Parlamentskorrespondenz Nr. 391 vom 28.06.2000

SIND SCHULEN AUSREICHEND MIT MODERNEN TECHNOLOGIEN AUSGERÜSTET ?

Wien (PK) - Die Mitglieder des Unterrichtsausschusses befassten sich heute mit einer breiten Themenpalette, die von der Gleichberechtigung für UnterrichtspraktikantInnen über mehr Möglichkeiten, den Schulabschluss nachzuholen, bis hin zu den modernen Technologien und dem Ausbau der Mitbestimmungs- und Mitentscheidungsrechte für SchülerInnen reichte.

HITZIGE DEBATTE UM HAIDERS WORTMELDUNG ÜBER "PARASITÄRE ELEMENTE"

Zunächst entwickelte sich jedoch eine Geschäftsordnungsdebatte, nachdem Abgeordneter DDr. NIEDERWIESER (S) die Ergänzung der Tagesordnung um eine Aussprache über aktuelle Fragen aus dem Arbeitsbereich des Ausschusses beantragt hatte. Grund dafür war eine von der Tageszeitung "Der Standard" zitierte Aussage des Kärntner Landeshauptmannes, der in dieser Funktion auch Präsident des Landesschulrates ist. Laut diesem Bericht soll Haider gesagt haben, dass jetzt in der Schule endlich Ordnung gemacht werde und parasitäre Elemente zur Kenntnis nehmen müssten, dass der Fasching vorbei sei.

Niederwieser meinte, dass diese Diktion an Zeiten der NS-Diktatur erinnere und sich gerade der Unterrichtsausschuss davon mit aller Deutlichkeit distanzieren sollte.

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) sprach sich gegen ein, wie er es nannte, "Aufschaukeln" aus, gab aber zu, dass eine solche Ausdrucksweise sicherlich nicht notwendig sei. Den Zusammenhang mit der NS-Zeit wies er vehement zurück, erinnerte aber gleichzeitig an die "Gesinnungsschnüffelei" der Grazer SPÖ. Außerdem habe es erst vor wenigen Wochen eine aktuelle Aussprache gegeben.

Der Vorsitzende des Ausschusses AMON (V) knüpfte daran an und ergänzte, eine solche Diskussion sollte sich mit inhaltlichen Fragen und nicht mit stilistischen beschäftigen. Dennoch erachte er Vergleiche aus dem Tierreich in der politischen Debatte für nicht sinnvoll.

Die SPÖ-Fraktion konnte sich dieser Argumentation nicht anschließen, da es sich bei der von Dr. Haider getätigten unakzeptablen Ausdrucksweise um eine hochpolitische Aussage handle, die unterstelle, Österreichs Kinder würden von "parasitären Elementen" unterrichtet. Damit würde auf der Menschenwürde der LehrerInnen herumgetrampelt, man nehme ihnen die Motivation und deshalb könne man auch nicht ganz einfach zur Tagesordnung übergehen. Außerdem seien in den letzten Wochen brisante Themen, wie geplante Einsparungsmaßnahmen oder Bewertung der Arbeit der LehrerInnen, in der Öffentlichkeit diskutiert worden, zu denen auch der Unterrichtsausschuss Stellung nehmen müsse.

Auch Abgeordneter BROSZ (G) teilte die Auffassung der SozialdemokratInnen und meinte, dass es in den letzten beiden Wochen eine heftige Diskussion um den Schulbereich wie schon lange nicht gegeben habe. Er werde daher den Antrag unterstützen.

Bei der Abstimmung wurde der Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung mit den Stimmen von F und V mehrheitlich abgelehnt.

GLEICHBERECHTIGUNG FÜR UNTERRICHTSPRAKTIKANT/-INNEN

Die Abgeordneten nahmen dann eine Änderung des Unterrichtspraktikumsgesetzes in Verhandlung, die eine legistische Lücke im Bereich der Gleichbehandlungsbestimmungen schließen soll.

