17 Uhr in Lissabon in Kenntnis gesetzt worden. Die Vorgangsweise sei eine klassische Verletzung der Usancen, weil keine Gespräche geführt wurden und man ohne korrektes Verfahren vorgegangen sei. Für ihn stehe dies im Widerspruch zu Artikel 11 des EU-Vertrages. Vielleicht könne diese Situation zum Anlass genommen werden, für ähnliche Fälle klare Verfahren mit konkreten Spielregeln zu schaffen. Die Vorgangsweise hätte bei den Beitrittskandidaten und in der Schweiz Verunsicherung ausgelöst, und die Auswirkungen in Bezug auf die Änderung des Einstimmigkeitsprinzips im Ministerrat, auf die Umgewichtung der Stimmrechte im Rat und auf die zukünftige Größe der Kommission sei noch nicht absehbar. Der Bundeskanzler plädierte daher dafür, Gelassenheit und Festigkeit zu beweisen, Österreich in den Vordergrund zu stellen und Emotionen hintanzuhalten.
In Beantwortung der konkreten Fragen hielt Schüssel fest, dass es laut Wirtschaftskammer noch keine negativen Entscheidungen gegen österreichische Betriebe gegeben habe. Das Privatisierungsprogramm für die nächsten vier Jahre werde professionell abgewickelt und dazu führen, dass der Steuerzahler nie mehr zur Abdeckung von Schulden herangezogen werde. Bezüglich der Haltung der EU-Partner gegenüber der Verharmlosung der NS-Ideologie bekräftigte Schüssel, dass es an seiner Linie keinen Zweifel geben könne, und weist in diesem Zusammenhang auf die von ihm und FPÖ-Parteiobmann Haider unterzeichnete Präambel des Regierungsprogramms hin. Bisher sei nur der Besuch des portugiesischen Staatsoberhauptes abgesagt worden, das Treffen mit dem scheidenden NATO-Oberkommandierenden in Europa Wesley Clark sei lediglich verschoben worden. Der Bundeskanzler unterstrich abermals, dass sich die Sanktionen nur auf bilaterale Kontakte beziehen und das Funktionieren der EU davon nicht berührt sei. Die Stellungnahme der Kommission untermauere diese Tatsache. Auch habe es bereits mehrere Sitzungen in der EU gegeben, wo österreichische Vertreter in vollem Umfang und unbehindert teilgenommen hätten. Gemeinsam mit der Außenministerin werde man beim nächsten allgemeinen Rat dieses Thema anschneiden.
Hinsichtlich des OSZE-Vorsitzes informierte der Bundeskanzler, dass auch die portugiesische Präsidentschaft erklärt habe, dass es zu keiner Beeinträchtigung der Tätigkeit der OSZE kommen werde. Wer diese beschädige, erweise sich und Europa einen schlechten Dienst, so Schüssel. Der Vorsitz werde daher weiterhin mit Engagement ausgeführt.
Zu den Vorwürfen einer gesteuerten Kampagne sagte der Bundeskanzler, dass er sich selbst extrem zurückgehalten habe und er den Stil der Angriffe und Verurteilungen durch den FP-Parteiobmann öffentlich zurückgewiesen habe. Er werde das Amt des Bundeskanzlers mit Besonnenheit und mit Bedacht ausüben, damit Österreich keinen Schaden nimmt.
Abgeordneter Dr. PILZ (G) erklärte die gespenstische Situation, in der sich diese Regierung dem Parlament vorstelle, mit ihrer Präsentation in der Welt, durch die eine normale Diskussion nicht mehr möglich sei. Eine Mahnung durch Nationalratspräsidenten Fischer brachte Pilz die Äußerung ein, er sei froh darüber, dass sich die Demonstranten auf der Straße nicht so benähmen wie die Abgeordneten der FPÖ.
