Parlamentskorrespondenz Nr. 397 vom 28.06.2000

UMWELTAUSSCHUSS: UVP-NOVELLE PLENUMSREIF

Wien (PK) - Der Umweltausschuss hat sich heute zunächst mit dem Umweltförderungsbericht 1999 befasst und ihn nach einer konzentrierten Debatte einstimmig zur Kenntnis genommen. Wie Berichterstatter ELLMAUER (VP) eingangs ausführte, hat der Bund im abgelaufenen Jahr mit 4,7 Mrd. S 2.092 Umweltschutzprojekte gefördert und damit Investitionen von insgesamt 15,2 Mrd. S unterstützt. Der größte Teil kam der Siedlungswasserwirtschaft mit 3,9 Mrd. S (Investitionsvolumen 11,25 Mrd. S) zugute. Bis 2012 wird der Investitionsbedarf auf insgesamt 175 Mrd. S geschätzt. Inhaltliche Schwerpunkte des Berichts liegen auf Konzepten zur Kostendämpfung in der Siedlungswasserwirtschaft und den Maßnahmen zur Verminderung der Emission klimarelevanter Gase gemäß der Kyoto-Vereinbarung. 481 von 604 Projekten der Umweltförderung/Inland dienten 1999 diesem Ziel. Um bis zur Kyoto-Zielperiode in Österreich eine jährliche Reduktion der Treibhausgas-Emissionen um 16 Mill. t CO2-Äquivalent zu erreichen, sind bis 2010 jährlich 16,5 bis 18,7 Mrd. S an Investitionen notwendig. Der zusätzliche Förderungsbedarf wird auf 1,52 bis 2,42 Mrd. S pro Jahr geschätzt. Dritter Themenschwerpunkt des Berichts war die Altlastensanierung, die durch eine Gesetzesnovelle beschleunigt und ökonomisch effizienter gestaltet werden soll.

Abgeordneter BRIX (S) sprach von einem Bericht, der die ambitionierte Umweltförderungspolitik der vergangenen Jahre deutlich mache und äußerte die Hoffnung auf eine Fortsetzung dieser erfolgreichen Politik.

Abgeordneter KOPF (V) legte einen Antrag der Regierungsparteien vor, aufgrund dessen der Ausschuss im Zusammenhang mit dem Umweltförderungsbericht 1999 eine 500 Mill. S-Sondertranche aus dem Reinvermögen des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds zur Förderung der Siedlungswasserwirtschaft mit S-F-V-Mehrheit beschloss. Kopf begründete die Sondertranche mit erhöhtem Investitionsbedarf im Jahr 2000. Die zusätzlichen Arbeitsplätze bezifferte Kopf mit 1500 Arbeitsplätzen.

Insgesamt beträgt das Zusagevolumen für die Siedlungswasserwirtschaft im Jahr 2000 rund 2,9 Mrd. zuzüglich von rund 750 Mill. S, die durch die mögliche Wiederausnützung frei gewordener Sondertranchemittel bereitstehen.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) deponierte in ihrer zustimmenden Wortmeldung den Wunsch nach mehr Kyoto-Relevanz der Umweltförderungspolitik und plädierte dafür, in der Siedlungswasserwirtschaft vor weiteren Zuwendungen die Effizienz zu prüfen und ein Moratorium zu verhängen, um Schwachpunkte auszumerzen.

Abgeordneter GRAF (F) lobte die Arbeit der Kommunalkredit bei der objektiven Erledigung von Förderungsansuchen und unterstrich seinerseits den Handlungsbedarf bei der Verminderung der CO2-Emissionen.

Bundesminister Mag. MOLTERER bekannte sich zur Schwerpunktbildung in der Förderungspolitik zugunsten der Erfüllung des Kyoto-Zieles, warnte aber zugleich vor einem Moratorium im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft, zumal dort der Investitionsbedarf sehr hoch sei. Zudem bat er darum, die Altlastensanierung nicht aus den Augen zu verlieren.

VERSCHLECHTERT DIE UVP-NOVELLE UMWELTSTANDARDS?

Dann setzten die Ausschussmitglieder die nach der Generaldebatte am 23.5.2000 vertagten Beratungen über die Neugestaltung der Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne der UVP-Richtlinie fort und gingen auf der Grundlage je eines Antrages der Regierungsparteien und der Grünen in die Spezialdebatte ein, zu der jede Fraktion auch einen Experten geladen hatte.

