Parlamentskorrespondenz Nr. 269 vom 18.05.2000
ABSCHLUSS DER BERATUNGEN ÜBER DAS BUDGET 2000 IM NATIONALRAT
Wien (PK) - Mit den Budgets für das Sozialministerium und für das Finanzministerium gehen die Beratungen des Nationalrats über das Budget 2000 in die Endrunde. Zusammen mit der Beratungsgruppe Finanzen wird der Text des Bundesfinanzgesetzes, der Stellenplan und der Fahrzeugplan des Bundes verhandelt. Die sozialdemokratische Fraktion brachte eine Dringliche Anfrage an den Bundeskanzler betreffend "Wiederherstellung der Verteilungsgerechtigkeit und neuerliches Sparpaket" ein, die ab 15 Uhr debattiert wird.
Im Bereich des Sozialministeriums sind im laufenden Jahr Ausgaben in Höhe von 172.887,392 Mio. S vorgesehen, die Einnahmen wurden mit 74.257,769 Mio. S präliminiert. In den Ausgaben sind auch 14,4 Mrd. S für die Arbeitsmarktpolitik in den ersten drei Monaten - bis zum Inkrafttreten des neuen Bundesministeriengesetzes - enthalten. Im Finanzressort stehen präliminierten Ausgaben in Höhe von 496.010 Mio. S Einnahmen von 550.659 Mio. S gegenüber. Im Zuge der Budgetberatungen im Finanzausschuss waren zwar Änderungen beschlossen, die Höhe des veranschlagten Nettodefizits von 54.648,125 Mio. S davon aber nicht berührt worden.
BERATUNGSGRUPPE VII: SOZIALE SICHERHEIT UND GENERATIONEN, SOZIALVERSICHERUNG, GESUNDHEIT, JUGEND UND FAMILIE
Abgeordnete Mag. PRAMMER (S) konzentrierte sich in ihrer Wortmeldung auf das Frauenkapitel, "soweit man überhaupt noch davon sprechen könne". Wenn man sich die bisherigen Vorschläge ansehe, dann gewinne man den Eindruck, dass die Bundesregierung einen Angriff auf die Eigenständigkeit der Frauen plane, da nur mehr eine Lebensform bevorzugt werde. Die Liste der Fehler reiche von einer falschen Arbeitsmarktpolitik, nicht ausreichenden Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Kürzungen bei den Kinderbetreuungseinrichtungen bis hin zur Abschaffung des Karenzgeldes. Sehr bedauerlich sei auch, dass der Frauenkunstpreis ersatzlos gestrichen werden soll. Dies sei das neue Frauenbild der F-V-Koalition, die unter Österreich neu regieren Österreich abkassieren verstehe.
Abschließend brachte sie einen S-Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, alle notwendigen gesetzlichen Maßnahmen zu setzen, um die Sicherstellung einer gerechten, gleichstellungsorientierten Gesellschaftsstruktur in Österreich voranzutreiben.
Abgeordneter Mag. HAUPT (F) entgegnete seiner Vorrednerin, dass auch während der SPÖ-Alleinregierung von 1970 bis 1983 keine wesentlichen Verbesserungen für die Frauen eingetreten sind. Es gab zwar eine Reihe von plakativen Ankündigungen, die Eckdaten hätten jedoch eine andere Sprache gesprochen: es wurde weder der Zugang zu klassischen Männerberufen und zu höheren akademischen Positionen erleichtert, noch konnte die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern geschlossen werden. Keine Erfolge wurden auch bei der Kinderbetreuung erzielt, gab Haupt zu bedenken, da "das schnell wirkende Instrument der Tagesmütter" aus ideologischen Gründen vernachlässigt und ausgehungert wurde. Was die Pensionsreform betrifft, so sei diese keineswegs sozial ungerecht, wie von den Kritikern behauptet werde. Unsozial wäre es, nichts zu unternehmen und die Probleme auf die lange Bank zu schieben, weil dadurch dann noch drastischere Schritte erforderlich würden und der Generationenvertrag gefährdet wäre. Zum Schluss brachte Haupt noch einen Abänderungsantrag zum Bundesfinanzgesetz ein.
Abgeordnete REITSAMER (S) berichtigte tatsächlich eine Aussage des Abgeordneten Haupt bezüglich der Erwerbs- bzw. Arbeitsunfähigkeitspensionen und stellte fest, dass sich der Europäische Gerichtshof mit dem unterschiedlichen Anfallsalter von Frauen mit 55 Jahren und Männern mit 57 Jahren auseinander gesetzt hat und demzufolge die Männer mit 55 Jahren in diese Pensionsform gehen können.
Die Rede des Abgeordneten Haupt sei eine Variante der Argumentationsweise der Regierung, meinte Abgeordneter ÖLLINGER (G), nämlich "wir würden ja gerne etwas anderes und besseres machen", aber leider hat uns die alte Regierung einen so großen Schuldenberg hinterlassen. Dabei vergesse Haupt aber darauf, dass etwa durch die Anrechnung der Kindererziehungszeiten und des Wehrdienstes für die Pensionsversicherung oder die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes zusätzliche Schulden gemacht werden. Zudem wies er darauf hin, dass die Sozialquote seit den 90er-Jahren ständig sinke; er frage sich daher, wo jetzt zu viel Geld ausgegeben werde. Kritisch beurteilte Öllinger insbesondere die Kürzungen beim Arbeitnehmerschutz, der die wichtigste präventive Maßnahme zur Vorbeugung von Unfällen darstelle.
In Österreich wurde ein sehr gutes Sozialsystem aufgebaut, unterstrich Abgeordneter Dr. FEURSTEIN (V), und dieser Weg werde auch durch die neue Regierung fortgesetzt. Wenn man die Ausgaben der Länder und Gemeinden dazurechne, dann stehen im Jahr 2000 über 800 Mrd. S für die soziale Sicherheit zur Verfügung. Nächstes Jahr werde zudem erstmals die Grenze von 100.000 S, die für jeden einzelnen Österreicher im Bereich der sozialen Wohlfahrt pro Jahr zur Verfügung stehen, überschritten. Dies sei keine Umverteilung von unten nach oben, sondern eine Umverteilung zu Gunsten der sozial Bedürftigen, der älteren, kranken und behinderten Menschen.
Die Opposition müsse allerdings zur Kenntnis nehmen, dass in der Sozialpolitik Akzentverschiebungen vorgenommen werden, zu denen er sich bekenne. Der reine Versorgungsstaat solle durch eine nachhaltigere Sozialpolitik abgelöst werden, was etwa bedeute, dass Arbeitslose in Beschäftigung gebracht werden sollen.
