Parlamentskorrespondenz Nr. 312 vom 25.05.2000

NEUE TECHNOLOGIEN - EINE HERAUSFORDERUNG FÜR DIE BILDUNGSPOLITIK

Wien (PK) - Am Beginn der Sitzung wurde Abgeordneter Werner AMON (V) einstimmig zum Obmann des Unterrichtsausschusses gewählt.

Der neue Vorsitzende plädierte dafür, die Bildungspolitik aus dem parteipolitischen Gezänk herauszuhalten, da bildungspolitische Maßnahmen den jungen Leuten und damit dem Staatsganzen dienen sollen. Amon sagte daher auch der Opposition zu, sie in allen Fragen einbinden zu wollen.   

In der daran anschließenden Aussprache über aktuelle Fragen standen unter anderem die neuen Informationstechnologien im Mittelpunkt, zumal diese Problematik nicht nur eine technische Frage darstellt, sondern Auswirkungen auf die Didaktik, auf Unterrichtsmaterialien und Konsequenzen in der Lehreraus- und -weiterbildung hat. Sie wurde insbesondere von den Abgeordneten Dr. BRINEK (V), BROSZ (G), SCHÖGGL (F), FAUL (S) sowie NIEDERWIESER (S) angesprochen.

Bundesministerin GEHRER betonte, dass es Zielsetzung sei, dass sich Österreich von einem e-Anwender zu einem e-Produzenten entwickle und daher seien Investitionen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich notwendig. Zu diesem Zweck sei eine Lenkungsgruppe eingerichtet worden, die jene Felder identifiziert, welche schwerpunktmäßig gefördert werden müssen. Großes Augenmerk müsse man der Lehreraus- und -weiterbildung widmen. Sie selbst würde gerne alle LehrerInnen in den nächsten drei Jahren verpflichten, Weiterbildungsangebote auf diesem Gebiet zu nützen, um einen sogenannten EU-Computerführerschein nachweisen zu können. Die Bildungsministerin hob insbesondere die Bemühungen der Länder hervor, welche jeweils Gesamtkonzepte für die Weiterentwicklung der Schulen in diesem Bereich erstellt haben. Weiters gab Gehrer bekannt, dass 17.000 LehrerInnen einen Internet-Zugang über das Austrian-School-Network haben, es inzwischen aber auch ein breites Spektrum anderer und billigerer Anbieter gebe.

Auf Anfrage der Abgeordneten SCHÖGGL (F) und BROSZ (G) erläuterte Gehrer das sogenannte Contracting-Modell. Demgemäß können Schulen mit Firmen Verträge über energiesparende Investitionen, etwa in Heizungen oder Wärmedämmungen, abschließen. Mit den Einsparungen im Energieverbrauch werden die Investitionen der Firmen bezahlt. Die Rentabilität werde in jedem einzelnen Fall geprüft.

Als interessant bewertete Abgeordnete PAPHAZY (F) das Projekt Mini-Unternehmen in den Schulen. Auch Bundesministerin Gehrer konnte von derartigen erfolgreichen Initiativen berichten, die jährlich vorgestellt werden.

Abgeordneter SCHWEITZER (F) unterzog das Angebot der Lehrerweiterbildung einer Kritik, da vieles an den tatsächlichen Bedürfnissen vorbeigehe. Er schlug vor, einen Teil der Mittel für die pädagogischen Institute den Schulen zur Verfügung zu stellen, um diese in die Lage zu versetzen, im Interesse der Schwerpunktbildung eigenständig Fortbildungskurse einzukaufen. Die Ministerin zeigte sich durchaus offen und teilte den Abgeordneten mit, dass bereits jetzt schon viele Weiterbildungsangebote schulintern  zur Verfügung gestellt würden. Sie sprach in diesem Zusammenhang die Teilrechtsfähigkeit der Institute an und betonte, dass auch diese in Zukunft würden Schwerpunkte setzen müssen.

