Parlamentskorrespondenz Nr. 294 vom 23.05.2000
INNENAUSSCHUSS: STRAFEN FÜR SCHLEPPEREI WERDEN ERHEBLICH VERSCHÄRFT
Wien (PK) - Die Strafen für Schlepperei werden künftig erheblich verschärft. Der Innenausschuss des Nationalrates stimmte heute mit FP-VP-Mehrheit einer entsprechenden Novellierung des Fremdengesetzes zu.
Darüber hinaus verständigten sich die Koalitionsparteien darauf, im Fremdengesetz einen eigenen Erntehelferstatus zu normieren. Künftig kann der Wirtschaftsminister im Falle eines kurzfristig auftretenden oder eines vorübergehenden zusätzlichen Arbeitskräftebedarfs, der von Österreichern bzw. in Österreich niedergelassenen Ausländern nicht abgedeckt werden kann, per Verordnung Kontingente für die Beschäftigung ausländischer Erntehelfer festlegen. Diese dürfen dann maximal sechs Wochen in Österreich arbeiten und sind gemäß einer neuen Bestimmung im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz von der Pensionsversicherung befreit. Die Höchstzahl der Beschäftigungsbewilligungen für Erntehelfer ist von der Bundesregierung in der Niederlassungsverordnung zu verankern.
Von der SPÖ wurde zwar die Notwendigkeit strengerer Strafen für Schlepper anerkannt, die SP-Mandatare lehnten das Gesetz aber wegen der neuen Bestimmungen für Erntehelfer ab. Sie befürchten, dass es durch solche "Billigstarbeitskräfte" zu einer Verdrängung von Österreichern und in Österreich lebenden Ausländern vom Arbeitsmarkt kommt. Ähnliche Bedenken äußerte auch Grün-Abgeordnete Petrovic. Die Grünen bezweifeln darüber hinaus die Effizienz der von der Koalition gesetzten Maßnahmen gegen die Schlepperei.
Der Gesetzesvorlage zufolge wird künftig bereits der Grundtatbestand der Schlepperei, der derzeit mit einer Verwaltungsstrafe geahndet wird, gerichtlich strafbar sein. Als Strafrahmen ist eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr - im Wiederholungsfall von bis zu zwei Jahren - vorgesehen, für gewerbsmäßige oder organisierte Schlepperei drohen sogar fünf Jahre Haft. Besonders streng bestraft wird außerdem eine menschenverachtende Behandlung von illegalen Migranten.
Um die Verfolgung der Schlepper zu erleichtern, darf in Hinkunft mit der Zurück- oder Abschiebung der illegal eingereisten Fremden bis zu deren Einvernahme zugewartet werden. Der Tatbestand der Ausbeutung eines unrechtmäßig in Österreich aufhältigen Fremden zum Zweck der Bereicherung des Täters wird verselbständigt.
Ein von der Koalition eingebrachter Abänderungsantrag sieht darüber hinaus vor, dass die Dauer der Sichtvermerksfreiheit für neugeborene Kinder von in Österreich lebenden Ausländern auf die ersten sechs Lebensmonate erstreckt wird, da, wie es in den Ausschussbemerkungen heißt, die Praxis gezeigt hat, dass in bestimmten Situationen mit drei Monaten nicht das Auslangen gefunden werden kann. Durch den Entfall der Worte "in Österreich geborene" wird künftig verhindert, dass ein aufgrund irgendwelcher Umstände im Ausland zur Welt gekommenes Kind, dessen Mutter rechtmäßig in Österreich niedergelassen ist, den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom Ausland aus stellen muss. Der Fremdenpass soll neu gestaltet und in Hinkunft einmalig für einen Zeitraum von fünf Jahren ausgestellt werden.
Die Anhebung der Strafen für Schlepperei wurde sowohl von der blau-schwarzen Koalition als auch von der SPÖ begrüßt. So wies Abgeordneter MURAUER (V) darauf hin, dass sich im Zeitraum 1993 bis 1999 die Aufgriffe verfünffacht hätten. Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) unterstrich, man dürfe diesem Delikt in Zukunft nicht mehr, wie sie sagte, "augenzwinkernd" gegenüberstehen.
Für die SPÖ sprachen sich Abgeordneter DIETACHMAYR und Abgeordneter LEIKAM für strengere Sanktionen aus. Es gehe angesichts der Zunahme des Schlepperunwesens nicht an, es bei Verwaltungsstrafen zu belassen, sagte Leikam.
Er und seine FraktionskollegInnen lehnten jedoch die neuen Bestimmungen für Erntehelfer massiv ab. Sie gaben zu bedenken, dass es sich bei diesen nicht zuletzt auf Grund der Befreiung von der Pensionsversicherung um "Billigstarbeitskräfte" handle, die Österreicher und in Österreich lebende Ausländer vom Arbeitsmarkt verdrängen würden. Leikam zufolge beabsichtigt die Regierung eine Zulassung von 8.000 Saisonniers und 7.000 Erntehelfern, was einer Verdoppelung der bisherigen Saisonnier-Quote gleichkomme. Abgeordnete PFEFFER meinte, würde man Erntehelfer ordentlich bezahlen, bekäme man genug österreichische Arbeitskräfte.
Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) hielt fest, Schlepperei würde von allen abgelehnt, über die Frage, was effiziente Maßnahmen dagegen seien, gingen die Meinungen aber auseinander. Ihrer Ansicht nach treffen die geplanten Gesetzesänderungen lediglich die Opfer und nicht die Täter, letztere würden nur "noch dreister und frecher werden". Ein Antrag der Abgeordneten, die Verhandlungen über die Novellierung des Fremdengesetzes zu vertagen, um sich genauer mit einem Papier des Instituts für Sicherheitsstudien der WEU zu Fragen der Schlepperei auseinander zu setzen, wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt.
