Parlamentskorrespondenz Nr. 189 vom 11.04.2000
BUDGETAUSSCHUSS VERHANDELT MIT MINISTER BARTENSTEIN KAPITEL ARBEIT
Wien (PK) - Die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und geplante Projekte für Langzeitarbeitslose standen im Mittelpunkt der Beratungen des Budgetausschusses zum Themenbereich Arbeit, der nach der neuen Kompetenzverteilung der Regierung in die Zuständigkeit von Wirtschaftsminister Bartenstein fällt. Darüber hinaus brachten die Abgeordneten die Bereiche Abfertigung, "Green Card" für ausländische EDV-Spezialisten und den Nationalen Beschäftigungsplan (NAP) zur Sprache. Bartenstein kündigte eine Reihe von flankierenden Maßnahmen in Zusammenhang mit der geplanten Hinaufsetzung des Frühpensionsantrittsalters an, räumte aber ein, dass der dafür benötigte Zusatzaufwand von 1 Mrd. S noch nicht budgetiert sei. Zur in Deutschland geplanten "Green Card" für EDV-Spezialisten sagte Bartenstein, er sehe keine Notwendigkeit für eine rot-weiß-rote "Green Card".
Den von der Regierung angekündigten Pakt für ältere Arbeitnehmer, der als Begleitmaßnahme zur Anhebung des Frühpensionsantrittsalters gedacht ist, nahmen mehrere Abgeordnete zum Anlass für Fragen. So wollte Abgeordnete REITSAMER (S) wissen, in welchem Zeitraum die genannte 1 Mrd. S zur Verfügung gestellt werde und ob dadurch andere Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik reduziert würden. Abgeordneter ÖLLINGER (G) erkundigte sich danach, ob es bereits definitive Überlegungen zur Verstärkung des Bonus-Malus-Systems für ältere Arbeitnehmer gebe. Abgeordnete Dr. PITTERMANN (S) stellte die Frage, ob Bartenstein mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit durch das Anheben des Frühpensionsantrittsalters rechne. Auch die Abgeordneten Dr. STUMMVOLL (V), HUBER und HEINISCH-HOSEK (beide S) nahmen sich dieses Themas an.
Abgeordneter STAFFANELLER (F) machte darauf aufmerksam, dass sich die Zahl der Arbeitslosen über 50 Jahre in den letzten Jahren mehr als verdoppelt und 1999 bereits mehr als 50.000 betragen habe. Ähnlich stelle sich die Situation bei den arbeitslosen Behinderten dar. Staffaneller forderte für beide Personengruppen Begleitmaßnahmen.
Kritisch hinterfragten mehrere Abgeordnete die geplanten Projekte für Langzeitarbeitslose. So bezweifelte Abgeordneter LACKNER (S), ob durch "Schneeräumen und Parkpflege" die Betroffenen qualifiziert und für einen Wiedereinstieg ins Berufsleben vorbereitet würden. Abgeordnete Dr. PITTERMANN (S) fragte, ob Bartenstein seine Angehörigen von Personen pflegen lassen würde, die weder für diese Arbeit ausgebildet seien noch besonderes Interesse daran hätten. Abgeordneter ÖLLINGER (G) schnitt die Bezahlung der Betroffenen an.
Der Nationale Aktionsplan für Beschäftigung wurde sowohl von Abgeordnetem ÖLLINGER (G) als auch von Abgeordnetem GAUGG (F) zur Sprache gebracht. Die Fragen bezogen sich dabei insbesondere auf die finanzielle Dotierung. Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) zeigte sich skeptisch, dass die Ziele des NAP erreicht werden können, wenn gleichzeitig eine Senkung der Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung in Aussicht genommen sei. Gaugg interessierte sich darüber hinaus dafür, wie Wirtschaftsminister Bartenstein zu einem Generalkollektivvertrag mit einem verbesserten Kündigungsschutz für Arbeitnehmer und einem Mindestlohn stehe.
Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) machte auf zunehmende Probleme durch den rasanten Fortschritt in der Informationstechnologie aufmerksam und wies darauf hin, dass es bereits Klagen von Unternehmern gebe, wonach zu wenig qualifizierte Fachkräfte vorhanden seien. Dadurch könnten Marktchancen nicht genützt werden.
Zum Thema Abfertigung nahmen die Abgeordneten DOLINSCHEK (F) und Mag. TANCSITS (V) Stellung. Dolinschek verwies darauf, dass durch das derzeitige Abfertigungsmodell viele Arbeitnehmer gravierend benachteiligt seien. Sowohl er als auch Tancsits wollten wissen, wann es nun zu einer Reform in diesem Bereich komme.