Bei den Angeboten der Sommerakademien im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit gehe es, so Gehrer, um die Ausnützung von Ressourcen. Was die schulautonomen Tage betrifft, gab die Ministerin zu, dass diese nicht so genützt würden, wie sie angedacht worden seien. Die Landesschulräte würden daher Empfehlungen ausgeben, wonach der Landesschulrat zwei Tage festsetzt, und zwei Tage den Schulen zur Disposition freigestellt sind.  

Die sprachliche Integration von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache, der das Interesse der Abgeordneten SCHASCHING (S) gehörte, werde man verstärkt fördern, so Gehrer. Im Bereich der Kindergärten sei sie jedoch nur für die KindergärtnerInnenausbildung und -weiterbildung zuständig. Um die Nahtstelle zur Pflichtschule zu überbrücken, habe man mit den Gemeinden Kontakt aufgenommen, um eine bessere Zusammenarbeit zu gewährleisten. Der besondere Förderbedarf sei jedoch in erster Linie in der Pflichtschule gegeben. Darüber hinaus gehend waren und sind bei Flüchtlingswellen punktuell Deutsch-Intensivkurse notwendig, die auch finanziert werden. Jedenfalls seien die erforderlichen Planstellen für die besondere pädagogische Förderung vorhanden, bekräftigte die Ministerin.

Einen sonderpädagogischen Förderbedarf nach der neunten Schulstufe hält die Ministerin nicht für notwendig, da hier beispielsweise die Arbeitsmarktpolitik einschreiten müsse.

Die Maßnahmen im Rahmen des NAP - eine Anfrage des Abgeordnete RIEPL (S) - bezeichnete die Ministerin als wichtig, um Jugendlichen, die geeignet sind und auch wollen, eine Ausbildung anzubieten. Die Tatsache, dass es derzeit 200 Ausbildungsplätze mehr als jugendliche Lehrstellensuchende gebe, zeige, dass die Maßnahmen gegriffen haben. Dort, wo es aber notwendig sei, werde man die Maßnahmen verlängern. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister wurde daher eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die nächste Woche Ergebnisse vorlegen werde, inwieweit Änderungen im Ausbildungssicherungsgesetz und im Berufsausbildungsgesetz notwendig sind.

Die Entwicklung an den polytechnischen Schulen  bezeichnete die Ressortchefin als erfreulich. Für die Steigerung der Schülerzahlen seien sicherlich auch die Schwerpunktsetzungen maßgeblich. In ihrem Ressort werde darüber nachgedacht, ob polytechnische Schulen nicht auch Pflichtschul-Abschlusszeugnisse vergeben könnten. Abgeordneter SCHWEITZER (F) regte die Aufwertung dieses Schultyps in Form eines Berufsbildungsjahres an, das dann auch als Bestandteil einer Lehre gelten könnte.

Zu den von Abgeordnetem GASSNER (S) thematisierten Abweisungen  an den Berufsbildenden Höheren Schulen meinte die Ministerin, dass man nicht von einem Recht auf eine bestimmte Ausbildung ausgehen könne. Es sei unmöglich, an jedwedem Ort jedwede Ausbildung nach jedwedem Wunsch zur Verfügung zu stellen. In den vergangenen Jahren sei die Zahl der SchülerInnen an diesen Schulen um 36 % gestiegen. Man sei sich aber dieses Problems bewusst und habe eine Studie in Auftrag gegeben.

In Bezug auf die Engpässe in technischen und kaufmännischen Fächern aufgrund zahlreicher Pensionierungen bemerkte die Ressortchefin in Richtung der Abgeordneten MUTTONEN (S), dass man mit Sonderverträgen arbeiten werde. Sie informierte die Abgeordneten auch, dass alle EU-Projekte, die die Kriterien erfüllen, finanziert würden.

