Parlamentskorrespondenz Nr. 419 vom 05.07.2000

AUSFÜHRLICHE DEBATTE ÜBER DIE PENSIONSREFORM IM NATIONALRAT

Direktübertragung des ersten Teils der Debatte im ORF

Wien (PK) - Mehr als ausreichend für eine heftige und lange Debatte sind die Themen, die den Abgeordneten für die 32. Sitzung des Nationalrats heute vorliegen. Nach dem Themenkreis "Sanktionen der 14" und Volksbefragung, den die Volkspartei für die Aktuelle Stunde auswählte, stehen die Pensionsreform und weitere Sozialthemen im Mittelpunkt - mehr als 40 Abgeordnete ließen sich in die Rednerliste allein zu diesen Themen eintragen. Von 9 bis 13 Uhr wurde die Debatte vom ORF im Fernsehen direkt übertragen.

Am Nachmittag wird die Debatte für eine von den Grünen eingebrachte Dringliche Anfrage an den Bundeskanzler unterbrochen. Die kleinere Oppositionspartei wirft der Bundesregierung "Versagen der Anti-Atompolitik bei der geplanten Fertigstellung des tschechischen AKW Temelin" vor. Vor der Fortsetzung der Normaldebatte wird noch eine Kurzdebatte über die Beantwortung (697/AB ) der Anfrage 699/J durch Verkehrsminister Schmid abgehalten.

SOZIALRECHTS-ÄNDERUNGSGESETZ 2000 * SOZIALVERSICHERUNGS-ERGÄNZUNGSGESETZ * PENSIONSREFORMGESETZ 2000

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Die heutige Debatte werde beweisen, so Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) als erster Redner seiner Fraktion, wer die "Drüberfahrer" sind, denn die Koalition werde gegen alle Einwendungen des Verfassungsdienstes und des Rechnungshofes eine überstürzte Pensionsreform beschließen. Die SozialdemokratInnen würden daher alle Möglichkeiten ausschöpfen, um den Österreicherinnen und Österreichern zu ihrem Recht zu verhelfen, kündigte der SPÖ-Chef an.

Gusenbauer sieht in den geplanten Änderungen keine strukturelle Reform, denn eine solche müsste auch den Einstieg in ein einheitliches Pensionsrecht für alle zum Inhalt haben. Außerdem, so der Redner, müssten die Chancen der Frauen am Arbeitsmarkt durch Wiedereinstiegshilfen, Qualifizierungsmaßnahmen und eigenständige Alterssicherung erhöht und nicht gesenkt werden. Ihm fehlen auch jene gesundheitspolitischen Maßnahmen und ArbeitnehmerInnenschutz­Bestimmungen, die geeignet sind, dass die Österreicherinnen und Österreicher länger gesund bleiben und damit länger arbeiten können. Es gebe auch keinerlei Motivation für die ArbeitgeberInnen, dafür etwas zu tun. Gusenbauer stellte auch in Abrede, dass es sich hier um eine langfristige Sanierung des Pensionssystems handelt. Vielmehr sei die Intention klar erkennbar, die Chancen für die Geschäfte privater Versicherungsunternehmen zu erhöhen.

Anhand von Beispielen versuchte Gusenbauer zu beweisen, wie tief die Einschnitte für die Bevölkerung in Zukunft sein werden. So würden laut einer Unterlage des Sozialministeriums bis 2004 die Pensionen um 53 Mrd. S gekürzt, die Menschen hätten dramatische Einschränkungen in ihrer Lebensverdienstsumme hinzunehmen. Die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit, welche Kürzungen des Erwerbseinkommens bis 200.000 S bedeuten kann, bezeichnete Gusenbauer als "sozialpolitischen Skandal". Auch die Neuregelung der Witwenpension, über die man durchaus diskutieren könne, sei eine Geldbeschaffungsaktion und widerspreche dem Prinzip einer leistungsstarken solidarischen Gesellschaft. Die Bundeszuschüsse zu den ASVG-Pensionen in der Höhe von 37,7 Mrd. S pro Jahr gegenüber 25 Mrd. S für lediglich 340.000 Gewerbetreibende und Bauern zeige, dass das ASVG nicht der wunde Punkt sei.

Abschließend urgierte Gusenbauer eine größere Beitragsgerechtigkeit und kritisierte die Selbstbehalte im Ambulanzbereich, die vor allem einen Anschlag auf kleine Einkommensbezieher und Familien darstellen. Die Finanzlücke werde man schon deshalb nicht schließen können, meinte er, weil man die Dienstgeberbeiträge für Arbeiter gesenkt habe. Die "Sündenbock-Ideologie", mit der Gusenbauer vor allem die Angriffe auf Eisenbahner, Beamte und Lehrer ansprach, entspreche seiner Meinung nach nicht dem Standard einer demokratischen Kultur.

Dieser Debattenbeitrag war für Abgeordneten AMON (V) eine Aneinanderreihung von Unwahrheiten, Irreführungen und Phrasen. Es könne keine Rede davon sein, dass die Pensionsreform überstürzt verhandelt worden sei. Der Beschluss falle auch nicht aus Jux und Tollerei, sondern sei deshalb notwendig, weil man an die Zukunft, an die Jugend und an die Kinder denke. Es werde auch nur das vorzeitige Pensionsanstrittsalter hinaufgesetzt, nicht aber das Regelalter für den Pensionseintritt. Wenn man keine Änderungen vornimmt, dann, so rechnete Amon vor, werde man im Jahr 2030 618 Mrd. S dem Pensionssystem zuschießen müssen, was beinahe dem gesamten Bundesbudget entspreche.

Amon stellte anschließend die Frage, ob es gerecht sei, der jungen Generation 1.700 Mrd. S Staatsschuld zu hinterlassen, jährlich neue Schulden zu machen und zuzuschauen, wenn pro Erwerbstätigem immer mehr Pensionisten erhalten werden müssten. Es müsse auch zu denken geben, wenn 31 % der PensionistInnen Hinterbliebenenpension, 14 % Invaliditätspension, 41 % Frühpension und nur 14 % Regelpension beziehen. Der Redner wies auch darauf hin, dass in bestehende Pensionen nicht eingegriffen werde und die Seniorenverbände dieser Reform zugestimmt haben. In Richtung des ÖGB merkte Amon an, dass man bei einer Vollzeitbeschäftigung von 70 % und einer Arbeitslosenrate von 3,5 %, was einer Vollbeschäftigung gleichkomme, das Problem des Pensionssystems nicht mehr über den Arbeitsmarkt regeln könne.