Bundesministerin Dr. SICKL kam auf die Wortmeldung der Abgeordneten Prammer zu sprechen und machte darauf aufmerksam, dass die neue Regierung bereits viele substanzielle Vorhaben umgesetzt habe. Als Beispiel nannte sie die Reform der Gleichbehandlungskommission, die bisher auf sehr unprofessionellen Beinen stand, wodurch die Bearbeitung der Fälle bis zu eineinhalb Jahre gedauert habe. Überdies werde sie sich dafür einsetzen, dass mehr Gleichbehandlungsanwaltschaften installiert werden, um vor allen den Frauen in den ländlichen Regionen Ansprechpartnerinnen vor Ort anbieten zu können. Ein weiterer Schwerpunkt sei die Förderung des beruflichen Wiedereinstiegs von Frauen, weshalb spezielle Beratungsstellen eingerichtet werden sollen. Sickl wies auch darauf hin, dass noch nie ein so hohes Budget für die Frauenförderung bereitgestellt wurde und die Mittel für Vereine und Organisationen nicht gekürzt werden. Hinsichtlich des Kinderbetreuungsgeldes merkte die Ressortchefin an, dass die Mittel nunmehr zwei Jahre ausbezahlt werden, eine hohe Zuverdienstgrenze bestehe und eineinhalb Jahre für die Pension angerechnet werden.
Sickl widersprach anhand vorliegender Zahlen, dass die Bundesregierung eine verfehlte Arbeitsmarktpolitik betreibe.
Die Bundesministerin betonte, dass heuer mehr Geld für Frauenpolitik zur Verfügung stehe. Ihr lägen Alleinerzieherinnen besonders am Herzen und sie fördere daher gerade Projekte für diese Frauengruppe. Sie sprach auch ihr Engagement für jene Einrichtungen an, die sich mit dem Thema Gewalt gegen Kinder und Frauen auseinandersetzen und nannte dabei das Projekt zur Prozessbegleitung von missbrauchten Kindern.
Im Hinblick auf die geplante Pensionsreform erinnerte sie an das Gutachten von Rürup, das genau in die Richtung der geplanten Maßnahmen weise. Die Ministerin strich hervor, dass es sich um eine gerechte Reform handle, da alle Bevölkerungsgruppen betroffen seien. Wenn heute nicht einschneidende Maßnahmen gesetzt würden, so Sickl, seien ab dem Jahr 2020 die Pensionen nicht mehr gesichert. Die Anhebung der Abschläge auf 3 % sei lediglich eine Erhöhung von 1 % im Vergleich zur derzeitigen Lage. Die Ressortchefin zeigte sich enttäuscht über den ÖGB, der lediglich beschäftigungs- und gesundheitspolitische Schritte zur Sicherung des Pensionssystems vorgeschlagen habe. Wenn solche Maßnahmen auch wichtig seien, und die Regierung arbeite daran, so müsse klargestellt werden, dass das Pensionsproblem nur dann gelöst werden könne, wenn Menschen später in Pension gehen. Damit sei man auch auf der Schiene der EU, da es in den übrigen Ländern ein höheres Pensionsantrittsalter gebe als in Österreich.
In Bezug auf den Schutz von Behinderten und das Thema Pflege kündigte Sickl an, dass sie sich um die Valorisierung des Pflegegeldes sowie über mehr Mittel für die Arbeitsassistenz einsetzen werde.
Abschließend informierte die Ministerin das Parlament, dass diesem bald ein Bundesjugendförderungsgesetz zugeleitet werde. Sie kündigte an, eine Neukodifizierung des gesamten zersplitterten Sozialrechts in Angriff zu nehmen und berichtete, dass eine Arbeitsgruppe zum Thema soziale Treffsicherheit eingerichtet worden sei.
Abgeordneter Dr. EINEM (S) widersprach der Ministerin, dass es für Frauen heuer mehr Geld als unter Ministerin Prammer gebe. Vielmehr seien die Mittel in diesem Bereich um 17 Mio. S gekürzt worden.
Einem thematisierte dann die Reduzierung der Beträge für die Interventionsstelle gegen Gewalt und meinte, dass dieses Beispiel deutlich zeige, wie sehr die Interessen der Familien nunmehr sträflichst vernachlässigt würden. Durch den engen finanziellen Spielraum für die Interventionsstelle fänden Exekutivbeamte nicht nur schwierige Einsatzsituationen vor, sondern seien auch mit sensiblen Sozialfragen konfrontiert, auf die sie nicht vorbereitet sind. „Setzen Sie Schwerpunkte, lassen Sie nicht Frauen und Kinder in den ärgsten Situationen allein“, appellierte Einem an die Ministerin.
Abgeordneter GAUGG (F) stellte im Gegensatz zu seinem Vorredner fest, dass es heuer das höchste Frauenbudget in dieser Republik gebe. Weiters würdigte er es als ein Verdienst der Bundesregierung, bald das Kinderbetreuungsgeld einzuführen und alles für die Absicherung von Kindern, Jugendlichen und Familien zu tun. In diesem Zusammenhang antwortete er auf kritische Zwischenrufe seitens der SPÖ-Fraktion damit, dass es ihm noch lieber sei, wenn eine Frau von ihrem Mann abhängig ist, als von der SPÖ.
Für seinen Vorwurf, die SPÖ begehe Verrat an den zukünftigen Generationen, erhielt er vom vorsitzführenden Präsidenten Dr. FISCHER eine Ermahnung. Gaugg wandte sich dann noch kurz dem ArbeitnehmerInnenschutz zu und meinte, dass man einen effizienten Schutz für die ArbeitnehmerInnen brauche, aber keine Schikanen.
In einer tatsächlichen Berichtigung zitierte Abgeordneter Dr. EINEM (S) eine Anfragebeantwortung, aus der hervorgeht, dass im Jahr 1999 für Frauenförderungen 86 Mio. S zur Verfügung gestanden sind, im Jahr 2000 aber nur mehr 69 Mio. S.
Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) setzte sich kritisch mit dem Frauenbild der Regierung auseinander und versuchte, anhand des Zusammenhangs von Frauenerwerbsquote mit der Ausrichtung von Sozialsystemen die falsche und ideologiebehaftete Politik der derzeitigen Bundesregierung zu erläutern. Länder mit einer höheren Frauenerwerbsquote hätten auch andere Sozialsysteme, so die Abgeordnete. Internationale Untersuchungen zeigten genau, dass hier ein großes Potenzial zur Absicherung des sozialen Systems liege.
Petrovic sieht keine Anzeichen dafür, dass die Kluft zwischen Frauen und Männern kleiner würde. Wenn sich nun die Bundesministerin für eine solidarische Umlagevariante im Sozialsystem ausspreche, so müsste jede Person als Individuum berücksichtigt werden. Die Regierung sähe die Frauen jedoch vor allem im Familienverband und verstärke damit das Element der Abhängigkeit von Frauen. Petrovic warnte davor, Eingriffe in ein durchaus korrekturbedürftiges System zu machen, ohne vorher eine klare Philosophie bezüglich der Grundprinzipien entwickelt zu haben.
