Parlamentskorrespondenz Nr. 334 vom 31.05.2000
SOZIALAUSSCHUSS BESCHLIESST ARBEITSRECHTSÄNDERUNGSGESETZ
Wien (PK) - Nachdem der Sozialausschuss das SVÄG 2000 beschlossen hatte, wandte er sich einer weiteren wichtigen sozialrechtlichen Materie zu, dem ARBEITSRECHTS-ÄNDERUNGSGESETZ 2000 - ARÄG 2000 (91 d.B.).
Die Regierungsvorlage soll eine weitgehende arbeitsrechtliche Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten insbesondere im Bereich der Entgeltfortzahlung infolge Krankheit (Unglücksfall) und bei Dienstverhinderungen aus sonstigen wichtigen Gründen bringen. Neben der materiellen Angleichung der Rechtsstellung von Arbeitern und Angestellten im Bereich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sieht der Entwurf eine Urlaubsaliquotierung bei Auflösung des Dienstverhältnisses und einen Wegfall der Postensuchtage bei Selbstkündigung vor. werden. Nicht betroffen von der geplanten Neuregelung ist die Angleichung der unterschiedlichen Kündigungsfristen zwischen Arbeitern und Angestellten, da dies in erster Linie in den Kompetenzbereich der Sozial- bzw. Kollektiv-Vertragspartner fällt, heißt es im Entwurf.
Konkret wird die 14-tägige Wartefrist beim Anspruch auf Entgeltfortzahlung infolge Krankheit für ArbeitnehmerInnen, die den Vorschriften des ABGB, des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes, des Hausbesorgergesetzes und des Heimarbeitsgesetzes unterliegen, gestrichen. Auch sie sollen in Hinkunft nach dem Willen der AntragstellerInnen Anspruch auf Entgelt bis zu sechs Wochen haben. Bei fünfjähriger Dauer des Dienstverhältnisses erhöht sich die Anspruchszeit auf acht Wochen, bei 15-jähriger Dauer auf zehn Wochen und nach 25 Jahren ununterbrochener Dienstzeit auf zwölf Wochen. Durch jeweils weitere vier Wochen behalten die DienstnehmerInnen den Anspruch auf das halbe Entgelt. Das ARÄG 2000 soll mit 1. Jänner 2001 in Kraft treten.
In der Sitzung wurde weiters ein umfangreicher F-V-Abänderungsantrag eingebracht, der neben Neuregelungen für die
Bauarbeiter (Erhöhung der Anwartschaften für vollen Urlaubsanspruch von 46 auf 47 Wochen), die Auflösung des Entgeltfortzahlungsfonds sowie flankierende Maßnahmen, die aufgrund des Entfalls der vorzeitigen Alterspension erforderlich waren (z.B. Verlängerung des Arbeitslosengeldanspruches für ältere Arbeitnehmer von 52 auf 78 Wochen, Ausdehnung des Kündigungsschutzes für pensionsnahe Jahrgänge der Arbeitnehmer in Betrieben, die nicht dem Geltungsbereich des Arbeitsverfassungsgesetzes unterliegen) zum Inhalt hat.
Mitverhandelt wurde auch ein Antrag der Sozialdemokraten: Grundlage für die gesetzliche Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten ist das neu zu schaffende Arbeitsverhältnisgesetz (AVHG), das teilweise Regelungen des Angestelltengesetzes übernimmt. Nur jene Regelungen sollen im Angestelltengesetz bleiben, die berufsspezifisch sind; das betrifft die Provisionen und Gewinnbeteiligungen. Unberührt bleiben auch die Sonderregelungen des Schauspieler-, Journalisten- oder Hausgehilfen- und Hausangestellten- sowie des Hausbesorgergesetzes. Aufgehoben werden soll jedoch das Arbeiter-Abfertigungsgesetz, da die Abfertigungsbestimmungen als Teil des Beendigungsrechtes in das AVHG übernommen werden (19/A).
Abgeordneter Mag. TANCSITS (V) erläuterte die Ziele der Regierungsvorlage und wies u.a. darauf hin, dass bereits konsumierter Urlaub nicht zurückgezahlt werden müsse. Der umfangreiche Abänderungsantrag regle u.a. die Anwartschaften für Bauarbeiter, wobei eine geringfügige Erhöhung von 46 auf 47 Wochen vorgesehen sei.
