Parlamentskorrespondenz Nr. 376 vom 21.06.2000

AUSSENPOLITISCHER AUSSCHUSS BERÄT ERGEBNISSE VON FEIRA

Wien (PK) – Eine umfangreiche Themenpalette wurde in der heutigen Sitzung des Aussenpolitischen Ausschusses des Nationalrates behandelt. Zu Beginn seiner Sitzung befasste sich das Gremium mit dem "Außenpolitischen Bericht 1999" der Bundesregierung (III-46 d.B. ), was Anlass dazu bot, über den Gipfel von Feira Bilanz zu ziehen.

Aussenministerin Dr. FERRERO-WALDNER zeigte sich enttäuscht darüber, dass es in Feira nicht zu einem Einstieg in den Ausstieg von den Sanktionen gekommen sei. Die Zeit arbeite hier gegen alle, gegen Österreich wie gegen die EU-14, weshalb es einen konstruktiven Dialog brauche, eine Versachlichung der Debatte, um zu einer brauchbaren Lösung zu kommen. Dennoch könne man sagen, dass sich die Atmosphäre gegenüber Lissabon deutlich verbessert habe, was sich auch in konkreten Beschlüssen, etwa im Bereich des Bankwesens, niedergeschlagen habe.

Abgeordneter Dr. SPINDELEGGER (V) lobte den Außenpolitischen Bericht und nannte diesen eine "wertvolle Dokumentation", die zeige, dass auch außerhalb der EU bedeutende Initiativen gesetzt würden. Der Bericht sei in seiner Form richtungweisend und sollte auch in Zukunft so beibehalten werden. Der Mandatar stellte sodann konkrete Detailfragen zur Haltung der EU-14. Ebenfalls zufrieden mit Form und Inhalt des Berichts zeigte sich Abgeordneter JUNG (F), der sich des weiteren mit der Situation am Balkan befasste.

Die Grünen thematisierten die Sicherheitspolitik. Abgeordnete Dr. PETROVIC etwa wollte wissen, welche Vorstellungen die Regierung auf diesem Gebiet entwickle. Weiters fokussierte sie auf Aspekte der Menschenrechte, dabei besonders auf die Lage von Frauen in Bosnien und dem Kosovo sowie auf die Ereignisse in Tibet eingehend. Abgeordneter Dr. PILZ ortete Widersprüche zwischen der immerwährenden Neutralität Österreichs und dem aktuellen Engagement der Bundesregierung. Konkret nannte er dabei den Beitritt Österreichs zur Westeuropäischen Rüstungsagentur einerseits und das geplante europäische Armeekorps andererseits.

Sodann fragte er sich, ob die Sanktionsfrage in Feira nicht eher ein Randthema gewesen sei, welches nur aus österreichischer Sicht in den Mittelpunkt gerückt sei. Hier scheine es sich in immer stärkeren Ausmass um Innenpolitik zu handeln, zumal de facto keine Sanktionen in Österreich existierten. Konkret übte er Kritik an der Haltung von Finanzminister Grasser. Die gegenständliche Regelung im Bankwesen solle Steuerhinterziehung und Geldwäsche hintanhalten, sodass es wenig glücklich gewesen sei, ausgerechnet hier Widerstand zu leisten. Der Vergleich mit der Elefantenherde im europäischen Porzellanladen sei dadurch durchaus zulässig.

Dem hielt Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) entgegen, dass Österreich auf dem europäische Parkett Eigenständigkeit zeige, wodurch es sich angenehm von früheren Zeiten abhebe. Grasser habe gut verhandelt und eine vernünftige Lösung erwirkt, die den Interessen Österreichs entspreche. Generell habe Österreich in europapolitischen Belangen nennenswerte Erfolge erzielt, meinte Schweitzer, dafür auch entsprechende Beispiele anführend.

Abgeordneter Dr. EINEM (S) regte an, man möge überlegen, was im Interesse Österreichs zweckmässig ist, wobei sich die Frage stelle, ob das Verhalten von Finanzminister Grasser in diesem Lichte als positiv eingeschätzt werden könne. Österreich sei hier als der Verhinderer einer gesamteuropäischen Einigung aufgetreten, was gänzlich unnotwendig gewesen sei. Sein Fraktionskollege Dr. CAP wies auf den aktuellen Diskurs zwischen dem deutschen Aussenminister Fischer und dem französischen Minister Chevenement um ein eventuelles Kerneuropa und die zukünftige Entwicklung der EU im Spannungsfeld zwischen Vertiefung und Erweiterung hin. Hier stelle sich die Frage nach einer perspektivischen Positionierung Österreichs.