Petrovic fürchtet darüber hinaus, dass auf Grund der neuen Bestimmungen auch Verwandte, die Fluchthilfe leisten, sowie die Caritas und andere Hilfsorganisationen, die Menschen in Not helfen, unter die neuen Strafbestimmungen fallen. Angesichts des drohenden Arbeitskräftemangels in 15 bis 20 Jahren in ganz Europa fragt sie sich zudem, warum man Familienzusammenführungen nicht erleichtere und so eine rasche Integration von Ausländern über den Kindergarten bzw. die Schule fördere.
Mit der Neuregelung bei den Erntehelfern wird nach Auffassung von Petrovic erstmals eine Gruppe von Billiglohnkräften gesetzlich verankert. Wer werde einen Österreicher oder einen arbeitslosen Gastarbeiter anstellen, wenn er sich bei einem Erntehelfer den Pensionsversicherungsbeitrag erspare, fragte die Abgeordnete.
Ein von Petrovic eingebrachter Entschließungsantrag ihrer Fraktion, der darauf abzielt, das Aufenthaltsrecht für kriegsvertriebene Kosovo-AlbanerInnen bis 30. Juni 2001 zu verlängern, wurde lediglich von der SPÖ unterstützt und blieb damit in der Minderheit. Petrovic hatte argumentiert, dass es sich hierbei um nicht einmal 900 Personen handle, für die eine humanitäre Regelung gefunden werden müsse.
Abgeordneter DONABAUER (V) machte geltend, dass Beschäftigungsbewilligungen für Erntehelfer wie auch für Saisonniers nur dann erteilt werden, wenn zusätzliche Arbeitskräfte gebraucht würden. Gerade im Bereich der Landwirtschaft gibt es ihm zufolge zu manchen Zeiten einen akuten Arbeitskräftemangel. Die Bestimmung, wonach Erntehelfer von der Pensionsversicherung befreit sind, begründete Donaubauer damit, dass sie auf Grund ihrer kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich auch keine Pensionsansprüche erwerben könnten. Die eingesparten Versicherungsbeiträge sollen laut Donabauer den Erntehelfern zusätzlich ausbezahlt werden, um ihnen eine Pensionsvorsorge in ihrer Heimat zu ermöglichen, was Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) angesichts fehlender gesetzlicher Verpflichtungen allerdings als "nicht einmal ein frommer Wunsch" qualifizierte. Die von Abgeordnetem Leikam genannten Kontingente stellte Donabauer in Abrede.
VP-Abgeordneter Dkfm. PUTTINGER hielt fest, kein Österreicher sei auf Grund von Saisonniers und Erntehelfern nicht beschäftigt. Es gehe hierbei um zusätzlich benötigte Arbeitskräfte.
Innenminister Dr. STRASSER informierte die Abgeordneten, dass sein Ressort mit den Nachbarländern in intensivem Kontakt stehe, um Schlepperei zu bekämpfen. Er hält insbesondere auch die Schlepperroute aus Italien für eine, "die wir sehr genau anschauen sollen". Entsprechende Gespräche seien im Laufen.
Ein Vertreter des Innenressorts nahm zur von Abgeordneter Petrovic geäußerten Befürchtung Stellung, wonach Verwandte von Flüchtlingen sowie Hilfsorganisationen von Strafen bedroht sind, und bekräftigte, die entsprechenden Bestimmungen seien in solchen Fällen nicht anwendbar. Um bestraft zu werden, sei nämlich ein Vermögensvorteil für den Täter Voraussetzung.
Die Novellierung des Fremdengesetzes wurde in der Fassung des VP-FP-Abänderungsantrages ebenso mit den Stimmen der Koalitionsparteien beschlossen wie der im Rahmen der Beratungen über das Fremdengesetz eingebrachte Antrag auf Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes.
Von den Grünen beantragte weitergehende Änderungen des Fremdengesetzes scheiterten an der Ablehnung der anderen Fraktionen. Insbesondere ging es den Grünen dabei um Erleichterungen bei der Familienzusammenführung und um die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen für Familienangehörige von Gastarbeitern. Überdies drängten sie darauf, jenen Paragrafen des Fremdengesetzes zu streichen, dem zufolge Fremde jederzeit zur Ausweisleistung aufgefordert werden können, da sie in dieser Bestimmung realiter eine "Diskriminierung per Gesetz" sehen. Davon wären nämlich alle Personen betroffen, "denen man ansieht, dass sie irgendwann einmal nach Österreich zugewandert sind" (7/A und 12/A).
Abgelehnt wurde auch eine von den Grünen beantragte Änderung des Asylgesetzes, die darauf abzielt, dass Flüchtlinge, die an der Grenze einen Asylantrag stellen, unverzüglich den Asylbehörden zwecks Einvernahme vorgeführt werden. Ihrer Ansicht nach begünstigt die Verweigerung der Einreise in solchen Falle nämlich nur das Schlepperunwesen. Überdies wäre ihnen zufolge in jedem Einzelfall zu prüfen, ob das Land, in das ein Asylwerber zurückgeschoben werden soll, für ihn tatsächlich ein "sicheres Drittland" ist. Schließlich enthielt der abgelehnte Antrag eine Erweiterung der Berufungsfristen. (Schluss)