Abgeordneter Mag. HAUPT (F) brachte eine Ausschussfestellung ein, in der festgehalten wird, dass der halbe Urlaubsanspruch gemäß Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz nach Beschäftigungszeiten von jeweils 26 Wochen entsteht. Diese Beschäftigungszeiten müssen nicht in einem einzigen Arbeitsverhältnis erbracht werden.
Abgeordneter RIEPL (S) machte auf zahlreiche Ungereimtheiten im Gesetz aufmerksam und hielt es für unzulässig, dass in der Regierungsvorlage auf die "Aktion Fairness" Bezug genommen wird, weil nicht alle Unterschiede im Arbeitsrecht beseitigt werden. Zudem kritisierte er die generelle Verschlechterung des Urlaubsrechtes sowie den Wegfall der Urlaubsentschädigung. Abgeordnete SILHAVY (S) brachte zwei Abänderungsanträge ein, in denen die Sozialdemokraten fordern, dass Bauarbeitern bereits nach 23 Wochen einen Teilurlaub in Anspruch nehmen können. Durch diese Regelung werde es einerseits den Betroffenen erleichtert, ihren Urlaub früher zu konsumieren, andererseits kann dieser Urlaubsverbrauch auch im Kalenderjahr beschäftigungsverlängernd wirken.
Er könne der Regierungsvorlage mit Sicherheit nicht zustimmen, meinte Abgeordneter ÖLLINGER (G), weil das ARÄG keine Gleichstellung sondern nur eine Annäherung der Rechte von Arbeitern und Angestellten im Bereich der Entgeltfortzahlung bringe. Seiner Ansicht nach wäre eine Angleichung auch im Kündigungs- und Entlassungsrecht notwendig. Auch Abgeordnete HAIDLMAYR (G) bemängelte, dass damit die Chance vertan wurde, den Urlaub auf sechs Wochen für alle anzuheben. Kritisch betrachtete sie auch die Auflösung des Entgeltfortzahlungsfonds, wodurch speziell kleinere Betriebe benachteiligt würden.
Abgeordneter Dr. MITTERLEHNER (V) hielt seiner Vorrednerin entgegen, dass durch die Auflösung des Fonds die Kosten für die Unternehmen reduziert werden. Es sei auch nicht richtig, dass vor allem Kleinbetriebe, sondern - im Gegenteil - Grossbetriebe profitiert haben. Durch die Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten wäre eine Erhöhung des Beitrages erforderlich gewesen, was jedoch die Lohnkosten weiter erhöht hätte. Eine Angleichung der Kündigungsfristen halte er aus praktischen Erwägungen für nicht sinnvoll. Derartige Regelungen seien besser im Kollektivvertrag aufgehoben.
Er glaube, dass mit der Regierungsvorlage eine Gleichstellung im Krankheits- und Dienstverhinderungsfall gewährleistet werde, betonte Bundesminister Dr. BARTENSTEIN. Man rechne mit 2 Mrd. S an Entlastungen durch die Einführung der Aliquotierung und weiteren 300 Mill. S durch den Entfall der Postensuchtage. Demgegenüber stehen 800 Mill. S an Mehrbelastungen durch die Gleichstellungsmaßnahmen. Damit verbleiben 1,5 Mrd. S, die zur Lohnnebenkostensenkung beitragen werden. Was die Regelungen bei den Bauarbeitern betreffe, so meine er, dass die geringfügige Verlängerung der Anwartschaft akzeptabel sei. Zudem stelle der halbe Urlaubsanspruch nach 26 Wochen eine alte Forderung der Gewerkschaftsvertreter dar, argumentierte der Minister. Positiv äußerte sich er auch zur Auflösung des Entgeltfortzahlungs-Fonds, da er nie verstanden habe, warum für Arbeiter andere Kriterien als für Arbeiter gelten sollen. Überdies haben die großen Betriebe und die Unternehmen in Ostösterreich am meisten davon profitiert, zeigte Bartenstein auf.
Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage in der Fassung eines umfangreichen F-V-Abänderungsantrages ebenso wie die Ausschussfeststellung mit F-V-Mehrheit angenommen. Die S-Abänderungsanträge verblieben in der Minderheit; der ebenfalls auf der Tagesordnung stehende F-V-Antrag betreffend ein Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 (130/A) sowie der S-Antrag betreffend ein Arbeitsverhältnisgesetz galten als miterledigt.
SPÖ FORDERT ERWEITERUNG DER BERUFSKRANKHEITENLISTE
In einem Antrag auf Änderung des ASVG will die SPÖ klarstellen, dass auch Tätigkeiten von Feuerwehren im Einsatz, bei denen ein erhebliches Infektionsrisiko besteht, von der Liste der Berufskrankheiten erfasst werden (117/A).
