Parlamentskorrespondenz Nr. 323 vom 30.05.2000
SCHARFE KRITIK AN ÖSTERREICHISCHER GALERIE IM RECHNUNGSHOFAUSSCHUSS
Wien (PK) - Mit teilweise scharfer Kritik sah sich heute der Direktor der Österreichischen Galerie, Gerbert Frodl, im Rechnungshofausschuss des Nationalrates konfrontiert. Anlass dafür waren die Beratungen des Ausschusses über den Prüfbericht des Rechnungshofes über die Österreichische Galerie Belvedere. Insbesondere die Abgeordneten der SPÖ und der Grünen sprachen von skandalösen Ergebnissen und einer grob fahrlässigen Geschäftsführung und wiesen auf den entstandenen materiellen und immateriellen Schaden für die Republik Österreich hin, aber auch FPÖ-Abgeordnete Sylvia PAPHAZY meinte, sie habe den Rechnungshof-Bericht "mit blankem Erstaunen" gelesen.
Gerbert Frodl räumte ein, für einen Teil der Mängel verantwortlich zu sein, machte aber geltend, dass ein Großteil der Fehler, insbesondere hinsichtlich der nicht auffindbaren Objekte, bereits in der Vergangenheit passiert sei. An einen Rücktritt habe er, so Frodl auf eine konkrete Anfrage, nie gedacht. Die verantwortliche Ministerin Elisabeth Gehrer versicherte, das Ministerium habe die entsprechenden Konsequenzen gezogen und würde den Empfehlungen des Rechnungshofes Folge leisten. Eine Ablöse von Frodl ist ihrer Auskunft nach nicht zur Diskussion gestanden.
Der Prüfbericht des Rechnungshofes über die Österreichische Galerie Belvedere fällt durchaus kritisch aus. So rügen die Prüfer die unzweckmäßige Aufbau- und Ablauforganisation, das Fehlen eines effizienten Verwaltungs- und Finanzmanagements, die lückenhafte Dokumentation des Rechnungs- und Personalwesens und die mangelhaften Gebarungsaufzeichnungen. Zudem wird vermerkt, dass der Standort von rund einem Drittel aller inventarisierten Sammlungsobjekte nicht festzustellen war. Der Gesamterfolg der Monet-Ausstellung ist dem Rechnungshof zufolge wegen Verrechnungsmängeln nicht zu quantifizieren.
Gegenüber dem Wissenschaftsministerium mahnt der Rechnungshof eine verstärkte Wahrnehmung seiner Aufsichtspflicht ein. Zudem empfiehlt er, zwei gleichberechtigte Geschäftsführer für die Österreichische Galerie, einen für Forschung und Sammlung und einen für kaufmännische Angelegenheiten, zu bestellen und die Behandlung von Schadensfällen zu verbessern.
Eingeleitet wurde die Diskussion im Ausschuss von Abgeordnetem REHEIS (S). Er betonte, die vorliegenden Ergebnisse könnten nur als skandalös bezeichnet werden, der Rechnungshofbericht sei ein vernichtender Befund. Unter anderem kritisierte der Abgeordnete den "fahrlässigen Umgang" mit Sammlungsobjekten und mangelnde Sorgfalt bei der Gebarung. Offensichtlich seien Werke mit hoch künstlerischem und finanziellen Wert "unter der Hand" verliehen worden, ohne dass man heute wisse, wo sie sich befinden. Von Ministerin Gehrer wollte Reheis wissen, welche Konsequenzen sie aus der "grob fahrlässigen" Geschäftsführung gezogen habe.
