Parlamentskorrespondenz Nr. 325 vom 30.05.2000
LANDESVERTEIDIGUNGSAUSSCHUSS: PRO UND KONTRA MILITÄRBEFUGNISGESETZ
Wien (PK) - Im Mittelpunkt der heutigen Sitzung des Landesverteidigungsausschusses stand eine Generaldebatte über das von der Regierung vorgelegte Militärbefugnisgesetz samt dazu gehörenden Anpassungen im Sperrgebietsgesetz, in der die divergierenden Standpunkte von Regierungsparteien und Opposition zu Tage traten. Während Volkspartei und Freiheitliche in den Bestimmungen einen wesentlichen Beitrag zur Rechtssicherheit sahen, äußerten SPÖ und Grüne schwere verfassungsrechtliche Bedenken und befürchteten Eingriffe in die Grundrechte. Die Verhandlung wurde heute vertagt. Am 27. Juni soll in einer weiteren Ausschusssitzung die Spezialdebatte über den Entwurf abgehalten werden.
Der Entwurf regelt die Befugnisse militärischer Organe und listet deren Aufgaben beim Selbstschutz des Heeres auf: Wachdienst, Auskunftsverlangen, Personenkontrolle, Platzverbot, Wegweisung, vorläufige Festnahme, Durchsuchen von Personen, Betreten von Grundstücken, Räumen und Fahrzeugen, Sicherstellen von Sachen und Verarbeitung von Daten. Dazu kommen Bestimmungen für die Anwendung unmittelbarer Zwangsgewalt und den Waffengebrauch. Im Fall der Überschneidung ihrer Zuständigkeitsbereiche müssen Polizei und Militär aufgrund von Absprachen kooperativ handeln.
Gesetzlich geregelt werden nun auch die Befugnisse von Militärorganen bei der "Überwachung von Personen". Die Nachrichtendienste werden, unter Wahrung der Grundrechte, zur Verwendung personenbezogener Daten ermächtigt, erhalten aber keine Zwangsgewalt eingeräumt. Ein Rechtsschutzbeauftragter soll künftig die Rechtmäßigkeit nachrichtendienstlicher Maßnahmen prüfen. Die Abgeltung von Schäden infolge der Zwangsausübung von Befugnissen sowie diesbezügliche Beschwerdemöglichkeiten sind dem Sicherheitspolizeigesetz nachgebildet. Das bislang im Militärleistungsgesetz geregelte Recht des Heeres zur Inanspruchnahme ziviler Leistungen wird erweitert und in das neue Gesetz integriert.
Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) lehnte das Gesetz vehement ab. Sie befürchtete einen massiven Abbau von Grundrechten und verwies auf entsprechende Bedenken der Präsidentin der Richtervereinigung. Einige Bestimmungen seien schon auf den ersten Blick gröblichst verfassungswidrig, meinte sie und kritisierte, dass militärische Interessen anderen Grundrechten übergeordnet würden. Das lebensgefährdende Waffnensgebrauchsrecht zum Schutze militärischer Einrichtungen rufe überdies Erinnerungen an 1934 hervor und sei aus der jetzigen Verfassung nicht ableitbar, unterstrich Petrovic und regte für die Spezialdebatte die Beiziehung von Experten des Verfassungsdienstes an.
Abgeordneter Mag. SCHENDER (F) widersprach den Befürchtungen der Grünen und betonte, gerade aus rechtsstaatlicher Sicht leiste dieses Gesetz einen wichtigen Beitrag für die Bürger, da nun erstmals die Aufgaben und Befugnisse des Heeres auf eine gesetzliche Basis gestellt werden. Auch seien im Gesetz zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeiten eingerichtet, meinte Schender, der die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teilen konnte.
Abgeordneter MURAUER (V) erwartete sich von diesem Gesetz ebenfalls mehr Rechtssicherheit für den Bürger und das Bundesheer. Die Grundrechte sah er durch den Rechtsschutzbeauftragten, die Datenschutzkommission und strafrechtliche Bestimmungen gesichert.
Abgeordneter GAAL (S) bemängelte, die Vorlage schaffe keine ausreichende gesetzliche Regelung und bringe vielmehr noch Verschlechterungen mit sich. Wesentliche rechtsstaatliche Prinzipen würden systematisch verletzt. Dem Datenschutzgesetz sei in keiner Weise Rechnung getragen worden, den Datenmissbrauch werde Tür und Tor geöffnet. Gaal kritisierte auch, dass der Rechtsschutzbeauftragte vom Minister bestellt werde und daher nicht unabhängig sei.
