Parlamentskorrespondenz Nr. 245 vom 09.05.2000

BUNDESRAT: DRINGLICHE ANFRAGEN AN FINANZMINISTER UND INNENMINISTER

Wien (PK) - Am Nachmittag wurde die Dringliche Anfrage der Opposition zu befürchteten Belastungen für die Länder im Zusammenhang mit dem Privatisierungspaket der Bundesregierung aufgerufen. Bundesrätin TRUNK (S) begründete die Einbringung der Dringlichen Anfrage damit, dass es der SPÖ heute nicht gelungen sei, einen Einspruch des Bundesrates gegen das ÖIAG-Gesetz zu bewirken, obwohl es mehrfache Bedenken der Länder gegen den Gesetzentwurf gegeben habe. Ihrer Ansicht nach widerspricht es den demokratiepolitischen Gepflogenheiten, wenn bei Gesetzesbeschlüssen die Betroffenen nicht ausreichend miteinbezogen werden. Sie befürchtete negative Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Österreich und damit auch auf die Beschäftigungslage. Abschließend betonte sie, dass sie sich als Kärntner Bundesrätin der Stellungnahme der Landesregierung anschieße.

Staatssekretär Dr. FINZ unterstrich in seiner Beantwortung, dass das Amt der Kärntner Landesregierung keinen grundsätzlichen Einwand gegen die geplanten Fusionierungen geäussert hat. Konkret gehe es nur um den § 17 ÖIAG-Gesetz, wobei es sich um eine bereits geltende steuerrechtliche Bestimmung handelt, die nun auch auf die neuen Fusionierungen angewendet werde.

Der Staatssekretär erläuterte, dass die Bundesregierung konsequent durch Strukturmassnahmen sparen wolle. Der Abbau von 9.000 Planstellen sei nur durch eine Aufgabenveränderung möglich. Die Reduktion der Aufgaben werde auch durch ein strenges Controlling begleitet, womit ein Beitrag zum New Public Management geleistet werde.

Zum budgetierten Überschuss der Länderbudgets in der Höhe von 0,5 Prozent bestätigte Finz, dass der Überschuss derzeit nur 0,3 Prozent betrage. Er fügte jedoch hinzu, dass die Budgeterfolge der Länder immer besser seien als die Voranschläge.

Um eine bessere Treffsicherheit bei den Sozialleistungen zu erzielen, habe sich am 10. April eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Bundesministerin Sickl und Bundesminister Bartenstein konstituiert. Finz gab zu bedenken, dass man den Charakter einzelner Leistungen unterscheiden müsse: Bei der Familienbeihilfe habe man das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen; das Karenzgeld sei grundsätzlich eine Versicherungsleistung und somit Risikoabgeltung und kein Instrument der Umverteilung.

Im Hinblick auf die Unternehmen stellte Finz klar, dass diese keinen Groschen aus dem Budget bekämen. Zur Entlastung komme es lediglich durch eine Senkung der Lohnnebenkosten, was zu einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit führe.

Bundesrat KONECNY (S) ging am Beginn seiner Wortmeldung auf eine Presseaussendung von Bundesrat Böhm ein, die er als "skandalös" bezeichnete. Der Text der Aussendung umfasse eine Wortwahl wie "Schmierentheater der SPÖ", die in der Rede des freiheitlichen Bundesrates nicht vorgekommen sei. Er forderte daher Böhm auf, sich von dieser Verfälschung seiner Wortmeldung zu distanzieren.

Konecny stimmte mit Staatssekretär Finz überein, dass es im Bereich der öffentlichen Verwaltung zu einer substantiellen Vereinfachung kommen müsse. Dazu seien in den vorangegangenen Jahren auch wesentliche Schritte gesetzt worden. Ein schlanker Staat, so Konecny, dürfe jedoch kein Gerippe sein. Es seien auch Sehnen und Muskeln erforderlich, wenn die Kernfunktionen weiter erfüllt werden sollen.

Im Hinblick auf das Karenzgeld bemerkte der Bundesrat, dass man sich über die Mittelaufbringung unterhalten müsse, wenn man das Versicherungssystem durchbrechen wolle. Er bedauerte, dass man beim Konsolidierungsbeitrag der Länder auf das Prinzip Hoffnung setze und bezweifelte, dass die 0,5 Prozent von den Ländern aufgebracht werden könnten, zumal durch die Gesetzgebung des Bundes in die Finanzlage der Länder eingegriffen werde.