Ähnlich kritisch äußerten sich auch die Fraktionskollegen von Abgeordnetem Reheis FAUL, BRIX und EDLER. Faul betonte, man könne Direktor Frodl nicht aus der Verantwortung entlassen. Es sei kein privates Unternehmen vorstellbar, das keine Zielvorgaben habe, aufgrund eines fehlenden Verwaltungs- und Finanzmanagements keine ordentliche Rechnungslegung durchführen könne und das seinen eigenen Wert nicht kenne. Abgeordneter Brix meinte, in jedem privatwirtschaftlichen Betrieb hätte man Überlegungen angestellt, das Management zu wechseln, wenn es zu Vorkommnissen wie in der Österreichischen Galerie gekommen wäre.
Abgeordnete Dr. PAPHAZY (F) erklärte, sie habe den Rechnungshofbericht mit "blankem Erstaunen gelesen". Darüber hinaus hinterfragte sie, warum trotz steigender Besucherzahlen auch das Defizit der Österreichischen Galerie in den letzten Jahren angestiegen sei. An Kulturministerin Gehrer richtete Paphazy die Frage, ob schon Vorkehrungen zur Einsetzung eines zweiten gleichberechtigten Geschäftsführers für kaufmännische Belange getroffen wurden. Zahlreiche Detailfragen stellte auch ihr Fraktionskollege Abgeordneter Mag. HAUPT.
Nach Ansicht von Abgeordneter Dr. GLAWISCHNIG (G) hat das zuständige Ministerium den "verheerenden Rechnungshofbericht" heruntergespielt und keine adäquaten Konsequenzen gezogen. Sie glaubt, dass durch die "unglaublichen Schlampereien" in der Österreichischen Galerie nicht nur ein gewaltiger materieller Schaden, sondern auch ein Imageschaden für die Republik entstanden ist. Glawischnig interessierte besonders, wie hoch nun die tatsächlichen Verluste für die Republik Österreich sind.
Abgeordneter PRINZ erkundigte sich seitens der ÖVP danach, wie das Ministerium seine Aufsichtspflicht in Hinkunft besser wahrzunehmen gedenke. Prinzipiell hielt er fest, man solle vor allem überlegen, wie man die Dinge in Zukunft besser machen könne. Abgeordneter Dr. TRINKL (V) wollte wissen, wie sich die Installierung eines kaufmännischen Direktors ausgewirkt habe.
Kulturministerin GEHRER bekräftigte, ihr Ressort habe sich in allen Bereichen bemüht, die Empfehlungen des Rechnungshofes umzusetzen. So enthalte das Bundesmuseumsgesetz 1998, in dem die Neuordnung der Museen vorgenommen wurde, klare Vorgaben über Kontrollinstrumente. Zielvorgaben für die Österreichische Galerie habe man in der Museumsordnung verankert. Gehrer zufolge ist außerdem das Rechnungswesen umgestellt worden, der Geschäftsführer wurde beauftragt, Verträge nur noch in schriftlicher Form abzuschließen. Auch der Empfehlung des Rechnungshofes, Schloss Halbturn nicht mehr "zu bespielen", sei man nachgekommen.
Darüber hinaus sei mittlerweile, so die Ministerin, ein Leiter des Finanz- und Rechnungswesens in der Österreichischen Galerie bestellt worden. Warum nicht ein gleichberechtigter kaufmännischer Direktor installiert wurde, begründete sie damit, dass eine eindeutige Verantwortlichkeit wichtig wäre. Zur Feststellung von Abgeordnetem Brix merkte sie an, es habe für sie kein Grund bestanden, Direktor Frodl nicht weiter mit der Leitung des Museums zu beauftragen.
Zu den Sammlungsbeständen hielt die Ministerin fest, ein Großteil der laut Rechnungshof nicht auffindbaren Datensätze sei ordnungsgemäß ausgetragen worden. Die Liste der Objekte mit tatsächlich ungeklärtem Standort umfasse lediglich 240 Datensätze, dazu kommt die Stiftung Poiret mit 52 Datensätzen. Gehrer gab aber zu bedenken, dass es sich bei den vermissten Objekten um Fälle handle, die bis ins Jahr 1850 zurückreichten.