ÖVP und FPÖ (168/A) wollen vereinfachte Genehmigungsverfahren für Großvorhaben bei Wahrung der geltenden Umweltstandards einführen. Dadurch soll die Verfahrensdauer von 18 auf 9 Monate reduziert werden. Nur noch sechs Monate sollen neue vereinfachte Verfahren für Projekte mit weniger gravierenden Umweltauswirkungen dauern. Das Vorverfahren zur UVP soll nur fakultativ zur Anwendung kommen, das Verfahren für die Erstellung eines Umweltverträglichkeitsgutachtens einfacher und flexibler gestaltet werden.

Dazu brachten die Abgeordneten KOPF (V) und Mag. SCHWEITZER (F) einen Abänderungsantrag mit folgenden Neuerungen ein: Vorhaben, die im vereinfachten Verfahren genehmigt werden, sollen einer Abnahmeprüfung unterzogen werden, mit der kontrolliert wird, ob das Projekt bescheidgemäß errichtet wurde. Der Übergang der Kompetenz auf die nach den Materiengesetzen zuständigen Behörden wird auch im vereinfachten Verfahren erst mit Rechtskraft des Abnahmegesetzes erfolgen.

Die UVP-Novelle soll nicht, wie zunächst vorgesehen, am 1. Juli 2000 in Kraft treten, sondern am Tag nach der Veröffentlichung. Das bedeutet, dass Projekte, die derzeit nicht UVP-pflichtig sind, wie etwa bürgerbeteiligungspflichtige Vorhaben, vom Geltungsbereich der Novelle ausgenommen sind, wenn sie die UVP-Richtlinie unmittelbar anwenden.

Für die Massentierhaltung wurde bei den Schwellenwerten für die UVP-Pflicht ein Kompromiss zwischen der geltenden Rechtslage und den EU-rechtlichen Mindestvorgaben gefunden. Die neuen Grenzwerte für Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Tieren lauten - bisherige Werte in Klammern -: 48.000 Legehennen-, Junghennen- oder Truthühnerplätze, 65.000 Mastgeflügelplätze (bisher 42.000 Legehennenplätze, 84.000 Junghennen- oder Mastgeflügelplätze); 2.500 (bisher 1.400) Mastschweineplätze und 700 (bisher 500) Sauenplätze. - Durch eine Klarstellung wurde schließlich eine UVP-Pflicht für Blutspendeeinrichtungen ausgeschlossen.         

Die Grünen wollten mit ihrem Antrag für ein Umweltanlagengesetz (149/A,E) festlegen, welche Anlagen mit welchen Verfahren genehmigt werden können, wie die Verfahren ablaufen und wie die Kontrolle aussehen soll. Die Zuständigkeit für Genehmigung und Kontrolle soll nach ihren Vorstellungen bei einer einzigen Behörde liegen. Das Umweltanlagengesetz soll für alle Vorhaben mit Umweltauswirkungen gelten und sicher stellen, dass eine strategische Umweltverträglichkeitsprüfung sowie Bundesfachplanungen und Raumplanungen der Länder koordiniert erfolgen.

UVP-NOVELLE: GEGENSATZ BEI EXPERTEN, STREIT BEI POLITIKERN  

Mag. Stefan MOIDL (Grüne) leitete die Debatte mit der Feststellung ein, dass der EU-Umsetzungsbedarf für das UVP-Gesetz sehr gering gewesen sei, die Novelle aber durch die Erhöhung von Schwellenwerten, die Einführung des vereinfachten Verfahrens und die faktische Abschaffung der UVP für Gewerbe und Industrie sehr tief eingreife. Dies sei nicht nachvollziehbar, da die Schwellenwerte in Österreich sehr hoch und die Zahl der UVP-Verfahren im internationalen Vergleich sehr gering sei. Das vereinfachte Verfahren bedeute einen Verzicht auf eine integrative Beurteilung unabhängiger Expertenaussagen und damit einen Schritt zurück zu den Materiengesetzen. Mängel ortete Mag. Moidl bei der Öffentlichkeit der Verfahren und der Parteistellung der Bürger. Er befürchtete eine geringere Qualität behördlicher Entscheidungen und eine Zunahme von Konflikten.

Dr. Peter BUSSJÄGER (ÖVP) erinnerte daran, dass sich das UVP-Gesetz nicht bewährt habe und es daher legitim sei, die Verfahren unter Beibehaltung der Standards zu vereinfachen, dies auch deshalb, weil die Umsetzung der EU-Richtlinie eine starke Ausweitung der Verfahren mit sich bringe. Bussjäger sprach von adäquaten Lösungen, die es den Behörden erlauben werde, flexibler vorzugehen.

