Parlamentskorrespondenz Nr. 181 vom 07.04.2000
WILHELM MOLTERER ERSTMALS ALS UMWELTMINISTER IM BUDGETAUSSCHUSS
Wien (PK) - Im Anschluss an die Beratung des Landwirtschaftskapitel hatte Bundesminister Mag. MOLTERER sein erstes Budget als Umweltminister im Budgetausschuss zu vertreten. Eingeleitet wurde die von Ausschussobmann Mag. MÜHLBACHLER geleitete Debatte von Abgeordnetem Dr. KEPPELMÜLLER (SP). Er sah die Auflösung des Umweltministeriums und die Zusammenlegung der Umweltagenden mit dem Landwirtschaftsministerium skeptisch, zumal die Landwirtschaft selbst zu den Umweltverschmutzern zähle, wobei Keppelmüller namentlich die Nitratbelastung des Grundwassers und agrarische Luftverunreinigungen anführte. Die neue Ressortkombination berge Widersprüche in sich, sagte der Umweltsprecher der Sozialdemokraten.
Auf Einzelthemen eingehend verdolmetschte Keppelmüller zunächst die Besorgnis oberösterreichischer Gemeinden wegen sinkender Gebühren für die Bereitstellung von Abfallsammelstellen. Dann fragte er nach den Plänen des Ressorts bei der Novellierung des Abfallwirtschaftsgesetzes und verlangte für diese Gesetzesänderung ein Begutachtungsverfahren.
Hinsichtlich der Deponieverordnung erinnerte Keppelmüller an das magische Datum 2004, ab dem nur noch inerte Stoffe, also erdkrustenähnliche Substanzen, deponiert werden dürfen. In diesem Zusammenhang erbat Keppelmüller auch Auskunft über Pläne für den Export von Kunststoffen zur Methanolerzeugung in ostdeutsche Betriebe und warnte generell vor einer Flucht aus der Abfallwirtschaft. Ein spezielles Anliegen stellte auch die bessere statistische Erfassung von Massenabfällen dar. Ein weiteres Thema bildete die Wasserwirtschaft, für die Keppelmüller - auch aus Arbeitsmarktgründen - 3,9 Mrd. S im Jahr 2000 forderte. Für das Projekt Biodiesel aus Rapsöl regte Keppelmüller eine ökologisch-ökonomische Nutzenbewertung an. Im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung ortete er Schwierigkeiten mit der Hochleistungsstrecken AG.
Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) erkundigte sich nach den Plänen Molterers für die Einhaltung der österreichischen Verpflichtungen im Zusammenhang mit den Kyoto-Zielen zur Reduktion der Treibhausgase. Konkret fragte der Abgeordnete nach der nationalen Klimaschutzstrategie sowie danach, welche Ressorts in die diesbezüglichen Verhandlungen einbezogen werden. Überdies zeigte er sich interessiert an den Maßnahmen des Ressorts für das UVP-Verfahren in Temelin.
Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) stellte den Klimaschutz in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen, beschäftigte sich aber auch mit den Auswirkungen der Ausgliederung des Umweltbundesamtes und mit den Nationalparks, namentlich auch mit dem geplanten Projekt im Lesachtal. Glawischnig unterstrich die Forderungen der Grünen nach einem nationalen Alleingang bei der Umsetzung des Ökosteuerkonzepts. Schließlich forderte die Umweltsprecherin der Grünen, Umweltorganisationen mit direkten Subventionen oder anderen Förderungen unter die Arme zu greifen, da sie von der Streichung des begünstigten Zeitungstarifs betroffen sind.
Abgeordneter HORNEK (VP) brachte den hohen Anschlussgrad in der Siedlungswasserwirtschaft zur Sprache und brach eine Lanze für kleinräumige Lösungen in ländlichen Streusiedlungen.
Abgeordneter Dipl.-Ing. KUMMERER (SP) fragte nach dem Stand der Vorbereitungsarbeiten für einen nationalen Aktionsplan beim Klimaschutz, unterstrich die Bedeutung von Klimaschutzmaßnahmen im Wohnbau und fragte nach den Umweltförderungen im Ausland.
Abgeordneter Ing. FALLENT (F) setzte sich dafür ein, das in der EU als vorbildlich betrachtete deutsche Einspeisgesetz zur Förderung erneuerbarer Energieträger auch in Österreich einzuführen und verlangte eine bessere Information zwischen Innen- und Umweltressort beim Kampf gegen die Umweltkriminalität.
Abgeordnete LENTSCH (VP) wollte wissen, wie sich die Einnahmen aus den Altlastensanierungsbeiträgen entwickeln.
