Parlamentskorrespondenz Nr. 303 vom 24.05.2000

AGRARRECHTSÄNDERUNGSGESETZ 2000 IM AUSSCHUSS BESCHLOSSEN

Wien (PK) - In einer ausführlichen Debatte befassten sich heute die Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses mit dem Entwurf zum Agrarrechtsänderungsgesetz 2000. Diese Regierungsvorlage bringt im Wege einer Sammelnovelle Änderungen bei einer Reihe von den landwirtschaftlichen Bereich betreffenden Gesetzen. Novelliert werden das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzgutgesetz 1997, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Saatgutgesetz 1997, das Wasserrechtsgesetz 1959, das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951, das Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte und besonderer Felddienstbarkeiten, das Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetz 1967 sowie das Weingesetz 1999 (107 d.B.). Mitverhandelt wurde zudem ein Antrag der Grünen, in dem der Landwirtschaftsminister ersucht wird, die künftige Handhabung der Entschädigung von Einkommenseinbussen aufgrund von Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Grundwassersanierung mittels einer Förderungsrichtlinie zu konkretisieren(30/A[E]).

Da bei der Umsetzung des Pflanzenschutzgesetzes 1995 einige Probleme auftraten, soll durch die nunmehrige Novellierung eine ordnungsgemäße Vollziehung gewährleistet werden. Zudem wird eine Gebührenpflicht bei der Einfuhr von Pflanzen, Pflanzenerzeugnissen und anderen Gegenständen aus Drittländern eingehoben, und zwar auch für die die Ausnahmegrenzen übersteigenden Kleinsendungen.

Durch die Änderungen im Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 wird u.a. der Stellungnahme der Kommission betreffend das vereinfachte Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel entsprochen, heißt es in der Vorlage. Anpassungen des Saatgutgesetzes 1997 dienen v.a. dazu, alle tatsächlichen oder möglichen Handelsbeschränkungen im EU-Binnenraum zu beseitigen. Dazu wurde der Begriff des Inverkehrbringens neu definiert und eine Reihe von technischen Bestimmungen über die Saatgutqualität, Kennzeichnung, Verpackung und Verschließung vorgesehen. Weiters kommt es zu einer Neuorganisation der Behördenzuständigkeit: die territoriale Zuständigkeit soll von einer fachlich-sektoralen abgelöst werden.

Überdies hat die Vorlage folgende Ziele zum Inhalt: Umsetzungen von EU-Richtlinien sowie Ausdehnung des Geltungsbereiches auf alle Zierpflanzen (Pflanzgutgesetz 1997); Klarstellung der Rechtsqualität der Programme als Verordnung (Wasserrechtsgesetz 1959); Umsetzung der UVP-Richtlinie und Verwaltungsvereinfachung (Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten); Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung, Kompetenzkonzentration - Übertragung der Vollzugskompetenzen der Wasserrechts- und Forstbehörden auf Agrarbehörden (Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetz 1967); die rechtswidrige Restsüßeherstellung soll entkriminalisiert und in Zukunft nur mehr als Verwaltungsübertretung gewertet werden (Weingesetz 1999); Anpassung der österreichischen Rechtslage an die europarechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951).

Vor Eingang in die Debatte wurden ein Vertagungsantrag des Abgeordneten Dipl.-Ing. PIRKLHUBER (G) sowie ein S-G-Antrag auf getrennte Diskussion der einzelnen Artikel von der Ausschussmehrheit abgelehnt.

Abgeordneter GRADWOHL (S) bezeichnete das Agrarrechtsänderungsgesetz als versäumte Chance, weil es zu wenig offensiv sei und in vielen Bereichen, wie beim Wasserrecht und bei der UVP, einen Rückschritt bringe. Im Besonderen kritisierte er den Wegfall des "Landwirteprivilegs", das für die kleinbäuerliche Struktur in Österreich von großer Bedeutung sei. Aus diesem Grund brachte er einen diesbezüglichen Entschließungsantrag ein.

Abgeordneter SCHWARZENBERGER (V) gab zu bedenken, dass das Landwirteprivileg von der EU nicht anerkannt wurde. In einer Ausschussfeststellung werde jedoch klar gestellt, dass der Austausch von Saatgut zwischen landwirtschaftlichen Betrieben innerhalb der Grenzen der Gemeinde oder der Nachbargemeinde unter bestimmten Voraussetzung nicht als "Inverkehrbringen" betrachtet wird.