Weitere Fragen der Abgeordneten betrafen die Lehrlingsausbildung (FPÖ-Abgeordneter DOLINSCHEK und SPÖ-Abgeordneter GRABNER), die Arbeitsinspektion und die Bekämpfung der Schwarzarbeit (Abgeordneter DIETACHMAYR, S) sowie die insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik und die Ausgliederung des AMS (Abgeordneter Mag. GASSNER, S). Abgeordnete Dr. PITTERMANN (S) qualifizierte die geplante Ausdehnung der Arbeitszeit für Lehrlinge auf 23 Uhr als jugendfeindlich.
Wirtschaftsminister Dr. BARTENSTEIN nannte als geplante flankierende Maßnahme zur Hinaufsetzung des Frühpensionsantrittsalters insbesondere die Verlängerung des Arbeitslosengeldes für ältere Arbeitnehmer von 12 auf 18 Monate. Außerdem soll der Pakt für ältere Arbeitnehmer eine Ausweitung des Bonus-Malus-Systems für Unternehmer und eine Beschleunigung der Verfahren vor dem Arbeitsgericht beinhalten. Wenn ältere Arbeitnehmer gekündigt werden, müsse künftig, so Bartenstein, zeitgleich das AMS verständigt werden, um rechtzeitig eingreifen zu können. Ihm zufolge ist derzeit sowohl die Bonusleistung für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer unzureichend als auch der Malus mit maximal 25.000 bis 30.000 S bei Kündigung eines älteren Arbeitnehmers zu niedrig.
Die notwendige 1 Mrd. S zur Finanzierung der vorgesehenen Maßnahmen ist laut Bartenstein noch nicht budgetiert, allein die Verlängerung des Arbeitslosengeldes für ältere Arbeitnehmer von 52 auf 78 Wochen soll 800 Mill. S kosten.
Die Sorgen mancher Experten, dass die Hinaufsetzung des Frühpensionsantrittsalters zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen wird, teilt Bartenstein nicht. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die gute Konjunkturlage in Österreich und die bestehende niedrige Arbeitslosigkeit, die nach EU-Rechnung 3,5 % betrage. Für den Bereich Arbeitslosengeld, Notstandshilfe etc. hat man Bartenstein zufolge für das Jahr 2000 insgesamt Ausgaben in der Höhe von 26,7 Mrd. S veranschlagt, wobei man bei den Berechnungen von 106.000 Arbeitslosen, 83.600 Notstandshilfebeziehern, 8.500 Beziehern von Sondernotstandshilfe und 78.000 Karenzgeldbeziehern ausgegangen sei.
Nach Meinung des Wirtschaftsministers besteht auch keine Sorge, dass durch die geplanten Maßnahmen für ältere Arbeitslose Projekte und Maßnahmen für andere Berufsgruppen gefährdet seien und nicht finanziert werden könnten. Die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik würden insgesamt sogar von 10,5 Mrd. S auf 11,1 Mrd. S ausgeweitet. Zur Altersteilzeit merkte der Minister an, auf Grund der kurzen Zeit seit der Einführung fehlten entsprechende Erfahrungen, man rechne aber mit rund 1.000 Arbeitnehmern, die diese Möglichkeit heuer in Anspruch nehmen.
Eine Privatisierung des AMS sei nicht geplant, bekräftigte Bartenstein, die vorgesehene Ausgliederung in eine GmbH habe man auch mit der SPÖ bereits vereinbart gehabt.
Mit Abgeordnetem Gaugg stimmte Bartenstein überein, dass die "Unsitte", Kostenprobleme vor allem durch den Abbau älterer Arbeitnehmer zu lösen, aus der verstaatlichten Industrie gekommen sei und erst dann von der Wirtschaft übernommen wurde. Er glaubt aber, dass das Gegensteuern schon gewirkt habe und "Freisetzungen" in größerem Ausmaß schon vorbei sind.
Hinsichtlich der von Abgeordnetem Staffaneller angesprochenen hohen Arbeitslosenrate unter Behinderten verwies Bartenstein auf eine positive Entwicklung im vergangenen Jahr. Zudem hat das AMS seinen Angaben nach einen Schwerpunkt zur Eingliederung von Behinderten in den Arbeitsmarkt gesetzt. 1999 seien beispielsweise 980 Mill. S für entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen zur Verfügung gestanden.