Abgeordneter KISS (V) erinnerte daran, dass der ursprüngliche Entwurf in der vergangenen Legislaturperiode im Ministerrat auch von der SPÖ angenommen wurde. Der vorliegende Entwurf unterscheide sich von dem damaligen nur marginal. Überhaupt sei dieses Gesetz dem von der vergangenen Koalition beschlossenen Sicherheitspolizeigesetz nachgebildet. - Abgeordneter LEIKAM (S) entgegnete, gerade im Bereich des Rechtsschutzbeauftragten weiche die gegenständliche Vorlage von dem alten Entwurf ab.
Verteidigungsminister Scheibner versicherte, die Vorlage diene einzig und allein der Rechtssicherheit für die Betroffenen. Die Befugnisse seien klar umschrieben und restriktiv gefasst. Manche Bestimmungen seien wortident aus dem Sicherheitspolizeigesetz übernommen, in den Erläuterungen werde auf die Empfehlungen der Volksanwaltschaft und die Entscheidungen der Datenschutzkommission verwiesen. Es würden keinerlei neue Rechte für das Heer geschaffen, betonte Scheibner mit Nachdruck.
Einstimmig einigte sich der Ausschuss darüber, der Spezialdebatte je einen Experten jeder Fraktion sowie einen Vertreter des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes beizuziehen.
WIE GEHT ES DEN FRAUEN BEIM HEER?
Zweiter Themenschwerpunkt des Ausschusses waren die Erfahrungen, die das Heer im zweiten Jahr des freiwilligen Militärdienstes von Frauen mit den weiblichen Soldaten gemacht hat. Der diesbezügliche BERICHT ÜBER DIENSTLEISTUNGEN DER FRAUEN IM BUNDESHEER IM JAHR 1999 wurde mit S-F-V-Mehrheit zur Kenntnis genommen und damit enderledigt. Er dokumentiert, dass 1999 54 Frauen zum Ausbildungsdienst im Heer zugelassen wurden und 51 von ihnen, darunter l2 Sportlerinnen, die Ausbildung tatsächlich aufgenommen haben. Zwei weibliche Heeresbedienstete werden seit 1. Mai 1999 im Rahmen der Nachhollaufbahn militärisch geschult. 52 Soldatinnen, unter ihnen 14 Leistungssportlerinnen, haben im Vorjahr ihre Ausbildung absolviert und wurden zu Militärpersonen auf Zeit ernannt. 38 % dieser Soldatinnen versehen Dienst bei mechanisierten Verbänden, 17 % bei der Jägertruppe, 10 % im Logistikbereich und 14 % bei der Sanitätstruppe; 7 % der Soldatinnen sind in anderen Waffengattungen beschäftigt. 15 % frequentieren im Rahmen der Offiziersausbildung den Fachhochschulstudiengang "Militärische Führung" an der Theresianischen Militärakademie.
Vor der inhaltlichen Debatte plädierten die Oppositionsparteien dafür, diesen wichtigen Bericht nicht abschliessend zu erledigen, sondern in der großen Öffentlichkeit des Plenums zu diskutieren. Die Vertreter der Koalitionsparteien machten auf die enorme Dichte der Tagesordnungen der kommenden Plenartage hin und wiesen mit ihrer Mehrheit den SP-Antrag gegen die Enderledigung zurück.
In der Sache selbst klagte Abgeordneter Dipl.-Ing. KUMMERER (S) dann darüber, dass man von der ursprünglichen Schätzung, pro Jahr 200 Frauen zum Heer zu bringen, weit entfernt sei. Er fragte im Detail nach der Situation der Frauen und wollte speziell wissen, ob das Problem "Hindernisbahn" bei den Eignungsprüfungen gelöst und auf die besonderen weiblichen Eigenschaften Rücksicht genommen werde. Kummerer drängte auf mehr Öffentlichkeitsarbeit, um den Frauenanteil beim Heer zu erhöhen.
Abgeordnete HAGENHOFER (S) interessierte sich für die Laufbahn jener Soldatin, die die Unteroffiziersausbildung als Jahrgangsbeste absolviert hat.
Auch Abgeordneter FREUND (V) bat den Ressortleiter, die Öffentlichkeitsarbeit zu intensivieren, um die Frauen auf die Berufsmöglichkeiten beim Bundesheer aufmerksam zu machen.
Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) erkundigte sich nach der geplanten Wehrgesetz-Novelle, mit der den Frauen Miliz- und Auslandseinsätze ermöglicht werden sollen.