Die Öffnung der politischen Kultur, die diese Regierung dem Land versprochen habe, sei nicht mehr möglich, weil sich diese Regierung in einer Bunkersituation befinde. Trotz der unvergleichlichen politischen Krise, in der sich die Republik befinde, sehnten sich die Menschen aber keineswegs nach der Zeit vor dem 3. Oktober zurück. Es sei aber nicht einzusehen, dass die Arbeitnehmer bei Steyr-Daimler-Puch oder die kleinen und mittleren Betriebe in der Tourismuswirtschaft die Rechnung für die außenpolitische Handlungsunfähigkeit dieser Regierung bezahlen sollen. Bundeskanzler Schüssel müsse erklären, wie er Österreich aus dieser Situation herausführen wolle, wie er mit der EU über die Aufhebung der Sanktionen verhandeln wolle. Der Schaden sei nicht zu beheben, indem ein Programm vorgestellt werde. Der Vorsitzende einer Partei, die Teil des Nachkriegskonsenses war, hat die Regierungsteilnahme einer rechtsextremen Partei möglich gemacht. Ein Misstrauensantrag bereits vor einer Regierungserklärung sei kein normaler Vorgang, sagte Dr. Pilz. Die Situation, in der sich die Republik befinde, sei aber so außergewöhnlich, dass die Grünen sich veranlasst sehen, einen Entschließungsantrag vorzulegen, in dem der Nationalrat aufgefordert wird, dem Bundeskanzler das Vertrauen zu versagen.
Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (SP) sprach von einer traurigen Situation. Anders als in anderen Ländern könne in Österreich ein Wechsel zwischen Regierung und Opposition nicht stattfinden, weil in Österreich nicht alle Parteien über eine zweifelsfreie demokratische Anerkennung verfügen. Gusenbauer wies auf die internationalen Reaktionen hin, in denen die Freiheitlichen als "Schmuddelkinder" bezeichnet werden, mit denen anständige christdemokratische und konservative Parteien auf Regierungsebene nichts zu tun haben dürfen.
Niemand in Österreich freue sich über diese Reaktionen in Europa und in der internationalen Staatenwelt, weil sie eine große Belastung für Österreich darstellen. Schüssels Aussage, er habe dies nicht vorhersehen können, wies der Redner zurück. Für einen Außenminister, der über einen großen diplomatischen Apparat verfüge, sei dies nicht glaubwürdig. Als Anlass zur Traurigkeit bezeichnete Gusenbauer auch die positiven Kundgebungen zur Regierungsbildung von Seiten italienischer Faschisten und Le Pens in Paris, während sich die gesamte zivilisierte Welt von Österreich abwende.
Gusenbauer machte auf Faxe aufmerksam, in denen US-amerikanische Geschäftsleute, die den Holocaust überlebt haben, den Abbruch ihrer Kontakte mit österreichischen Partnern ankündigen und warf Bundeskanzler Schüssel Schönrederei und Realitätsverweigerung vor. "Sie haben das Ansehen Österreichs auf dem Altar der politischen Macht geopfert. Nehmen Sie Ihre politische Verantwortung wahr und treten Sie zurück!"
Abgeordneter KISS (VP) leitete seine Ausführungen mit dem Hinweis darauf ein, dass Abgeordneter Gusenbauer einst als Juso-Funktionär auf dem Moskauer Flughafen den Boden geküsst und "Heimat" gerufen habe. Bundeskanzler Schüssel habe klar dargelegt, dass er bis zum 31. Jänner nichts von den Sanktionen der 14 anderen EU-Staaten gewusst habe. Was Pilz und Gusenbauer verschwiegen haben, sei die Tatsache, dass der portugiesische Ministerpräsident nicht nur der derzeitige EU-Ratsvorsitzende, sondern auch Vorsitzender der Sozialistischen Internationale sei. Es gelte nun Festigkeit zu beweisen, denn nicht 14 EU-Staaten und nicht die Sozialistische Internationale haben zu bestimmen, wie in Österreich eine Regierung aussieht. Denn die Sanktionen der 14 stehen im Widerspruch zu den Prinzipien der Europäischen Union und zum Buchstaben der europäischen Verträge, zeigte sich Kiss überzeugt.
Abgeordneter Kiss bedauerte die Abwesenheit von Altbundeskanzler Klima, der so keine Chance habe, den Vorwurf eines Augenzeugen aufzuklären, der berichtete, er, Klima, sei es gewesen, der bei der Holocaust-Konferenz in Stockholm die Regierungsbeteiligung der FPÖ zum Thema gemacht habe. In diesem Zusammenhang verwies Kiss auf internationale Pressemeldungen, aus denen hervorgehe, dass Österreich um diesen Boykott gebeten habe.