Abschließend brachte Amon einen Entschließungsantrag der Koalitionsparteien ein, in dem die Bundesregierung ersucht wird, das Pensionssystem unter Berücksichtung der demographischen Entwicklung langfristig und nachhaltig finanziell sicher zu stellen, in bestehende Pensionen nicht einzugreifen und Beitragserhöhungen zu vermeiden. Die betriebliche und private Altersvorsorge sollen als Ergänzung der gesetzlichen Pensionsversicherung ausgebaut werden.

Abgeordneter VERZETNITSCH (S) stellte in einer tatsächlichen Berichtigung fest, dass durch die Erhöhung des Pensionssicherungsbeitrages um 0,8 % auch in bestehende Pensionen eingegriffen werde.

Für Abgeordneten ÖLLINGER (G) lautet das Motto der heutigen Debatte "Geschwindigkeit statt Gerechtigkeit". Das, was heute beschlossen werde, sei keine Reform, die Vertrauen für die junge Generation schafft und die das Pensionssystem zukunftsfähig macht, so Öllinger. Da man mehr als bisher auf Eigenvorsorge setze, bedeute das für die Jungen, doppelt zahlen zu müssen. Mit dieser Reform werde das Pensionssystem absolut in Misskredit gebracht, stellte er fest.

Der grüne Mandatar erläuterte dann, welche Eckpunkte eine echte Pensionsreform haben müsste, und nannte in diesem Zusammenhang eine eigenständige Altersversorgung, ein transparentes Pensionssystem, den Einstieg in ein harmonisiertes Pensionssystem, ein Pensionssystem, das eine Grundsicherung für alle schafft, Beitragsgerechtigkeit und Gerechtigkeit zwischen verschiedenen Gruppierungen sowie Verteilungsgerechtigkeit.

Wir Grünen, sagte Öllinger, wollen nicht in erworbene Eigenpensionen eingreifen, halten es aber nicht für richtig, dass Ungerechtigkeiten zwischen den Erwerbstätigen und den Pensionisten durch Eingriffe in das Steuerrecht entstehen. Die Regierung solle den Menschen nur das zumuten, was sie sich selbst zumutet, erklärte er.

Zur Reform des Bezügegesetzes strich der G-Redner heraus, dass die FPÖ stets die Abschaffung der Politikerdoppelpensionen gefordert habe, diesbezüglich aber nichts unternommen wurde, da es noch immer Dutzende Politiker gebe, die für 15 oder 20 Jahre politischer Tätigkeit mit 170.000 oder 180.000 S in Pension gehen. Man könne mit dieser Regelung keine Milliarden einsparen, aber es gehe hiebei um eine Frage der Glaubwürdigkeit.

Da die Grünen nicht haben wollen, dass eine Frau, die mit 52 Jahren arbeitslos wird, nur mehr Arbeitslosengeld, aber keine Notstandshilfe mehr erhält, legt der Redner einen Abänderungsantrag vor, der diese neue Regelung repariert.

Abgeordneter GROSSRUCK (V) machte in einer tatsächlichen Berichtigung klar, dass seit der einstimmig beschlossenen Bezügereform 1997 Politiker keine Politikerpension mehr erhalten. Er sei Bürgermeister und zugleich Abgeordneter und werde eine ASVG-Pension von 22.000 S netto erhalten, hob der Redner hervor.

F-Abgeordneter Mag. HAUPT bezog sich vorerst auf die tatsächliche Berichtigung seines Vorredners und wies darauf hin, dass das Bezügegesetz nicht einstimmig, sondern gegen die Stimmen der Freiheitlichen beschlossen worden sei. Nur wenige Abgeordnete hätten noch Pensionsprivilegien; wären jedoch die Grünen und die Sozialdemokraten bereit, Eingriffe in alte Rechte zu beschließen, dann könnte ein Änderungsbeschluss, der einer Zweidrittelmehrheit bedarf, zu Stande kommen, betonte Haupt.

Überleitend zu den Rahmenbedingungen für die Pensionsreform hob der Sozialsprecher hervor, dass die alte Regierung zu Beginn des Jahres Schulden in der Höhe von 1.650 Mrd. S und Mitte des Jahres von 1.700 Mrd. S hinterlassen hat. Seit 1996 laufe die Debatte über eine Pensionsreform, aber es sei nie gelungen, Adaptierungen in einer Gesamtreform zusammenzufassen.

Dem Vorwurf, die FPÖ spiele eine Bevölkerungsgruppe gegen die andere aus, begegnete der Mandatar mit der Feststellung, dass auch die Bauern, die Gewerbetreibenden, die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst und jene in der Wirtschaft ein Anrecht darauf hätten, nach einem langen Arbeitsleben eine Pension zu erhalten, von der man leben kann.

In einer tatsächlichen Berichtigung widersprach Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) der Behauptung Haupts, sie hätte Politikerprivilegien in Anspruch genommen, und machte darauf aufmerksam, dass sie lediglich eine Übergangszahlung erhalten habe.

S-Abgeordneter EDLINGER berichtigte tatsächlich, dass die hinterlassenen Schulden Kollektivschulden sind, die in den letzten 13 Jahren von Seiten der ÖVP besonders kostenintensiv gemacht wurden.

Abgeordnete SILHAVY (S) warf der Koalition vor, die Gesellschaft spalten zu wollen, jeden gegen jeden auszuspielen und eine Umverteilung von unten nach oben vorzunehmen. Sogar der Rechnungshof habe die Feststellung getroffen, dass es sich um keine Reform, sondern um ein Pensionspaket und eine reine Geldbeschaffungsmaschinerie handelt. Unverständlich fand die Rednerin, dass man auch für Kinder Ambulanzgebühren einheben wird und ganz allgemein Sanktionen gegen Frauen Platz greifen. In einem Antrag forderte sie die Rückverweisung der Regierungsvorlage an den Ausschuss.

Vizekanzlerin Dr. RIESS-PASSER: Mit der heutigen Beschlussfassung wird garantiert, dass die Menschen, die sich im Erwerbsleben befinden, und die junge Generation die Garantie haben, dass auch sie noch eine Pension erhalten. Die Finanzierungsprobleme des österreichischen Pensionsversicherungssystems seien allgemein bekannt, habe doch die Regierung seit 1991 Studien und Gutachten anfertigen lassen, die zum Schluss kommen, dass das Pensionssystem gefährdet ist, sollte es nicht zu einer umfassenden Reform kommen. Die Hauptprobleme seien das zu niedrige Pensionsantrittsalter, die tief greifenden Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur und die höhere Lebenserwartung.

In Österreich haben wir die Situation, dass immer weniger Menschen mit dem gesetzlichen Pensionsantrittsalter in Pension gehen. Die Frühpension wurde aber geschaffen, um auf besondere Lebenslagen Rücksicht zu nehmen. Heute sei aber aus der Ausnahme die Regel geworden, konstatierte das Regierungsmitglied.