Zur Qualitätssicherung an den Schulen, die von Abgeordnetem ANTONI (S) angesprochen wurde, bemerkte Gehrer kritisch in Richtung Gewerkschaften, dass dem Ganzen gedient wäre, wenn alle dafür wären, sich neuen Anforderungen zu stellen, ohne gleich höhere Gehälter zu verlangen. Gehrer wies dabei auch auf die bereits mit Auszeichnung versehene Homepage ihres Ressorts hin. Ziel sei es, jede Schule so zu motivieren, dass sie selbst das Optimum erreicht.

Jüngste Aussagen der Ministerin in der Öffentlichkeit zur Lehrverpflichtung veranlassten Abgeordneten GROLLITSCH (F) nach diesbezüglichen näheren Plänen der Ministerin zu fragen. Gehrer meinte, dass das Lehrerdienstrecht ohne Tabus neu überdacht werden sollte. Das derzeitige System sei so kompliziert, dass die Drehung eines einzigen Rädchens, die ganze Struktur zusammenbrechen lasse. Jedenfalls habe sie eine Arbeitsgruppe beauftragt, Vorschläge auszuarbeiten. Man wolle in Zukunft mehr mit Arbeitsplatzbeschreibungen arbeiten und die Kurve des Lebensgehaltes gerechter gestalten. Eine Überstellung der Landeslehrer als Bundeslehrer schloss Gehrer aus.

Das Thema Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen bereitete Abgeordneter PAPHAZY (F) Sorge, weshalb sie dazu eine überparteiliche Enquete vorschlug. Die Ministerin teilte diese Sorgen und berichtete vom Projekt "neue Schulkultur", das in die Wege geleitet wurde.

In Beantwortung der Anfrage des Abgeordneten BROSZ (G) nach Direktwahl der Schülerfunktionäre meinte Gehrer, dass man alles machen könne, was organisatorisch machbar ist. Das derzeitige System hält sie für gut, sie sei aber in dieser Frage durchaus offen.

ERWEITERTER ZUGANG ZUR BERUFSREIFEPRÜFUNG

Als nächster Punkt auf der Tagesordnung stand ein Antrag von ÖVP und FPÖ, der unter anderem eine Ausweitung des Zuganges zur Berufsreifeprüfung vorsieht. Zu den bisher berechtigten AbsolventInnen von Lehrabschlussprüfungen, von mindestens dreijährigen mittleren Schulen, von Krankenpflegeschulen sowie von mindestens 30 Monate umfassenden Schulen für den medizinisch technischen Fachdienst sollen nun jene kommen, die eine land- und forstwirtschaftliche Facharbeiterprüfung abgelegt und Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege erfolgreich besucht haben. Durch die Neuregelung sollen auch Prüfungen im Rahmen des Studiums an einer Akademie, an einem Fachhochschul-Studiengang oder an einer Universität auf Teilprüfungen der Berufsreifeprüfung anerkannt werden. Das Gleiche gilt für erfolgreich abgelegte Teilprüfungen an einer mittleren oder höheren Schule. (152/A )

Abgeordneter ANTONI (S) brachte dazu einen Entschließungsantrag ein, der eine Berufsreifeprüfungsprämie für jede/n AbsolventIn von insgesamt 8.000 S vorsieht. Der Abgeordnete begründete die Initiative mit den exorbitanten Unterschieden in den Ausbildungskosten innerhalb Österreichs, die von 7.800 S bis zu 48.000 S differieren. Er wurde dabei von Abgeordnetem Niederwieser unterstützt, der erklärend hinzufügte, dass es davon abhänge, wie viel die einzelnen Träger dazu zahlen.

Abgeordneter SCHWEITZER (F) lehnte diesen Antrag mit dem Argument ab, dass man sich eher Gedanken machen sollte, warum die Kosten so unterschiedlich seien. Dem schloss sich der Vorsitzende Abgeordneter AMON (V) an und wies auf die angespannte Budgetsituation hin. Amon meinte aber, dass man grundsätzlich die Gleichstellung zwischen jenen, die gleich ihre Ausbildung machen und anderen, die unterbrechen, diskutieren müsse.