Da UnterrichtspraktikantInnen nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, werden sie von keinem der geltenden Gleichbehandlungsgesetze erfasst und sind daher auch nicht gegen Diskriminierung auf Grund des Geschlechts und gegen sexuelle Belästigung geschützt. Durch die vorliegende Novelle soll dieses Versäumnis nachgeholt werden. Gleichzeitig wird eine Bestimmung aufgenommen, wonach personenbezogene Ausdrücke Männer und Frauen gleichermaßen umfassen. (180 d.B.)

Die Regierungsvorlage wurde allgemein begrüßt und einstimmig angenommen. Abgeordneter BROSZ (G) wandte jedoch ein, dass man auf Anregung der Salzburger Landesregierung die Materie direkt im Gleichbehandlungsgesetz hätte regeln sollen.

Die Grünen brachten gemeinsam mit den SozialdemokratInnen einen Abänderungsantrag ein, der in erster Linie vorsieht, sämtliche Bezeichnungen sowohl in der männlichen als auch in der weiblichen Form anzuführen. Dieser Antrag blieb in der Minderheit.

Da die Ergänzung der Tagesordnung um eine aktuelle Aussprache abgelehnt worden war, brachten S-Abgeordnete, unterstützt von den Grünen, einen Entschließungsantrag ein, der die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auffordert, die Aussagen des Kärntner Landeshauptmannes in der Öffentlichkeit zurückzuweisen und alles zu unternehmen, dass im Rahmen der LehrerInnenausbildung ein Schwerpunkt auf politische Bildung und insbesondere auf die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus gesetzt wird. Auch dieser Antrag wurde von den Regierungsfraktionen abgelehnt.

BILDUNGSPOLITISCHE MASSNAHMEN FÜR MEHR CHANCEN AM ARBEITSMARKT

Im Anschluss daran stand einmal mehr der Zusammenhang von (Aus-) Bildung und Berufschancen, von Bildungs- und Sozialpolitik zur Diskussion. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass Arbeitsuchende mit niedrigen Bildungsabschlüssen oder abgebrochenen Berufsausbildungen ungleich höher von Arbeitslosigkeit betroffen sind als Personen mit höheren Bildungsabschlüssen. Die SPÖ sah sich daher veranlasst, in einem Entschließungsantrag die Weiterführung und den Ausbau des Angebots an gebührenfreien Angeboten für die Nachholung von Schulabschlüssen, weiters Maßnahmen zur Berufs- und Bildungswegorientierung sowie die Nutzung des berufsbildenden Schulwesens für diese Zwecke zu fordern. Der Antrag wurde mehrheitlich von F und V abgelehnt. (160/A[E])

Abgeordneter Dr. ANTONI (S) hegte die Befürchtung, dass im Herbst 2000 zu wenig Ausbildungsplätze, zu wenig Schulraum und zu wenig Werteinheiten zur Verfügung stehen würden. Dies führe dazu, dass viele SchülerInnen eine falsche Schulwahl träfen, in der Folge scheiterten und damit demotiviert würden. Diesen Kreislauf gelte es zu durchbrechen, weshalb Antoni eine wissenschaftliche Untersuchung anregte, ob sich die jungen Menschen tatsächlich an der Schule ihrer Wahl befänden. Abgeordneter RIEPL (S) ergänzte, dass es beim Nachholen von Schulabschlüssen trotz kürzlich erfolgter Gesetzesänderung für bestimmte Gruppen Probleme gäbe.

Abgeordnete Dr. BRINEK (V) unterstützte zwar die Intention des Antrages, wies aber darauf hin, dass die darin angesprochenen Maßnahmen bereits im Laufen seien, manches aber beobachtet werde, um eventuell nachzubessern. Unter Bezugnahme auf den von Dr. Antoni gemachten Vorschlag einer wissenschaftlichen Untersuchung warnte die Mandatarin davor, nur das als richtig anzusehen, was man zunächst anstrebe. Viele SchülerInnen wüssten nämlich nicht, wo ihre Begabungen und Stärken tatsächlich lägen, vieles stelle sich erst später heraus. Momentaufnahmen führen ihrer Meinung nach in diesem Bereich auf den falschen Weg.