Ziel einer vorausschauenden Politik müsse es sein, die Belastungen für die kommenden Generationen in Grenzen zu halten. In bestehende Pensionen werde nicht eingegriffen und auch von Pensionskürzungen könne keine Rede sein.

Gerechtigkeit und Solidarität würden aber auch vom öffentlichen Dienst, der Post und der Bahn vorausgesetzt. Es werde kaum erklärbar sein, warum ein ÖBB-Bediensteter, der Verwaltungsarbeit in einem Büro erledigt, mit 53 Jahren in Pension gehen kann. Auch gebe es kein Verständnis dafür, dass ein Buschauffeur in der privaten Wirtschaft um sieben Jahre länger als ein ÖBB-Chauffeur, der noch dazu eine höhere Pension für weniger Beiträge erhalte, arbeiten muss.

Der Vorsitz führende Präsident Dipl.-Ing. PRINZHORN erteilte dem S-Abgeordneten Dr. Gusenbauer für seinen Zwischenruf "reine Lügenpropaganda" einen Ordnungsruf.

"Super waren wir!" - Diesen Zwischenruf ordnete Zwischenrufer Abgeordneter PARNIGONI (S) selber in einer tatsächlichen Berichtigung zu: Er habe diesen Zwischenruf im Zusammenhang mit der Äußerung des Abgeordneten Amon, als dieser von der hervorragenden Beschäftigungspolitik und den niedrigen Arbeitslosenraten sprach, gemacht. - Da waren wir tatsächlich super!

Abgeordnete REITSAMER (S) widersprach gleichfalls in einer tatsächlichen Berichtigung dem Abgeordneten Amon und der Vizekanzlerin, dass der Obmann des Pensionistenverbandes Karl Blecha der Pensionsreform zugestimmt hätte. Es liege ein Schreiben von Blecha vor, in dem er darauf hinweist, nie der Pensionsreform zugestimmt, jedoch Änderungen gebilligt zu haben, die den Pensionistenverbänden ein Verhandlungsmandat und Mitsprache ermöglichen.

Im Hinblick auf die Aussage der Vizekanzlerin, in bestehende Verträge werde nicht eingegriffen, stellte die Obfrau des Sozialausschusses fest, dass der Pensionssicherungsbeitrag um 0,8 % angehoben wird. - Ist dies kein Eingriff in bestehende Pensionen?, fragte sie.

Zum Vergleich der Vizekanzlerin hinsichtlich der Buschauffeure in der privaten Wirtschaft und der ÖBB strich die Rednerin heraus, dass der ÖBB-Bedienstete um 4 % mehr Pensionssicherungsbeitrag als der ASVG-Versicherte zu zahlen hat.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) sah in der Pensionsreform einen ersten Schritt zur langfristigen Sicherung des Pensionssystems. In Österreich gebe es die höchsten Pensionen der Welt, das Umlageverfahren gerate aber durch die Bevölkerungsentwicklung unter Druck. Die Situation verschärfe sich weiter, wenn keine Gegensteuerungsmaßnahmen gesetzt werden. Diesbezüglich habe man der Bevölkerung lange Sand in die Augen gestreut, meinte sie. Die schrittweise Anhebung des Pensionsantrittsalters für alle Berufsgruppen sei zwingend notwendig. Sie geschehe nicht überfallsartig, Härtefälle würden sehr wohl abgefedert, unterstrich die Rednerin. Die Pensionen sollen durch ein Drei-Säulen-Modell langfristig abgesichert werden, in dem überbetriebliche Pensionskassen aufgebaut und die private Vorsorge gesetzlich gefördert werde, betonte Hakl.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) übte heftige Kritik an den Selbstbehalten und der Einführung der Ambulanzgebühren, durch die seiner Meinung nach in erster Linie das unterste Einkommensdrittel betroffen würde. Die Ausnahmeregelungen von der Gebührenpflicht bezeichnete er in diesem Zusammenhang als unpraktikabel.  Grünewald hegte zudem Zweifel an der von der Regierung behaupteten Unfinanzierbarkeit des Gesundheitssystems und meinte, gerade die Bürger, und nicht die öffentlichen Haushalte, würden für einen immer größeren Teil der Kosten aufkommen.

Abgeordnete ZIERLER (F) warf der Gewerkschaft vor, den Sozialdemokraten mit ihrer Oppositionspolitik den Weg zurück zur Macht ebnen zu wollen. Die Gewerkschaftsvertreter hätten bloß Mitgefühl mit jenen, die Privilegien leben und weiterleben möchten, würden aber dabei vergessen, dass sie die Stimmung der Bevölkerung gegen sich haben. Die Regierung werde sich weder durch Drohungen noch durch Streiks von einem gesicherten Zukunftsweg für Österreich abbringen lassen, prophezeite sie.

Abgeordneter NÜRNBERGER (S) bezeichnete die Pensionsreform als Ungerechtigkeit und sah darin eine Geldbeschaffungsaktion der Regierung, um, wie er sagte, die Geschenke an Unternehmer und Bauern irgendwie zu finanzieren. Auf entschiedene Ablehnung des Redners stieß vor allem die Ambulanzgebühr. Irritiert zeigte sich Nürnberger darüber, dass diese Gebühr nur in Ambulatorien der Gebietskrankenkassen, nicht aber in privaten zu bezahlen sei. Weiters kritisierte er, dass die Gelder aus der Ambulanzgebühr nun für die Bauernkrankenkasse aufgewendet werden. Kranke Arbeitnehmer müssten nun für die Bauern zahlen, formulierte er.

Bundesminister Dr. BARTENSTEIN wies den Vorwurf der Geschenke an Unternehmer und Bauern scharf zurück. Unternehmer wie Bauern seien von dieser Pensionsreform genauso betroffen wie alle übrigen Gruppen. Sie würden vielmehr noch relativ stärker belastet als ASVG-Versicherte.

Bartenstein vermisste im Übrigen Vorschläge der Gewerkschaft und meinte, zur notwendigen Anhebung des Frühpensionsalters habe der ÖGB keinerlei diskutablen Alternativen anbieten können. Gerade weil die Regierung im Interesse der Jugend die Pensionen langfristig sichern will, setze sie diese Schritte jetzt. Pensionen würden nicht gekürzt, niemandem werde etwas weggenommen, versicherte Bartenstein. Es gehe nur darum, den Zuwachs des Bundeszuschusses zu den Pensionen zu reduzieren, stellte der Minister klar.

