Parlamentskorrespondenz Nr. 88 vom 23.02.2000

FAMILIEN-UNTERAUSSCHUSS BERÄT ÜBER SEKTEN UND GEWALT IN DEN MEDIEN

Wien (PK) - Am Nachmittag setzte der Unterausschuss des Familienausschusses seine Beratungen über die einzelnen Forderungen des Familien-Volksbegehrens fort und befasste sich mit den Themenkomplexen "Gewalt in den Medien" und "Schutz der Jugendlichen vor Sekten". Alice Pitzinger-Ryba, stellvertretende Bevollmächtigte des Volksbegehrens, forderte eine europaweit einheitliche Kennzeichnungspflicht für Fernsehsendungen und den Ausbau der freiwilligen Selbstkontrolle von Fernsehanstalten. Ihrer Ansicht nach verstoßen etwa Talkshows permanent gegen Jugendschutzbestimmungen. Kritik übte Pitzinger-Ryba sowohl am ORF als auch an den Satellitensendern.

Die geladenen Experten waren sich weitgehend darüber einig, dass Medienkonsum an sich für Kinder nicht schädlich ist, häufiger Konsum von Gewaltdarstellungen in Medien aber einen Risikofaktor darstelle. So wies Dr. Alois Kogler, Institut für Psychosomatik und Verhaltenstherapie, darauf hin, dass es u.a. von der Persönlichkeit des Kindes, der sozialen Intelligenz und dem sozialen Umfeld abhänge, ob Gewaltdarstellungen zu Aggressionen führten. Gefährdet seien vor allem Kinder und Jugendliche, die vernachlässigt würden beziehungsweise selbst Gewalt oder sexuellem Missbrauch ausgesetzt seien, und zwar quer durch alle Gesellschaftsschichten. Kogler zufolge betrifft das ungefähr 10 Prozent der Kinder. Waltraud Witowetz-Müller, die sich für die Österreichischen Kinderfreunde seit längerem mit diesem Thema beschäftigt, machte darauf aufmerksam, dass Kinder, die Probleme in den Familien haben, in die Welt der Medien flüchteten und so zu einer falschen Wahrnehmung der Wirklichkeit neigten.

Die Experten regten eine Reihe von Maßnahmen an, um dem Problem "Gewalt in den Medien" Herr zu werden. So gab Friedrich Lennkh, Direktor des Instituts für Gewaltverzicht, zu bedenken, dass man schwer mit neun verschiedenen Jugendschutzgesetzen der Länder Gefahren des Internets begegnen könne, er forderte daher im Bereich des Kinder- und Jugend-Medien-Schutzes eine Bundeskompetenz ein. Was Gewaltdarstellungen in den Medien betrifft, können seiner Auffassung nach mit Selbstkontrolle allein die Interessen des Kinder- und Jugendschutzes nicht verwirklicht werden, vielmehr sollten staatliche Behörden gemeinsam mit den betroffenen Industriekreisen Regelungen treffen. Weitere Vorschläge Lennkhs waren die Systematisierung des Medienrechts, eine Impressumspflicht im Internet sowie eine, wenn möglich verpflichtende Positivkennzeichnung von Videos und Computerspielen.

Auch Waltraud Witowetz-Müller hält, wie sie betonte, eine Positivkennzeichnung von Medienprodukten für vordringlich. Als ersten Schritt dazu sieht sie die Ausarbeitung von Empfehlungslisten für Computerspiele und Videos. Es sei wichtig, nicht nur die Anbieter in die Pflicht zu nehmen, sondern auch die Medienkompetenz der Eltern und Kinder zu stärken, unterstrich Witowetz-Müller. Weiters plädierte sie für die Verabschiedung eines europaweiten Jugend-Medien-Schutz-Gesetzes und die Einrichtung von Medienkommissionen, die die Einhaltung der Vereinbarungen kontrollieren sollen.

Alois Kogler hielt fest, eine bessere Kennzeichnung von Medienprodukten sei sicher ein richtiger Weg, er schätzt die Wirksamkeit solcher Maßnahmen aber als relativ gering ein. Ihm zufolge gilt es vor allem bei der Medienkompetenz der Kinder und Jugendlichen anzusetzen. Es habe sich gezeigt, so Kogler, dass relativ kurze Medienkurse in den Schulen, etwa fünf bis fünfzehn Lehreinheiten, relativ positive Auswirkungen zeitigten. Sie seien geeignet, die Aggressivität der Betroffenen langfristig zu reduzieren, Jugendliche würden mit Medieninhalten vertraut und lernten zudem höherqualitative Programme zu schätzen. Der Experte schlug weiters Werbespots über die Rolle der Medien in den Medien selbst vor.