Am geplanten Kinderbetreuungsgeld kritisierte die Rednerin, dass dieses nun eine Familienleistung mit einer Einkommensgrenze darstellen werde, was einen Bruch mit jedem bestehenden System bedeute. Warum soll einer Frau über einer bestimmten Summe des Erwerbseinkommens diese Leistung versagt werden, warum soll die Leistung für diejenigen geöffnet werden, die nie in die Fonds eingezahlt haben, fragte Petrovic und konstatierte gleichzeitig, dass dies einer entschädigungslosen Enteignung gleichkäme. Durch die Einkommensgrenze von 12.000 S brutto würden auch Alleinverdienerlinnen aus dem Leistungsanspruch herausfallen, womit die Problematik im Bereich des Verfassungsrechts beginne. Das sei der ideologische Kompromiss, der Frauen dazu dränge, ihre Berufstätigkeit aufzugeben oder zumindest zu reduzieren, gab Petrovic zu bedenken.
Abgeordnete STEIBL (V) entgegnete, dass konservativ auch konstruktiv heißen könne und dass Petrovic auf Systeme fixiert sei, die man im 21. Jahrhundert eben konstruktiv verändern könne. Der Familienlastenausgleichsfonds sei strukturell kein Defizitbringer mehr und eigenständig. Sie widersprach daher auch dem Vorsitzenden des Staatsschuldenausschusses und meinte, dass die geplanten Maßnahmen zur Familienförderung der Budgetsanierung nicht zuwiderlaufen. Durch das Kinderbetreuungsgeld würden keine sozialen Unterschiede gemacht, betonte die Abgeordnete. Die Regierung schaffe die besten Voraussetzungen für die Familien.
Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) warf der Ministerin vor, sich von der Politik der Eigenständigkeit von Frauen zu verabschieden. Das Programm sei geprägt von Häuslichkeit und Managementqualität durch Häuslichkeit. Kuntzl ortete in der laufenden Politik Verunsicherung und Verhöhnung von Frauen, Alleinerzieherinnen und Familien. Die Regierungspolitik sei rein ideologisch motiviert und wer ihrem Bild nicht entspreche, werde ausgegrenzt.
Die Abgeordnete brachte einen Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, alles zu unternehmen, um eine neuerliche, strukturelle Benachteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt, vor allem jener Frauen, die Betreuungspflichten nachkommen müssen, zu bekämpfen.
Für Abgeordneten DOLINSCHEK (F) hat diese Bundesregierung einen starken Start gehabt. Die FPÖ sei immer um sozial verträgliche Maßnahmen bemüht gewesen, die jetzt getätigten Kürzungen führte er auf die katastrophale Budgetsituation zurück. Das Kinderbetreuungsgeld bezeichnete der Redner als einen Meilenstein, da das Karenzgeld von der Beschäftigung entkoppelt werde. Es ermögliche eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und trage zur Gleichstellung aller Eltern bei. Dolinschek hob auch hervor, dass Kindererziehungszeiten pensionsbegründend würden und sprach sich für eine Angleichung der unterschiedlichen Pensionssysteme aus.
Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) warf der Bundesregierung eine chaotische Politik sowie mangelnde soziale Fairness vor und zeigte sich irritiert von der Drohung eines "Crash im Gesundheitssystem", mit dem die Österreicher veranlasst werden sollen, einem "gesamtösterreichischen Sparverein" beizutreten, der aus Menschen besteht, die sich Gesundheit nicht mehr leisten können und solchen, die sie sich noch leisten können. Besonders scharf kritisierte Grünewald die Einführung von Selbstbehalten "bloß auf Verdacht hin", zumal keinerlei Daten über die Steuerungswirkung dieser Selbstbehalte vorlägen.
Unwahr sei auch die Behauptung, Krankenkassen und Pharmaindustrie leisteten einen Beitrag zur Sanierung des Gesundheitssystems. Zur Kasse gebeten würde nur die Patienten, also vor allem alte und chronisch kranke Menschen. Grünewald untermauerte diese Aussage mit dem Hinweis darauf, dass die österreichischen Krankenkassen europaweit die niedrigsten Verwaltungskosten aufweisen, jede Einsparung also zur Minderung von Serviceleistungen führen würde. Zu erwarten, dass die Regierung die internationale Pharmaindustrie zu Preisreduktionen veranlassen könnte, hielt Dr. Grünewald für eine Illusion.
In seinen weiteren Ausführungen kritisierte Dr. Grünewald Einsparungen bei Organisationen, die sich mit der Betreuung von Drogenabhängigen beschäftigen, was er für besonders bedauerlich halte, da in diesem Bereich schon jetzt eklatante Betreuungslücken herrschen. "Eine gesunde Wirtschaft braucht gesunde Menschen", rief der Arzt den Koalitionsparteien abschließend zu.
Abgeordneter Dr. RASINGER (V) warf dem Gesundheitssprecher der Grünen vor, die Bevölkerung mit gefährlichen Ideen in die Irre zu führen. Er stecke den Kopf vor der Tatsache in den Sand, dass den Krankenkassen 5,7 Mrd. S fehlen. Erstaunt zeigte sich Rasinger auch darüber, dass Grünewald die vorgesehene Entschädigung von Patienten bei ärztlichen Fehlern kritisiere - darüber habe man elf Jahre diskutiert, nun werde die Entschädigung endlich eingeführt. Als praktischer Arzt, der sich oft um drogenabhängige Patienten kümmere, wies er auch den Vorwurf mangelnder Betreuung Drogenabhängiger zurück und sagte: "Es gibt auch Ethik auf unserer Seite."
Das österreichische Gesundheitswesen besitze Weltklasse, sagte Rasinger und verwahrte sich gegen Konzepte wie jene der Grünen in Deutschland oder der Labour-Regierung in Großbritannien, wo Menschen notwendige Operationen vorenthalten würden - für uns heißt Gesundheitspolitik Solidarität mit Kranken. Diese Politik sei planbar, sagte der Arzt und machte darauf aufmerksam, wie viele Menschenleben durch den Hubschrauberrettungsdienst gerettet werden konnten und wie stark die Mortalitätsrate in den Spitälern durch den Einsatz modernster Technologien gesenkt werden konnte. Konkret bekannte sich Rasinger zu Verlagerungen aus dem Spital nach außen. "Wir brauchen mehr Hospize, mehr Schmerztherapie und mehr Psychotherapie", schloss Rasinger und warnte nachdrücklich davor, Gesundheit als einen lästigen Kostenfaktor zu betrachten.
In einer tatsächlichen Berichtigung wies Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) die Aussage zurück, die Grünen wollten eine Zwei-Klassen-Medizin wie in Deutschland oder Großbritannien. Für die Einsparung von 10 Mrd. S habe er keinen Zeitraum genannt, aber es müsste wohl möglich sein, bei 230 Mrd. S 10 Mrd. S umzuschichten, um Kranke nicht belasten zu müssen.