Bundesrat Dipl.-Ing. MISSETHON (V) bezeichnete es als eine vertane Chance der SPÖ, dem ÖIAG-Gesetz nicht zugestimmt zu haben, da damit Schritte zur Mitarbeiterbeteiligung, zur Festigung des Wirtschaftstandortes, zur Sicherung der Arbeitsplätze und zur Budgetsanierung abgelehnt worden seien. Er appellierte an die Sozialdemokratische Fraktion, sich nicht vor internationalen Vernetzungen zu fürchten, da diese durchaus zu einer besseren Wirtschaftslage der Unternehmen führen und auch einen wesentlichen Beitrag zur Forschung und Entwicklung leisten. All dies bringe auch steuerpolitische Chancen.

Nach Bundesrat WEILHARTER (F) hätte die SPÖ früher beginnen sollen nachzudenken, was Einnahmensausfälle bedeuten. Wenn man schon früher auf kaufmännische Sorgfalt Wert gelegt hätte, wäre die Konsum-Pleite nicht passiert, wenn die SPÖ schon früher mit öffentlichen Mitteln sorgsam umgegangen wäre, so stünde Österreich heute nicht vor einer derart grossen Staatsverschuldung. Von der drohenden Aufhebung der Getränkesteuer habe man schon lange vor dem EuGH-Erkenntnis gewusst, Finanzminister Edlinger habe es jedoch verabsäumt, rechtzeitig Maßnahmen zu setzen.

Bundesrat Mag. HOSCHER (S) wies abermals auf die Bedeutung des strategischen Kerneigentums von Industriebetrieben hin und meinte, dass sich die Wertschöpfung und die Steuereinnahmen auf den Sitz des Hauptunternehmens konzentrieren und dieser sei dort, wo sich auch die Kernaktionäre befinden. Er wies auf die drohenden Einnahmenausfälle für die Gemeinden bis zu einer Höhe von 6,5 Mrd. S jährlich hin, wie sie etwa durch die Finanzierung des Regionalnahverkehrs, durch die Strompreisliberalisierung oder durch die Reform des abgestuften Bevölkerungsschlüssels entstünden.

Bundesrat WEISS (V) konstatierte, dass die SPÖ den Vorwurf, sie betreibe ein taktisches Spiel, nicht habe widerlegen können. Er untermauerte seine Argumentation damit, dass die Kärntner Landesregierung auf einen bekannten Punkt hingewiesen, aber weder die Vertagung oder einen Einspruch verlangt habe. Diese Forderung sei auch nicht von Wien oder vom Burgenland gestellt worden. Besonders die Frage 4 zeige, wie unernst die Dringliche Anfrage sei, denn es müssten alle wissen, dass das Abgabenwesen vom Konsultationsmechanismus ausgenommen sei. Auch der Einspruchsantrag sei nicht mehr als ein müder Abguss von Argumenten im Nationalrat und streife mit keinem Wort die Interessen von Ländern und Gemeinden.

Staatssekretär FINZ stellte in einer weiteren Wortmeldung klar, dass sein Vorgänger Ruttensdorfer auf dem Sektor des New Public Managements verdienstvolle Vorarbeiten geleistet habe. Lediglich bei der Aufgabenkritik sei nichts geschehen. Die Pensionsregelungen des Jahres 1997 hätten, so der Staatssekretär, zwei Grundfragen nicht gelöst: Das Generationsproblem sei fortgeschrieben worden, weil das Pensionsantrittsalter noch immer zu niedrig ist; im Öffentlichen Dienst sei die Rürup-Studie nur sehr zögerlich umgesetzt worden und die ÖBB habe sich mit höheren Beiträgen von sämtlichen Maßnahmen freigekauft.

Finz ging nochmals auf den Stabilitätsbeitrag der Länder ein und erläuterte, dass auch laut einer IHS-Studie mit der Erreichung eines Nettodefizits von 1,7 Prozent zu rechnen ist.

Auch er meinte, dass der Einnahmenentfall aus der Getränkesteuer seit längerem abzusehen war, wie beim anonymen Sparbuch habe man aber zugewartet, bis etwas passiert. Die Regierung habe sich nun bemüht, einerseits die Finanzierungskraft der Gemeinden nicht zu schwächen, aber auch die Interessen einiger Gruppen zu berücksichtigen. Das bisherige Getränkesteueraufkommen von 5,6 Mrd. S werde nun durch das Umsatzsteueraufkommen von 4,5 Mrd. S ersetzt. Trotz geringerer Einnahmen sei dies ein tragbarer Kompromiss, da die Umsatzsteuer eine Bundessteuer ist und damit die Länder von Verwaltungsaufgaben entlastet würden. Bei der Werbeabgabe stehe einem bisherigen Einnahmenvolumen von 1,8 Mrd. S ein zukünftiges von 1 Mrd. S gegenüber. Durch eine Verfassungsbestimmung sollen aber Rückforderungen ausgeschlossen werden, wodurch in diesem Bereich eine Einnahmensicherheit hergestellt werde.

