Parlamentskorrespondenz Nr. 385 vom 27.06.2000

SOLL GEHALTSOFFENLEGUNG NACH DEM BEZÜGEGESETZ NEU ÜBERLEGT WERDEN?

Wien (PK) - Im Mittelpunkt der Aussprache über aktuelle Fragen aus dem Arbeitsbereich des Rechnungshofausschusses stand heute die Diskussion über die Offenlegung der Gehälter gemäß § 8 Bezügebegrenzungsgesetz. Demnach müssen alle Rechtsträger, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, Gehälter über 80.000 S brutto monatlich veröffentlichen. Der Rechnungshof ist verpflichtet, die Einkommensbezieher namentlich sowie die Höhe ihrer Bezüge zu nennen, nicht aber, bei welchen Rechtsträgern diese angestellt sind, denn das würde dem nationalen Datenschutz widersprechen.

Viele Rechtsträger - der Rechnungshofpräsident nannte ca. 2.000 von insgesamt ca. 8.000 - haben sich bislang geweigert, Meldung zu erstatten, und machten dabei geltend, dass dies der EU-Datenschutzrichtlinie und dem Art. 8 EMRK widerspräche. Auch bereits erstellte Verfassungsgutachten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während Univ.Prof. Öhlinger ebenfalls die EU-Konformität sowie die Übereinstimmung des gegenständlichen Paragrafen mit der EMRK bezweifelt, kam erst kürzlich der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes zur gegenteiligen Auffassung. Der Bund habe gemeldet, von den Bundesländern hätten sich Niederösterreich, Salzburg, Tirol und Wien verschwiegen, berichtete Fiedler.

Der Rechnungshofpräsident nannte die Klärung dieses Problems als "die" große Rechtsfrage in Bezug auf § 8 Bezügebegrenzungsgesetz und führte aus, dass eine Klärung nur durch den Verfassungsgerichtshof möglich sei, weshalb dieser vom Rechnungshof angerufen worden sei. Es könnte auch dazu kommen, dass der Verfassungsgerichtshof eine Vorabentscheidung des EuGH anfordere. Es liege im Interesse der Rechtssicherheit und damit im Interesse aller, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes abzuwarten. Dr. FIEDLER schloss darüber hinaus auch nicht aus, dass Zivilgerichte auf Grund anhängiger Verfahren - einige Dienstnehmer haben gegen Rechtsträger, wie den ORF, Klage geführt - ebenfalls den EuGH konsultieren. Jedenfalls werde es keinen Teilbericht des Rechnungshofes über jene geben, die ordnungsgemäß gemeldet haben. Das wäre nicht seriös, so der Rechnungshofpräsident.

Im Zusammenhang mit diesem Themenkomplex entwickelte sich eine rechtspolitische Diskussion über die Intention des gegenständlichen Paragrafen. Ausgehend von einer Frage der Abgeordneten Mag. PECHER (V), ob die Veröffentlichung der Daten den Unternehmen, die im Wettbewerb stehen, nicht auch schaden könnten, meinte auch der Vorsitzende des Ausschusses, Mag. KOGLER (G), dass es für das Selbstverständnis des Gesetzgebers wichtig sei, darüber zu reflektieren, wie man mit der Nichtbefolgung von Gesetzen umgeht. Auch Abgeordneter BRIX (S) bezeichnete die Begleiterscheinungen als "unangenehm" und stellte die Frage in den Raum, ob in Folge von Beispielswirkungen bei anderen Gesetzesmaterien hier nicht demokratische Säulen ins Wanken geraten könnten.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) griff als Vorsitzender diese Fragen engagiert auf und meinte, dass die grundsätzliche Diskussion darüber zulässig sein müsse. Auch eine Verfassungsmehrheit könne sich täuschen und es wäre daher wichtig zu prüfen, ob sich der Gesetzgeber mit den möglichen auftretenden Problemen ausreichend auseinander gesetzt habe. Seiner Meinung nach unterscheiden sich Gebietskörperschaften und Kammern eklatant von jenen Unternehmen, die keine Pflichtbeiträge und Steuern einheben und dem Wettbewerb ausgesetzt sind. Der ORF sei insofern ein eigenes Kapitel, weil er sowohl auf dem freien Markt agiere als auch Pflichtbeiträge einhebe. Er persönlich spreche sich aber für die volle Einbeziehung des ORF aus, da es dort noch viele „Altlasten“ gebe, dennoch müsse er zugeben, dass einige vorgebrachte Argumente verständlich seien.