Staatssekretär Dr. WANECK bekannte sich zu den lange diskutierten Reformen im Gesundheitssystem wie die Qualitätskontrolle und die Verlagerung in den extramuralen Bereich, die die Regierung nun angehe, nachdem es dazu jahrelang nur Lippenbekenntnisse gegeben habe. Bei der Frage der Selbstbehalte habe es sich die Regierung nicht leicht gemacht, sagte der Staatssekretär und unterstrich, dass eine Lösung ohne Einschränkung der medizinischen Leistungen und ohne Selbstbehalte bei niedergelassenen Ärzten gefunden wurde. Er sei optimistisch, dass es gelingen werde, auf dem eingeschlagenen Weg erfolgreich weiterzugehen und berichtete von einem konstruktiven Klima in den Gesprächen mit dem Finanzminister und den Landesfinanzreferenten. "In unserer Gesundheitspolitik steht der Mensch im Zentrum."
Abgeordnete Mag. WURM (S) befasste sich in ihrem Debattenbeitrag mit den Vorurteilen, mit denen Frauen mit Betreuungspflichten und vor allem Wiedereinsteigerinnen zu kämpfen haben. Die Rednerin bedauerte, dass der Hauptteil familiärer Betreuungspflichten nach wie vor den Frauen übertragen werde. Statt dieses Rollenmuster aufzubrechen, unternehme die blau-schwarze Koalition alles, um eine partnerschaftliche Kinderbetreuung zu unterlaufen, kritisierte Wurm und legte einen Entschließungsantrag vor, in dem sie die Bundesregierung aufforderte, Maßnahmen zur weiteren Demokratisierung der Gesellschaft im geschlechtsdemokratischen Sinn zu setzen. Konkret sieht der Antrag die Bereitstellung von Kinderbetreuungseinrichtungen vor, die nicht nur über die Mittagszeit, sondern auch nach 16 Uhr sowie am Abend und auch in den Ferien zur Verfügung stehen. Wurm begründete dieses Verlangen u.a. mit dem Hinweis darauf, dass viele Verkäuferinnen bis 22 Uhr arbeiten müssen und es sich mit ihren geringen Einkommen nicht leisten können, einen Babysitter zu beschäftigen.
Abgeordnete HALLER (F) klagte darüber, wie schwer es Frauen in der heutigen Gesellschaft gemacht werde, Kinder zu bekommen und großzuziehen. Sie führte dies auch auf den kämpferischen Feminismus der letzten Jahrzehnte zurück und meinte, die Frauen hätten zwar mehr Selbstbewusstsein bekommen, seien aber gefangen zwischen den Ansprüchen von Karriere, Konsum und Schönheit - dies führe zur Flucht vor dem Kind. Trotz hoher familienpolitischer Leistungen gehe die Zahl der Geburten eklatant zurück, stellte Haller fest und wies darauf hin, dass 15 % der Österreicher als armutgefährdet gelten. Die richtige Antwort darauf sei der Kinderbetreuungsscheck, von dem sie sich eine Kursänderung in der österreichischen Gesellschaftspolitik erwarte. Sie sei traurig darüber, dass das Budgetdefizit, das die SPÖ hinterlassen habe, in der nächsten Zeit nur einen ersten Schritt auf dem Weg zum Kinderbetreuungsscheck erlaube. Zur Diskussion um eine soziale Staffelung der Familientransfers merkte Haller an, dass dies erst dann möglich sei, wenn es in Österreich ein Familienbesteuerungssystem gebe. Dies habe die letzte Regierung trotz dreier VfGH-Erkenntnisse aber nicht zu Stande gebracht.
Abgeordneter BROSZ (G) bat die Sozialministerin zunächst um Aufklärung über die Entwicklung der Jugendförderung. Wenn die Ansätze im vorliegende BFG-Entwurf, die einen Rückgang von 99,6 auf 84,7 Mill. S seit 1999 erkennen lassen, stimmen, sei die Aussage der Ministerin, die Förderung bleibe gleich, unrichtig. Dann kritisierte der Redner Einsparungen bei den Schülerfreifahrten, die zu erheblichen Belastungen für Eltern führen werden und ging schließlich auf eine Kritik des Rechnungshofes am Familienforschungsinstitut ein, wobei er anhand von Zitaten den Vorwurf ideologisch gefärbter Publikationen untermauerte.
Abgeordneter AMON (V) zeigt sich überrascht, dass die Opposition in einer zweiwöchigen Budgetdebatte keinen einzigen Punkt im Bundeshaushalt für 2000 finden konnte, dem sie zustimme. Dem Vorwurf des Sozialabbaus trat Amon mit dem Hinweis auf die Staatsverschuldung von 1.700 Mrd. S entgegen. Österreich habe die höchsten Sozialstandards, es sei daher zulässig, auch darauf zu achten, dass nicht nur umverteilt, sondern auch ein wenig auf das Leistungsprinzip geachtet werde. "Wir leben noch immer über unsere Verhältnisse", sagte Amon und meinte, es sei nicht einzusehen, "dass die kommenden Generationen unsere Schulden zahlen sollen". Man dürfe sich nichts vormachen, das Pensionssystem müsse reformiert werden, schloss Amon, denn "Beschäftigungspolitik allein reicht zur Erhaltung des Systems nicht aus. Wir haben eine hohe Beschäftigung und eine niedrige Arbeitslosigkeit, aber trotzdem gravierende Probleme im Pensionssystem".
Abgeordnete REITSAMER (S) bezeichnete das Budget als Sozialabbauprogramm und kritisierte insbesondere die Pensionsreform, die ihrer Meinung nach zu einem Plus von 47.000 Altersarbeitslosen führen werde. Sie lehnte weiters auch das Kindererziehungsgeld und die Reformen im Gesundheitsbereich ab und betonte, die unteren Einkommensschichten würden überproportional getroffen.
Abgeordneter Mag. SCHENDER (F) sah in der Förderung des Bundesjugendringes eine Verschwendung von Steuergeldern. Ohne Richtlinien und ohne Einflussmöglichkeit des Ministeriums würden Gelder an einzelne, meist parteipolitisch ausgerichtete Jugendorganisationen verteilt werden. Die SPÖ habe immer eine gesetzliche Regelung verhindert, weil sie ihren linkslinken Gruppen keine Förderung streichen wollte, sagte Schender. Empört zeigte sich der Redner darüber, dass der FP-Jugendorganisation die Aufnahme in den Bundesjugendring verwehrt wurde.
Abgeordnete HAIDLMAYR (G) forderte in ihrer Wortmeldung eine Valorisierung des Pflegegeldes, berufliche Massnahmen für Behinderte sowie eine Erhöhung der Ausgleichstaxe.