Schließlich zeigte sich Kiss enttäuscht von den ehemaligen sozialdemokratischen Bundesministern, die auf eine geordnete Amtsübergabe verzichtet hätten und vor ihrem Abgang eine Politik vernichteter Akten, "tagelang glühender Reißwölfe" und "heruntergefahrener Computer" betrieben hätten. Das sei keine Art, sich aus einer Verantwortung zu verabschieden.
Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (F) sah nicht Österreich, sondern die SPÖ in einer traurigen Position und gab seinen Eindruck wider, dass sich Abgeordneter Gusenbauer über die Maßnahmen des Auslandes zum Schaden Österreichs freue. SPÖ und Grüne betrieben eine Fundamentalopposition gerade zu einer Zeit, in der Solidarität gefragt sei. Der neue Klubobmann der Freiheitlichen warf den Grünen vor, für die Eskalation der letzten Tage verantwortlich zu sein und erinnerte an die Bezeichnung Jörg Haiders als Faschisten durch den EU-Abgeordneten Voggenhuber und an Äußerungen der grünen Landtagsabgeordneten Vassilakou, die gemeinsame Demonstrationen mit gewaltbereiten Terroristen angekündigt habe. Wer davon spreche, dass diese Bundesregierung "unter die Erde" gehöre, müsse wissen, dass solche Aussagen von gewaltbereiten Demonstranten in Steine umgemünzt würden.
Westenthaler hielt den kritischen und negativen Reaktionen aus Europa differenziertere Darstellungen entgegen und forderte SPÖ und Grüne auf, ihre Obstruktions- und Destruktionspolitik aufzugeben. Geben Sie dieser Regierung eine Chance und beurteilen Sie sie nach ihrem Programm, forderte er.
Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) erinnerte ihren Vorredner daran, dass die Gewaltfreiheit zu den Grundprinzipien der Grünen zähle und kündigte eine Überprüfung seiner Äußerungen über Landtagsabgeordnete Vassilakou an. Den Vorwurf, die Grünen hätten mit ihrem Verlangen auf Abhaltung einer Sondersitzung eine parlamentarische Usance gebrochen, wies Lunacek mit dem Hinweis darauf zurück, dass die ÖVP mit der Aufnahme der Freiheitlichen in die Regierung ebenfalls eine Usance gebrochen habe. Bundeskanzler Schüssel forderte die Rednerin auf zu erklären, warum er als Außenminister nichts von den angekündigten Sanktionen gewusst haben wolle bzw. warum er entsprechende Warnungen nicht ernst genommen habe. Der Beschluss der 14 sei kein Beschluss der Sozialistischen Internationale, an ihm haben auch konservative und liberale Regierungschefs und Außenminister mitgewirkt. Überdies sollte Schüssel erklären, warum die Europäische Volkspartei überlege, die ÖVP auszuschließen. In ihren weiteren Ausführungen befasste sich die Rednerin mit dem wirtschaftlichen Schaden und bedauerte insbesondere den Image-Schaden, der für Produkte mit dem Markenzeichen "Made in Austria" entstehe.
Abgeordneter SCHIEDER (SP) zeigte sich nach dem bisherigen Verlauf der Debatte ratlos darüber, wie es nun weitergehen solle, welche Strategie die Regierung einschlagen möchte. Will sie den Schaden minimieren oder will sie "Linie halten"? Laute ihre Botschaft: "Fürchtet euch nicht. Das Ausland meint es nicht so, die Probleme sind nur die Folge einer Klestil/Klima-Verschwörung." Sei Letzteres gemeint, plädierte Schieder für eine Untersuchung, in der auch aufzuklären sei, was Außenminister Schüssel und Staatssekretärin Ferrero-Waldner schon Mitte November gewusst haben und warum die Staatssekretärin in geheimer Mission in Spanien gewesen sei.
Gehe es der Regierung aber darum, den Schaden zu minimieren, sollte sie raschest Gespräche mit der Opposition aufnehmen, verlangte Schieder. "Wir sind bereit, uns an der Schadensminimierung zu beteiligen", wenn dies keine Fußwaschung für die Regierung oder eine Reinwaschung für bekannte furchtbare Äußerungen bedeute. "Wir werden diese Regierung im Inland mit allen demokratischen Mitteln bekämpfen. Wir werden aber auch dafür kämpfen, dass Wirtschaft, Kultur und Bevölkerung des Landes nicht pauschaliter für diese Regierung leiden müssen," schloss Abgeordneter Schieder.