Die Wiener Umweltanwältin Ing. Dr. BÜCHL-KRAMMERSTÄTTER (von der SPÖ nominierte Expertin) sah den Entfall des Bürgerbeteiligungsverfahrens als positiv, die Einführung einer Zweiklassen-UVP aber als negativ an. Das neue vereinfachte Verfahren biete nicht mehr als das allgemeine Verwaltungsverfahren gemäß AVG, wobei es problematisch sei, die Bürgerinitiativen von der Parteienstellung auszuschließen. Dieser Nachteil werde durch die begrüßenswerte Parteienstellung für Umweltanwälte nicht aufgehoben, da Bürgerinitiativen andere Interessen bündelten. Auch der Verzicht auf das Vorverfahren sei ein Rückschritt, da es sich bei der frühzeitigen Einbindung von Bürgerinteressen bewährt habe.

Prof. Dr. Gerhard SPITZER (FPÖ) sah mit der Novelle einen Schritt in Richtung auf das Fernziel einheitliches Anlagenrecht gesetzt und unterstrich die Bedeutung einer ausreichenden Abschätzung synergetischer Wirkungen von Einzelvorhaben auf die Umwelt, die Herstellung sozialer Akzeptanz und die Beachtung wirtschaftlicher Aspekte, insbesondere hinsichtlich der Verfahrensdauer.

Abgeordnete Mag. SIMA (S) bedauerte die Demontage der UVP und setzte sich im Detail mit dem Entfall der UVP-Erklärung, der öffentlichen Auflage und dem Ende der Parteienstellung für Bürgerinitiativen auseinander. Auch wenn die Abnahmeprüfung im vereinfachten Verfahren positiv sei, bedeute die Anhebung von Schwellenwerten in der Massentierhaltung und die bloß fakultativen Bestimmungen für das Vorverfahren eine zum Teil auch "verfassungsrechtlich bedenkliche Verschlechterung des UVP-Gesetzes unter dem Deckmantel der EU-Anpassung".

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) schlug in dieselbe Kerbe und kündigte die Ablehnung der UVP-Novelle durch ihre Fraktion an. Die Argumentation einer notwendigen Verkürzung der Verfahrensdauer sei angesichts einer dazu vorliegenden Studie inakzeptabel. UVP-Verfahren dauern kürzer als andere Verfahren. Außerdem habe sich herausgestellt, dass die Bündelung von Einwendungen durch Bürgerinitiativen ökonomisch vorteilhaft sei und auch das Vorverfahren verfahrensökonomisch positiv gewirkt habe. In ihrer Detailkritik setzte sich die Umweltsprecherin der Grünen mit hohen Schwellenwerten bei Wasserprojekten und unzureichenden Bestimmungen zum Schutz der Alpenregion auseinander. Ein besonders trauriges Kapitel sei die Anhebung der Schwellenwerte im Bereich der Massentierhaltung. Glawischnig machte darauf aufmerksam, dass diese Schwellenwerte nicht IPPC-konform seien. EU-Normen würden verwendet, um Standards "herunterzunivellieren". Der Dialog mit Betroffenen werde verunmöglicht, sagte Glawischnig und überreichte dem Ausschuss die Protestnote einer Bürgerinitiative gegen die Erhöhung der Schwellenwerte bei der Massentierhaltung.

Abgeordneter KOPF (V) erläuterte das nunmehr abgestufte System der Genehmigungsverfahren, das auf höchster Ebene das UVP-Verfahren, dann das vereinfachte Verfahren, das IPPC-Verfahren und das gewerberechtliche Verfahren nach dem Grad der jeweils zu erwartenden Umweltbeeinträchtigung umfasse. Es sei falsch, wenn die Grünen sagen, die UVP werde abgeschafft. Die zitierte Studie zeige die Schwächen des UVP-Gesetzes deutlich auf. Es sei daher angebracht, dieses Gesetz praxisgerechter zu gestalten, zumal sein Geltungsbereich ausgedehnt werde; damit wird die Akzeptanz des UVP-Gesetzes erhöht, zeigte sich Kopf überzeugt. Er ersuchte die Opposition, auf unseriöse Argumentationen über eine angebliche Verschlechterung von Umweltstandards zu verzichten. Es handle sich um einen Schritt in Richtung Praxis, ohne Standards anzugreifen. Ob ein Projekt zulässig sein soll, soll materiell entschieden werden, nicht durch Verfahrensschikanen.

