Parlamentskorrespondenz Nr. 420 vom 05.07.2000
DRINGLICHE ANFRAGE DER GRÜNEN ZU "VERSAGEN DER ANTI-ATOMPOLITIK"
Wien (PK) - Um 15 Uhr unterbrach der Nationalrat seine Debatte über die Pensionsreform und damit zusammenhängende Maßnahmen und wandte sich der von den Grünen eingebrachten Dringlichen Anfrage zu.
Mit dem unmittelbar bevorstehenden "Scharfmachen" des tschechischen Atomkraftwerkes Temelin stehe die österreichische Bundesregierung vor dem Scherbenhaufen ihrer Anti-Atom-Politik, leitete Antragstellerin Dr. GLAWISCHNIG (G) die Begründung der Dringlichen Anfrage ein. Ihrer Auffassung nach sei dies für das Kabinett Schüssel die schwerste umwelt- und außenpolitische Niederlage seit Amtsantritt. Es gebe dringenden Handlungsbedarf, da letzte Informationen besagen, dass mit einer endgültigen Genehmigung für die Beladung mit Brennelementen innerhalb der nächsten Tage gerechnet werden könne. Damit stehe der seit 15 Jahren andauernde Widerstand von Umweltorganisationen, engagierten Bürgern und den Grünen gegen einen Reaktor, der nur 60 km von der österreichischen Grenze entfernt ist, auf dem Spiel. Aus Geheimdokumenten, die Greenpeace aufdeckte, gehe zudem hervor, dass mit den Sicherheitsbestimmungen grob fahrlässig umgegangen werde.
Weiters kritisierte Glawischnig, dass der Atomstromanteil in den letzten Monaten ständig zugenommen habe (von 1,5 % auf 10 bis 12 %) und jeder Haushalt daher gezwungen sei, die Atomindustrie mitzufinanzieren. Durch das Streichen der Anti-Dumping-Bestimmungen im Stromgesetz (ElWOG) werden die Stromkunden auf skandalöse Weise dazu genötigt, künftig auch Strom aus Temelin zu akzeptieren, bemängelte die Rednerin. Es wurde auch das Versprechen gebrochen, dass die Stromkunden die finanzielle Belastung bei einem Umstieg auf Ökostrom nicht allein tragen müssen. Besonders bedauerlich sei auch die Komplizenschaft von österreichischen Firmen, die am Bau des Kraftwerkes Temelin selbst und an der Konzeption von Endlagern beteiligt sind und die Tatsache, dass ausländische Atomunternehmen sich verstärkt in österreichische Stromversorger einkaufen.
Bei Temelin handle es sich momentan um die wichtigste und dringlichste Frage, weil es vor allem um die Lebensinteressen jener Generation geht, die heute geboren wird und die die nächsten 35 Jahre einem großen Gefahrenpotential ausgesetzt ist. Glawischnig warf schließlich dem Bundeskanzler vor, die letzten Monate nichts getan und dieses Problem verschlafen zu haben.
In Beantwortung der zwölf Einzelfragen stellte Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL einleitend fest, dass die oftmalige Wiederholung von Argumenten diese nicht richtiger mache. Er erinnerte Glawischnig zunächst daran, dass im Bereich der Anti-Atom-Politik eine Kompetenzänderung vorgenommen wurde. Für Fragen der nuklearen Sicherheit sei jetzt der Umweltminister zuständig, der in den letzten Monaten enorm viel getan habe.
Schüssel verwahrte sich dagegen, im Zusammenhang mit Temelin Wortschöpfungen wie Komplizenschaft zu verwenden, da Österreich - weltweit und in Europa - immer für den Ausstieg aus der Kernenergie gekämpft habe. Außerdem sei es verwunderlich, wenn die Grünen ihn jetzt fragen, wie oft er in Prag gewesen sei. Es sei ja gerade auf die Auswirkungen jener Sanktionen, die anfangs von den Grünen begrüßt wurden, zurückzuführen, dass keine ausreichenden bilateralen Kontakte möglich sind. Die Bundesregierung habe sich aber davon nicht beirren lassen und im Rahmen der Möglichkeiten alles getan, um die Inbetriebnahme von Temelin zu verhindern.