Verteidigungsminister Scheibner berichtete von den positiven Erfahrungen des Heeres mit dem Einsatz von Frauen und sprach seinerseits das Bedauern über die noch kleine Zahl von Frauen aus, die Ausbildung und Dienst beim Heer absolvieren. Der Ressortleiter gab bekannt, dass derzeit 103 Frauen beim Bundesheer sind, davon 45 im Ausbildungsdienst, 58 als Militärpersonen auf Zeit und davon wiederum 26 als Leistungssportlerinnen. Derzeit seien 795 Frauen als Interessentinnen vorgemerkt, das Interesse sei also sehr gross, die Ausfallsquote mit mehr als 30 % aber sehr hoch. Jene Frauen, die die Kriterien der Eignungsprüfung erfüllen und sich der Ausbildung unterziehen, bleiben dann aber mit einer sehr geringen Ausfallsquote von nur 4 % beim Heer, teilte Minister Scheibner mit.
Beim körperlichen Eignungstest bestehe laut Scheibner wenig Spielraum für verschiedene Kriterien für Männer und Frauen, weil den Frauen alle Einsatzgebiete und Laufbahnen offen stehen. Das bedeute, dass sie auch körperlich allen militärischen Aufgaben gewachsen sein müssen. Die Kriterien auf der Hindernisbahn wurden dennoch erleichtert und die Möglichkeit geschaffen, nicht bestandene Teile der Prüfung nachzuholen. - Die Soldatin, die den Unteroffizierslehrgang als Beste abgeschlossen hat, ist als Ausbilderin in einer Jägereinheit tätig, gab der Minister bekannt.
Da viele Frauen Interesse zeigten, Milizeinsätze zu absolvieren und an Auslandsentsendungen teilzunehmen, werde eine Wehrgesetz-Novelle vorbereitet, die ihnen solche Einsätze auf freiwilliger Basis ermöglichen soll, sagte Minister Scheibner.
Im Mittelpunkt einer zweiten Verhandlungsrunde standen Fragen der Abgeordneten nach der Arbeitsgruppe zur Behandlung von Gleichbehandlungsfragen (PFEFFER, S), den Voraussetzungen für die Teilnahme von Frauen an Miliz- und Auslandseinsätzen sowie die Auffassung des Abgeordneten Dr. OFNER (F), Gleichbehandlung könne für Frauen im Heer nicht die oberste Maxime sein, weil sich dies nachteilig für sie auswirken würde. Ausschussvorsitzender JUNG wies in diesem Zusammenhang auf die geänderte Praxis der israelischen Armee beim Fronteinsatz von Frauen hin.
Bundesminister SCHEIBNER bekannte sich dazu, Soldatinnen in die AG Gleichbehandlung einzubinden und machte auf die internationale Tendenz aufmerksam, Frauen aus der vordersten Kampflinie zurückzuziehen, unter anderem auch deshalb, weil sie im Falle einer Gefangennahme besonderen Gefahren ausgesetzt seien. Schließlich wies der Minister auf die Tätigkeit von fünf Ärztinnen im Offiziersrang sowie auf den Auslandseinsatz zweier Soldatinnen in Zypern bzw. auf den Golan-Höhen hin.
DER EURO KOMMT AUCH ZUM BUNDESHEER
Dann verabschiedete der Verteidigungsausschuss einstimmig und ohne Debatte die Regierungsvorlage " Euro-Umstellungsgesetz - Wehrrecht ", die im Hinblick auf die Euro-Einführung ab 1. Jänner 2002 der Währungsumstellung im Bereich der Landesverteidigung dient. Gleichzeitig werden redaktionelle Korrekturen vorgenommen und die "kaufmännischen Rundung" eingeführt.
DIE GRÜNEN WOLLEN EIN ATTRAKTIV BEZAHLTES FREIWILLIGENHEER
Hierauf wandten sich die Abgeordneten dem Entschließungsantrag der Grünen auf Aussetzung der Allgemeinen Wehrpflicht und Einführung des Grundprinzips der Freiwilligkeit bereits per 1.6.2000 zu. Der Antrag sah ein Entgelt von 12.000 Schilling für Wehr- und Zivildiener vor sowie einen "runden Tisch" über neue Grundlagen für die friedens- und sicherheitspolitische Zukunft des Landes. - Dieser Tagesordnungspunkt wurde auf Antrag des Abgeordneten Dr. OFNER (F) mit S-F-V-Mehrheit vertagt. Die Mehrheit der Ausschussmitglieder stimmte seiner Auffassung zu, vor Entscheidungen das Ergebnis der zu diesem Thema einsetzten Expertenkommission abzuwarten. - Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) plädierte demgegenüber für eine erste Willensäußerung des zuständigen Ausschusses, wurde aber überstimmt.