Auch Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) wies den Vorwurf zurück, Umweltstandards würden verschlechtert und die Rechte der Betroffenen demontiert. Die Schwellenwerte bei der Massentierhaltung werden durch den Abänderungsantrag um 20 % abgesenkt, sagte Schweitzer.

In einer zweiten Verhandlungsrunde konzentrierte sich der Abgeordnete BRIX (S) auf Detailfragen hinsichtlich des Straßenbaus, Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) räumte teilweise Verbesserungen beim Schutz alpiner Regionen ein, wies aber nachdrücklich darauf hin, dass der Schwellenwert von 20 ha für UVP-Verfahren für neue Schigebiete viel zu hoch sei.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG(G) machte darauf aufmerksam, dass das Versprechen der Bundesregierung, gentechnische Anlagen einer UVP zu unterziehen, eine UVP nach dem geltenden Gesetz gemeint habe.

Abgeordneter Mag. GASSNER (S) machte auf das Problem wirtschaftlicher Macht bei der Durchsetzung von Projekten aufmerksam. Gassner bedauerte die ersatzlose Streichung des Arbeitnehmerschutzes aus dem UVP-Gesetz.

In seiner abschließenden Stellungnahme sprach Mag. MOIDL  von vielfach unausgegorenen und sehr hohen Schwellenwerten in den Bereichen Wasserentnahme, Bewässerung, alpine Erweiterungsprojekte, Flugplätze und Massentierhaltung. Das vereinfachte Verfahren werde dazu führen, dass gegen Bescheide, die objektive Normen verletzen, nichts mehr unternommen werden könne.

Dr. BUSSJÄGER wies auf landesgesetzliche Bestimmungen für Gletscherschigebiete hin und trat der Behauptung entgegen, dass das vereinfachte Verfahren nichts wert sei, weil es den Behörden Erleichterungen bringe. Parteienrechte bleiben in allen Verfahren unbeschnitten, unterstrich der Experte und wies auf die neuen Rechte der Umweltanwälte hin.

Ing. Dr. BÜCHL-KRAMMERSTÄTTER wiederholte ihre Kritik am "Herunterreglementieren von Standards" und an der verfahrensökonomisch bedenklichen Nichtberücksichtigung von Bürgerinitiativen. Die Schwellenwerte für Straßenprojekte hielt die Expertin für nicht EU-konform.

Prof. Dr. SPITZER befürwortete die Straffung der Verfahren und wies darauf hin, dass ökologische Probleme häufig weit unter den Schwellenwerten auftreten. Er sah keine Verschlechterung von Umweltstandards, sondern eine Verbesserung durch die Parteistellung der Umweltanwälte.

Bundesminister Mag. MOLTERER unterstrich die Notwendigkeit, einen Ausgleich zwischen Verfahrensökonomie und Sicherung der Umweltstandards herbeizuführen. Die zitierte Studie sei dabei in wesentlichen Aspekten berücksichtigt worden, wobei der Minister ergänzend auf die wichtige Kumulierungsregelung hinwies. Die Herabsetzung von Schwellenwerten und die Aufnahme einer Abnahmeprüfung in das vereinfachte Verfahren hielt er für sinnvoll und machte darauf aufmerksam, dass der Unterschied zwischen der UVP und dem vereinfachten Verfahren nur im Verfahren selbst bestehe, nicht aber im materiellen Anspruch.

Die Umsetzung der IPPC-Richtlinie im Bereich der Massentierhaltung werde derzeit auf landesgesetzlicher Ebene geprüft. Zur Diskussion über Schwellenwerte im Bereich des Schutzes der Gewässer meinte der Minister, man sollte auch die Prüfungsverfahren unterhalb der UVP-Ebene berücksichtigen, vor allem im Wasserrechtsgesetz.

Schließlich wandte sich der Umweltminister entschieden dagegen, nur Vertretern bestimmter Organisationen Unabhängigkeit zuzusprechen. Es sei nicht zuzulassen, Mitarbeitern öffentlicher Einrichtungen unabhängige Expertise abzusprechen.

Die UVP-Novelle wurde unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages mit F-V-Mehrheit verabschiedet. Der Antrag der Grünen blieb in der Minderheit der Opposition. Ein von Abgeordnetem Kopf in der Debatte eingebrachter Entschließungsantrag für eine Anlagenrechtsreform in Richtung "One-Stop-Shop" unter Einbeziehung der Länder wurde mit der Mehrheit der Koalitionsparteien angenommen. (Schluss)