Parlamentskorrespondenz Nr. 169 vom 05.04.2000

BRIGITTE POVYSIL NEUE VORSITZENDE DES KULTURAUSSCHUSSES

Wien (PK) – Dr. Brigitte POVYSIL (F) wurde in der heutigen Sitzung des Kulturausschusses mehrheitlich zur neuen Vorsitzenden gewählt. Der Kür war eine ausführliche Debatte über Kunstverständnis und unterschiedliche kulturelle Zugänge vorangegangen. Nachdem die VP-Abgeordnete Dr. WOLFMAYR Povysil als Vorsitzende vorgeschlagen hatte, kam seitens der SP-Abgeordneten Mag. POSCH, JÄGER, SCHASCHING, Mag. MUTTONEN und Dr. WITTMANN Kritik an der Kunstauffassung der F, wobei besonders einzelne Aussagen des Kärntner Landeshauptmanns und der Kandidatin für den Vorsitz im Ausschuss thematisiert wurden. Diese Kritik wurde von den Abgeordneten GAUGG, BURKET, ZIERLER, Dr. KURZMANN und Dr. PAPHAZY (alle F) zurückgewiesen. Povysil selbst betonte die Wichtigkeit von Kunst und Kultur und meinte, diese sollten nicht Intellektuellen vorbehalten bleiben, sondern sich allen erschließen. Dementsprechend trete sie auch für eine intensive Partizipation des Volkes an kulturellen Prozessen ein.

Abgeordneter Dr. CAP (SP) erklärte, es gehe um eine Klarstellung, wofür die Kandidatin Povysil stehe. Er erwarte sich daher eine entsprechende Stellungnahme der Abgeordneten, wie sie es mit Fragen der Freiheit der Kunst halte. Daraufhin betonte Povysil, ihrer Ansicht nach sollten Kunst und Kultur nicht nach politischen Gesichtspunkten bewertet werden, sie sollten vielmehr über allen Dingen stehen. Ihr eigene Lebenslauf belege, dass sie selbst lange genug „unangepasst“ gewesen sei, um prinzipiell Verständnis für unangepasste Menschen zu haben. In diese Richtung argumentierten auch andere F-Mandatare, die betonten, ihre Partei habe sehr wohl ein tolerantes Kunstverständnis, nur müsse Toleranz eben auch Kritik beinhalten dürfen. Cap meinte daraufhin, seines Erachtens habe sich Povysil nicht von einzelnen Aussagen, wie sie etwa in der Aschermittwochs-Rede Dr. Haiders gefallen seien, distanziert, weshalb er die Abgeordnete nicht zur Vorsitzenden wählen könne. In der Abstimmung wurden sodann mit Mehrheit Povysil zur Vorsitzenden und Paphazy zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Die Wahl von Wolfmayr zur stellvertretenden Vorsitzenden erfolgte einstimmig.

In der aktuellen Aussprache wollte Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) wissen, wie es mit dem Kuratorenmodell weitergehe. Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (VP) kam auf den Kulturgipfel in Lissabon zu sprechen, während Dr. WITTMANN (SP) fragte, weshalb die Kunst- und Kulturagenden nicht zusammengeführt wurden. Dr. PAPHAZY (F) ventilierte den Themenbereich „Kultur und Beschäftigung“ und erkundigte sich nach allfälligen Initiativen auf diesem Gebiet. Abgeordnete Dr. BRINEK (VP) wies darauf hin, dass es heuer kein Sommerprogramm in der Staatsoper gebe und wollte dazu eine Stellungnahme des Staatssekretärs haben. Die Abgeordneten Mag. PRAMMER (SP) und ZIERLER (F) wiederum brachten das Wiener Frauenkulturzentrum respektive die Grazer „Diagonale“ zur Sprache. Abgeordneter HORNEK (VP) begehrte eine detaillierte Darstellung des Kunstbudgets. Abgeordnete BURKET (F) sprach zum Thema „Zukunft der Kunstförderung“.