Abgeordneter Dipl.-Ing. PIRKLHUBER (G) stellte die grundsätzliche Frage, ob es Sinn mache, neun Materien "in einem Aufwaschen" zu lösen. Sodann befasste er sich kritisch mit der neuen Kompetenzsituation beim Pflanzenschutzmittelgesetz, wo nur mehr ein Ministerium zuständig sein werde. Er hätte sich auch gewünscht, dass Maßnahmen zur Reduktion des Pestizideinsatzes in der Gesetzesvorlage ihren Niederschlag gefunden hätten, was Pirklhuber in einem Entschließungsantrag zum Ausdruck brachte.  Man hätte etwa ein Aktionsprogramm, wie in Dänemark, den Niederlanden oder Schweden, ins Leben rufen können, schlug der Redner vor. Weiters regte er in einem Entschließungsantrag an, einen Forschungsschwerpunkt bezüglich der Herstellung von biologischen Saatgut zu setzen. Kritisch äußerte er sich auch zu den Änderungen im Wasserrechtsgesetz, die tendenziell ein Abgehen von einem flächendeckenden Grundwasserschutz bedeuten würden. Auch die Herausnahme der Bewässerungssysteme aus der Flurverfassungs-UVP seien ein Zugeständnis an die Marchfelder Bauern, vermutete er.

Abgeordnete PARFUSS (S) bemängelte die Änderungen beim Weingesetz, wodurch ihrer Ansicht nach die Mengenkontrollen unmöglich gemacht, die Qualitätssicherung aufgehoben und einer "wundersamen" Vermehrung des Weines Tür und Tor geöffnet werde. In einem Entschließungsantrag ersuchte sodann die Abgeordnete PFEFFER (S) den Bundesminister, dafür zu sorgen, dass die rechtswidrige Restsüßeherstellung weiterhin als Gerichtsdelikt gilt, die Möglichkeit der Flaschenfüllung von Flaschenqualitäts- und Prädikatswein ausschließlich im Qualitätsweinbaugebiet national umgesetzt wird sowie die anstehende Novellierung des Weingesetzes zum Anlass genommen wird, die Mengenkontrolle auf der Ebene der Bezirksverwaltungsbehörden sicherzustellen.

Es sei unverständlich, warum die Flurverfassungs-UVP als einziger Bereich nicht im UVP-Gesetz geregelt sei,  meinte Abgeordnete Mag. SIMA (S). Durch die Zuständigkeit der Agrarbehörde befürchtete sie zudem einen Interessenkonflikt.

Abgeordneter SCHWARZBÖCK (V) wies darauf hin, dass dieses Paket an Agrarrechtsänderungen zum Großteil auf EuGH-Erkenntnisse und die EU-Anpassungen zurückzuführen sei. Der Kritik der Opposition hielt er entgegen, dass weder das Landwirteprivileg im Saatgutgesetz aufgehoben sei, noch daran gedacht werde, Prädikatsweine in Tanks zu exportieren. In Richtung des Abgeordneten Pirklhuber führte er aus, man müsse zur Kenntnis nehmen, dass bei der Reduktion des Pestizideinsatzes bereits große Fortschritte erzielt wurden. Es gehe auch nicht an, der Landwirtschaft immer höhere Standards vorzuschreiben, die von niemandem mehr exekutierbar sind.

Abgeordneter Dipl.-Ing. KUMMERER (S) bezweifelte, ob die Mengenkontrolle funktioniere und die Bezirkshauptmannschaften über ausreichendes Datenmaterial verfügen. Durch die Novellierung des Weingesetzes befürchtete er eine Mengenerhöhung und dadurch einen weiteren Preisverfall. Überdies bemängelte er, dass das Instrument der Umweltverträglichkeitsprüfung schlecht umgesetzt werde, da es in verschiedenen Gesetzen geregelt sei und unterschiedliche Spielregeln und Zuständigkeiten gelten. In einem Entschließungsantrag zum Flurverfassungs-Grundsatzgesetz trat Kummerer dafür ein, dass nicht die Agrarbehörde, sondern der Landeshauptmann zuständig ist und die Schwellenwerte für Ent- und Bewässerung an den heutigen Wissensstand angepasst werden.

Abgeordneter ZWEYTICK (V) rechtfertigte die Abschaffung der zweiten Bestandsmeldung im Weingesetz, die nur einen unnötigen bürokratischen Aufwand gebracht habe.