Abgeordneter BRIX (SP) ersuchte den Umweltminister, sich die Förderungsrichtlinien bei der Altlastensanierung anzuschauen, um Gemeinden zu helfen, die Beiträge leisten müssen, obwohl sie Altlasten selbst beseitigen. Weitere Fragen betrafen die Bilanz des Nationalparks March-Donau-Auen und die Umweltverträglichkeit neuer Schigebiete.
Abgeordneter Ing. Herbert GRAF (F) brach eine Lanze für die betriebliche Umweltförderung und wollte wissen, ob sie schwerpunktmäßig kleinen oder großen Betrieben zu Gute komme.
Abgeordneter SCHWEISGUT (VP) stellte Detailfragen zu den Themen Temelin, Förderung des Klimaschutzes und Klärschlamm als Dünger in der Landwirtschaft.
Abgeordnete Mag. SIMA (SP) fragte nach der Finanzierung der so genannten flexiblen Mechanismen beim Klimaschutz und unterstrich die Forderung nach Atom-Ausstiegsszenarien der östlichen Nachbarstaaten.
Abgeordneter Ing. WEINMEIER (F) regte mit Unterstützung von VP-Abgeordnetem KOPF an, Betriebe, die ihre vorbildliche Umwelttechnik durch ein Öko-Zertifikat nachweisen können, von Berichtspflichten und Überprüfungsmaßnahmen zu befreien.
Abgeordneter HEINZL (SP) berichtete von einem Schweinemastbetrieb bei St. Pölten, der aus der UVP flüchte, indem er Mastschweine von Ferkeln unterscheide, um Grenzwerte zu unterschreiten. Heinzl regte an, das UVP-Gesetz zu ändern, um solche Vorgangsweisen zu unterbinden.
Abgeordnete AUMAYR (VP) unterstrich die Forderung nach Stilllegung nicht nachrüstbarer Atom-Reaktoren in den EU-Beitrittsländern.
Abgeordneter Ing. KAIPEL (SP) kritisierte, dass durch die Erhöhung der motorbezogenen Versicherungsteuer die Subventionierung des davon ausgenommenen LKW-Verkehrs weiter zunehme. Seine weiteren Themen lauteten: Nichterreichung der Ziele des Ozongesetzes und verbesserte Lärmschutzpolitik.
Bundesminister Mag. MOLTERER unterstrich bei seinem ersten Zusammentreffen mit den Abgeordneten als Ressortverantwortlicher für die Umweltpolitik, dass er seine neue Aufgabe für sehr wichtig halte und großen Wert auf eine gute Zusammenarbeit mit den Abgeordneten lege. Die neue Ressortkombination Landwirtschaft-Umwelt hielt er für eine große Chance und nannte ausdrücklich die Bereiche Altlasten, Siedlungswasserwirtschaft und Bioenergie als Beispiele für Synergien zwischen den zusammengeführten Ministerien. Er sei sich aber auch bewusst, dass kritische Debatten über die unterschiedlichen Interessen von Umwelt und Landwirtschaft zu führen sein werden. Sein Ziel seien gemeinsame Fortschritte in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung.
Auf die Detailfragen eingehend stellte Minister Molterer zunächst eine Novellierung des Abfallwirtschaftsgesetzes in Aussicht. Dieses Vorhaben bedürfe einer intensiven Vorbereitung inklusive Evaluierung und Überprüfung der bisherigen Erfahrungen. Es gehe um die Verankerung der Ressourcenschonung, Qualitätsstandards für die Behandlung von Abfällen und eine Abfallbilanz. Bei letzterem liege seine Priorität aber nach wie vor bei den gefährlichen Abfällen. Die AWG-Novelle werde, wie auch beim Biozid-Gesetz praktiziert, einer Begutachtung unterzogen.
Bei der Deponieverordnung möchte der Minister falsche Signale vermeiden und hielt für die Gespräche mit den Abfallverbänden und Ländern fest, dass die Ziele für 2004 aufrecht bleiben und nur solche Abfälle deponiert werden dürfen, die in all ihren Komponenten den Bestimmungen entsprechen. Eines der Instrumente zur Vermeidung der Flucht aus dem Abfallregime stellte für den Umwelt- und für den Landwirtschaftsminister die Kompostverordnung dar. Eine Studie zum Thema Vererdung von Abfällen sei in Vorbereitung; auch hier unterstrich der Minister sein klares Bekenntnis zur Einhaltung geltender Zielbestimmungen. Die Gewinnung von Methanol aus Plastikabfällen halte er dann für interessant, wenn der Abfall als Produktionsmittel eingesetzt werde, nicht aber dann, wenn Kunststoff nur als Brennstoff diene.
Gespräche über eine Sondertranche für die Siedlungswasserwirtschaft werden derzeit mit dem Finanzminister geführt. Er strebe eine solche Sondertranche an, unterstrich Molterer.