Bundesministerin GEHRER meinte ebenfalls, dass der Antrag wichtige Themen anspreche, aber überholt sei, weil vieles bereits beschlossen und das andere in Angriff genommen worden sei. Sie wies darauf hin, dass drei neue Fachschulen für die Informationstechnologien errichtet worden seien. Was das Auffangnetz betreffe, so werde sich der Wirtschaftsausschuss in wenigen Tagen mit zwei Anträgen beschäftigen, wodurch unter anderem das Jugendausbildungsgesetz und die Vorlehre ausgeweitet und auch die Stiftungen weitergeführt würden. Neue Stiftungen werde es aber nicht geben.

IST DIE IT-AUFRÜSTUNG FÜR DAS BILDUNGSSYSTEM AUSREICHEND ?

Eine ausführliche Diskussion entwickelte sich dann über die Ausstattung der Schulen mit modernen Technologien und die entsprechende Ausbildung der LehrerInnen. Ausgangspunkt dafür war ein Antrag der S-Fraktion, der an europäische Initiativen anknüpft.

Bis Ende 2001 sollen alle Schulen in der EU Zugang zum Internet und zu Multimedia-Material haben, bis 2002 müssen alle hiefür erforderlichen LehrerInnen entsprechend geschult sein, geht es nach den Beschlüssen des Europäischen Rates von Lissabon vom 23. und 24. März 2000. Die SozialdemokratInnen griffen diese Forderungen in einem Antrag auf und drängen die Regierung, alle Schulen mit modernen Informations- und Kommunikationstechnologien rasch auszustatten. Der Antrag fand jedoch nicht die erforderliche Mehrheit und wurde nur von S und G unterstützt. (161/A[E])  

Auch hier argumentierte Abgeordnete Dr. BRINEK (V), dass man mit dieser Schwerpunktbildung gut unterwegs sei und nannte als Beispiele dafür die drei neuen Fachschulen, das Diplomstudium für "Informatikmanagement-Informatik", die Lehramtsstudienrichtung "Informatik" sowie zahlreiche mit der Industrie ausgearbeitete Modelle zur Ausstattung der Schulen.

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) bekräftigte diese Meinung auch seitens seiner Fraktion und wies darauf hin, dass die Schulautonomie auch zu einem eigenverantwortlichen Schulmanagement führen müsse, das auch Wege zu finden habe, Mittel zu lukrieren. Die Schulen seien offen und hätten sich auch zu modernen Lernzentren für die Erwachsenenbildung entwickelt, so der Abgeordnete. 

Dem hielt Abgeordneter Dr. ANTONI (S) entgegen, dass die Pflichtschulen, die Berufsschulen und der polytechnische Bereich weit im Hintertreffen seien und man bei den Finanzausgleichsverhandlungen daher auch jene Regionen berücksichtigen müsse, wo wenig Industrie vorhanden sei. Offen seien aber auch noch immer der Computerführerschein und Fragen, wie der Umgang und das Lernen mit dem PC funktioniere.

Abgeordneter BROSZ (G) griff diesen Aspekt auf, indem er meinte, es gehe nicht nur darum, wie der Ablauf funktioniere, vielmehr sei das Engagement der LehrerInnen notwendig, um den Betrieb mit Computern sicherzustellen. Man müsse auch großes Augenmerk auf eine kostenlose Fortbildung der gesamten Lehrerschaft legen, ein eigenes Lehramtsstudium sei jedenfalls zu wenig.