Er verwies sodann auf die diesbezüglichen Aktivitäten der Mitglieder der Bundesregierung, wie die zahlreichen Treffen von Umweltminister Molterer z.B. mit seinem deutschen Amtskollegen Trittin, dem tschechischen Minister Kuzvart und den EU-Kommissären Verheugen und Wallström. Außenministerin Ferrero-Waldner habe zudem in einem Schreiben an die Europäische Kommission auf die wettbewerbsrechtlichen Bedenken hingewiesen und er selbst habe heute in einem Brief an den tschechischen Ministerpräsidenten Zeman den dringenden Appell gerichtet, dass die Umweltminister der beiden Länder dringend Kontakt aufnehmen sollten. Er habe ihn weiters ersucht, keine irreversiblen Maßnahmen zu setzen, bis alle Fragen im Zusammenhang mit der Umweltverträglichkeit und der Sicherheit des Kraftwerkes überzeugend und rechtsgültig geklärt sind sowie noch heuer die ESPOO-Konvention zu ratifizieren.
Österreich habe überdies beschlossen, sich mit entsprechenden Beträgen an den internationalen Fonds zur Stilllegung der Hochrisikoreaktoren Bohunice, Ignalina und Kozloduj zu beteiligen. Schüssel erachtete es für notwendig, dass die EU einheitliche europäische Sicherheitsstandards für AKW festlegt. Natürlich sei es jedoch das Recht jedes Mitgliedstaates, über seine Energieträger selbst zu bestimmen, betonte er.
Im einzelnen machte er darauf aufmerksam, dass die Novelle zum ElWOG eine wesentliche Verschärfung der österreichischen Anti-Atom-Politik bringe, da im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage nicht mehr auf den einzelnen Stromlieferungsvertrag, sondern auf den so genannten "Aufbringungsmix" in dem betreffenden Drittstaat abgestellt werde. Entsprechend der nunmehr vorgesehen Neufassung sei daher zu erwarten, dass Stromimporte aus Tschechien ab 1. Oktober überhaupt unzulässig sind. Die Novelle sieht auch eine völlige Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes und eine Wahlfreiheit für den Konsumenten vor. Der Druck des mündigen Konsumenten werde seiner Meinung nach dazu führen, dass schon mittelfristig die Händler dazu übergehen, nur mehr geringe Anteile unter der Rubrik "Nuklear" auszuweisen.
Die energiewirtschaftliche Kooperation mit den Reformstaaten Mittel- und Osteuropas sei einer der drei Schwerpunkte der Nuklearpolitik der Bundesregierung. Nach langjährigen Bemühungen sei es vergangenes Jahr gelungen, eine Energiepartnerschaft mit der Tschechischen Republik einzugehen, teilte Schüssel mit. Auf europäischer Ebene wiederum setze sich die Bundesregierung mit allem Nachdruck für eine zukunftsverträgliche Gestaltung des Energiesektors ein unter besonderer Berücksichtigung des Potentials erneuerbarer Energien. Was das fiktive Genehmigungsverfahren betrifft, so habe die deutsche Regierung im Dezember 1999 mitgeteilt, dass dies nicht als geeignetes Mittel angesehen werde, die Anstrengungen der Beitrittskandidaten bezüglich der Anhebung des nuklearen Sicherheitsniveaus auf EU-Standards zu fördern.
Die Bundesregierung werde sich auch in den nächsten Wochen und Monaten weiterhin dafür einsetzen, Tschechien davon zu überzeugen, dass die Inbetriebnahme des KKW Temelin eine Fehlentscheidung mit langfristigen negativen Auswirkungen darstellen würde, unterstrich der Bundeskanzler. Sollte Temelin doch in Betrieb gehen, so sei die Einhaltung des "Stands der Technik" in der EU unverzichtbar.
Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) empfahl Bundeskanzler Schüssel, einen Blick ins Internet zu machen, falls er Interesse an den Greenpeace-Dokumenten haben sollte. Es sei für sie jedoch ein wenig Besorgnis erregend, dass offenbar der Umgang der Bundesregierung schon mit dieser Technologie nicht allzu professionell sei. Petrovic bewertete es als gravierenden Affront gegenüber der Opposition, dass auch im Rahmen einer Dringlichen Anfrage zur Atompolitik versucht werde, die Dinge umzudrehen. Denn gerade die europäischen Reformstaaten, für die die Kriegsgeschichte sehr schmerzhaft war, reagierten besonders sensibel auf die NS-Zeit betreffende Aussagen, gab sie zu bedenken. Kritisch beurteilte sie auch, dass die Bundesregierung auf die Sicherheitsdebatte eingestiegen sei, denn dadurch seien erst die Türen für Firmen wie Siemens, Elin und Voest geöffnet worden, groß ins Atombusiness einzusteigen.
Abgeordnete Mag. SIMA (S) führte aus, die Politik der Regierung stehe offenbar unter dem Motto "Schuld sind immer die anderen". Dass die EU-Sanktionen verantwortlich dafür seien, dass Temelin in Betrieb gehen werde, sei eine "lächerliche Begründung" Schüssels, die sie nicht nachvollziehen könne.
Für Sima ist die bevorstehende Inbetriebnahme von Temelin ein trauriges Kapitel der österreichischen Anti-Atom-Politik. Sie wies darauf hin, dass sich Temelin 100 km von Linz und 50 km von der österreichischen Grenze entfernt befindet. Das AKW ist ihrer Ansicht nach "ein gefährliches Flickwerk" mit eklatanten Sicherheitsmängeln. Als "unfassbaren Skandal" wertete die Abgeordnete, dass Wirtschaftsminister Bartenstein zu Beginn dieses Jahres Stromimporte von Tschechien nach Österreich genehmigt habe.
Abgeordneter ELLMAUER (V) erinnerte daran, dass Österreich seit Oktober 1978 eine Anti-Atom-Politik betreibe. Österreich habe inzwischen gezeigt, dass es auch ohne Kernenergie gehe, meinte er.
Eine Inbetriebnahme von Temelin qualifizierte Ellmauer als Zumutung für die österreichische Bevölkerung. Er machte geltend, dass es bis jetzt eine gemeinsame Politik aller vier Parteien in diesem Bereich gegeben habe und auf allen politischen Ebenen alles getan worden sei, um Temelin zu verhindern. Von diesem Konsens würden die Grünen nun abgehen und statt dessen "billige Parteipolitik" betreiben. Ein solcher Alleingang bringe aber nichts und schade nur der Bevölkerung, sagte der Abgeordnete. Er verwies darüber hinaus auf eine Studie hin, die belege, dass Temelin für die Energieversorgung Tschechiens nicht notwendig sei und es kostengünstigere Alternativen gebe.
Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) hielt fest, die Regierung und alle im Parlament vertretenen Parteien hätten bisher ernsthaft versucht, eine zielführende Anti-AKW-Politik zu betreiben. Der heute von den Grünen vorgelegte Entschließungsantrag sei aber kontraproduktiv, weil er die Aufnahme von konstruktiven Gesprächen mit Tschechien unmöglich machen würde. Insbesondere wandte sich Schweitzer gegen die Forderungen der Grünen, im Falle der Beladung von Temelin mit Brennstäben ohne umfassende UVP den österreichischen Botschafter in Tschechien nach Wien abzuberufen oder Stromlieferverträge mit dem tschechischen Energieversorger CEZ rückgängig zu machen.
Schweitzer warb dem gegenüber für die Unterstützung eines Entschließungsantrags der Koalition. Darin wird die Bundesregierung u.a. ersucht, an die tschechische Regierung heranzutreten, die Brennstoffbeladung von Temelin keineswegs vor Abschluss der ausstehenden Verfahren vorzunehmen. Zudem sollte die Regierung auf eine rasche Ratifizierung der ESPOO-Konvention durch Tschechien drängen, damit die Rechte österreichischer Bürger im Rahmen von UVP-Verfahren zum AKW Temelin garantiert würden. Der Wirtschaftsminister soll dem Antrag zufolge auf EU-Ebene Initiativen setzen, dass Atomstrom-Importe aus Drittstaaten über EU-Staaten nach Österreich verhindert werden können.