Zum Bericht meinte er, dieser sei in Form, Umfang und Inhalt zu würdigen, man dürfe aber nicht vergessen, dass dieser noch aus einer Zeit stamme, da Österreich aussenpolitisch noch nicht isoliert war. Es bleibe daher abzuwarten, wie der nächste Bericht aussehe angesichts des Imageverlusts, den Österreich seit Anfang Februar erfahren habe.

Bundesministerin Ferrero-Waldner verteidigte die österreichische Haltung in der Frage des Bankgeheimnisses, sei es der Regierung doch darum gegangen, österreichische Interessen zu wahren. Dies bedeute nicht, dass nicht auch Österreich den Kampf gegen die Geldwäsche führe, doch habe man auf die österreichischen Besonderheiten Bedacht zu nehmen. Der erzielte Kompromiss sei vor diesem Hintergrund durchaus zweckdienlich.

Natürlich sei die Neutralität die Schranke des Möglichen in der Sicherheitspolitik. In den konkret angesprochenen Bereichen gehe es aber um friedensschaffende Massnahmen im Rahmen der Petersberger Aufgaben unter gewissen Bedingungen. Dies betreffe mithin das Krisenmanagement und nicht eine Konzeption von Landesverteidigung, was auch für das europäische Armeekorps gelte. Genaueres erfahre man aber vom Verteidigungsministerium, welches sich in diesen Fragen von österreichischer Seite engagiere. Schliesslich stellte Ferrero-Waldner noch ihre Sicht der Dinge hinsichtlich der Vorschläge zu einem Kerneuropa dar.

Der Bericht wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien und mehrerer sozialdemokratischer Abgeordneter zur Kenntnis genommen.

Sodann befasste sich der Ausschuss mit einer Vielzahl an Anträgen, die die Lage Österreichs innerhalb der EU zum Inhalt haben. Konkret geht es dabei um folgende Materialien: Angesichts der diskriminierenden Maßnahmen von 14 EU-Regierungschefs gegen Österreich wird von VP- und FP-Abgeordneten die Regierung beauftragt, gemeinsam mit allen im Nationalrat vertretenen Fraktionen die Initiative zur Wahrung des Ansehens Österreichs in Europa und in der Welt fortzusetzen. Die Parteien sollen sich zu einem gemeinsamen Vorgehen der Regierung, des National- und Bundesrates, der Länder und der Sozialpartner in den europäischen Institutionen bzw. Organisationen bekennen und die Bundesregierung hat von diesen Institutionen, vor allem von der Europäischen Kommission als "Hüterin der Verträge", eine Garantie über die Nicht-Diskriminierung unseres Landes im Rahmen der Regierungskonferenz zu verlangen (105/A[E]).

Nach Ansicht der Sozialdemokraten sollte in Zusammenarbeit zwischen Regierung und Nationalrat eine hochrangige österreichische Beobachtergruppe gebildet werden, die über die Einhaltung jener Prinzipien zu wachen hat, die in der Präambel zum Arbeitsübereinkommen der Regierungsparteien FPÖ und ÖVP formuliert wurden. Diese Gruppe soll aus drei von den Regierungsfraktionen, drei von den Oppositionsparteien und aus drei vom Bundespräsidenten ernannten Vertretern bestehen; sollte diese Beobachtergruppe nach angemessener Frist zu dem Ergebnis kommen, dass die Präambel "nach Geist und Buchstaben" eingehalten wird, sollte die Regierung an die Konferenz der Staats- und Regierungschefs der EU bzw. an die EU-Kommission mit dem Vorschlag herantreten , die am 31.1.2000 beschlossenen Maßnahmen zu beenden oder einzuschränken. Ein gesamteuropäisches Monitoring hinsichtlich der Gefahren von Extremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte könnte nach Ansicht der Sozialdemokraten einen weiteren Schritt zur Verwirklichung der Grundsätze der EU bilden (106/A[E]). Die Sozialdemokraten verlangen weiters von der Bundesregierung eine Unterstützung der Initiative des Bundespräsidenten beim EU-Ratsvorsitzenden Guterres zur Aufhebung der EU-Sanktionen (122/A(E)) . Schliesslich sprechen sich die Sozialdemokraten für zielführende und vertrauensbildende Maßnahmen aus. Damit will man die EU-14 zu einer Überprüfung und Revision ihrer Maßnahmen vom 31.1.2000 veranlassen bzw. alle Schritte unternehmen, um Boykottmaßnahmen gegen die österreichische Bevölkerung zu verhindern (133/A[E]) .