Gehrer selbst hat ihrer Auskunft nach erstmals durch den Rechnungshof-Rohbericht von den fehlenden Objekten erfahren. Mittlerweile würden Nachforschungen nach den vermissten Kunstgegenständen durchgeführt. Den genauen entstandenen Schaden für die Republik konnte die Ministerin nicht beziffern.
Eine genaue Aufstellung der Inventarliste ergibt laut Gehrer folgendes Bild: 6.486 Sammlungsobjekte in der Österreichischen Galerie, 529 Ausstattungsobjekte in Botschaften und Ministerien, 2.578 ausgetragene Objekte, 157 Doppelinventarisierungen, 52 nicht auffindbare Objekte der Poiret-Stiftung, 240 Objekte mit ungeklärtem Standort, 110 verliehene Objekte und 116 leere Inventarnummern.
Der Direktor der Österreichischen Galerie, Dr. Gerbert FRODL, schloss sich den Ausführungen der Ministerin hinsichtlich der Sammlungsobjekte an. Seiner Auffassung nach ist es missverständlich, wenn der Rechnungshof von 3.154 nicht auffindbaren Objekten spricht, da man in den allermeisten Fällen wisse, wo die Kunstwerke genau verblieben seien. So habe man etwa 600 Stück aufgrund einer 1921 beschlossenen Museumsneuordnung an die Albertina abgegeben. Alte Inventarnummern würden aber nicht neu vergeben. Die Inventarkontrolle ist laut Frodl nunmehr im Prinzip fertig.
Der Direktor der Österreichischen Galerie unterstrich darüber hinaus, dass der Verleih von Ausstattungsbildern an Ministerien und Botschaften eine sehr alte Tradition sei. Bei den 240 derzeit nicht auffindbaren Gemälden handelt es sich ihm zufolge um lauter Altlasten. Zum Teil gehe es hier um Werke, die schon zu Zeiten der Monarchie nicht ins Museum zurückgekommen seien. Aber auch in den 50er und 60er Jahren sei man noch sehr sorglos mit der Vergabe von Ausstattungsbildern umgegangen. Frodl fürchtet daher, dass sich unter den 240 Bildern welche befinden, deren Verbleib nie mehr zu klären sein wird. Hinsichtlich seiner Verantwortung wandte er ein, dass in seiner Amtszeit lediglich 19 Gemälde als Ausstattungsbilder neu verliehen worden sind, wesentlich mehr seien im selben Zeitraum zurückgefordert worden. Den Wert der vermissten Objekte schätzt Frodl grob mit rund 20 Mill. S.
Die Erhöhung des Defizits der Österreichischen Galerie trotz steigender Besucherzahlen führt Frodl auf die umfassende Sanierung und Restaurierung von Schloss Belvedere in den Jahren 1992 bis 1997 zurück. Zur Kritik des Rechnungshofes am mangelnden Rechnungswesen meinte er, er leugne nicht, dass es hier große Probleme gegeben habe, "all diese Dinge" seien aber nicht zuletzt aufgrund des Rechnungshofberichts und der Einschaltung einer Unternehmensberaterfirma ausgeräumt worden. Zudem sei seit Juli 1999 ein Finanzdirektor angestellt, mit dem er täglichen Kontakt habe.
Was die Monet-Ausstellung betrifft, sind die Erwartungen der Österreichischen Galerie laut Frodl wesentlich übertroffen worden. Der nicht in diesem Ausmaß erwartete Ansturm von Besuchern habe zu einer Überforderung des Personals geführt. Deshalb sei auch ein Wirtschaftstreuhänder mit der Buchung von Belegen beauftragt worden.
Zur Bemerkung von Abgeordnetem Brix sagte Frodl, er habe nicht daran gedacht, seine Funktion aufgrund des Rechnungshofberichtes zurückzulegen, da er wisse, dass viele Vorwürfe die Geschichte des Museums betreffen würden und es in den Fällen, die in seinem Verantwortungsbereich lagen, gelungen sei, die Missstände zu bereinigen.