Er gehe davon aus, dass eine Kosten-Nutzen-Analyse beim Projekt Biodiesel positiv ausfallen werde. Eine verpflichtende Beimengung sei aufgrund von EU-Bestimmungen derzeit aber nicht möglich.
Die UVP-Richtlinie will Umweltminister Mag. Molterer noch vor dem Sommer umsetzen. An eine Änderung der Zuständigkeit beim UVP-Gesetz sei nicht gedacht. Sein Ressort habe ausreichende Möglichkeiten, in Verfahren fachliche Stellungnahmen abzugeben.
Die Verpflichtungen, die Österreich hinsichtlich des Kyoto-Ziels übernommen hat, sind für Molterer einzuhalten. Er plädierte dafür, mit höchstmöglicher ökologischer und ökonomischer Effizienz vorzugehen. Das bedeute für ihn maximale nationale Anstrengungen bei gleichzeitiger Prüfung, wo die so genannten flexiblen Instrumente angewendet werden können. Molterer regte an, die Wohnbauförderung Kyoto-wirksam zu gestalten und unterstrich, dass Österreich sowohl eine nationale Strategie als auch eine eigene Position hinsichtlich der flexiblen Instrumente ausarbeiten sollte. Die Eckpunkte werden noch vor dem Sommer abzustecken sein.
Von der Umweltverträglichkeitsprüfung in Temelin habe sein Ressort im August 1999 erfahren. Die Arbeiten an einer fachlichen Stellungnahme habe das Umweltbundesamt bereits im Herbst 1999 aufgenommen. Bundesminister Molterer sprach die Hoffnung aus, dass sein tschechischer Amtskollege die österreichische Anregung für UVP-Verhandlungen in Österreich aufgreifen werde.
Der Schwerpunkt der Umweltförderungen liege im Jahr 2000 bei der CO2-Reduktion. Für die thermische Gebäudesanierung stehen 25 Mill. S, für die Förderung der Bioenergie 60 Mill. S zur Verfügung. Die betriebliche Umweltförderung ist mit 350 Mill. S budgetiert, sollte dieser Betrag nicht reichen, bestehe die Möglichkeit, auf Rücklagen zurückzugreifen.
Der neue Umweltminister gab aufgrund seiner ersten Erfahrungen den Eindruck wieder, dass das Umweltbundesamt exzellente Arbeit leiste. Die restriktive Vorgabe eines fixen Betrages von 220 Mill. S motiviere das UBA, eigene Einnahmen zu erschließen.
Keine Budgetkürzung sei bei den Nationalparks vorgesehen. Das von den Grünen verlangte Bundesrahmengesetz sei nicht beabsichtigt. Nationalparks sollen weiterhin auf landesgesetzlicher Basis eingerichtet werden. Er trete grundsätzlich für weitere Nationalparks ein. Diskussionen über neue Nationalparks sind schwierig und dauern lange, sind sie einmal eingerichtet, funktionieren sie aber gut, sagte Molterer. Der Nationalpark March-Donau-Auen habe eine gute Struktur, die Kooperation zwischen den beteiligten Bundesländern funktioniere ebenso wie die Einbindung der Bundesforste. Eine Erweiterung bedürfe eines Beschlusses der Bundesländer Wien und Niederösterreich, der Bund würde sich daran beteiligen, sagte der Minister.
Die Erhöhung der motorbezogenen Versicherungsteuer sei für ihn eine steuerliche, keine ökologische Maßnahme. Die Frage einer Ökologisierung des Steuersystems sei auf der Ebene der Europäischen Union zu diskutieren und umzusetzen, zeigte sich Minister Molterer überzeugt.
In der Siedlungswasserwirtschaft bestätigte sich die Erfahrung, dass die letzten Prozente bei einer Erschließung stets die schwierigsten seien. Für die weitere Vorgangsweise betonte der Ressortleiter die Notwendigkeit von gleichermaßen an ökologisch wie ökonomisch optimalen Lösungen orientierten Varianten- und Effizienzprüfungen - ideologisch motivierte Diskussionen erteilte Molterer eine klare Absage.
Die Einnahmen aus den Beiträgen nach dem Altlastensanierungsgesetz haben seit 1997 von 447 Mill. S auf 880 Mill. S zugenommen. Die Erfahrungen bei der Umsetzung dieses Gesetzes bezeichnete der Umweltminister als sehr gut und informierte den Ausschuss über den aktuellen Stand bei Meldung, Erfassung und Sanierung von Altlasten.
In der Anti-Atompolitik will Bundesminister Molterer auch in Zukunft nicht nur aufgrund eines Konsenses in der Bundesregierung, sondern in altbewährter Weise auf breiter politischer Basis, wie sie diesem nationalen Anliegen entspricht, vorgehen. (Schluss)