Die Grünen fordern in einem Entschließungsantrag die Bundesregierung auf, im Rahmen der EU-Regierungskonferenz für die Verankerung einer rechtlichen Basis für Sanktionen der EU bei Verletzungen der Grundwerte der Europäischen Union durch ein Mitgliedsland einzutreten. Nach ihren Vorstellungen soll ein mehrstufiges Verfahren eingerichtet werden, das zunächst die Beobachtung des betreffenden Staates und als weitere Schritte die Verwarnung und schliesslich Sanktionen vorsieht. Als Anknüpfungspunkt könnte dabei das strukturierte Verfahren im Rahmen des Stabilitätspaktes dienen (119/A(E)).

Zu all diesen Punkten habe man im Unterausschuss, berichtete Ausschussobmann SCHIEDER (S), keine Einigung erzielt, weshalb er den Antrag stelle, diese Materien zu vertagen. Diese Entscheidung wurde einstimmig getroffen.

Einstimmig nahm der Ausschuss auch ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der EU und Turkmenistan (109 d.B. ) zur Kenntnis.

Schliesslich behandelte der Ausschuss noch einen Block mit frauenspezifischen Themen. Dem Parlament wurde das Fakultativprotokoll zur Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau zur Beschlussfassung vorgelegt.

Die Konvention selbst ist völkerrechtlich mit 3. September 1981 und in Österreich mit 30. April 1982 in Kraft getreten. Sie enthält umfassende Bestimmungen über die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere auf politischem, sozialem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet sowie Maßnahmen zur Frauenförderung. In Österreich wurden zur Umsetzung dieser Konvention zahlreiche Gesetze beschlossen, wie etwa das Gleichbehandlungsgesetz für die in der Privatwirtschaft Beschäftigten, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz für Bundesbedienstete, das Gewaltschutzgesetz und die Ergänzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 7 B-VG. Die Konvention hat zur Zeit 165 Vertragsstaaten.

Durch das gegenständliche Fakultativprotokoll soll nun ein Individualbeschwerderecht als zusätzliches prozedurales Instrument zur Sicherstellung der Konventionsrechte sowie ein Untersuchungsverfahren für Vertragsstaaten der Konvention in Fällen schwerer oder systematischer Konventionsverletzungen (z.B. Beschneidung, Witwenverbrennung, Abtreibung von Mädchen) geschaffen werden. (169 d.B.)

Anlässlich der Ratifikation der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau hat Österreich im Hinblick auf das dort den Frauen gewährleistete Recht auf Zugang zu einem öffentlichen Amt und auf Bekleidung jeder öffentlichen Funktion auf allen Ebenen staatlicher Verwaltung Vorbehalte angemeldet, da Frauen in Österreich bis vor kurzem der Zugang zu militärischen Dienstleistungen verwehrt war. Diese Beschränkung fällt nun durch das geltende Bundesgesetz über die Ausbildung der Frauen im Bundesheer sowie durch den neu eingefügten Art. 9a Abs. 4 B-VG, der den Frauen den freiwilligen Dienst im Bundesheer als Soldatinnen ermöglicht, weg. Der diesbezügliche Vorbehalt kann daher zurückgenommen werden. (170 d.B.)

Aus dem gleichen Grund wird auch der Vorbehalt zu Artikel III des Übereinkommens über die politischen Rechte der Frau zurückgezogen.

(171 d.B.)

Die Arbeitsbelastung des Komitees, welches aufgrund der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau eingesetzt wurde, steigt sowohl durch den Beitritt von immer mehr Vertragsstaaten als auch durch die zusätzlichen Aufgaben, wie sie das Fakultativprotokoll (Individualbeschwerde, Überprüfung der Vertragstaaten) vorsieht. Die Sessionsdauer des Komitees von maximal zwei Wochen hat sich bereits in den letzten Jahren als zu kurz erwiesen, die dadurch entstandenen Verzögerungen brachten einen Aktualitätsverslust der Berichte mit sich. Um eine ordnungsgemäße Wahrnehmung der Aufgaben zu gewährleisten, soll auf einer Sitzung der Vertragsstaaten die Dauer der Sitzungen vorbehaltlich der Zustimmung durch die Generalversammlung neu festgelegt werden. (172 d.B.) 

Diese Punkte wurden nach einer kurzen Debatte, in der sich die Abgeordneten Dr. PETROVIC (G), GATTERER (V) und JÄGER (S) positiv über den Inhalt dieser Vorlagen geäussert hatten, einstimmig angenommen. (Schluss)