Dr. Barbara DOSSI, Sammlungsleiterin der Albertina, nahm zum Verbleib der Poiret-Sammlung Stellung. Sie teilte den Abgeordneten mit, dass sich in der Albertina trotz mehrerer Recherchen kein Hinweis auf Paul Poiret gefunden habe. Dossi hält es für naheliegend, dass die entsprechenden Blätter bereits 1923 nicht mehr vorhanden waren, da die Albertina durch den 1920 beschlossenen Museumsinteressenausgleich damals zahlreiche graphische Werke von der Österreichischen Galerie übernommen habe.
Rechnungshofpräsident Dr. FIEDLER bestätigte, dass die vom Rechnungshof aufgezeigten Mängel zu einem überwiegenden Teil nicht in den letzten Jahren unterlaufen sind. Seiner Ansicht nach hat man es aber auch unter der Direktion von Gerbert Frodl verabsäumt, bekannt gewordene Mängel zu beheben und daraus die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Jetzt will er "ein Auge darauf haben", ob den Empfehlungen des Rechnungshofes Folge geleistet wird.
Als höchst unbefriedigend wertete der Rechnungshofpräsident etwa, dass vielfach nicht mehr der Verbleib verliehener Ausstattungsbilder festgestellt werden kann. Die Österreichische Galerie hätte ihm zufolge von sich aus von Zeit zu Zeit nachforschen müssen, wo sich die Objekte befinden. Man sei aber bis zuletzt nicht der Frage nachgegangen, welche Bilder tatsächlich vorhanden seien.
Fiedler erklärte darüber hinaus, dass der Rechnungshof den Bericht der Staatsanwaltschaft übermittelt habe. Er selbst könne keine Sanktionen ergreifen, habe aber angeregt, eine Liste all jener Objekte, die nicht auffindbar sind, den Sicherheitsbehörden zuzuleiten.
Allgemein erläuterte Fiedler zu den Sammlungsbeständen, die Österreichische Galerie habe auch die ausgetragenen Inventarnummern als Sammlungsobjekte geführt. Dadurch sei der Rechnungshof auf die im Bericht festgehaltene Anzahl an fehlenden Objekten gekommen. Der Darstellung von Sammlungsleiterin Dossi betreffend die Poiret-Stiftung wollte sich Fiedler, wie er betonte, nicht ohne weiteres anschließen. Er gab zu bedenken, dass es sich nach den vom Rechnungshof gefundenen Aufzeichnungen auch um Ausleihungen in den Jahren 1938 oder 1955 gehandelt haben könnte.
Für die gravierenden Mängel beim Rechnungswesen kann man Fiedler zufolge nicht den Wirtschaftsprüfer verantwortlich machen. Schließlich sei die Vollständigkeit der Unterlagen in der Verantwortung der Österreichischen Galerie gelegen.
Die Empfehlung des Rechnungshofes, einen zweiten gleichberechtigten kaufmännischen Geschäftsführer zu bestellen, hielt der Rechnungshofpräsident aufrecht. Er wies darauf hin, dass es sich im Theaterbereich bewährt habe, wenn der kaufmännische Experte mit dem künstlerischen Experten auf gleichem Rang stehe. Dies sei beim bestellten Leiter des Rechnungswesens in der Österreichischen Galerie aber nicht der Fall.
Museumsexperte Dr. Dieter BOGNER machte geltend, dass es nunmehr eine Neuordnung der Museen gebe. Entscheidend ist seiner Ansicht nach, wie man an diese neuen Vorgaben herangehe und die Entwicklungen vorantreibe. Als ganz wichtig erachtet er, wie die Position des Controllings besetzt wird.
In weiterer Folge befasste sich der Rechnungshofausschuss mit der Erwachsenenbildung und den Universitätskliniken. (Siehe PK Nr. 0324)
(Schluss)