Abgeordneter Dr. SPINDELEGGER (VP) sprach von einem europäischen Schauprozess, der kein Maß und kein Ziel mehr habe. Er kritisierte die Sanktionen als eine Einmischung in innere Angelegenheiten, wie sie in der Europäischen Union noch niemals stattgefunden haben. Dieser Schauprozess werde heute im Inland fortgesetzt, klagte Spindelegger und stellte in aller Entschiedenheit fest, dass ein demokratischer Willensprozess nur innerhalb eines Landes stattfinden könne. Zurückzuweisen sei auch die Auffassung, dass die Demokratie nur bei Beteiligung bestimmter Parteien funktioniere. Weiters wies Spindelegger Schuldzuweisungen gegenüber dem Bundeskanzler und früheren Außenminister Schüssel zurück und forderte rasche Aufklärung über das Verhalten Viktor Klimas bei der Holocaust-Konferenz in Stockholm. Schließlich appellierte Spindelegger an alle Abgeordneten, daran mitzuwirken, Österreich aus dieser Ecke heraus und wieder in das Zentrum Europas zu bringen.
Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL stellte klar, dass ihm Politiker wie Aznar, Chirac, Blair und Prodi ihre allgemeinen Sorgen ausgedrückt hätten, aber keine Sanktionen angekündigt haben. Der Kontakt der Staatssekretärin mit Spanien und Portugal sei keine Geheimreise gewesen. Um aus der gegenwärtigen Situation herauszukommen hielt er es für notwendig, Informationen zu geben, aktiv aufzuklären, moderat vorzugehen und darauf zu verzichten, Öl ins Feuer zu gießen. Die Frage nach dem wirtschaftlichen Schaden habe er korrekt beantwortet. Es bestünden Befürchtungen, tatsächlicher Schaden sei aber keiner eingetreten. Die Börse habe seit Jahresbeginn 11 bis 12 % verloren, in der letzten Woche hätten die Kurse um 2,8 % nachgegeben, heute aber wieder um 1,8 % zugelegt.
Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (SP) dementierte in einer tatsächlichen Berichtigung, Altkanzler Klima hätte am Vormittag des 26. Januar in Stockholm Gespräche geführt. Vielmehr sei Klima erst am Nachmittag in Stockholm eingetroffen.
Abgeordneter HAIGERMOSER (F) übte eingangs Kritik an der Politik der seinerzeitigen Regierung Klima, die der neuen Regierung ein mehr als schweres Erbe hinterlassen habe. Seine Fraktion sei jedoch bereit, gemeinsam mit dem Koalitionspartner die nötigen „Aufräumarbeiten“ zu leisten. Die neue Regierung werde den Österreichern zeigen, was ordentliches Handwerk bedeute.
Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) widersprach in einer tatsächlichen Berichtigung der Darstellung einzelner F-Abgeordneten in bezug auf eine Aussage der Wiener Landtagsabgeordneten Vassilakou.
Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) hielt fest, dass die Reputation Österreichs noch nie so gefährdet gewesen sei wie heute, dass die Polarisierung noch nie so stark war wie jetzt. Es sei keine Kleinigkeit, wenn der Bundespräsident gezwungen sei, in einer Präambel das Bekenntnis zu den europäischen Grundwerten festschreiben lassen zu müssen.
Abgeordnete Dr. PITTERMANN (SP) begann ihre Rede mit einer Erinnerung an die Gräuel des Nationalsozialismus und verwies darauf, welche Assoziationen die neue Regierung etwa in Israel hervorrufen müsse. Als eine, deren Familie durch die Shoah schweres Leid erfuhr, sei sie froh, dass die Welt diesmal früher reagiere. Was einmal wirklich war, bleibt immer möglich, zitierte Pittermann einen Rabbiner und meinte, es sei wichtig, wachsam zu sein. Der erste Tote der Zweiten Republik sei ein Opfer der Rechtsextremen gewesen, die heutigen Demonstranten hingegen seien friedlich und wollten ein besseres Österreich. Sie aber habe Angst, dass die Rechte weitermarschiere, „bis alles in Scherben fällt“.