In seiner Antwort erläuterte Staatssekretär MORAK, dass das Kuratorensystem nun evaluiert werde. Insbesondere müsse man in die Überlegungen auch neue Denkansätze, wie den Bereich der neuen Medien, miteinbeziehen. Zum informellen Kulturministerrat in Lissabon bemerkte Morak, dass derartige Gespräche wichtig seien, insbesondere auch im Hinblick auf spezifische Regelungen im EU-Bereich, die in einem Spannungsfeld von Protektionismus lägen. Man habe sich darauf verständigt den Bereich der Kulturindustrie - Design, Audio, Video, Medien - zu verstärken. Ein wesentlicher Streitpunkt sei das Einstimmigkeits- bzw. Mehrstimmigkeitsprinzip gewesen, wobei es verhärtete Fronten gegeben habe. Der Staatssekretär wies eingehend auf den Kulturbereich als beschäftigungsrelevanten Sektor hin, da dieser eine Zukunftsbranche von hoher Qualität darstelle.

In Hinblick auf seine Koordinierungsfunktion innerhalb der Bundesregierung lege er auf die Durchlässigkeit hohen Wert. Er verstehe sich auch nicht als ein "Zuchtmeister von irgendwem" sondern als ein "großer Animierer". Die KünstlerInnen bezeichnete er als eine "vorgeschobene Antenne der Gesellschaft für die Zukunft". Sie leisteten daher einen unverzichtbaren Beitrag zur "sozialen, politischen, künstlerischen und ethischen Hygiene in diesem Land". Die scharfe Kritik der Künstler an sämtlichen Zuständen halte er daher für völlig in Ordnung.

Der Staatssekretär bekannte sich mit Vehemenz zur Kunstförderung, da dieses Land ein großes Stück an Zivilisation seinem Umgang mit den Äußerungen der Kunst verdanke. Förderungen seien keine Geschenke und auch keine Privilegien. Als Schwerpunkte seiner Förderungspolitik bezeichnete er die Subjektförderung und Stipendienförderung.

Die Absage der Aufführungen der Lustigen Witwe in der Staatsoper während der Sommermonate sei, so Morak, nicht auf Grund der politischen Situation erfolgt, sondern weil der Staatsoperndirektor das Risiko einer 80-prozentigen Vollpreisauslastung nicht habe eingehen wollen. Die zugesagten 2,75 Mill. S für das Frauenkulturzentrum seien in einer ersten Tranche in der Höhe von 1,5 Mill. S ausbezahlt worden. Für die Zuwendung der Restmittel müsste die bisherige Verwendung der Gelder sowie der weitere Bedarf noch genau geprüft werden. Dem Frauenprojekt Link wurden nach Aussage des Staatssekretärs 700.000 S zugesprochen. Auf Anfragen des Abgeordneten Dr. WITTMANN (SP) und SEVIGNANI (F) erläuterte Morak, dass es keine Verpflichtung gebe, freie Radios zu fördern, weil der Frequenzzugang kostenlos sei und "nicht kommerziell" nicht a priori "werbefrei" heißen könne. Das Projekt Bahnhofsoffensive erhalte keine Mittel aus der Bundeskunstförderung.

Zur Diskussion um die Diagonale bemerkte Morak, dass auch Beiräte das Recht hätten, sich zu artikulieren. Der Vorwurf jedoch, dass die derzeitige Regierung nicht den demokratischen Grundsätzen entspreche, sei strikt zurückzuweisen. Der Staatssekretär sprach sich unter Bezugnahme auf ein Plakat einer Initiative Homosexueller gegen Denunziation sowohl von Politikern als auch von Künstlern aus. In Erinnerung an ein ehemaliges FPÖ-Plakat meinte er, dass man für alle gleiche Maßstäbe anlegen müsse. Die Bezeichnung 05 von der aktuellen Initiative kritisierte er scharf als eine Relativierung des Nationalsozialismus und des Widerstandes.

Abgeordneter Dr. CAP (SP) griff das Angebot Moraks auf, in diesem Ausschuss eine Gesprächskultur zu entwickeln, die jenseits der Denunziation liegt. Ein umfassender Diskussionsprozess enthalte auch einen politischen Konfrontationsprozess der, so der Abgeordnete, auch zwischen den Regierungsfraktionen stattfinden müsse - gerade auch im Hinblick auf die Wahl der Ausschussvorsitzenden.