Abgeordneter Dr. TRINKL (V) bemerkte, die Regierung wolle den hohen sozialen Standard auch für die Zukunft sicherstellen, während die SPÖ immer nur von wohlerworbenen Rechten spreche. Der Koalition gehe es darum, auch der Jugend die Chance zu geben, einmal eine annähernd gleiche Alterssicherung zu erhalten, wie dies für die heutigen Pensionisten der Fall ist. Bestehende Pensionen würden in keiner Form gekürzt werden, versicherte Trinkl mit Nachdruck.
Abgeordnete SILHAVY (S) warf der Regierung vor, bei den Arbeitnehmern abzukassieren und ihrer eigenen Klientel Geschenke zu machen. Sie sprach kritisch von massiven Pensionskürzungen, einer Bestrafung der Kranken und von Ausgrenzung jener Menschen, die besondere Bedürfnisse haben.
Abgeordnete ZIERLER (F) wies die Vorwürfe der sozialen Ungerechtigkeit scharf zurück. Wenn Bäuerinnen, Selbständige, Studentinnen und geringfügig beschäftigte Frauen nun endlich in den Genuss von Kindererziehungsgeld kommen, dann könne man doch nicht von sozialer Ungerechtigkeit sprechen, sagte sie.
Abgeordnete HUBER (S) appellierte an die Ministerin, nicht bei der Opferfürsorge den Sparstift anzusetzen. Streichungen bei den Verbrechensopfern wären ein weiterer Schritt in die sozialpolitische Kälte, warnte Huber.
Abgeordnete BAUER (V) betonte, die Regierung versuche Neues in der Frauenpolitik. Es gehe insbesondere darum, die Eigenständigkeit der Frauen zu unterstützen und dabei weg vom alten Denken zu kommen, meinte sie an die Adresse der SPÖ gerichtet.
Abgeordneter NÜRNBERGER (S) qualifizierte die Pensionsreform als "Schröpfungsaktion" auf Kosten der Arbeiter und Angestellten. Er zitierte aus einer Broschüre der Arbeiterkammer, die auf Pensionskürzungen in einzelnen Fällen hinweist.
Abgeordneter Dr. PUMBERGER (F) wies auf Defizite im Bereich der Sozialpolitik hin, die in die Verantwortung der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung fielen. Auch in der Gesundheitspolitik liege vieles im Argen. Die Wiener medizinische Schule habe einst einen hervorragenden Ruf genossen, doch davon sei nach 30 Jahren sozialdemokratischer Regierungsverantwortung nicht viel geblieben.
Es gebe heute eine „Kuvertmedizin“, bei der die Sozialdemokratie zuschaue. Eine Zwei-Klassen-Medizin sei an der Tagesordnung, diese Unterschiede seien in den letzten 30 Jahren massiv gewachsen. Die neue Regierung hingegen werde eine grundlegende Reform ins Werk setzen, versprach der Redner.
Abgeordneter DOBNIGG (S) sprach von einem Fehlstart für die neue Regierung, die drauf und dran sei, die Erfolge der letzten Jahre wieder zunichte zu machen. Der Bevölkerung drohten massive Verschlechterungen, folgte diese Regierung doch offensichtlich dem Motto „Unternehmer entlasten, Arbeitnehmer belasten“. Diese Politik des Sozialabbaus auf Kosten der Arbeitnehmer sei für ihn, so Dobnigg, ein Skandal.
Abgeordneter Dr. LEINER (V) räumte ein, es sei in den letzten Jahren durchaus eine solide Gesundheitspolitik gemacht worden, doch erforderten die neuen Herausforderungen auch neue Konzepte. Der Redner wies auf aktuelle Probleme hin, wo seines Erachtens zeitgemässe Lösungen erforderlich seien.
Abgeordneter DIETACHMAYR (S) warf der neuen Regierung vor, die Kosten für den Patienten massiv erhöht zu haben. Diese Belastungen bewiesen auch, dass das Gerede von einem rein ausgabenseitigen Sparen unrichtig sei. Besonders kritisierte Dietachmayr die Erhöhung der Rezeptgebühr. Die Konzepte der Regierung seien der Sache nicht dienlich, weshalb seine Fraktion diese Politik ablehne.
Abgeordnete Dr. POVYSIL (F) ging auf die veränderten Bedingungen im Gesundheitsbereich, etwa auf die stetig steigende Lebenserwartung, ein, auf die entsprechend reagiert werden müsse. Es gehe darum, ein gesundes Leben im Zeichen der Selbstbestimmung führen zu können, und auf die Gesundheitspolitik umgelegt bedeute dies, verstärktes Augenmerk der Prävention zuzuwenden und eine grundlegene Strukturreform in Angriff zu nehmen, wie dies die neue Regierung auch beabsichtige.
Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) unterstrich die Kritik ihrer Fraktion an der Gesundheitspolitik der Regierung und plädierte für die Fortsetzung des Prinzips der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung.
Abgeordneter DONABAUER (V) appellierte an die SPÖ, sich nicht länger „im Klassenkampf zu verkrampfen“. Die Regierung habe angekündigt, Österreich neu zu regieren, und genau dies geschehe mit Erfolg. Es gebe viele offene Fragen, und darauf gebe die Regierung die entsprechenden Antworten.
Abgeordnete Dr. PITTERMANN (S) wies darauf hin, man habe immer versucht, die „Kuvertmedizin“ zu bekämpfen, doch müssten hier eben alle zusammenarbeiten. Die Gesundheitspolitik der neuen Regierung weise viele falsch gestellten Weichen auf, weshalb ihre Fraktion diese nicht unterstützen könne.
Abgeordnete Mag. HARTINGER (F) bezeichnete die Befürchtungen der Opposition als unbegründet und verwies auf die Erfolge, die die Politik der Sozialministerin und ihres Staatssekretärs schon jetzt erzielt hätten. Diese Regierung werde das österreichische Sozialsystem wieder auf gesunde Beine stellen, kündigte Hartinger an, die gleichzeitig einen F-V-Entschliessungsantrag betreffend verbesserte Arbeitsmarktchancen für Frauen einbrachte.
Abgeordneter Ing. KAIPEL (S) meinte, die Sozialdemokraten haben ein aufrichtiges Verhältnis zur Demokratie und akzeptieren das Wahlergebnis. Die SPÖ rege sich nicht darüber auf, wie die neue Regierung zu Stande gekommen ist, sondern darüber, dass man den Schwachen 40 Mrd. S wegnehmen und den Reichen Geld geben will. Der Redner mutmaßte weiter, dass die von Ex-Ministerin Hostasch eingeleitete Gesundheitsreform durch einen gesundheitspolitischen "Kahlschlag" gefährdet werden soll, geht es doch ausschließlich um das Abkassieren, die Standesinteressen der Ärzte und um die Gewinninteressen der Pharmaindustrie.