Zum Bevölkerungsschlüssel meinte Finz, dass es Berge von Beschwerden seitens kleinerer Kommunen gebe, da diese trotz zusätzlicher Aufgabenstellungen derzeit nicht mehr Geld bekämen. Daher sei eine Reform des abgestuften Bevölkerungsschlüssels notwendig.

Bundesrat PRÄHAUSER (S) verwies auf die Verdienste seiner Fraktion, die dazu beigetragen hätten, in Österreich einen nennenswert hohen Lebensstandard zu erarbeiten. Sparen sei zwar notwendig, aber es stelle sich die Frage, was man den Österreichern hätte ersparen können, wenn man nicht große Geschenke an Unternehmen oder Bauern vergeben hätte.

Bundesrat GSTÖTTNER (S) sprach zum Thema Getränkesteuer und bezweifelte, dass hier eine entsprechende Einigung bereits erzielt sei. Er wies auf die spezielle Problemlage der Gemeinden hin und ersuchte um Berücksichtigung ihrer Anliegen.

Bundesrat STEINBICHLER (V) beleuchtete die gegenständliche Frage aus der Sicht der bäuerlichen Bevölkerung.

Bundesrat Dr. D'ARON (F) erinnerte, Österreich werde um die Konvergenzkriterien nicht herumkommen, weshalb eine entsprechende Politik vonnöten sei, wobei gleichzeitig dafür Sorge zu tragen sei, diese Politik mit den Interessen der Bürger abzustimmen.

Staatssekretär Dr. FINZ erläuterte die Notwendigkeit der Steuerreform und betonte, diese müsse auch als Leistungsanreiz für die internationale Wettbewerbsfähigkeit gesehen werden. Im übrigen habe just sie eine Umverteilung von oben nach unten gebracht, was von besonderer Wichtigkeit sei. Er gehe davon aus, dass keine neuen Steuern erforderlich seien.

Nach Erledigung der Tagesordnung debattierte der Bundesrat zwei weitere Dringliche Anfragen der Opposition. Die Opposition begehrte Auskunft von Finanzminister (1710/J-BR/2000) und von Innenminister (1711/J-BR/2000) über "rätselhafte Zahlenspiele im Bundesvoranschlag". Bundesrätin FUCHS (S) beklagte, es sei heute zum ersten Mal passiert, dass ein Bundesminister im Bundesrat eine Frage, die dezidiert an ihn gerichtet wurde, nicht beantwortet habe. Sie hält das für demokratiepolitisch bedenklich. Zudem desavouiere das Verweigern einer Auskunft den ganzen Bundesrat. Innenminister Strasser hätte allen viel Zeit erspart, meinte Fuchs, wenn er gleich im Rahmen der Debatte über das Zivildienstgesetz eine Antwort auf die Frage gegeben hätte, ob Institutionen, die Zivildiener beschäftigen, nun künftig mehr Geld an das Innenministerium zahlen müssten oder nicht.

In einer tatsächlichen Berichtigung widersprach Bundesrat Mag. STRUGL der Aussage von Bundesrätin Fuchs, wonach es noch nie vorgekommen sei, dass im Bundesrat ein Minister keine Antwort auf eine konkrete Frage gegeben habe. Er erinnerte u.a. an eine Antwortverweigerung von Finanzminister Edlinger im Rahmen einer Fragestunde.

Finanzstaatssekretär Dr. FINZ betonte, aus heutiger Sicht sei die Frage, ob die Zahlungen der Institutionen, die Zivildiener beschäftigen, in der Höhe unverändert bleiben, eindeutig mit Ja zu beantworten. Die beim entsprechenden Budgetansatz veranschlagten 339 Mill. S erklärte er damit, dass es 1999 - bei einem Voranschlag von 243 Mill. S - einen Einnahmenerfolg von 288 Mill. S gegeben habe und man ursprünglich von einer geringfügigen Erhöhung der Kostenersätze durch die Zivildienst-Einrichtungen ausgegangen sei. Es handle sich jedenfalls um keinen Budgetierungsfehler, bekräftigte Finz, man sei bei der Budgeterstellung einfach von anderen Vorgaben ausgegangen.