Auch von den Abgeordneten wurde die Notwendigkeit von weiteren Schritten gegen Gewalt in den Medien unterstrichen. So qualifizierte ÖVP-Abgeordnete Rosemarie Bauer den Vorschlag, im Internet eine Impressumspflicht einzuführen, als "traumhaft". FPÖ-Abgeordneter Rüdiger Schender hielt fest, man müsse die Bereitschaft zur Eigenverantwortung in den Familien stärken. SPÖ-Familiensprecherin Ilse Mertel gab den Experten Recht, wonach freiwillige Selbstkontrolle wenig Erfolg haben würde, ihre Fraktionskollegin Gabriele Binder äußerte sich zustimmend zu einer Positivkennzeichnung bzw. zu einem Gütesiegel für Medienprodukte. FPÖ-Familiensprecherin Edith Haller meinte, der Gesetzgeber hinke mit den Maßnahmen der Medienentwicklung ein bisschen hinterher.

Sozialministerin Elisabeth Sickl erklärte, man müsse verstärkt fordern, dass die Familien ihre Verantwortung wahrnehmen, bzw. sie in die Lage versetzen, dies zu tun. An den ORF will sie den Wunsch richten, im Teletext stärker darüber zu informieren, "wie das Abendprogramm gestaltet ist und wo man verstärkt aufpassen muss". Ein Einwirken auf die Produzenten erachtet Sickl als extrem schwierig, sie will aber die Ministerratsbeschlüsse der vergangenen Legislaturperiode konsequent umsetzen.

DIE JUGEND UND DIE SEKTEN

Hernach befasste sich der Unterausschuss mit dem Problemkreis „Jugendliche und Sekten“. Dr. Eduard Gugenberger umriss das Verhältnis von Jugendlichen zur Religion an sich als spannungsgeladen und widersprüchlich. War jedoch früher die katholische Kirche oft Fokus abweichender Stellungsnahmen, so habe sich die Gesellschaft seit den frühen 80er Jahren grundlegend gewandelt. Phänomene wie „New Age“, „Esoterik“, „Okkultismus“ und auch, als gefährlichste Ausprägung, „Satanismus“ hätten verstärkt Zulauf gefunden, wohingegen die Zahl der Kirchgänger beständig abnehme. Heute könne man von einem „religiösen Pluralismus“ in der Gesellschaft sprechen, und nur noch 54 Prozent aller Jugendlichen würden sich zur katholischen oder zur evangelischen Kirche bekennen, während für Sekten steigendes Interesse zu konstatieren wäre, zitierte Gugenberger aus einer Studie. Wichtig wären daher ebenso Krisenintervention wie auch Prävention.

Mag. Johannes Spitzer definierte eingangs Sekten als zahlenmäßig kleine Gruppen, die sich von der sie umgebenden Gesellschaft abgrenzten und deren Grundwerte teilweise ignorierten resp. ablehnten. Überdies sei ein Hang zu totalitären Tendenzen erkennbar. Dem Agieren der Sekten könne man nur gegensteuern, indem man Aufklärung und Information betreibe, wozu ein flächendeckendes Netz von Beratungsstellen aufgebaut werden sollte. Überdies brauche es bessere Betreuungsmöglichkeiten für Sektenaussteiger. Schließlich appellierte Spitzer an die Medien, mit diesem Thema verantwortungsvoller umzugehen.

Dr. German Müller stellte zunächst fest, dass in Sachen Sektenpräventionen seitens Österreich viel geleistet wurde. Er meinte, dass Sekten zwar eher an gut verdienenden Erwachsenen interessiert wären, aber diese hätten oftmals Kinder, und eben hier schließe sich der Kreis. Generell plädierte er für verstärkte Information, für mehr Experten, etwa durch die Schulung von Multiplikatoren, sowie für die Förderung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Weiters gelte es, die rechtlichen Möglichkeiten zu evaluieren.

Bundesministerin Sickl nannte diese Frage brisant und konstatierte großen Handlungsbedarf. Gerade der Familie komme in diesem Zusammenhang eine große Bedeutung zu, da hier die besten Gesprächsmöglichkeiten bestünden, weshalb die Familien auch adäquat gefördert werden müssten. Die Bundesstelle für Sektenfragen sei eine wichtige Initiative ihres Vorgängers gewesen, und deren Broschüre habe sich als bedeutend auch für die Eltern erwiesen. Eine stärkere Vernetzung der einzelnen Beratungsstellen sei Sinn stiftend. Sie werde sich darum bemühen, eine diesbezügliche Arbeitsgruppe der betroffenen Ministerien zu initiieren, um die Prävention zu intensivieren.

Der Unterausschuss wird zu weiteren Beratungen am 16. März neuerlich zusammenkommen. (Schluss)