Abgeordneter PRINZ (V) sprach die oberösterreichische Jugendstudie 2000 an und machte darauf aufmerksam, dass für die Jugendlichen Jungsein Spaß bedeutet, Ehrlichkeit und Geradlinigkeit für sie vorrangig sind und als Ziel die Mitgestaltung der eigenen Zukunft angesehen wird. Die Jugendlichen in ländlichen Regionen wünschen sich eine bessere Infrastruktur, bessere verkehrstechnische Anbindungsmöglichkeiten und die Versorgung mit Ausbildungsmöglichkeiten und Einkaufschancen. Aus diesem Grunde plädierte der Abgeordnete für eine bessere Ausbildung und für mehr Arbeitsplätze für junge Menschen.
Abgeordneter LACKNER (S) strich heraus, dass die vergangene Regierung, speziell Ministerin Hostasch, Hervorragendes in der Gesundheitspolitik geleistet habe. Nun, geht es nach dem Staatssekretär, soll es eine Freiheit der Honorargestaltung geben, höchstes Ziel ist für ihn "Honorarfriede durch Honorargerechtigkeit", und bereits jetzt steht schon fest, dass Kranke bezahlen müssen. Dass weitere Schritte folgen werden, davon war der Redner überzeugt.
Für Abgeordneten STAFFANELLER (F) war neben der Gesundheit der Arbeitsplatz, der ein gesichertes Einkommen bietet, Freiheit und Unabhängigkeit ermöglicht, das Wichtigste für Einzelpersonen und Familien. So weit wie möglich ist die Unabhängigkeit von staatlichen Sozialsystemen anzustreben, Personen, die sich in Schwierigkeiten befinden, müssen in erster Linie durch Hilfe zur Selbsthilfe mobilisiert werden. Mit Hilfe qualifizierter Beratung und durch den effizienten Einsatz von Förderungsmitteln soll das Ziel, Frauen, junge Menschen und Behinderte ins normale Berufsleben zu integrieren, erreicht werden.
Mit dem Fragenkomplex Lebensmittel und Gentechnik befasste sich S-Abgeordnete Mag. SIMA. Sie fragte die Ressortleiterin, weshalb sie eine zahnlose Lebensmittelgesetznovelle vorgelegt habe. Maßnahmen bezüglich einer ordentlichen Kennzeichnung forderte die Rednerin ebenso ein wie eine Änderung der Bestimmung, dass bei einem Kennzeichnungsverstoß einer Firma etwa der Supermarkt für eine nicht ordentliche gentechnische Lebensmittelkennzeichnung bezahlen muss.
Abgeordneter Dr. MITTERLEHNER (V) betonte in Richtung der SPÖ, Ex-Finanzminister Edlinger sei im Vorjahr von Prof. Frisch gewarnt worden, dass das Budgetdefizit 2000 2,4 bis 2,5 % ausmachen werde. Die SPÖ habe aber nicht rechtzeitig gewarnt. Dasselbe gelte auch für die anstehende Pensionsreform, die nach Ansicht der Sozialdemokraten sozial ungerecht ist. Jede Verzögerung macht aber, so Mitterlehner, die Reform kostspieliger.
Die österreichischen Familien werden zur Kasse gebeten, konstatierte Abgeordnete Dr. MERTEL (S). Demgegenüber stehen aber Milliardengeschenke an Großbauern, Großunternehmer und Zinshausbesitzer. Der Regierung geht es um die Umverteilung von unten nach oben und von Arm zu Reich. Die Einführung des Karenzgeldes für alle wurde zwar versprochen und im Unterausschuss mit 24 Experten beraten, aber bis heute konnten sich FPÖ und ÖVP nicht darauf einigen. Dieses Karenzgeld für alle spalte nicht nur die Regierung, sondern auch die FPÖ, fordere doch der Finanzminister bei dieser familienpolitischen Maßnahme die soziale Treffsicherheit, während Ministerin Sickl an dieser ursprünglichen Forderung festhält. Fest steht für Mertel, dass bis heute keine einzige familienpolitische Maßnahme von dieser Regierung beschlossen wurde. "Im Interesse der Kinder, der Frauen und der Familien" legte die Rednerin einen umfassenden familienpolitischen Entschließungsantrag vor.
Bundesministerin Dr. SICKL entkräftete aus ihrer Sicht das Zahlenmaterial, das von S-Abgeordnetem Nürnberger im Zusammenhang mit der neuen Pensionsreform präsentiert wurde. Zu Detailfragen gab die Ressortleiterin bekannt, dass das Budget für die Frauen um 10 Mio. S angehoben wurde, in Zukunft das Karenzgeld zur Gänze aus dem FLAF bezahlt werde und dass Alleinerzieherinnen aus Familienförderungsmitteln Unterstützung erhalten. Gegen den Vorwurf, sie wolle die Frauen zurück an den Herd drängen, wehrte sich Sickl und wies darauf hin, dass die jetzige Karenzgeldregelung, wonach Frauen bis zur Geringfügigkeitsgrenze hinzuverdienen durften, sehr wohl dazu beiträgt.
Abgeordnete GATTERER (V) bezichtigte die Opposition, nur zu lamentieren. Frauenangelegenheiten seien eine Querschnittangelegenheit, weshalb ein eigenes Frauenministerium keine Berechtigung habe. Man wolle sich nicht nur mit einer Frauengruppe beschäftigen, sondern für alle Wahlfreiheit und Chancengleichheit schaffen. Gute Familienpolitik sei, so die Rednerin, nicht Frauenpolitik, aber sie helfe, gute Frauenpolitik zu machen.
Abgeordnete BINDER (S) erklärte, der SPÖ gehe es bei den Pensionen um die Planbarkeit und den Vertrauensschutz. Sie thematisierte dann die Kinderbetreuung und wies darauf hin, dass hier auch die Frage der Qualität im Vordergrund stehe. Gute Betreuungsplätze seien Bildungseinrichtungen, sagte Binder. Die Kompetenz dafür liege aber bei Ländern und Gemeinden, was zu Ungerechtigkeiten führe. Sie urgierte daher die Schaffung eines diesbezüglichen Rahmengesetzes und die Zurverfügungstellung der sogenannten Kindergartenmilliarde. Die Parole „Staat lass nach“ nütze nur den wirtschaftlich gut Abgesicherten und benachteilige die sozial Schwächeren.
Nach Ansicht von Abgeordneter LENTSCH (V) gibt es Themen, die eine ideologische Diskussion nicht vertragen. Sie nannte in diesem Zusammenhang die Gestaltung der persönlichen Lebensumstände. Frauen bräuchten keine politischen Anleitungen zum Glücklichsein, meinte sie. Sie bräuchten nur Rahmenbedingungen für die Wahlfreiheit und diese hätte selbstverständlich das Vorhandensein ausreichender Betreuungseinrichtungen zur Voraussetzung. Die Rednerin sprach sich für eine verstärkte Ergänzung der Kindergärten durch Tagesmütter im Interesse einer größeren Flexibilität aus.