In einer tatsächlichen Berichtigung trat Abgeordneter NÜRNBERGER (S) der Behauptung von Minister Bartenstein entgegen, er habe die Anhebung des Frühpensionsalters um 24 Monate akzeptiert.

Auch Abgeordnete SILHAVY (S) korrigierte Bundesminister Bartenstein: Die vorliegende Reform laufe durchaus auf die Kürzung von Pensionen hinaus, etwa durch die Erhöhung des Pensionssicherungsbeitrages und durch die Änderung bei den Berufsunfähigkeitspensionen.

Schließlich berichtigte Abgeordnete REITSAMER (S) Bartensteins Aussage, Karl Blecha habe der Pensionsreform zugestimmt.

Abgeordneter PRINZ (V) verteidigte die Pensionsreform: "Wer eins und eins zusammenzählen kann, weiß, dass diese Reform notwendig ist, weil die Menschen länger leben, immer früher in Pension gehen und gleichzeitig die Geburtenrate sinkt".

Zur Untermauerung seiner Auffassung präsentierte Abgeordneter Prinz folgende Zahlen: In den nächsten 30 Jahren wird der Anteil der über 60-Jährigen von einem Sechstel auf ein Drittel der Bevölkerung anwachsen, während der Anteil der Jugendlichen von einem Drittel auf ein Sechstel sinken wird. Sind derzeit von den 55- bis 59-Jährigen in Österreich nur 43 % erwerbstätig, sind es in Dänemark mehr als 70 %, in Griechenland 52 % und in der Schweiz gar mehr als 80 %. Von den 60- bis 64-Jährigen arbeiten in Österreich nur noch 11 %, in der Schweiz 55 % und in den USA 46 %. 

Ein von Abgeordnetem Prinz vorgelegter Abänderungsantrag legt die Erfüllung der Wartezeit für die Inanspruchnahme der erhöhten Alterspension bei Anwendung eines Abkommens mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens fest.

Gegenüber der Kritik des Abgeordneten Prinz an den "Grauslichkeiten der Regierungen Kreisky, deren Schulden wir noch heute bezahlen", wies Abgeordneter DIETACHMAYR (S) in einer tatsächlichen Berichtigung darauf hin, dass der Bundesbeitrag für die Sozialversicherung der Bauern und die Pensionsversicherung der Gewerbetreibenden im Zeitraum 1970 bis 2000 528 Mrd. S ausmachte.

Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) ortete massive Verschlechterungen für Frauen durch die vorliegende Pensionsreform. Alleine von der Anhebung des Frühpensionsalters würden Frauen mit 4 % dreimal so stark betroffen wie die Männer. "Die Bundesregierung realisiert ihren Anspruch auf Gerechtigkeit für die jüngere Generation auf dem Rücken der Frauen", sagte Petrovic. Ihre Kritik galt auch der Einsparung der Kindergartenmilliarde, die ohnehin nur 600 Mill. S ausmache, sowie der Einstellung von Nebenbahnen. Denn fehlende Kinderbetreuungseinrichtungen und mangelnde Mobilitätsangebote des öffentlichen Verkehrs hinderten eine große Zahl von Frauen daran, am Erwerbsleben teilzunehmen, klagte die Rednerin. In ihren weiteren Ausführungen sprach Petrovic die Vermutung aus, die Regierung wolle sich durch eine spezielle Regelung für die Hinterbliebenen von Verfassungsrichtern die Neigung des VfGH sichern, und brachte dazu einen Abänderungsantrag ihrer Fraktion ein.

Abgeordneter GAUGG (F) sprach von einer Reform, die die Pensionen mittel- und langfristig sichere und gleichzeitig den jungen Menschen eine Beschäftigungschance gebe. Die Kritik der sozialdemokratischen Gewerkschafter wies der freiheitliche Arbeitnehmervertreter mit dem Hinweis darauf zurück, sie hätten jahrzehntelang nur Privilegien in geschützten Bereichen verteidigt. In der verstaatlichten Industrie, bei ÖBB, Post, OMV und im ÖGB selbst seien auf Kosten anderer Arbeitnehmer Pensionsprivilegien geschaffen worden, lautete der Vorwurf Gauggs.

Abgeordnete REITSAMER (S) meinte, der heutige Tag werde als ein Tag der Sozialdemontage in die Geschichte dieses Landes eingehen. Die Bundesregierung müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, zwar bereit zu sein, 300 Mill. S für eine Volksbefragung auszugeben, gleichzeitig aber eine Pensionsreform zu verabschieden, die ausschließlich der Geldbeschaffung diene. Reitsamer machte darauf aufmerksam, dass der Bundesbeitrag zu den Pensionen seit 1987 von 3 auf 2,3 % gesunken sei. Ab dem Jahr 2002 sei mit der Finanzierung der Pensionen aus dem Familientopf Schluss, weil dann jene Wahlversprechen erfüllt werden müssten, für die "der Bärentaler" dieser Koalition seinen Segen gibt.

In ihren weiteren Ausführungen setzte sich die Vorsitzende des Sozialausschusses kritisch mit Details der Vorlage auseinander und schloss mit der Aufforderung an den VP-Sozialsprecher Feurstein, er sollte doch zugeben, wie unwohl er sich bei dieser Reform fühle, habe er es doch noch im Jahr 1997 ausgeschlossen, dass Pensionen gekürzt werden. In einem Antrag verlangte Reitsamer die Rückverweisung der gesamten Vorlage an den Sozialausschuss.

Staatssekretär Dr. FINZ wies zunächst die Auffassung der Abgeordneten Petrovic zurück, die rechtlich begründete Hinterbliebenenregelung für die Verfassungsrichter entspreche der Absicht der Regierung, sich die VfGH-Richter geneigt zu machen.

Der Staatssekretär erinnerte daran, dass die Pensionsreform 1997 hinsichtlich des Pensionsantrittsalters praktisch nichts und mit der sehr langfristigen Einführung des Durchrechnungszeitraums im öffentlichen Dienst eine sehr  sanfte Regelung gebracht habe. Es gebe kein Naturgesetz, dass Beiträge mit Staatsanteilen finanziert werden müssen, sagte Dr. Finz und machte gleichzeitig auf die großzügigen Bestimmungen für beitragsfreie Pensionsanrechnungszeiten aufmerksam.