Abgeordneter Mag. HAUPT (F) meinte, diese Isolierung hätten sich weder Österreich noch die F verdient. Wie schwach müsse die EU sein, wenn sie zu solchen Maßnahmen greifen zu müssen glaube. An die Sozialdemokratie gerichtet fragte der Redner, ob der SPÖ der Posten des Finanzministers denn wichtiger gewesen sei als das Ansehen Österreichs. Die Regierungsbildung sei ein demokratischer Vorgang gewesen, die F seien eine demokratische Partei, die die Demokratie weiter voranbringen werde. Dies müssten auch die linken Parteien zur Kenntnis nehmen.
Abgeordneter Mag. POSCH (SP) übte Kritik am Agieren der F und erinnerte an einschlägige Zitate verschiedener F-Funktionäre, aber auch an Aussagen einzelner VP-Politiker, die noch vor gar nicht allzu langer Zeit ebenfalls heftige Kritik an der F geübt hätten. Im Hinblick auf die neue Regierung meinte der Redner, es sei keine Frage des Programms, es sei eine Frage der Symbolik.
Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) sagte, sie sehe schon ein, dass es für die Sozialdemokraten schwer sei, nach 30 Jahren von der Macht Abschied zu nehmen, doch sehe die SP das Problem falsch. Sie solle lieber über ihre eigenen Fehler nachdenken. Hätte die Sozialdemokratie wirklich Sorge um dieses Land, so würde sie diese Regierung arbeiten lassen.
Abgeordneter Mag. KUKACKA (VP) schloss an seine Vorrednerin an und erklärte, der „Stachel der Enttäuschung“, nach 30 Jahren von der Machtausübung Abschied nehmen zu müssen, sitze tief. Dennoch brauche es Toleranz und Fairness gegenüber dem politischen Gegner. Die Ansicht, es könne Demokratie nur unter sozialdemokratischer Führung geben, werde jedenfalls von seiner Fraktion nicht geteilt. Das Scheitern der Koalition mit der SPÖ sei den Sozialdemokraten geschuldet. Nun ließen die Sozialdemokraten international die Muskeln spielen, doch da „spielt die Volkspartei sicher nicht mit“.
Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL ging in einer weiteren Wortmeldung auf die Ausführungen der Abgeordneten Pittermann ein und sagte, es müsse bei aller politischen Verschiedenheit möglich sein, sich auf einen Wertekanon zu verständigen, auf den er auch morgen in seiner Regierungserklärung einzugehen gedenke.
Der Misstrauensantrag wurde mehrheitlich abgelehnt.
KURZE DEBATTE - FRISTSETZUNGSANTRAG 18/A
Abgeordneter Dr. KOSTELKA (SP) hielt es für dringend notwendig ein Minderheitsrecht für die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen zu schaffen. Dafür haben sich die Sozialdemokraten bereits eingesetzt, als sie noch Regierungsverantwortung getragen haben, erinnerte der Redner.
Abgeordnete Dr. FEKTER (VP) gab zu bedenken, dass das Geschäftsordnungskomitee im Dezember konsensual beschlossen habe, internationale Rechtsvergleiche in dieser Frage anzustellen. Daraufhin wurden Fragenkataloge ausgearbeitet und an verschiedene europäische Parlamente versandt. Da jedoch noch nicht alle erforderlichen Unterlagen eingelangt sind und kein abschliessendes Urteil gefällt werden könne, lehnte sie den vorliegenden Fristsetzungsantrag ab, den Fekter als „Aktionismus“ bezeichnete.
Abgeordneter Dr. GRAF (F) wertete die Vorgangsweise von Kostelka als kontraproduktiv und populistisch. Zudem spreche er damit dem Nationalratspräsidenten das Misstrauen aus, da die Frage der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen im Rahmen des Geschäftsordnungskomitees bereits näher behandelt werde. Er vertraue darauf, dass der Fahrplan eingehalten und ein guter Abschluss erzielt werde.
Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) stand dem Antrag von Kostelka positiv gegenüber. Die vorgesehene Frist sei ihrer Auffassung nach ausreichend, um diese Frage reiflich diskutieren zu können.
Bei der Abstimmung wurde der Fristsetzungsantrag abgelehnt. (Schluss)