Abgeordnete PARFUSS (S) bezeichnete die Regierung als Gerichtsvollzieher, der sich als Weihnachtsmann verkleidet hat. Unter Nennung des Präsidenten des Staatsschuldenausschusses bezweifelte die Abgeordnete die Finanzierbarkeit des Kinderbetreuungsgeldes. Der Finanzminister werde schon dafür sorgen, dass aus den Träumen der Sozialministerin nichts werde, mutmaßte die Rednerin.
Abgeordneter Dr. BRUCKMANN (V) setzte sich mit dem Beitrag der öffentlichen Hand zur Pensionssicherung auseinander. Den vorgesehenen Massnahmen liege zugrunde, dass der Bundeszuschuss nur begrenzt steige, was also heiße, dass die Pensionisten immer noch mehr Zuschüsse erhielten als bisher und dennoch ein Beitrag zur Budgetsanierung geleistet werde.
Abgeordneter REHEIS (S) plädierte dafür, der Jugend alle Chancen einzuräumen, die Zukunft dieses Landes mitzugestalten. Hiezu sei aber der Regierung wenig eingefallen. Lediglich zehn Zeilen im Regierungsabkommen würden der Jugend gelten, stellte der Redner der Regierung kein gutes Zeugnis aus. Konkret wies er auf die Probleme am Lehrstellensektor hin und mahnte mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten für Jugendliche ein.
Abgeordneter KAMPICHLER (V) konstatierte familienpolitisch eine sehr gute Situation, auch wenn es das Familienministerium in seiner alten Form nicht mehr gebe. Die Regierung habe bereits in kurzer Zeit sehr viel erreicht und werde daher als eine sehr positive in die Geschichte eingehen. Familienpolitik sei Zukunftspolitik, und das habe die Regierung sehr wohl erkannt.
Abgeordneter ÖLLINGER (G) kündigte an, seine Fraktion werde weder dem S- noch dem F-V-Antrag zur Frauenfrage zustimmen, weil diese inhaltlich nichtssagend seien. Hier müssten strukturelle Benachteiligungen bekämpft werden, und dem dienten diese beiden Anträge nicht. Diese forderten vielmehr alles und somit de facto nichts.
Abgeordneter FREUND (V) begrüsste die Erhöhung des Budgetpostens für die Frauenpolitik, womit abermals klargestellt werde, dass diese der Regierung ein Anliegen sei. Die Bundesregierung habe nicht nur hervorragende Frauen in ihren Reihen, sie besitze auch ein ambitioniertes Programm, welches entsprechend umgesetzt werden würde. Auch sei das Frauenressort nun nicht länger nur ein „Anhängsel“ des Konsumentenschutzes, sondern eingebettet in ein starkes und durchschlagskräftiges Ministerium.
Abgeordneter Dr. EINEM berichtigte tatsächlich, dass der Budgetansatz für Frauenpolitik nicht höher sei als die im Vorjahr dafür veranschlagten Mittel.
Abgeordneter Mag. TANCSITS (V) bezeichnete die Konfiguration des neuen Ministeriums als zweckdienlich, weil es kontraproduktiv wäre, soziale Gruppen gegeneinander auszuspielen. Es sei die Sozialdemokratie gewesen, die es verabsäumt habe, rechtzeitig bei der Entwicklung des Pensionssystems gegenzusteuern, weshalb die Regierung nun entsprechende Massnahmen setzen müsse.
Das Budgetkapitel wurde in der Fassung eines Zusatz- resp. Abänderungsantrages der Regierungsparteien mehrheitlich angenommen. Der Entschliessungsantrag der Regierungsparteien betreffend die Chancen der Frauen am Arbeitsmarkt wurde mehrheitlich angenommen, die Oppositionsanträge verfielen der Ablehnung.
BERATUNGSGRUPPE XI: FINANZVERWALTUNG, KASSENVERWALTUNG, ÖFFENTLICHE ABGABEN, FINANZAUSGLEICH, BUNDESVERMÖGEN, PENSIONEN (HOHEITSVERWALTUNG), SONSTIGE FINANZIERUNGEN UND VERANLAGUNGEN, FINANZSCHULD, WÄHRUNGSTAUSCHVERTRÄGE
Abgeordneter Dr. HEINDL (S) zitierte aus dem Budgetbericht von Finanzminister Grasser, aus dem sich entnehmen lasse, dass die Politik des seinerzeitigen Finanzministers Edlinger offenkundig eine durchaus erfolgreiche war. Weiters gehe aus den Unterlagen eindeutig hervor, dass besonders die Steuerreform ihre Ziele umfassend erreicht habe, sagte Heindl. Auch VP-Abgeordnete wie Günter Stummvoll hätten diese Einschätzung noch bis Ende Jänner geteilt. Die Richtigkeit der Politik Edlingers werde im übrigen auch von der OECD anerkannt. Hingegen sei die Einschätzung des Ecofin-Rates bei weitem nicht so positiv für die jetzige Regierung ausgefallen, erinnerte der Redner. Die Sozialdemokratie lehne dieses Budget daher ab.
Abgeordneter Mag. TRATTNER (F) nannte die Kritik seines Vorredners unfair, da man nicht vergessen dürfe, unter welchen Umständen dieses Budget erstellt werden musste. Der Ecofin-Rat habe eine durchaus differenzierte Einschätzung abgegeben, in der auch Kritik an der Politik Edlingers geübt worden sei, sagte Trattner. Im übrigen sei es unstatthaft, nur zu kritisieren, ohne selbst Gegenvorschläge einzubringen. Fundamentalopposition sei kontraproduktiv. Die Regierung habe ein Budgetprogramm vorgelegt, in dem versucht werde, mit strukturellen Massnahmen das Auslangen zu finden, ohne zu massiven Steuererhöhungen greifen zu müssen, so der Redner.
Abgeordneter Mag. KOGLER (G) thematisierte Fragen wie die Staatsschulden- und die Defizitquote und meinte, diese Quoten seien Ausfluss einer politischen Entscheidung, unter welchen Auspizien Budget- oder Fiskalpolitik gemacht werden. Die Beschäftigungspolitik zu nationalisieren und alle anderen wirtschaftspolitischen Belange auf den Euro-11-Raum abzustellen bedeute nichts anderes, als die Beschäftigungspolitik nachrangig zu behandeln. Im Euro-Raum werde eine neoliberale Wirtschaftspolitik gemacht, obwohl dies an sich gar nicht erforderlich sei, wären doch auch ganz andere Vorgaben möglich. Dieses Budget sei unsozial, erfolge doch eine Umverteilung von arm zu reich. Noch dazu seien viele geplante Massnahmen auch eo ipso verfehlt, weshalb seine Fraktion diesem Budget nicht zustimmen könne.
Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) meinte, der Kassasturz sei gut für Österreich gewesen, die Zahlen Edlingers hätten nicht gestimmt. Die Regierung habe in Rekordzeit ein Budget zu Stande gebracht, das den Maastrichtkriterien entspricht. Nach Ansicht Stummvolls habe es sich bewährt, dass in dieser Koalition neuen Stils Bundeskanzleramt und Finanzministerium nicht in einer Hand sind.
Abgeordneter PARNIGONI (S) diagnostizierte Vergesslichkeit bei der ÖVP. Die Volkspartei habe 14 Jahre lang sämtliche Entscheidungen gemeinsam mit der SPÖ mitgetragen und wolle jetzt davon nichts mehr wissen. Im übrigen bekräftigte Parnigoni den Vorwurf der sozialen Ungerechtigkeit. Er hielt der Koalition weiters auch vor, ihre Wahlversprechen - von der Flat-tax über das Kindergeld bis zum Belastungsstopp für Autofahrer - gebrochen zu haben.
Abgeordneter BÖHACKER (F) bezeichnete die Konsolidierungsmassnahmen dieser Regierung als unumgänglich und fühlte sich durch eine entsprechende Aussage des Chefs des Wirtschaftsforschungsinstitutes Krammer in dieser Meinung bestätigt.
Abgeordnete HAGENHOFER (S) machte auf Belastungen für Berufspendler aufmerksam und bemerkte kritisch, die Autofahrer würden den Treibstoff für dieses Budget liefern. Hagenhofer forderte eine Erhöhung des Pendlerpauschales und brachte einen diesbezüglichen Entschließungsantrag ein.
Abgeordneter AUER (V) erinnerte an die steigenden finanziellen Belastungen der Gemeinden und verlangte eine Änderung des Finanzausgleichs, um auf den tatsächlichen Finanzbedarf Rücksicht zu nehmen. Er appellierte ferner an den Finanzminister, die Rückzahlung der Getränkesteuer nicht auf dem Rücken der Gemeinden auszutragen.
Abgeordneter MÜLLER (F) rief zur ausgabenseitigen Budgetkonsolidierung auf und unterstrich die Notwendigkeit, Privatisierungserlöse zur Tilgung außerbudgetärer Schulden einzusetzen.
Abgeordneter Mag. MÜHLBACHLER (V) brachte einen VP-FP-Abänderungsantrag ein, dessen wesentliche Punkte die budgetäre Umsetzung der Ersatzlösung für die Getränkesteuer, die Budgetierung der Einnahmen der neuen Werbeabgabe sowie die Bereitstellung von 150 Mio. S für den Postzeitungsversand sind.
Abgeordneter SODIAN (F) wies die Vorwürfe der Umverteilung von unten nach oben als falsch zurück. Beitragssenkungen würden bloss Fonds betreffen, in die ausschließlich Unternehmen einzahlen, es gebe also keinerlei Zahlungen von den Arbeiternehmern zu den Arbeitgebern, betonte er.
Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V) zeigte sich zuversichtlich, dass die Budgetkonsolidierung gelingen wird, wenn Strukturreformen wie die Pensionsreform, die Gesundheitsreform und der Abbau der bürokratischen Überregulierung angegangen werden.
Abgeordnete SCHOETTEL-DELACHER (F) bezeichnete es als oberste Ziele der Budgetpolitik, konsequent die Schulden abzubauen, die Ausgaben zu reduzieren, die Verwaltung zu reformieren und Strukturreformen zu realisieren.
Abgeordneter FINK (V) sah keinerlei Alternative zu der von der Regierung durchgeführten Budgetkonsolidierung und warf der SPÖ vor, in der Debatte keinen einzigen Vorschlag vorgebracht zu haben.
Finanzminister Mag. GRASSER betonte, es gebe heuer weder ein Belastungspaket noch ein Sparpaket, sondern 21 Mrd. S an Nettokaufkraftgewinn für die Bevölkerung. Die Budgetpolitik dieser Bundesregierung werde Perspektiven für die nächste Generation schaffen, meinte Grasser, der ein Bekenntnis zu stabilen Finanzen ablegte. Österreich werde die rote Laterne beim Defizit in der EU rasch abgeben, versicherte er.
Abgeordnete Dr. KOSTELKA (S) stellte fest, die Leistung dieser Regierung bestehe in jener Steuerreform, gegen die die FPÖ im letzten Jahr gestimmt hatte. Im übrigen würde die Koalition bei den Bürgern abkassieren, wofür sie von den Wählern die Rechnung präsentiert bekommen werde, meinte Kostelka.
Abgeordneter Dr. KHOL (V) strich heraus, das heute beschlossene Budget unterscheide sich von dem von Edlinger geplanten Budget nur in ganz wenigen Punkten. Das Budget war in den Eckdaten bereits vorgegeben, es war das Gesellenstück dieses Finanzministers. Jetzt gehe es aber um die Strukturmaßnahmen, ohne die es eine Sanierung des Budgets 2001 nicht geben werde, mahnte Khol.
Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (F) machte die SPÖ für die hohe Staatsverschuldung verantwortlich und rechnete vor, die SPÖ habe eine Zinsenlast von 3.170 S pro Sekunde hinterlassen.
Abgeordneter EDLINGER (S) erinnerte den Bundeskanzler daran, dass dieser ja selbst in der Regierung gesessen war, die das von ihm nun beklagte "Budgetdesaster" verursacht hatte. Er, Edlinger, sei aber stolz, dass sich die neue Regierung heute auf jene Steuerreform beruft, die sozialdemokratische Handschrift trägt. Bei dieser Budgetdebatte habe die Koalition ihn, Edlinger, immer wieder als Ausrede verwendet. Was werde die Regierung nächstes Jahr tun, fragte der ehemalige Finanzminister pointiert.
Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) meinte, Edlinger könne den Umstand nicht wegdiskutieren, dass es letztlich sein Versagen war, das dazu geführt hat, dass die Bundesregierung heute vor dieser grossen Herausforderung steht. Stummvoll zeigte sich zuversichtlich, dass es der Koalition gelingen werde, das Budgetdesaster zu beseitigen und den Schuldenberg abzubauen.
Bei der Abstimmung wurde die Beratungsgruppe XI des Bundesvoranschlages in der Fassung des VP-FP-Abänderungsantrages mit den Stimmen der Regierungsparteien angenommen.
Der Entschließungsantrag der SPÖ betreffend Erhöhung des Pendlerpauschales fand keine Mehrheit.
Das Bundesfinanzgesetz samt Anlagen wurde in Dritter Lesung mit den Stimmen der Regierungsparteien angenommen.
(Schluss)