Mit der Erstellung des Budgets 2001 wird Finz zufolge erst begonnen. Er wies in diesem Zusammenhang aber darauf hin, dass die Bundesregierung ein klares Bekenntnis zum Zivildienst abgelegt habe.

Innenminister Dr. STRASSER erläuterte, bei der Budgeterstellung sei man im Hinblick auf die gebotene Budgetsanierung von einer Erhöhung der Kosten für die Organisationen, die Zivildiener beschäftigen, ausgegangen. Deshalb habe man den entsprechenden Budgetansatz höher als den Budgeterfolg 1999 veranschlagt. Letztlich habe man das Augenmerk aber nicht auf eine Erhöhung der Einnahmen, sondern auf eine Einsparung bei den Ausgaben gelegt. Aus dieser Sicht können die veranschlagten Einnahmen Strasser zufolge durchaus als überhöht bezeichnet werden, dies werde aber, unterstrich er, durch Ausgabensenkungen mehr als wettgemacht.

Auch der Innenminister betonte, dass der Bundesvoranschlag 2001 noch nicht feststehe. Da aber auch dieses Budget "dem Spargedanken der Bundesregierung Rechnung tragen wird", rechnet er nicht mit einer wesentlichen Steigerung der Mittel für den Zivildienst. Heuer bevorzugt werden laut Strasser Non-Profit-Einrichtungen im Bereich des Rettungswesens, der Sozial- und Behindertenhilfe und des Katastrophenschutzes, was zur Folge habe, dass Zuweisungen zu Einrichtungen des Bundes, der Länder und der Gemeinden wesentlich gekürzt werden mussten bzw. unterblieben sind.

Bundesrat KONECNY (S) interpretierte die beiden Anfragebeantwortungen dahin gehend, dass offenbar eine "Richtungsänderung" im Zahlenwerk nicht ihren Niederschlag gefunden habe. Als nicht logisch wertete er, dass einerseits Innenminister Strasser beklage, er habe einen hohen Rückstand  an Zivildienern übernehmen müssen, gleichzeitig die Regierung aber die Zahl der Zivildienstplätze reduziere. Der Rückstand bei den Zivildienern werde dadurch zwangsläufig wachsen, außer es sei, so Konecny, das Ganze in Wirklichkeit der Versuch, "eine schiefe Ebene aufzubauen, wo die, die ungeduldig werden, letztlich vor den Toren des Bundesheeres abgelagert werden sollen". Konecny betonte die Notwendigkeit der Gleichbehandlung von Zivildienern und Wehrdienern und kündigte entsprechende Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof an.

Bundesrat PRÄHAUSER (S) bezeichnete die Beantwortung durch den Innenminister als erschöpfend. Hintergrund für die ganze Diskussion sei seiner Ansicht nach nicht ein finanzielles Problem, sondern das traditionell gestörte Verhältnis von FPÖ und ÖVP zum Zivildienst.

Bundesrat BIERINGER (V) bedankte sich bei Minister Strasser und bei Staatssekretär Finz für die hervorragende Beantwortung der Fragen. Sodann wies er die Aussagen der sozialdemokratischen Bundesräte, wonach die Zivildienstplätze um mehr als 50 % gekürzt würden bzw. dass die ÖVP ein gestörtes Verhältnis zum Zivildienst habe, zurück.

Bundesminister Dr. STRASSER zeigte sich verwundert darüber, dass der Eindruck entstanden ist, er habe dem Hohen Haus bzw. dem Bundesrat zu wenig Respekt entgegengebracht. Er möchte sich ausdrücklich dafür entschuldigen. Überdies wies er darauf hin, dass er selbst Zivildienst in einer Behinderteneinrichtung geleistet habe. Er könne daher nicht verstehen, dass jener Partei, die als erste einen Zivildiener in die Regierung berufen hat, ein gestörtes Verhältnis zum Zivildienst vorgeworfen wird.

Der Zivildienst sei ein wichtiger Ersatzdienst, war ein wichtiger und wird es auch bleiben, allerdings ein funktionierender, unterstrich der Innenminister. Strasser ist davon überzeugt, dass der Zivildienst an Haupt und Gliedern reformiert werden müsse. Er beabsichtige zudem, die Non-profit-Organisationen prioritär anzuerkennen und werde sich dafür einsetzen, dass jeder Zivildiener - ebenso wie jeder Präsenzdiener - ab 1. Juni seine Verpflegungsmöglichkeiten erhält.

(Schluss)

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