KUNSTBERICHT 1998 IM AUSSCHUSS ENDERLEDIGT

Nach Beendigung der Aussprache über aktuelle Fragen diskutierten die Abgeordneten den Kunstbericht 1998. Darin werden penibel die Ausgaben des Bundes für die Kunst im Berichtszeitraum 1998 aufgelistet. In diesem Jahr musste auch die Kunstszene ihren Beitrag zum Sparziel des Staates leisten. So sanken 1998 die Ausgaben des Staates für die Kunst von 1,15 Mrd. S auf 1,1367 Mrd. S. Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen. (III-7 d.B.)

Wie schon im letzten Jahr werden die konkreten Ausgaben des Staates für die Kunst sowohl in absoluten als auch in bereinigten Zahlen nach dem sogenannten Likus-System dargeboten, welches eine bessere Vergleichbarkeit garantiert, weil die Ausgaben in den einzelnen Kunstsparten veranschaulicht werden. Knapp die Hälfte der Aufwendungen gingen an die Musik und die Darstellende Kunst. Auf diese Bereiche entfielen 529 Mill. S (gegenüber 531 Mill. S im Jahr 1997). Die Fotografie büßte rund 12 Mill. S ein (von 136,9 auf 125,0 Mill. S), die Literatur knapp 20 Mill. S (von 151,8 auf 132,6 Mill. S), und regionale Kultur- und Kunstinitiativen mussten sich diesmal mit 58,5 statt mit 76,9 Mill. S bescheiden. Halbiert wurden weiters die Mittel für den bi- und multilateralen Kulturaustausch (von 7,9 auf 3,9 Mill. S), während sich die Bereiche "Architektur, Design und Mode" über ein sattes Plus freuen durften (von 63,5 auf 76,7 Mill. S). Nicht weniger als 36,2 Mill. S wurden für einen neu geschaffenen Bereich "Kunstlegistik" zur Verfügung gestellt.

Noch deutlicher wird diese Tendenz in den bereinigten Zahlen nach der Likus-Systematik. Daraus wird ersichtlich, dass etwa der Bereich Wissenschaft mit einem Plus von 79,6 % der "Gewinner" des Berichtsjahres war, unmittelbar gefolgt von den "Festspielen und Großveranstaltungen", denen ein Plus von 31,9 % (in absoluten Zahlen immerhin knapp 47 Mill. S) zu Buche steht. Gespart wurde beim Kulturaustausch (minus 68,5 Prozent) und bei den Sozialleistungen (minus 10,7 %).

Zunächst entwickelte sich eine Geschäftsordnungsdebatte, nachdem Abgeordnete GLAWISCHNIG (G) den Antrag gestellt hatte, den Bericht im Plenum des Nationalrats zu diskutieren. Unterstützt wurde sie dabei von Abgeordnetem CAP (SP) und Abgeordneter JÄGER (SP), die argumentierten, dass diese umfassende Zusammenstellung der Förderungen ein Spiegelbild der Kulturpolitik sei. Abgeordnete Dr. BRINEK (VP) konterte, dass es sinnvoller sei, eine ausführliche Debatte aufgrund aktueller Zahlen im Kunstbericht 1999, der hoffentlich bald kommen werde, zu diskutieren. Bei der Abstimmung blieb der Antrag in der Minderheit.

In der daran anschliessenden Debatte interessierte sich Abgeordnete Dr. BRINEK (VP) für das EU-Rahmenprogramm 2000, für EU Kulturförderungsprogramme, für das Weißbuch zur Kulturpolitik und erkundigte sich über Maßnahmen im Bereich der Kulturvermittlung. Abgeordnetem Dr. KURZMANN (F) fehlte eine Zusammenstellung der Förderungsmittel durch Länder und Gemeinden. Weitere Fragen betrafen das Kunstsponsoring (Abgeordnete Dr. PAPHAZY, F), das Filminstitut (Dr. GLAWISCHNIG, G) und den Kunstförderungsbeitrag (Abgeordnete Mag. POSCH, SP). Abgeordnete JÄGER (SP) sprach der Kunstvermittlung einen hohen Bildungsauftrag zu und bemerkte, dass sich auch die Erwachsenenbildung diesen Fragen mehr annehmen sollte.

Die Ausschussvorsitzende Dr. POVYSIL (F) sprach insbesondere die Bedeutung von "cultural worker" und "cultural entrepreneur" an. Die Kunstvermittlung dürfe ihrer Ansicht nach nicht zu einer "Pädagogisierung der Kunst" führen.