Dann schilderte Dr. Finz den Verlauf der Verhandlungen mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes. Zunächst hätten sich die Eisenbahner mit dem Argument ausgeklinkt, sie seien nicht zu einer Anhebung des Frühpensionsalters bereit, weil sie einen höheren Beitrag leisten. Bei der Post habe sich gezeigt, dass das Unternehmen aufgrund überhöhter Personalbestände nur ungenügend auf den Markt vorbereitet sei. Die Gemeindebediensteten seien wegen des "Sideletters" über die Vereinheitlichung der Pensionssysteme vom Verhandlungstisch aufgestanden, obwohl dies bereits Inhalt der Regierungserklärung gewesen sei. Damit sei der Druck auf den als einzigen übrig gebliebenen Vorsitzenden der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, nicht zuzustimmen, sehr stark geworden, obwohl die Verhandlungen mit ihm bereits weit gediehen waren. Die Regierung sei bereit gewesen, die Anhebung des Pensionsbeitrags um 0,8 % auszusetzen. Auch ohne Verhandlungsergebnis werde die amtswegige Pensionierung auf Fälle beschränkt, in denen wichtige dienstliche Gründe angegeben werden können, teilte der Staatssekretär mit und kündigte ausserdem Ausnahmen von der Kürzungsregelung bei Dienstunfähigkeit und verbesserte Übergangsregelungen für Postbedienstete an.

Außer Streit steht für V-Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER die demographische Entwicklung, die steigende Lebenserwartung und die Tatsache, dass immer mehr gesunde Senioren früher in den Ruhestand treten und länger in der Pension sind. Da man das Umlageverfahren beibehalten möchte, könne man nur entweder die Beiträge erhöhen oder das Pensionsantrittsalter anheben bzw. die Pensionshöhe verringern.

Sodann legte die Rednerin einen Abänderungsantrag vor. Dieser Antrag beinhaltet: eine gesetzliche Kodifizierung des Pensionsrechtes der künftigen Pensionisten der ÖBB, die Anpassung der Regelungen über die "beitragsgedeckte Gesamtdienstzeit" an die entsprechenden Regelungen des ASVG, die Vorverlegung des Ablaufs der Frist, innerhalb derer die Abgabe einer Erklärung betreffend Ruhestandsversetzung die Weitergeltung des bisherigen Pensionsantrittsalters gewährleistet, von 30. September auf den 30. Juni 2000 und die Anwendung der Regelungen über die Minderung des Witwen(Witwer)versorgungsbezuges auch auf Hinterbliebene von Verfassungsrichtern.

In seiner Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung machte Abgeordneter Dr. KOSTELKA (S) darauf aufmerksam, dass dieser Abänderungsantrag 30 eng bedruckte Seiten umfasse und damit im Widerspruch zu einer Vereinbarung in der Präsidiale stehe.

Abgeordneter Dr. SPINDELEGGER (V) meinte hingegen, bei diesem Antrag handle es sich eher um eine Formsache.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) ergänzte, es solle laut Journalistenaussagen auch Verhandlungen über Änderungen im GSVG-Pensionsrecht geben.

Abgeordneter Mag. HAUPT (F) betonte, der Antrag sei zeitgerecht im Parlament eingebracht worden und fließe verfassungskonform in die Debatte ein.

Der vorsitzführende Präsident sagte zu, in der nächsten Präsidiale diese Frage thematisieren zu wollen.

Abgeordnete HAIDLMAYR (G) sprach die Ambulanzgebühren an, die nun vom Hauptverband eingehoben werden sollen. Unklarheit bestehe aber noch hinsichtlich Kostenerfassung und Kosteneinhebung. Offene Fragen sind ihrer Ansicht nach nicht mit dem Hauptverband zu klären, sondern mit dem Minister.

Die Ambulanzgebühren nannte die Rednerin ungerecht, da sie nur in Ambulatorien der Versicherungsträger, nicht jedoch in Privatambulatorien eingehoben werden. Damit treffe man die sozial Schwächeren, unterstrich sie.

Abgeordneter Dr. PUMBERGER (F) bezeichnete den Behandlungsbeitrag in Ambulatorien sozial vertretbar und präsentierte einen Abänderungsantrag, wonach für Maßnahmen der Rehabilitation sowie für Vorsorge- und Gesundenuntersuchungen keine Ambulanzgebühren zu bezahlen sind.

Abgeordnete Dr. MERTEL (S) warf der Regierung vor, mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst Scheinverhandlungen geführt und den Abbruch der Beratungen provoziert zu haben. Es werde von einer Pensionsreform für Bundesbedienstete gesprochen, jedoch liege ein Katalog an Leistungskürzungen vor. Es werde in Lebensplanung und Lebensabläufe eingegriffen und das Vertrauen mit überfallsartigen Maßnahmen gebrochen. Ihrer Meinung nach gehe es um Geldbeschaffung und um Umverteilung, immerhin brauche man für das Kindergeld 7 Mrd. S.

Mit Gelassenheit und Gleichgültigkeit wurde von der Regierung vorgeschlagen, fuhr die Rednerin fort, dass man bei 40 Beitragsjahren mit 60 Jahren in Pension gehen könne. Dies sei für Frauen mit Kindern und für Frauen, die eine längere Ausbildungszeit hinter sich haben, nicht zu erreichen. Außerdem werden die Abschläge um 1 % pro Jahr erhöht, wenn jemand vor 61,5 Jahren in Pension gehen will, dies gelte auch bei dauernder Erwerbsunfähigkeit. Ist man krank, werden die monatlichen Bezüge nach sechs Monaten um ein Drittel gekürzt. Offen geblieben sei aber die Frage, ob diese Herabsetzung der Bezüge Auswirkungen auf die Pensionshöhe habe.

Als dienstrechtlich, aber auch verfassungsrechtlich bedenklich qualifizierte Mertel die Bestimmung der Zwangspensionierung von Beamten, zumal dies ein probates Mittel sei, um unliebsame Beamte loszuwerden. Zugleich könne man damit auch die Zahl der Dienstposten kürzen.

Abgeordneter DONABAUER (V) verwies auf das zwischen ÖVP und SPÖ verhandelte Regierungsprogramm, in dem Edlinger für eine Anhebung des Pensionsantrittsalters um 24 Monate eingetreten sei. Die Aufregung um die jährliche Anpassung der Rezeptgebühr verstand der Abgeordnete ebenso wenig wie um die Tatsache, dass die Sozialversicherungen dazu verhalten werden, kostenbewusster zu arbeiten und zu verwalten.

Ministerin Dr. SICKL: Diese Regierung steht für soziale Sicherheit, für ein tragfähiges soziales Netz, für die Erhaltung des bestehenden Sozialversicherungssystems, für den gelebten Generationenvertrag, für Wärme und Geborgenheit. Für mich, sagte Sickl, steht immer der Mensch, vor allem der Mensch mit sozialen Schwächen, im Mittelpunkt. Deshalb war es Zeit für eine Reform.