Landwirtschaftsminister Mag. MOLTERER kam auf die Vorgangsweise beim Zustandekommen dieser Regierungsvorlage zu sprechen und sagte, es würde Sinn machen, die Umsetzung der EU-Richtlinien und die erforderlichen agrarrechtlichen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit darzustellen. Zum "Landwirteprivileg" merkte der Ressortchef an, dass es ein Schreiben der EU-Kommission gebe, in dem die Generaldirektion für Gesundheit und Verbraucherschutz darauf hingewiesen hat, dass dieses Gesetz nicht dem EU-Recht entspreche. Es wäre daher nicht klug gewesen, auf ein Vertragsverletzungsverfahren zu warten, gab Molterer zu bedenken.

Hinsichtlich des Wasserrechtsgesetzes machte Molterer geltend, dass der Entwurf keineswegs einen Rückschritt darstelle. Zunächst sei vorgesehen, dass der Landwirtschaftsminister drei Verordnungen erlasse und somit einen Rahmen vorgebe. Danach sei die jeweilige Landesregierung am Zug. Selbstverständlich halte die Bundesregierung am Konzept des flächendeckenden Grundwasserschutzes fest, es werde nur die Methode effizienter gestaltet, betonte Molterer. Unverständlich sei ihm die Kritik der SPÖ am Weingesetz, da etwa am Mengenregime nichts verändert werde. Auch der Tatbestand der rechtswidrigen Restsüßeherstellung bleibe bestehen, er werde nur in ein Verwaltungsdelikt umgewandelt und mit einer Strafe bis zu 100.000 S geahndet. In der Frage der UVP-Umsetzung vertrat er die Ansicht, dass die Agrarbezirksbehörde die Durchführung eines konzentrierten Verfahrens, das von vielen Seiten gefordert wurde, möglich mache. Den Abgeordneten Pirklhuber informierte er darüber, dass ein Forschungsschwerpunkt Biolandbau eingerichtet wurde und sein Ressort daran interessiert sei, diesen Gesamtkomplex, d.h. auch die Herstellung von biologischem Saatgut, weiter zu fördern.

Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage in der Fassung eines V-F-Abänderungsantrages sowie die Ausschussfeststellung mit den Stimmen von FPÖ und ÖVP angenommen. Der Entschließungsantrag der Grünen galt damit als mitverhandelt.

Die Entschließungsanträge der Sozialdemokraten und der Grünen fanden keine Mehrheit.

EINSTIMMIGE KENNTNISNAHME DES WILDSCHADENSBERICHTES

Einstimmig nahm der Ausschuss den Wildschadensbericht 1998 zur Kenntnis, der grundsätzlich von einer Fortsetzung des in den letzten Jahren verzeichneten Trends eines langsamen Rückganges der Wildschäden spricht. Tatsache bleibt nach Aussage des Berichtes allerdings, dass nach wie vor zwei Drittel der Wälder durch Verbiss so stark geschädigt sind, dass eine Verjüngung mit den waldbaulich erforderlichen Baumarten nicht möglich ist.

Abgeordneter WIMMER(S) suchte die Schuld an der Problematik vor allem bei der Jagd und meinte, je mehr Jäger, umso mehr Wild. Er stellte Zwangsabschüsse nach dem Vorbild des Salzkammergutes zur Diskussion.

Abgeordneter PISTOTNIG (F) forderte eine Sanierung des Schutzwaldes und sprach zudem das Problem der Waldweide an. Er verlangte für diesen Bereich restriktive gesetzliche Regelungen.

Abgeordneter DI PIRKLHUBER (G) trat für ein aktives Biotop-Management ein, forderte eine Umwandlung des Füttergebotes in ein Fütterverbot und meinte im übrigen, die Förderung des Forststrassenbaues sollte an ökologische Kriterien gebunden werden.

Landwirtschaftsminister Mag. MOLTERER ortete eine Reihe von Fortschritten, wie die Festlegung von Mindestabschusszahlen in den Landesjagdgesetzen oder auch die Tendenz eines Abgehens von der Monokultur zu Gunsten von Mischbeständen. Zentrales Element ist seiner Meinung nach die Förderung der naturnahen Waldbewirtschaftung. Eine Polarisierung von Jagd und Forst hält er für kontraproduktiv.

Schließlich wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien und der Grünen auch der Bericht über die Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahr 200 0 zur Kenntnis genommen, der vor allem auf die Notwendigkeit der Einkommensverbesserung für bäuerliche Familien sowie auf verstärkte Umweltorientierung und eine Umsetzung der Agenda 2000 hinweist. Für die SPÖ begründete Abgeordneter GRADWOHL die Ablehnung mit dem Argument, der Bericht sei zu wenig informativ. (Schluss)