Abgeordneter BROSZ (G) kündigte an, dem Antrag nicht zuzustimmen, da das zentrale Problem nicht gelöst werde und sich aus dem Antrag ergebe, dass in den einzelnen Bundesländern die Ausbildungskosten beinahe komplett finanziert würden und in anderen ein hoher Betrag übrigbliebe.

Der Antrag der Regierungsparteien zur Berufsreifeprüfung wurde einstimmig angenommen.

Der Entschließungsantrag des Abgeordneten Antoni blieb in der Minderheit, da er nur die Stimmen der SPÖ erhielt.

MÖGLICHKEIT ZU FREIWILLIGEM 10. UND 11. SCHULJAHR WIRD VERLÄNGERT

Daraufhin nahmen die Ausschussmitglieder einen weiteren Antrag der Regierungsfraktionen in Verhandlung. Dieser hat zum Inhalt, die im Rahmen des NAP bis Ende 2000 eröffnete Möglichkeit, bis zum 18. Lebensjahr den allgemeinen Pflichtschulabschluss in einem zusätzlichen Schuljahr unentgeltlich nachzuholen, um zwei Jahre zu verlängern. (151/A )

Dieser Antrag geht Abgeordnetem ANTONI (S) nicht weit genug, da es derzeit noch immer über 200.000 Menschen gebe, die über keinen Hauptschulabschluss verfügen. Jährlich kommen 5.000 dazu. Er brachte daher einen Abänderungsantrag ein, der vorsieht, die Maßnahme unbefristet zu verlängern.

Auf den Hinweis des Abgeordneten SCHWEITZER (F), dass es sich bei der derzeitigen Konzeption um eine Notmaßnahme handle, meinte Abgeordneter NIEDERWIESER (S), dass diese Problemgruppe nichts mit dem Angebot am Lehrstellenmarkt zu tun habe.

Abgeordnete BRINEK (V) plädierte dafür, die Ergebnisse der bisherigen Maßnahmen zu evaluieren und Rückschlüsse daraus zu ziehen, wie man das Scheitern im Vorfeld abfedern könne.

Bundesministerin GEHRER wies darauf hin, dass die Maßnahmen im Jahr 20 Mill. S kosten und es nicht zur Regel werden dürfe, den Schulabschluss bis zum 18. Lebensjahr hinaus zu zögern. Man werde aber nach 2002 weiterreden.

Daraufhin verständigte man sich, das Problem nach eineinhalb Jahren neuerlich zu diskutieren.

Auch dieser Antrag von ÖVP und FPÖ wurde einstimmig beschlossen. Der Abänderungsantrag des Abgeordneten Antoni fand nur die Zustimmung von SPÖ und Grünen und blieb damit in der Minderheit.

MEHR MITBESTIMMUNGSRECHTE FÜR SCHÜLER - ANTRAG WURDE VERTAGT

Der Antrag der SPÖ zur Ausweitung der Mitbestimmungs- und Mitentscheidungsrechte von SchülerInnen (86/A) wurde vom Ausschuss gegen die Stimme der Grünen vertagt. Es wurde allgemein bekundet, dass die Vorschläge diskussionswert seien und man Zeit haben wolle, einen gemeinsamen Antrag zu erarbeiten.

Die SP-Abgeordneten schlagen darin vor, der Schülervertretung ein Vorschlags- und Stellungnahmerecht bei der Klassenvorstands- und LehrerInnenzuweisung zu geben und die Schulleitung zu verpflichten, die SchülerInnenvertreterInnen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Zudem sollen die SchülerInnenvertreterInnen das Recht erhalten, auch an LehrerInnenkonferenzen teilzunehmen, die Leistungsbeurteilungen von SchülerInnen zum Gegenstand haben. Ergänzend zur Versammlung der SchülerInnenvertreterInnen will man eine SchülerInnenversammlung einführen. (Schluss)