Parlamentskorrespondenz Nr. 71 vom 14.02.2000

GRUNDLEGENDES WERK ÜBER SPRACHENRECHT ERSCHIENEN

Wien (PK) – Vor ebenso prominentem wie zahlreichem Auditorium wurde heute mittags im Hohen Haus das Buch „Sprachenrecht in Österreich“ aus der Feder von Dr. Dieter KOLONOVITS durch Nationalratspräsident Dr. Heinz FISCHER vorgestellt. Im Publikum anwesend waren u.a. die Präsidenten von Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof, die Botschafter der Tschechischen und der Kroatischen Republik, ehemalige und aktive Abgeordnete sowie etliche Funktionäre der verschiedenen Verbände österreichischer Volksgruppen.

In seiner Einleitung meinte Fischer, dieses Buch beschäftige sich zwar mit einem sehr spezifischen Thema, dem Sprachenrecht, doch hänge dieses mit dem Minderheitenrecht und damit auch mit den Menschenrechten zusammen, weshalb es von großer Wichtigkeit sei, sich damit auseinander zu setzen, gebe es doch noch einige Aufgaben und Ziele, die der Lösung resp. der Erreichung harrten.

Fischer wies darauf hin, dass Kolonovits als Angehöriger der kroatischen Volksgruppe ein besonderes Einfühlungsvermögen an den Tag gelegt habe, und es imponierend sei, eine so subtile Arbeit geschrieben zu haben. Umso schöner sei es, dass diese auf so großes Interesse stoße.

Univ.Prof. Dr. Robert WALTER erinnerte eingangs daran, dass 1899 schon einmal ein grundlegendes Werk zu diesem Thema bei Manz erschienen sei, habe doch Rudolf v. Hernritt damals das erste bedeutende Opus über das Sprachenrecht publiziert. Dies in einer Zeit, da die Sprachenfrage in aller Munde war und zentrale Bedeutung für die Monarchie besaß.

Heute gebe es für das Sprachenrecht vier substantielle Rechtsquellen, den Artikel 19 des Staatsgrundgesetzes von 1867, den Artikel 8 B-VG, den Artikel 7 des Staatsvertrags zu Wien und das Volksgruppengesetz 1976. Kolonovits´ Verdienst sei es, die erste systematische Zusammenfassung des Sprachenrechts der Republik vorgelegt zu haben. Mit diesem Buch leiste er den Behörden und den einzelnen Parteien wertvolle Hilfe bei der richtigen Anwendung dieser Rechtsmaterie.

Dabei, so Walter weiter, dürfe man nicht übersehen, dass nicht nur die Stellung der Minderheiten-, sondern auch jene der Staatssprache geregelt sei, woraus sich auch ergibt, „dass man mit der deutschen Sprache juristisch nicht so umgehen kann, wie dies mit der letzten Rechtschreibreform der Fall gewesen ist“.

Walter verwies darauf, dass Kolonovits sein 6. Habilitand nach Heinz Mayer, Jabloner, Laurer, Thienel und Kucsko-Stadlmayer gewesen sei, wobei er, Walter selbst, seinerzeit bei Merkl habilitiert habe, der wiederum Habilitand von Kelsen gewesen sei. Kolonovits sei somit zu wünschen, dass er gleich den anderen fünf Habilitanden zu einem „Fixstern der Jurisprudenz“ werde, zu welcher Hoffnung seine bisherigen Arbeiten zweifelsfrei berechtigten.

Kolonovits selbst ging in seiner Rede auf drei Hauptergebnisse seiner Arbeit ein. Zum Ersten sei festzuhalten, dass der Artikel 7 Ziffer 3 des Staatsvertrages unmittelbar anzuwenden ist. Dieser richte sich an die Vollziehung ebenso wie an die Angehörigen der Volksgruppen. Zweitens sei der Artikel 19 Absatz 2 des Staatsgrundgesetzes nicht durch den Artikel 8 B-VG derogiert, sondern nur auf eine lokale Wirksamkeit verwiesen. Drittens müsse beim Sprachenrecht nun auch das Gemeinschaftsrecht entsprechende Berücksichtigung finden, was insbesondere dann von gesteigerter Bedeutung sein werde, wenn im Zuge der EU-Osterweiterung etwa Slowenien Mitglied der EU werde.

Kolonovits´ umfangreiches Werk zum Sprachenrecht in Österreich gliedert sich in sechs Abschnitte. Im ersten Teil wird dabei das Verhältnis der Staatssprache zu den Volksgruppensprachen geklärt und der persönliche Geltungsbereich der in Frage kommenden Bestimmungen auf den unterschiedlichen gesetzlichen Ebenen zueinander in Verbindung gesetzt.

Im zweiten Teil geht der Autor auf die inhaltlichen Garantien der auf verfassungsgesetzlicher Ebene eingeräumten Rechte auf Gebrauch der Minderheitensprachen vor den Behörden ein. Ein dritter Teil untersucht die Rechtslage auf einfachgesetzlicher Ebene.

Im vierten Abschnitt wird auf die menschenrechtlichen Mindeststandards zur Verwendung einer Sprache im Strafverfahren eingegangen. Dabei befasst sich der Autor mit ausgewählten Verfahrensgesetzen wie der StPO und dem VStG. Diese Regelungen seien für Volksgruppenangehörige insbesondere vor jenen Behörden von Bedeutung, vor denen die Volksgruppensprache nicht zugelassen ist.

Der fünfte Themenbereich gilt den Auswirkungen des Gemeinschaftsrechts auf die innerstaatlichen Vorschriften, die den Gebrauch der Volksgruppensprachen im Verkehr mit Verwaltungsbehörden und Gerichten regeln. Dabei nimmt Kolonovits auf die jüngste Judikatur des EuGH Bezug, in der dieser sich explizit zum Verhältnis zwischen Minderheitenschutz und Gemeinschaftsrecht geäußert hat.

Im letzten Abschnitt unternimmt Kolonovits den Versuch, einen Ausblick auf mögliche künftige Entwicklungen des innerstaatlichen Sprachenrechts zu wagen. Hier stellt sich dem Autor die Frage, inwieweit aktuelle Völkerrechtsinstrumente ein „Motor“ des innerstaatlichen Sprachenrechts de lege ferenda sein können. Weiters werden Überlegungen angestellt, wie der Artikel 19 StGG in einer eventuellen Neufassung einer Konsolidierung des Volksgruppenrechts auf Verfassungsebene dienen kann. Hier wirft Kolonovits die Frage nach den rechtlichen Möglichkeiten eines Schutzes der Volksgruppen durch kollektive Rechte auf.

Kolonovits´ Buch „Sprachenrecht in Österreich“ ist im Verlag Manz erschienen, umfasst 542 Seiten und ist zum Preis von 1.180 ATS im Buchhandel erhältlich. Kolonovits, Jahrgang 1969, arbeitet am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien. Das vorliegende Buch basiert auf seiner Habilitationsschrift. (Schluss)