Parlamentskorrespondenz Nr. 182 vom 07.04.2000
BÖHMDORFER: JUSTIZBETRIEB TROTZ EINSPARUNGEN GESICHERT
Budgetausschussdiskutiert Justizkapitel
Wien (PK) - Der Budgetausschuss setzte am Nachmittag seine Beratungen mit dem Thema Justiz fort, wobei insbesondere die Einsparungen im Justizressort zur Diskussion standen. Die Gesamtausgaben des Justizressorts werden für das Jahr 2000 mit 10,936 Mrd. S veranschlagt. Davon entfallen 6,107 Mrd. S auf Personalausgaben und 4,829 Mrd. S auf Sachausgaben.
Abgeordneter Dr. JAROLIM (SP) befasste sich kritisch mit den Budgetkürzungen und meinte, die eingesparten 28 Richterplanstellen würden in Widerspruch zur geplanten Verfahrensbeschleunigung stehen. Mit scharfen Worten wies Jarolim im übrigen auch Vorbehalte aus den Regierungsparteien gegen die Diversion zurück. Kein Verständnis äußerte er schließlich für geplante Eingriffe der Volksanwaltschaft in die Rechtsprechung.
Abgeordnete Dr. FEKTER (VP) trat für Verbesserungen des Opferschutzes ein. Geldbußen sollten ihrer Meinung nach den Opferschutzeinrichtungen zugute kommen.
Abgeordnete Mag. STOISITS (G) erteilte einer Überprüfung der Tätigkeit der Gerichte durch die Volksanwaltschaft eine klare Absage und sah darin einen eklatanten Eingriff in das Verfassungssystem. Sie vermisste weiters eine entsprechende Mehrdotierung der Bewährungshilfe in Hinblick auf die durch die Diversion gestiegenen Aufgaben dieser Einrichtung.
Abgeordneter Dr. OFNER (F) zeichnete ein grundsätzlich positives Bild der österreichischen Justiz, rief aber dazu auf, stärker auf die konkrete Gefährlichkeit des Täters Bedacht zu nehmen. Ersttäter sollten unabhängig von ihrem Delikt vor dem Bezirksgericht abgeurteilt werden. Ofner schlug auch eine Differenzierung zwischen Ersttätern und gefährlichen Kriminellen beim Strafvollzug vor. Für Wirtschaftsstrafsachen wünschte der FP-Justizsprecher die Einsetzung von Fachschöffen. Ein besonderes Anliegen Ofners war schließlich die Betreuung der Haftentlassenen.
Abgeordneter PENDL (SP) befürchtete, die Einsparungen würden vor allem die Bediensteten im Strafvollzug treffen.
Abgeordneter Dr. KRÜGER (F) plädierte für eine Herausnahme der Sexualdelikte und der Suchtgiftdelikte aus dem Anwendungsbereich der Diversion.
Bedenken gegen die gemeinsame Obsorge geschiedener Eltern äußerte Abgeordnete WURM (SP). Kinder könnten dadurch Gefahr laufen, zu einem Faustpfand ihrer Eltern zu werden, argumentierte sie.
Abgeordnete Dr. PAPHAZY (F) stellte eine Privatisierung der Strafvollzugsanstalten zur Diskussion.
Abgeordnete HUBER (SP) forderte die Novellierung des Privatinsolvenzrechtes, um auch Sozialfällen einen Privatkonkurs zu ermöglichen.
Justizminister Dr. BÖHMDORFER zeigte sich zuversichtlich, dass die Justiz die Einsparungsmaßnahmen verkraften könne. Die Qualität der Rechtsprechung werde keinerlei Einbußen erleiden, versicherte er. Der Justizbereich habe derzeit einen personellen Höchststand sowohl bei den Richtern als auch im Strafvollzug. Keine Personaleinsparungen werde es jedenfalls bei den Richteramtsanwärtern und bei den Staatsanwälten geben, betonte Böhmdorfer.
Die Diversion wertete der Justizminister als positive Ergänzung der bisherigen strafrechtlichen Möglichkeiten. Sie sollte nicht zu sehr vorweg in Diskussion gezogen werden, warnte er und sprach sich für Lösungen in einem breiten Konsens und unter Berücksichtigung der Experten aus. Die Staatsanwälte seien von der Diversion jedenfalls "begeistert" und setzten in die Diversion große Hoffnungen, wie Gespräche mit der Oberstaatsanwaltschaft ergeben hätten. In Richtung Abgeordnetem Krüger erklärte Böhmdorfer, Sexualtäter könnten im Ergebnis nicht unter die Diversion fallen.
