Parlamentskorrespondenz Nr. 130 vom 16.03.2000
FAMILIEN-VOLKSBEGEHREN: "FAMILIE UND BERUF BESSER VEREINBAR MACHEN"
Wien (PK) - Mit einer Expertenanhörung zum Thema "Familie und Beruf besser vereinbar machen" setzte der zur Behandlung des Familien-Volksbegehrens eingesetzte Unterausschuss des Familienausschusses heute seine Beratungen fort. In der Diskussion ging es dabei vor allem um die Themen Arbeitszeitflexibilisierung und Kinderbetreuungseinrichtungen.
Kontorversiell gesehen wurde von den Experten die Frage, ob es einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit geben sollte. Die Politologin Sieglinde Rosenberger betonte, dass Anreize für die Wirtschaft, wie sie die Vertreter des Volksbegehrens fordern, nicht ausreichend seien, den Eltern müsse mit Rechtsansprüchen der Rücken gestärkt werden, da sie gegenüber der Wirtschaft auf der schwächeren Seite stünden. Dem schloss sich Monika Kemperle, Frauenexpertin des ÖGB, im Wesentlichen an, sie machte geltend, dass Arbeitszeitflexibilisierungen nur dort stattfänden, wo es der Wirtschaft notwendig erscheine, auf die familiäre Sichtweise werde keine Rücksicht genommen.
Dem gegenüber meinte Sissi Potzinger vom Katholischen Familienverband Steiermark, die öffentliche Hand solle betriebliche Maßnahmen unterstützen und sie zu familienfreundlichen Arbeitszeiten animieren, man müssen den Unternehmen vor Augen führen, dass sich Familienfreundlichkeit rechne. Sie bringe höhere Mitarbeitermotivation, gute PR für das Unternehmen, weniger Krankenstände, geringere Mitarbeiterfluktuation. Generell hielt Potzinger fest, man brauche nicht nur gesetzliche Rahmenbedingungen, sondern ein breites Bewusstsein für den Wert der Familienarbeit und mehr Solidariät mit jungen Familien.
Herbert Vonach vom Freiheitlichen Familienverband plädierte im Zusammenhang mit Teilzeitarbeit für eine Vorreiterrolle des öffentlichen Dienstes, weil dieser nicht unter einem solchen drängenden Konkurrenzdruck stehe wie private Unternehmen. Einen verpflichtenden Rechtsanspruch von Eltern auf Teilzeitarbeit in der Privatwirtschaft kann sich Vonach höchstens bei Großbetrieben vorstellen, "bei Kleinbetrieben geht das nicht". Allerdings zeigte er sich optimistisch, dass die Wirtschaft auf freiwilliger Basis entsprechende Schritte setzen werde. Generell unterstrich der Experte die Notwendigkeit, seitens der Politik sowohl Eltern zu unterstützen, die durchgehend berufstätig bleiben wollen, als auch Eltern, die ihren Kindern zuliebe ihre Arbeit reduzieren oder eine längere Berufspause einlegen wollen.
Zu Beginn der Sitzung hatten die Vertreter des Volksbegehrens eine bessere Rücksichtnahme auf die Familie bei der Arbeitszeitgestaltung und einen gemeinsamen arbeitsfreien Sonntag als wichtige Punkte zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie genannt. Dabei gehe es ihnen aber weniger um rechtliche Regelungen und um Rechtsansprüche, wie Otto Gumpinger betonte, sondern um Anreize im Steuer- und Sozialrecht, um die Wirtschaft zu animieren, beispielsweise mehr Teilzeitarbeitsplätze anzubieten. Weiters urgieren sie mehr bedarfs- und kinderorientierte Kinderbetreuungseinrichtungen sowie die Möglichkeit, Aufwendungen für Kinderbetreuung als Werbungskosten steuerlich zu berücksichtigen.
Am Nachmittag stehen die Forderungen des Volksbegehrens "Karenzgeld für alle sofort einführen" und "Familien stärken durch Kinderbetreuungsgeld" zur Diskussion. Neben Monika Kemperle, Sieglinde Rosenberger und Herbert Vonach stehen den Abgeordneten die Soziologin Katharina Novy, Adolf Rausch, Treuhand Partner Austria, Walter Medosch, Landarbeiterkammer für Niederösterreich, und Helmut Schattovits, Österreichisches Institut für Familienforschung, als Experten für Fragen zur Verfügung.
Der damalige Familienminister Martin Bartenstein hatte bereits bei der Generaldebatte des Familien-Volksbegehrens im Februar eine rasche Umsetzung der Forderung "Karenzgeld für alle" angekündigt. Außerdem plant die neue Regierung, den Karenzgeldanspruch auf 24 Monate plus 12 Monate für Väter auszudehnen. Schließlich soll das Karenzgeld künftig vollständig aus dem Familienlastenausgleichsfonds finanziert und in ein Kinderbetreuungsgeld umgewandelt werden, welches laut Bartenstein im Falle zusätzlicher Fonds-Überschüsse weiter ausgedehnt werden könnte.
Der weitere Fahrplan für die parlamentarischen Beratungen des Familien-Volksbegehrens steht ebenfalls bereits fest. Für 6. April ist eine Sitzung des Familienausschusses anberaumt, in der den Abgeordneten ein abschließender Bericht des Unterausschusses vorgelegt wird. Ende April wäre dann eine Diskussion im Plenum des Nationalrates möglich. Das Familien-Volksbegehren, das Mitte September 1999 zur Unterzeichnung auflag, wurde von insgesamt 183.154 ÖsterreicherInnen - das sind 3,17 % der Stimmberechtigten - unterstützt. (Schluss)