Mit der Pensionsreform würden die Pensionen gesichert und Wohlstand gewährleistet. Um sozial verträgliche Bestimmungen zu schaffen, werde das Pensionsantrittsalter um eineinhalb Jahre angehoben und die Abschläge um 1 % erhöht. Die Reform sei moderat und sozial verträglich, zumal eine Härteklausel und eine Vertrauensschutzklausel eingeführt würden, alle Berufsgruppen bzw. Männer und Frauen gleich betroffen seien und der Berufsschutz für alle Berufsgruppen verbessert werde. Für besonders sensible Berufsgruppen, etwa die Bauarbeiter, ändere sich nichts.

In einer Wortmeldung zur Geschäftsordnung betonte G-Abgeordnete Dr. PETROVIC, es sei nicht ausgemacht gewesen, dass heute ein Mega-Abänderungsantrag vorgelegt wird. Bei kursorischer Durchsicht musste sie feststellen, dass gravierende und wesentliche arbeitsrechtliche Änderungen vorgenommen werden. So erfolge eine Neudefinition des Begriffes "Arbeitsunfall", bei der der Wegunfall herausgenommen wird. Sie kündigte an, die Wünsche ihrer Fraktion auf getrennte Abstimmung erst kurz vor Beginn der Abstimmung bekannt geben zu können.

Abgeordnete Dr. FEKTER (V) warf ein, die Regelungen über die Minderung des Versorgungsbezuges von Verfassungsrichtern sei in diesem Antrag leicht zu finden.

Auf den Präsidial-Rundlaufbeschluss verwies Abgeordneter Dr. KOSTELKA (S). Demnach seien umfangreiche § 27-Anträge und umfassende Abänderungsanträge bis 24 Stunden vor Beginn der Ausschusssitzung zu übermitteln.

Abgeordneter VERZETNITSCH (S) trat in einer tatsächlichen Berichtigung der Behauptung von Bundesminister Bartenstein entgegen, er habe falsche Beispiele mit falschen Zahlen genannt. Verzetnitsch zitierte eine Berechnung, aus der hervorgeht, dass die von ihm genannte Pension durch die heutige Reform pro Jahr um 7.300 S gekürzt wird.

Abgeordnete Dr. PITTERMANN (S) warf der Regierung vor, eine Änderung für die Sozialversicherungsambulanzen dem Sozialausschuss unter Umgehung einer Begutachtung in Form eines Abänderungsantrages "kurzfristig auf den Tisch geknallt" zu haben. Die Ärztin kritisierte Neuerungen zu Lasten öffentlicher Ambulatorien, die eine schlechtere Basisversorgung der Patienten, etwa bei vertragslosem Zustand mit den Ärzten, befürchten lasse. Dieses "grausame Gesetz" zerschlage unser Gesundheitssystem und bestrafe Kranke. Die Regierung verlasse den Weg der Solidarität - das lehnen die Sozialdemokraten ab, schloss Dr. Pittermann.

Abgeordneter Dr. KURZMANN (F) bekannte sich dazu, das Vertrauen der jüngeren Generation in das System der Alterssicherung durch eine Pensionsreform zu stärken. Angesichts eines drastischen Geburtenrückgangs und steigender Lebenserwartung sei diese Reform unumgänglich geworden, worin sich Experten aller Couleurs einig seien. Einmal mehr unterbreitete der Abgeordnete den F-Vorschlag zur Einführung eines 3-Säulen-Modells mit Grundversorgung, Betriebspension und privater Vorsorge und drängte auf rasches Handeln. Damit könnten umso härtere Sanierungsmaßnahmen in späteren Jahren vermieden werden.

Abgeordneter PENDL (S) begründete die Ablehnung der Pensionsreform für die Beamten durch die Gewerkschaft öffentlicher Dienst mit dem Mangel an sozialer Ausgewogenheit und den berechtigten Zweifeln an ihrer Verfassungskonformität. Mit einem Entschließungs- und einem Abänderungsantrag seiner Fraktion setzt sich Pendl für Exekutivbeamte ein, die, wenn sie  länger als einen Monat in Krankenstand gehen müssen, ein Drittel ihres Monatsbezugs verlieren. Mit einem weiteren Abänderungsantrag will Pendl die Kürzung von Beamtenpensionen infolge der Erhöhung des Frühpensionsalters verhindern.

Abgeordnete LENTSCH (V) zeigte sich überzeugt, dass die Menschen längst begriffen haben, dass die Finanzierung der Pensionsversicherung an Grenzen gerate, wenn die Pensionisten immer jünger werden, gleichzeitig aber immer länger leben. Mit dem Pensionsthema lasse sich kein politisches Kleingeld mehr wechseln. Die Österreicher glaubten der SPÖ nicht mehr, weil sie die Zusammenhänge der aktuellen Pensionsreform erkennen. Die Finanzierbarkeit des Systems verlange, dass man doppelt so lange arbeitet als man in Pension ist. Pensionsprivilegien seien auch deshalb nicht zu halten, weil die jungen Kollegen, nicht mehr mitspielten. Und man müsse den 40- bis 45jährigen heute sagen, dass sie sich auf eine Regelarbeitszeit bis 65 Jahre einstellen sollen. Das sei nicht unsozial, sondern notwendig zur finanziellen Sicherung des Pensionssystems.

Abgeordneter EDLER (S) warf der Regierung vor, mit dieser Pensionsreform den Weg der Sozialpartnerschaft und des Konsenses zu verlassen. Die große Zahl umfangreicher Abänderungsanträge zur Pensionsreform bezeichnete Edler als einen demokratiepolitischen Skandal. Schließlich wandte er sich gegen die Methode der FPÖ, einzelne Berufsgruppen wie die Hausbesorger, die Lehrer und die Eisenbahner anzuprangern. Eisenbahner haben keine 40 Stunden-Woche, sie zahlen einen erhöhten Pensionsbeitrag und ihre Pensionisten einen Pensionssicherungsbeitrag. "Die Regierung begeht einen Rechtsbruch, wenn sie privatrechtliche Verträge außer Kraft setzt", sagte Abgeordneter Edler.

Abgeordnete AUMAYR (F) gab Abgeordneter Mertel Recht, die richtig gesagt habe, dass in Österreich ein unterschiedliches und ungerechtes Pensionssystem bestehe. Es stellt sich aber die Frage, wer dafür verantwortlich ist. In einem halben Jahr Regierungstätigkeit könne die neue Regierung nicht den ganzen Schutt wegräumen, den die SPÖ hinterlassen habe. Nun wolle die SPÖ die Gesellschaft spalten, in Arbeiter und Angestellte auf der einen sowie Unternehmer, Bauern und Hausbesitzer auf der anderen Seite. Diese Politik werde aber genauso nach hinten losgehen wie die von der SPÖ bestellten Sanktionen.