Der Vorschlag von Eingriffsmöglichkeiten der Volksanwaltschaft in Verfahren zwecks Beschleunigung sei gut gemeint und sicherlich nicht als Anschlag auf die Unabhängigkeit der Richter zu sehen, bemerkte Böhmdorfer. Der Ressortchef hoffte aber, dass im Zuge der Diskussion noch bessere Vorschläge gemacht werden.
Zur Verfahrensbeschleunigung trat Böhmdorfer für eine Stärkung des Provisorialverfahrens und der Eventualmaxime sowie für den Ausbau der Schiedsgerichtsbarkeit ein.
Eine Trennung der Ersttäter von anderen Tätern im Vollzug sei derzeit schon durch die Rechtslage gesichert, meinte der Minister. Der Idee Ofners, Verhandlungen von Ersttätern vor dem Bezirksgericht zu führen, sollte, wie Böhmdorfer sagte, nachgegangen werden.
Mit Nachdruck versicherte der Ressortchef, dass sowohl die Bewährungshilfe als auch der Strafvollzug keinerlei Einschränkungen erfahren werden. Für den Bereich Außerstreitverfahren kündigte er einen Gesetzesentwurf für den Sommer an, beim Kindschaftsrecht soll ihm zufolge die gemeinsame Obsorge für beide Elternteile vorgesehen werden.
In Bezug auf den Bereich Konsumentenschutz, der aufgrund der neuen Kompetenzverteilung nunmehr in das Justizressort fällt, teilte Böhmdorfer mit, dass eine EU-Richtlinie voraussichtlich längere Gewährleistungsfristen und Änderungen bei der Beweislast bringen werde. Hinsichtlich der von den Banken nicht nach unten revidierten Kreditzinsen bei Verträgen mit Zinsgleitklausel hielt er fest, hier bestünden nicht nur Rückforderungsansprüche von Konsumenten, sondern auch von Firmen. "Die Banken werden sich diesem Thema stellen müssen." Das Justizministerium hat dazu nach Auskunft des Ministers eine Hotline eingerichtet.
In einer zweiten Fragerunde bekräftigte Abgeordnete Mag. STOISITS (G) ihre Sorge, dass es bei der Bewährungshilfe aufgrund der vielfältigen neuen Aufgaben eine Finanzierungslücke geben werde. Abgeordneter Mag. MAIER (SP) wollte wissen, ob der Verein für Konsumenteninformation in diesem Jahr tatsächlich lediglich 15 Mill. S statt 22 Mill. S vom Bund erhalte, wie aus dem Bundesvoranschlag hervorgehe, und ob an eine Änderung des Vereinsrechtes gedacht sei. Außerdem interessierte er sich für den Budgetansatz "Haftentschädigungen". Seine Fraktionskollegin Abgeordnete Mag. SIMA urgierte die Vorlage eines Umwelthaftungsgesetzes.
Justizminister Dr. BÖHMDORFER bekräftigte, dass der Verein für Konsumenteninformation auch heuer ungekürzt 22 Mill. S bekomme. Er will aber der Frage nachgehen, ob die derzeitige Regelung, der zufolge das Justizministerium den Verein mit dem gleichen Betrag wie alle vier Sozialpartner zusammen unterstütze, auch in Zukunft aufrecht bleiben soll.
Was die Frage eines Umwelthaftungsgesetzes betrifft, sprach sich Böhmdorfer gegen einen österreichischen Alleingang aus, da dies zu Wettbewerbsnachteilen führen würde, er wies aber darauf hin, dass eine entsprechende EU-Richtlinie in Diskussion sei. Auch im Vereinsrecht sind seiner Auskunft nach Gesetzesänderungen vorgesehen.
Für Haftentschädigungen wurden nach Information des Justizministers 1998 596.000 S und 1999 850.000 S ausgegeben. Für heuer sind im entsprechenden Voranschlag 1,1 Mill. S vorgesehen.
Der Budgetausschuss wird seine Beratungen kommenden Dienstag mit dem Kapitel Soziale Sicherheit und Generationen fortsetzen. (Schluss)