Schnittverletzungen durch Blechkanten, Glasscheiben usw. sind oft trotz guter Schutzausrüstung unvermeidlich. Bei Körperkontakt mit Verletzten kommt die Einsatzmannschaft mit Körperflüssigkeiten wie Blut, Speichel usw. der zu Bergenden in Berührung, Einsatzkleidung wird kontaminiert, lautet die Argumentation der Sozialdemokraten.
Die Regierungsfraktion schlossen sich der Grundintention dieses Antrages an, gaben jedoch zu bedenken, dass zunächst die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit von kostenlosen Schutzimpfungen für freiwillige Helfer (etwa Feuerwehrsleute) aber auch zusätzliche Berufsgruppen wie beispielsweise der Sanitätsdienst abgeklärt werden sollte. Zudem sollte bezüglich der Finanzierung dieser Maßnahmen mit den Ländern verhandelt werden, meinte Abgeordneter Dr. FEURSTEIN (V). Aus diesem Grund wurde ein dementsprechender F-V-Entschließungsantrag eingebracht, der mit F-V-G-Mehrheit angenommen wurde. Der S-Antrag blieb bei der Abstimmung in der Minderheit.
Einstimmig nahm der Ausschuss sodann die Regierungsvorlagen betreffend ein Übereinkommen über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung, eine Urkunde zur Abänderung der ILO-Verfassung und eine Novelle des Landarbeitsgesetzes 1984 an. Hinsichtlich des Übereinkommens hatte Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) die Zustimmung ihrer Fraktion damit begründet, dass es um die tatsächliche Abschaffung der Kinderarbeit gehe, zu der sich in dem Übereinkommen auch alle Staaten dezitiert bekennen würden.
Die Landarbeitsgesetznovellierung wurde in der Fassung eines V-F-Abänderungsantrages angenommen, wobei ein Abänderungsantrag der Sozialdemokraten, wonach die Lehrzeit mit der erfolgten Ablegung der Lehrprüfung enden solle, von den Regierungsparteien abgelehnt wurde, weil die jetzige Regelung, so Abgeordneter DONABAUER (V), sich in praxo als sinnstiftender erwiesen habe.
Weiters stand ein V-F-Antrag zur Änderung des Arbeiterkammergesetzes 1992 auf dem Programm des Sozialausschusses. Dieser stiess auf heftigen Widerspruch seitens der Opposition. Während Abgeordneter TANCSITS (V) meinte, dieser Antrag diene der Schaffung von mehr Rechtssicherheit, kritisierten die Abgeordneten SILHAVY, EDLER und RIEPL (sämtlich S), dieser Antrag sei nur politisch motiviert und hinsichtlich seines Inhalts substanzlos. Edler kritisierte überdies, dass mit diesem Antrag entgegen seiner avisierten Intention neue Privilegien geschaffen würden, sollten doch hier neue Funktionsgebühren für Fraktionsvorsitzende eingeführt werden, von denen realiter freiheitliche Funktionäre profitieren würden.
Abgeordneter ÖLLINGER (G) kritisierte, mit diesem Antrag werde der Eindruck zu erwecken versucht, es gebe in der AK Privilegien, die abgebaut werden müssten. Realiter seien die entsprechenden Fragen schon längst, u.a. im Bezügebegrenzungsgesetz, geregelt, weshalb dieser Antrag de facto „ein Schuss in den Ofen“ sei. Abgeordnete Dr. PITTERMANN (S) schliesslich regte an, statt solcher Vorgangsweise ein einheitliches Kammergesetz zu schaffen, welches dann für alle Interessenvertretungen Gültigkeit haben sollte. Bundesminister Dr. BARTENSTEIN sagte auf eine betreffende Anfrage Riepls, sein Haus habe keine Informationen erhalten, die ein Tätigwerden als Aufsichtsbehörde hätten notwendig erscheinen lassen. Der Antrag wurde in der Fassung eines von Abgeordnetem Mag. HAUPT (F) eingebrachten Abänderungsantrages mit den Stimmen der Regierungsparteien beschlossen.
Der Bericht über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion 1998 wurde vom Ausschuss zur Kenntnis genommen. Dieser Beschluss erfolgte einstimmig, nachdem man zuvor übereinkommen war, diesen im Plenum endzuerledigen. (Schluss)