Da der gegenständliche Kunstbericht die Arbeit der vorangegangenen Regierung betrifft, bat Staatssekretär MORAK Sektionschef Dr. Mailath-Pokorny, die Fragen zu beantworten. MAILATH-POKORNY betonte, dass es nicht Aufgabe des Bundeskunstberichtes sei, die Förderungen der Länder und Gemeinden darzustellen. Es gebe jedoch einen regen Informationsaustausch mit den anderen Gebietskörperschaften, um Doppelgleisigkeiten zu vermeiden. Das Kulturprogramm 2000 der EU sei unter schwierigen Voraussetzungen finanziell abgesichert worden und mit 1. Jänner dieses Jahres in Kraft getreten. Der Projektzeitraum betrage fünf Jahre. Das Weißbuch bezeichnet er als eine "Charta der kulturpolitischen Forderungen", über deren Umsetzung man ernsthaft nachdenken sollte. Die Studie zur Analyse internationaler Kulturvermittlungspraktiken sei fertiggestellt, jedoch nicht in Druck. Seiner Ansicht nach sollte die Arbeit zielführender in Veranstaltungen und Symposien präsentiert werden.

Die derzeitigen Möglichkeiten des Kunstsponsorings hielt der Sektionschef nicht für ausreichend, zumal nur 2,8 Prozent der Bundeskulturförderungsmittel aus Sponsorerträgen eingebracht würden. Man sollte hier eine großzügigere Lösung finden. Zu den Architekturzentren und Architekturhäusern bemerkte der Leiter der Kultursektion, dass diese sehr gut angenommen würden. Die Mittel dafür seien um 15 Mill. S auf 25 Mill. S erhöht worden. Mit Zeitverzögerung hätten die Sondermaßnahmen im Bereich Film zu greifen begonnen. Abschließend wies er darauf hin, dass die Kulturpolitik des Bundes ein ausgefeiltes System von Förderungen entwickelt habe, wobei sehr strikt auf Qualität geachtet werde. Dies zeige auch eine hohe Anzahl an Ablehnungen.

Sodann behandelte der Ausschuss einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Glawischnig betreffend Anhebung des Kunstbudgets von derzeit 1,15 Mrd. S um mindestens 650 Mill. S auf 1,8 Mrd. S (24/A[E])und einen Entschließungsantrag des Abgeordneten Dr. Cap, in welchem eine Anpassung des Kunstbudgets für das Jahr 2000 an den zuletzt erreichten Stand sowie eine mittelfristige Erhöhung des Kunstbudgets auf 1,8 Mrd. S gefordert wird (124/A[E]). Diese beiden Anträge wurden nach kurzer Debatte mit den Stimmen von F und VP vertagt. Vertagt wurde auch ein zweiter Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Glawischnig, der die Verwirklichung eines Künstlersozialversicherungsgesetzes zum Inhalt hat (25/A[E]) Abgeordnete Dr. BRINEK (VP) begründete diese Vertagung damit, dass hier ohnehin bereits eine laufende Diskussion zum Thema im Gange sei. Dr. POVYSIL (F) wies ergänzend auf das Regierungsübereinkommen hin, in dem eine Künstlersozialversicherung in Aussicht genommen wurde.

In einer weiteren Sitzung des Kulturausschusses nahmen die Abgeordneten den Antrag der Regierungsfraktionen zur gesetzlichen Regelung einer nationalen Buchpreisbindung in Verhandlung. Damit soll die Aufhebung der grenzüberschreitenden Buchpreisbindung zwischen Österreich und der BRD ab 1. Juli 2000 durch die EU-Kommission abgefedert werden. Als Vorbild diente den InitiatorInnen die französische Regelung, die vor dem EuGH bereits mehrmals Stand gehalten hat. Intention des Gesetzentwurfes, der eine Befristung von fünf Jahren vorsieht, ist es, auf die Stellung von Büchern als Kulturgut Bedacht zu nehmen, gleichzeitig aber auch Konsumenteninteressen zu wahren sowie die Gegebenheiten des Buchhandels zu beachten (126/A ). Die Ausschussmitglieder verständigten sich einstimmig darauf, den Antrag einer Begutachtung gemäß § 40 Abs. 1 Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates zu unterziehen. Der Antrag selbst wurde daraufhin einstimmig vertagt. (Schluss)