Auch Präsident Dr. FIEDLER hält eine Diskussion über eine Reduzierung der zur Meldung verpflichteten Rechtsträger auf den öffentlichen und teilöffentlichen Bereich für überlegenswert und legitim. Die Abwicklung wäre für den Rechnungshof einfacher, er schloss aber nicht aus, dass es trotz allem zu weiteren rechtlichen Problemen kommen könnte. Als ein interessantes Beispiel nannte Fiedler Schweden, wo alle Personen mit ihrem Bezug öffentlich aufgelistet seien. Diese Vorgangsweise könnte über die Finanzämter abgewickelt werden. Freilich hätte der EU-Staat Schweden in Bezug auf die Veröffentlichung von Einkommen eine ganz andere Tradition, so der Rechnungshofpräsident. Den von F-Abgeordneter Mag. HARTINGER gemachten Vorschlag, das Statistische Zentralamt mit der Vollziehung des § 8 des Bezügebegrenzungsgesetz zu betrauen, hielt der Rechnungshofpräsident für realisierbar, es müssten nur Verknüpfungen mit Finanzämtern und Sozialversicherungen hergestellt werden, wofür man aber auch wieder eine Verfassungsbestimmung brauche.

Der Rechnungshofpräsident informierte die Abgeordneten, dass der Verfassungsgerichtshof nicht nur die EU-Konformität und Übereinstimmung mit der EMRK prüfe, sondern auch der Begriff "Rechtsträger" zu klären ist. Es habe sich nämlich die Streitfrage herauskristallisiert, ob darunter auch die Kleingemeinden mit einer Einwohnerzahl von unter 20.000 fallen, die normalerweise nicht vom Rechnungshof geprüft werden.

Außerdem ändere sich der Begriff auf Grund von Privatisierung, Zusammenlegung und Gründung von Teilunternehmen laufend. Er könne daher die Zahl der zur Meldung verpflichteten Rechtsträger nur ungenau in der Größenordnung von 7.000 bis 8.000 angeben. Insgesamt schätzt Fiedler, dass ca. 320.000 Personen von der Meldung betroffen seien, übrig würden jedoch nur ca. 8.000 bis 12.000 bleiben, die über ein monatliches Bruttogehalt von 80.000 S verfügen. Als eines der großen Probleme des Gesetzes bezeichnete der Rechnungshofpräsident, dass auch Witwen und Witwer melden müssten. Der Rechnungshof habe daher Inserate in den Zeitungen geschaltet, um alle Rechtsträger und Personen, die zur Meldung verpflichtet sind, zu informieren. Die Kosten dafür bezifferte er mit ca. 1 Mill. S, die Personalkosten belaufen sich mittlerweile auf ca. 13 Mill. und der Sachaufwand auf ca. 2 Mill. S. 

Auf Grund des enormen Arbeitsaufwandes kündigte Fiedler an, dass er trotz des gesetzlich verbürgten Rechtes, bei Nichtmeldung Einschau zu halten, nur Stichproben durchführen werde. Dies deshalb, weil man bei Klärung der Rechtslage entweder das Gesetz für den Rechnungshof dann nicht mehr vollziehbar ist, oder er bei Entscheidung im Sinne des Gesetzgebers davon ausgehe, dass die meisten Rechtsträger ihrer Meldepflicht nachkommen werden. Er könne es aber zum derzeitigen Zeitpunkt nicht verantworten, die Ressourcen in diesem Bereich zu binden und damit kaum mehr Spielraum für die Gebarungsprüfung zu haben. In dieser Vorgangsweise wurde er ausdrücklich vom Vorsitzenden des Ausschusses unterstützt.

Vom Abgeordneten GAUGG (F) wurde auch die Bank Burgenland angesprochen. Präsident FIEDLER erläuterte daraufhin die Schritte, die bereits vor Bekanntwerden des Betrugsfalles vom Rechnungshof anlässlich der Gebarungsprüfung gesetzt worden sind. Diese habe im Herbst vergangenen Jahres begonnen, im Dezember sei eine Schlussinformation erstellt worden. Das Prüfungsergebnis werde aber erst dann erstellt, wenn der Status der Bank bekannt gegeben worden sei. Dies sei bis jetzt nicht erfolgt. In der Zwischenzeit habe jedoch der burgenländische Landtag an den Rechnungshof das Ersuchen gestellt, weitere Prüfungsschritte in Angriff zu nehmen, die bereits  initiiert worden seien. Die Gebarungsprüfung sei daher derzeit anhängig. (Fortsetzung)