Abgeordneter Mag. TANCSITS (V) bekannte sich zu der Aufgabe, das System der Altersvorsorge auch für künftige Generationen zu sichern. Der ÖGB habe an der Pensionsreform nicht mitgewirkt, sondern wartete, ob eine Pensionsreform zustande kommt. Diese Reform liege heute vor, als Resultat einer neuen Qualität parlamentarischer Auseinandersetzung, in der die Arbeitnehmervertreter von ÖVP und FPÖ in Verhandlungen mit der Regierung eine Pensionsreform erwirkt haben, die den Vertrauensschutz gewährleistet. Durch das Inkrafttreten der Reform für ältere Arbeitnehmer mit 1. Juli werde sichergestellt, dass sie weiter beschäftigt werden.

Abgeordneter Mag. SCHENDER (F) mahnte die Pflicht der Politik ein, die künftigen Pensionen der jüngeren Generation zu sichern. Die Alterspyramide drehe sich infolge steigender Lebenserwartung und sinkender Geburtenraten um. Es nütze nichts, davor die Augen zu verschließen. Die von allen Experten begrüßte Reform komme so spät, weil sie von der SPÖ verschlafen wurde. Die "destruktive Haltung" der Opposition sei unverantwortlich, weil sie einen Keil zwischen die Generationen treibe. Die SPÖ und die Grünen sollten ihr Verhalten überdenken und diesem langfristigen Reformprojekt im Interesse der jüngeren Generation zustimmen.

Gesundheitsstaatssekretär Dr. WANECK räumte ein, dass untere Einkommensbezieher, wie Abgeordneter Grünewald vermerkt hatte, früher und häufiger krank würden und kürzer lebten. Gerade die sozial Schwächsten seien aber von der Ambulanzgebühr ausgenommen, unterstrich er. Gleiches gelte für Notfälle und überall dort, wo die Leistungen der Ambulanzen nicht durch entsprechende niedergelassene Ärzte abgedeckt seien. Zweck der Ambulanzgebühr ist es Waneck zufolge, die Überlastungen in den Ambulanzen zurückzudrängen. Weiters machte der Staatssekretär geltend, dass die Ausgabensteigerungen für Medikamente nicht auf die Verschreibungspraxis zurückzuführen sei, sondern auf den Einsatz modernerer und damit teurerer Medikamente.

Abgeordneter Dr. BRUCKMANN (V) betonte, der österreichische Seniorenbund habe sich stets zur langfristigen Sicherung der Pensionen bekannt. Er fühle sich schließlich nicht nur den derzeitigen, sondern auch den zukünftigen Pensionisten verpflichtet. Außerdem seien die Senioren bereit, ihren Beitrag zur Sicherung des Pensionssystems zu leisten. Dieser Beitrag bestehe, so Bruckmann, darin, dass in Zukunft nur noch eine Nettoanpassung der Pensionen erfolge. Begrüßt wurde von ihm in diesem Zusammenhang, dass die Festsetzung der jährlichen Pensionsanpassung entgegen dem ursprünglichen Vorhaben doch nicht aus der Verantwortung der Regierung ausgelagert werde.

Abgeordnete HALLER (F) erklärte, die Österreicher wüssten, dass das Pensionssystem in seiner heutigen Form nicht mehr finanzierbar sei. Man habe ihnen lange eine heile Pensionswelt "vorgegaukelt". Die neue Regierung müsse nun das nachholen, was die alte Regierung versäumt habe. Nach Auffassung Hallers ist die Pensionsreform im Vergleich etwa zu Deutschland oder Italien ohnehin moderat. Sie verwies außerdem auf die Angleichung der Pensionssysteme.

Abgeordneter Dr. MITTERLEHNER (V) stellte fest, Österreich habe das teuerste Pensionssystem der Welt. "Wir können uns dieses System nicht leisten". Alle anderen europäischen Länder hätten längst Pensionsanpassungen vorgenommen, sagte der Abgeordnete, nur die Sozialdemokraten in Österreich verweigerten sich einer Reform. Zum Vorwurf, der Staat müsse insbesondere zu den Pensionen der Selbständigen hohe Mittel zuschießen, merkte Mitterlehner an, dabei werde übersehen, dass Selbständige im Schnitt 15 Jahre unselbständig beschäftigt gewesen seien und in ein anderes System eingezahlt hätten. Zudem würden Selbständige überdimensional in den Ausgleichsfonds einzahlen.

Abgeordneter DOLINSCHEK (F) begründete die Notwendigkeit einer Pensionsreform mit dem ungünstiger werdenden Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Pensionisten, der sinkenden Geburtenrate und der steigenden Lebenserwartung. Der SPÖ warf er vor, im Pensionsrecht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft geschaffen zu haben. Während manche Bevölkerungsgruppen mit 35 Dienstjahren in Pension gehen könnten, werde Schwerarbeit oder Nachtarbeit überhaupt nicht berücksichtigt. Die Regierung ist seiner Ansicht nach hingegen auf dem besten Weg dazu, Gerechtigkeit zwischen den einzelnen Pensionssystemen und zwischen den Generationen herzustellen.

Der vorsitzführende Zweite Nationalratspräsident Dipl.Ing. PRINZHORN erteilte Abgeordnetem Dolinschek für den Ausdruck "Lügenpropaganda" in Richtung SPÖ einen Ordnungsruf.

Abgeordneter Dr. FEURSTEIN (V) glaubt, dass die Bevölkerung hinter der geplanten Pensionsreform steht. Der SPÖ warf er vor, Falschmeldungen über die Auswirkungen der Pensionsreform zu verbreiten. Er hält es für unfair, Menschen mit unsachlichen Argumenten zu verängstigen. Feurstein bekräftigte, soziale Härten würden durch den Unterstützungsfonds abgegolten, dessen Mittel erhöht worden seien. Insgesamt qualifizierte er die Pensionsreform als sozial gerecht und als ganz wichtigen Schritt für die Jugend.

Sozialministerin Dr. SICKL beklagte, die Opposition habe in der heutigen Debatte nur auf negative Aspekte der Sanierung der Krankenkassen und der Pensionsreform hingewiesen. Es gebe in den vorliegenden Gesetzen aber auch noch andere Punkte. Beispielsweise werde für Sozialversicherungsträger ein Controlling und Monitoring vorgesehen. Sickl hält das für einen ganz wichtigen Schritt, um privatwirtschaftliche Elemente in diese Organisationskörper einzubringen.

Die Pensionsreform wurde von Sickl als äußerst moderat und verträglich bezeichnet. So gebe es Einschleifregelungen, eine Härteklausel für Einzelfälle und eine Vertrauensschutzklausel. Auch würden lange Versicherungszeiten besonders berücksichtigt. "Gehen Sie nicht mit Unwahrheiten kursieren", forderte die Ministerin die Opposition auf.