Sowohl von den Grünen als auch von den sozialdemokratischen MandatarInnen wurde immer wieder auf die freiwilligen Leistungen der LehrerInnen hingewiesen, wobei man aufgrund der Aussage des Kärntner Landeshauptmannes weitere Demotivation und damit Probleme im Herbst befürchtet. Allgemein wurden von den sozialdemokratischen Abgeordneten die Unterschiede zwischen den Bundesschulen und den Schulen in den Kommunalbereichen thematisiert und in diesem Zusammenhang Schritte gefordert, die geeignet sind, diese Kluft aufzuheben. Abgeordneter Mag. GASSNER (S) sprach die notwendige Öffnung der Schulen für Erwachsenenbildung an und kritisierte, dass dies gegen Entgelt erfolge und auch nicht im ausreichenden Ausmaß sichergestellt sei.

Bundesministerin GEHRER stellte ihrerseits fest, dass die Bundesregierung auf dem Wege sei, die Zielsetzungen von Lissabon und Feira umzusetzen und forderte alle Interessierten auf, sich auf der Homepage des Bildungsressorts über die konkreten Maßnahmen und Pläne zu informieren.

Abschließend richtete sie an alle die Bitte, zur Deeskalierung beizutragen, wenn man der Schule etwas Gutes tun wolle. Sie sei auch nicht glücklich darüber, wenn dauernd von den freiwilligen Leistungen der LehrerInnen in der Freizeit gesprochen werde. Vielmehr sei es für alle ArbeitnehmerInnen eine Selbstverständlichkeit, sich fortzubilden, um mit den neuen Technologien arbeiten zu können. Mit einer Studie über das Wesen des Lehrer-Seins wolle sie die unselige Diskussion über die Arbeitszeit im Unterrichtsbereich beenden, betonte Gehrer abschließend. 

AUSWEITUNG DER SCHÜLER/-INNENRECHTE ABERMALS VERTAGT

Der Unterrichtsausschuss nahm die am 25. Mai 2000 vertagten Verhandlungen über eine Ausweitung der Mitbestimmungs- und Mitentscheidungsrechte der SchülerInnen wieder auf und beschloss auf Antrag des Abgeordneten Mag. SCHWEITZER (F) gegen die Stimmen von S und G abermals die Vertagung des Antrages.

Der Antrag der SozialdemokratInnen beruft sich auf eine entsprechende bereits einmal vom Nationalrat gefasste Entschließung. Die SPÖ fordert darin, der Schülervertretung ein Vorschlags- und Stellungnahmerecht bei der Klassenvorstands- und Lehrerzuweisung zu geben und die Schulleitung zu verpflichten, die SchülervertreterInnen bei der Erfüllung ihrer Tätigkeit - vor allem durch kostenloses Mitbenutzen der schulischen Infrastruktur - zu unterstützen. Zudem sollen die SchülervertreterInnen das Recht erhalten, auch an Lehrerkonferenzen teilzunehmen, die Leistungsbeurteilungen von SchülerInnen zum Gegenstand haben. Ergänzend zur Versammlung der SchülervertreterInnen will man eine Schülerversammlung einführen. (86/A)

Die Abgeordneten der Regierungsparteien begründeten den Vertagungsantrag mit der im Herbst stattfindenden Neuwahl der SchülerInnenvertretung. Es sei sinnvoller, so die Abgeordneten Mag. SCHWEITZER (F) und AMON (V), mit den neuen VertreterInnen über deren Vorstellungen zu diskutieren.

Diese Vorgangsweise fand bei den Abgeordneten der SozialdemokratInnen und der Grünen kein Verständnis. Abgeordneter Dr. ANTONI (S) wies darauf hin, dass es sich bei der Initiative nur um kleine Schritte handle und zeigte sich darüber enttäuscht, dass seit dem letzten Unterrichtsausschuss keine Kontaktnahme über den Inhalt des Antrages erfolgt sei. Abgeordneter BROSZ (G) sowie Abgeordnete SCHASCHING (S) hielten es für sinnvoller, mit jenen SchülervertreterInnen zu sprechen, die bereits über Erfahrung verfügen. (Schluss)