Was die geplanten Projekte für Langzeitarbeitslose betrifft, sagte Bartenstein, er sei "einigermaßen schockiert" gewesen, dass in diesem Zusammenhang von Arbeitsdienst gesprochen wurde. Er machte geltend, dass es bereits jetzt eine Verpflichtung für Arbeitslose gebe, im Rahmen der Zumutbarkeitsbestimmungen eine geeignete Beschäftigung anzunehmen, nichts anderes sei mit den genannten Projekten geplant. Als mögliche Einsatzgebiete für Langzeitarbeitslose nannte der Minister den Natur- und Umweltschutz, den Denkmalschutz oder die Wiederverwertung von Elektronikgeräten. Als Bezahlung sind Bartenstein zufolge rund 8.300 bis 8.400 S vorgesehen, was prinzipiell der durchschnittlichen Notstandshilfe plus einem Zuschlag von 20 % entspricht. Ist die Notstandshilfe höher, werde der Betroffene mehr Geld bekommen.
Die Kosten für die Projekte konnte Bartenstein noch nicht beziffern. Vorgesehen ist jedenfalls, die Projekte gemeinsam mit Projektträgern abzuwickeln und Langzeitarbeitslose, die mit normalen Mitteln nicht wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können, drei bis sechs Monate lang zu beschäftigen. Die Betroffenen würden jedenfalls streng nach ihrer Eignung geprüft, versicherte Bartenstein.
Der Nationale Beschäftigungsplan ist nach Auskunft Bartensteins mit insgesamt 2,3 Mrd. S budgetiert, für die Jugendbeschäftigung stehe 1 Mrd. S zur Verfügung. Einen Großteil der Ziele des NAP sieht er durch die Schaffung 100.000 neuer Arbeitsplätze und die Senkung der Arbeitslosenquote auf 3,5 % bereits erreicht, schwierig wird es seiner Ansicht nach aber die Vorgaben hinsichtlich der Ausweitung der aktiven Arbeitsmarktpolitik einzuhalten.
Für die "Abfertigung neu" gibt es laut Bartenstein noch keinen Zeitplan. Allerdings liegt bereits ein Bericht jener Expertengruppe vor, die Ex-Sozialministerin Hostasch zu diesem Thema eingesetzt habe. Als grundsätzliche Ziele der Neugestaltung der Abfertigung führte der Minister eine moderne betriebliche Pensionsvorsorge und eine kostenneutrale Umgestaltung der Ansprüche an.
Zur in Deutschland geplanten "Green Card" für ausländische EDV-Spezialisten meinte Bartenstein, nicht alles, was aus Deutschland komme, müsse Vorbild sein. Er sieht in diesem Sinn keine Notwendigkeit für eine rot-weiß-rote "Green Card". Immerhin sei beispielsweise das Kontingent für Spitzenarbeitskräfte im Rahmen der Zuwanderungsquote erst zu zwei Drittel ausgeschöpft. Auch bei Saisonniers werde es, so Bartenstein, zu keiner Ausweitung der bestehenden Kontingente kommen, allerdings sollen mehr Erntehelfer nach Österreich gelassen werden.
Ablehnend steht Bartenstein einem gesetzlichen Generalkollektivvertrag gegenüber. Wenn sich die Kollektivvertragspartner darauf verständigen, sei das in Ordnung, sagte er, der Gesetzgeber solle aber von seiner Seite keine Vorgaben machen. Ebenfalls nicht ausweiten will der Minister den Rechtsanspruch auf Bildungskarenz.
Die Ausweitung der Lehrlingsarbeitszeit auf 23 Uhr im Tourismusbereich sieht der Minister, wie er betonte, nicht als Anschlag auf die Jugendpolitik in Österreich. Wie die geplante Verlängerung der Probezeit für Lehrlinge von zwei auf drei Monate soll dieser Schritt dazu beitragen, Unternehmer zu animieren, mehr Lehrlinge einzustellen. Bartenstein kann sich darüber hinaus auch vorstellen, dass die Berufsschulzeit von der öffentlichen Hand finanziert wird, in Anbetracht der Budgetlage sei eine solche Maßnahme aber "nicht von heute auf morgen möglich".
Zum Bereich Arbeitsinspektorat teilte der Minister mit, man wolle das Serviceangebot ausweiten und die Betriebe in stärkerem Ausmaß beraten. Angesprochen auf die Kontrollen im Bereich der illegalen Beschäftigung von Ausländern stellte Bartenstein klar, dass wie bisher vorgegangen und die Zahl der entsprechenden Betriebskontrollen mit 15.000 jährlich gleich bleiben werde. (Schluss)