AUSSPRACH ÜBER AKTUELLE HEERESTHEMEN
In einer Aussprache informierte der Verteidigungsminister die Ausschussmitglieder sodann über aktuelle Entwicklungen in seinem Ressort. Er berichtete von der Einsetzung einer Expertenkommission zum Thema "Umstellung des Bundesheeres auf ein Freiwilligenheer", deren Unterkommissionen sich bereits mit Detailfragen wie "Arbeitsmarkt", "Sozialrecht", "Personalrekrutierung" und "Aufgabenbereich des Heeres" befassten. Eine zweite Arbeitsgruppe bereite die Ausarbeitung einer neuen Verteidigungsdoktrin vor, da die geltende Doktrin aus dem Jahr 1975 unter völlig anderen sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen entstanden ist. Der Kritik des Abgeordneten GAAL (S), dass in dieser Kommission keine Parteienvertreter mitwirkten, trat der Verteidigungsminister mit dem Hinweis entgegen, es sei seine Philosophie, zuerst Expertenvorschläge auszuarbeiten und dann die politische Diskussion darüber zu führen.
In der internationalen Sicherheitspolitik konzentriere sich das Bundesheer derzeit auf die Weiterentwicklung der GASP nach den Beschlüssen von Köln und Helsinki. Österreich sei gefordert, bis zum Herbst zu definieren, zu welchen Petersberg-Aufgaben es Kontingente zur Verfügung stellen werde. Die "Vorbereiteten Einheiten" müssen, so der Minister, auf das Gebot der raschen Verfügbarkeit ausgerichtet werden.
Im nächsten Budget seien 400 Mill. S als erste Tranche für den geplanten Hubschrauberankauf vorgesehen. Die Typenentscheidung über den "bewaffneten Mehrzweckhubschrauber", der, so Scheibner auf eine Frage des Abgeordneten LEIKAM (S), kein Kampfhubschrauber sein wird, soll in der ersten Julihälfte fallen.
Die Wehrgesetz-Novelle befinde sich in der Endphase ihrer Formulierung. Österreich werde damit das erste Land sein, dass das Verbot für den Einsatz von Kindersoldaten gesetzlich umsetze.
Abgeordneter LOOS (V) kam auf den Assistenzeinsatz an der burgenländischen Grenze zu sprechen und drängte angesichts der steigenden Zahl von Aufgriffen auf eine Anhebung des eingesetzten Personals; gleichzeitig schlug er vor, die Kosten nicht dem Bundesheer anzulasten, sondern zusätzliche Budgetmittel einzusetzen.
Abgeordneter Dipl.-Ing. KUMMERER (S) setzte sich dafür ein, im Rahmen der HG-Neu die Truppe gegenüber der Verwaltung zu stärken und fragte, ob die Beschaffung von Hubschraubern der einzige aktuelle Beschaffungsvorgang sei.
Abgeordneter TANCSITS (V) erbat Auskunft über die Entwicklung der wehrpflichtigen Kontingente und wies auf das Interesse der jungen Leute hin, ihren Wehrdienst so früh wie möglich abzuleisten.
Verteidigungsminister Scheibner verteidigte seine Entscheidung, die Arbeitsgruppen mit Experten zu besetzen. Er wolle rasche Ergebnisse, vor allem zu den Themen Rekrutierungs- und Anreizsystem. Denn de facto bestehe die Freiwilligkeit bereits, zumal jeder frei entscheiden könne, ob er Heeres- oder Ersatzdienst leistet. Beim Assistenzeinsatz sei nicht mehr Personal, sondern bessere Ausstattung nötig - Scheibner nannte Radar- und Nachtsichtgeräte.
Die Klage des Abgeordneten Dipl.-Ing. KUMMERER (S), man habe zwar Brigaden rasch aufgelöst, die Einsparungen bei den Militärkommanden verlaufe aber langsam, veranlasste den Verteidigungsminister zur Feststellung, dass auf Brigadeebene keine Planstelleneinsparungen vorgenommen wurden, die Einsparung von Dienstposten bei den Militärkommanden hingegen Zeit brauche.
Als Beschaffungsschwerpunkte nannte der Verteidigungsminister Hubschrauber, Verbesserung der Mannesausrüstung, Pioniergerät und die Steigerung der Transportkapazität. - Bei den Wehrpflichtigen-Kontingenten bestehe kein Stau, jeder Grundwehrdiener könne seinen Wehrdienst innerhalb eines Jahres antreten, berichtete der Minister.
Beim Thema Auslandseinsätze hob Scheibner die hervorragende Einsatzbereitschaft und international anerkannte Ausbildung der Soldaten hervor. Beim KFOR-Einsatz im Kosovo werden die Österreicher nicht als Besatzungssoldaten empfunden. Sie haben gutes Auftreten und zeigen die Bereitschaft, auf die kulturellen Eigenheiten der Bevölkerung einzugehen. Als Erfolg wertete der Verteidigungsminister auch den Mocambique-Einsatz, wo das Bundesheer tausende Menschenleben gerettet hat. (Schluss)