Staatssekretär Dr. FINZ nahm zur neuen Möglichkeit von "Zwangspensionierungen" von Beamten Stellung und stellte in Richtung Abgeordneter Mertel klar, dass eine solche Maßnahme nur bei Vorliegen wichtiger dienstlicher Gründe möglich sei. Auch seien Richter von dieser Bestimmung nicht betroffen.

Zum bei den Pensionsverhandlungen vorgelegten Papier der Regierung, in dem eine weitere Anhebung des Frühpensionsantrittsalters um eineinhalb Jahre zur Diskussion gestellt wird, sagte Finz, der Vorschlag, die Pensionsreform hinauszuschieben und dabei weitere Schritte zu setzen, sei von der Gewerkschaft gekommen.

Abgeordneter NÜRNBERGER (S) betonte, es gebe viele Menschen, die durch die Pensionsreform massive Nachteile hätten. Er kritisierte außerdem, dass die Koalition nicht bereit gewesen sei, vernünftige Vorschläge der Opposition "auch nur einen Millimeter" zu berücksichtigen. Als Beispiel nannte er die geforderte Ausnahme von Kindern von der Ambulanzgebühr.

Das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000, die Novellierung des Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetzes und das Pensionsreformgesetz 2000  wurden unter Berücksichtigung jener Abänderungsanträge, die von den Regierungsparteien im Laufe der Sitzung eingebracht wurden, mehrheitlich beschlossen. Abänderungsanträge der Grünen und der Sozialdemokraten blieben ebenso in der Minderheit wie die eingebrachten Rückverweisungsanträge.

Über das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 und über das Pensionsreformgesetz 2000 wurden dabei namentliche Abstimmungen durchgeführt, die folgende Ergebnisse brachten: 100 Abgeordnete stimmten für das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000, 76 Abgeordnete dagegen. Das Gesetz zur Pensionsreform fand die Zustimmung von 97 Abgeordneten, während sich 76 Abgeordnete dieser Vorlage versagten.

Ebenfalls mehrheitlich angenommen wurden der FP-VP-Entschließungsantrag betreffend langfristige Sicherung des Pensionssystem und die dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 beigedruckte Entschließung.  Ein Entschließungsantrag der SPÖ blieb in der Minderheit.

DIENSTRECHTS-NOVELLE 2000 * ÄNDERUNG DES LANDESLEHRER-DIENSTRECHTSGESETZES 1984

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Abgeordneter PENDL (S) kritisierte die in Aussicht genommene Verdoppelung jener Bediensteten, die Sektionschefsgehälter kassierten, und das in Zeiten, wo, wie die Regierung stets betone, das Sparen angesagt sei. Wie ein roter Faden ziehe sich die Politik der Regierung durch diese Vorlagen: während die Kleinen bestraft würden, belohne man die Großen. Dies könne keinesfalls goutiert werden, unterstrich Pendl.

Abgeordnete LENTSCH (V) verteidigte die Reformmassnahmen der Regierung als notwendig. Diese Reformregierung könne keine Privilegien im Arbeitsrecht zulassen, weshalb sie, Lentsch, die neuen Regelungen begrüße, mit denen auch belegt werde, dass diese Regierung sehr wohl gerecht vorgehe. Überdies sei es gut, "dass in Österreich endlich etwas weitergeht".

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) forderte eine getrennte Abstimmung, weil seine Fraktion nur jene Passagen goutieren könne, in denen die neuen Regelungen für Gesundheitsberufe enthalten seien, wobei gesagt werden müsse, dass die diesbezüglichen Verhandlungen noch von der alten Regierung geführt wurden.

Vizekanzlerin Dr. RIESS-PASSER widersprach den Ausführungen des Abgeordneten Pendl und meinte, die neue Regelung für Mitarbeiter der Kabinette sei viel strenger als die alte und bedeute keine Belastung für den Bundeshaushalt.

Abgeordneter Dr. KURZMANN (F) kam auf jene Teile der Gesetzesänderungen zu sprechen, in denen von den Angehörigen des Bundesheeres, die sich im Grenzeinsatz befinden, die Rede ist. Diese Novellierungen seien zu begrüßen und fänden demnach auch die Unterstützung seiner Fraktion. Schliesslich sprach sich der Redner für ein modernes Beamtendienstrecht aus und meinte, mit dieser Novelle werde ein wichtiger Beitrag dazu geleistet.

Abgeordneter Dr. CAP (S) brachte einen S-Abänderungsantrag ein, wonach  Sektionsschefgagen für Ministersekretäre nicht möglich sein sollten.

In der Abstimmung blieb der S-Abänderungsantrag in der Minderheit, die Vorlagen wurden teils mehrheitlich, teils einstimmig (Änderung des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes) angenommen.

F-V-ANTRAG 188/A BETREFFEND NOVELLIERUNG DES BEZÜGEGESETZES UND DES BUNDESBEZÜGEGESETZES

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Abgeordneter ÖLLINGER (G) kritisierte, dass in der Vorlage Politikerprivilegien festgeschrieben würden. So würde jemand, der 15 Jahre politisch tätig war, etwa zwei Jahre als Staatssekretär und 13 Jahre als Abgeordneter, zwei Pensionen beziehen können. Diese Regelung sei seinerzeit mit den Stimmen von S, V und F beschlossen worden. Nun hätte die Regierung die Möglichkeit gehabt, diese Doppelbezüge abzuschaffen, sie tue es aber nicht. Vor dem Hintergrund der sonstigen Pensionsreform dieser Regierung sei dies "ungeheuerlich", betonte Öllinger.

Abgeordnete Mag. FRIESER (V) meinte, diese Novelle stelle sicher, dass Politiker im Pensionsrecht nicht bessergestellt seien als jeder andere Bürger auch. Damit werde der konsequente Reformkurs, der schon vor Jahren eingeschlagen worden war, weiter fortgesetzt.

Abgeordneter Dr. KOSTELKA (S) signalisierte die Zustimmung seiner Fraktion zu dieser Vorlage, unterstrich aber, dass seine Fraktion hinsichtlich der Änderungen der Pensionsregelungen im ASVG- und im Beamtenbereich den Verfassungsgerichtshof anrufen werde.

Abgeordneter Mag. TRATTNER (F) verteidigte die Haltung seiner Fraktion in dieser Frage und begründete diese. Sodann brachte er einen Abänderungsantrag der Regierungsparteien ein, wonach auch keine Besserstellung von MdEP möglich sein sollte.

Die Vorlage wurde in der Fassung des Abänderungsantrages in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

 (Schluss)