Umweltminister Mag. MOLTERER bekräftigte, die Bundesregierung halte an der bestehenden Anti-AKW-Politik fest und habe diese sogar intensiviert. So sei Österreich bereit, Mittel zur Entwicklung von Alternativen zu Atomkraftwerken in den osteuropäischen Staaten zur Verfügung zu stellen. Mit dem neuen ELWOG werde ein zusätzliches Element zur Unterstützung der Anti-AKW-Politik geschaffen.
Molterer versicherte außerdem, dass die Regierungsmitglieder in den nächsten Tagen alle Möglichkeiten ausschöpfen werden, um Tschechien zum Einlenken zu bewegen. Man wolle einerseits auf die Umwelt- und Gesundheitsproblematik von Atomkraftwerken hinweisen, aber auch die "ökonomische Zweifelhaftigkeit" von Temelin bewusst machen. Der Minister drängte darauf, dass "in dieser heiklen Phase" der bisherige Grundkonsens aller vier Parteien in der Anti-AKW-Politik gewahrt bleibe.
Abgeordnete Dr. MOSER (G) meinte, sie verstehe den Appell in Richtung Einstimmigkeit nicht, schließlich habe man gleichzeitig parlamentarische Initiativen zu Temelin nicht auf die Tagesordnung des Umweltausschusses gesetzt und damit in den Herbst hinein verschoben. Dem Bundeskanzler warf die Abgeordnete vor, ein halbes Jahr "auf Tauchstation" gewesen zu sein und Anti-Atom-Politik nicht als Chefsache zu betrachten. Umweltminister Molterer wiederum verhandelt ihrer Auffassung nach mit Personen in Tschechien, die ohnehin die Meinung Österreichs teilen würden.
Moser brachte einen eigenen Entschließungsantrag der Grünen zum AKW Temelin ein. Demnach soll der Bundeskanzler aufgefordert werden, auf höchster Ebene dafür einzutreten, dass die Brennstoffbeladung und anschließende Aktivierung von Temelin keinesfalls vor dem Abschluss aller ausständigen Verfahren vorgenommen werden dürfe. Den Wirtschaftsminister wollen die Grünen auffordern, jegliche Stromverträge mit dem tschechischen Energieversorger CEZ zu verhindern und bestehende Verträge zu kündigen sowie "Atomstromwäsche" über EU-Staaten nach Österreich zu verhindern. Eine Novellierung des Vergabegesetzes sollte dazu führen, dass alle an Atomgeschäften unmittelbar und mittelbar beteiligten Firmen von öffentlichen Aufträgen und Förderungen ausgeschlossen werden.
Abgeordneter OBERHAIDINGER (S) verwies darauf, dass in Sachen Anti-Atom-Politik im Parlament bereits viele gemeinsame Initiativen gesetzt worden seien. Zum AKW Temelin merkte er an, die Verhandlungsbereitschaft Tschechiens habe sich in letzter Zeit sicher nicht verschlechtert. Der bevorstehende Misserfolg sei daher eher auf das fehlende Engagement der Bundesregierung zurückzuführen. Die Regierung wäre, so Oberhaidinger, gut beraten, die Anti-AKW-Politik zur Chefsache zu machen und Gespräche auf höchster Ebene zu suchen. Positiv wertete der Abgeordnete, dass durch die geplante Novelle des ELWOG Atomstromlieferungen aus dem Ausland erschwert würden.
Abgeordneter HORNEK (V) bezeichnete die Nutzung der Atomenergie als "leider noch legale Form des Verbrechens". Atomenergie sei nicht beherrschbar und daher nicht verantwortbar, sagte er. Wenn Tschechien "mit aller Gewalt" versuche, Temelin in Betrieb zu nehmen, müsse man den verantwortlichen Politikern bewusst machen, dass sie damit einem "technischen Dinosaurier" gefährliches Leben einhauchen würden.
Hornek verwies auf ein in seiner Heimatgemeinde realisiertes umfassendes Energiekonzept, das auf die Nutzung von Energiesparpotentialen und eine Deckung des restlichen Energiebedarfs durch erneuerbare Energieträger abzielt, und unterstrich in diesem Zusammenhang, die Energiepolitik müsse in ganz Europa neu ausgerichtet werden. Das genannte Projekt hat seinen Informationen nach immerhin bereits in Tschechien Nachahmer gefunden.
Abgeordneter Dipl.Ing. HOFMANN (F) hielt den Grünen vor, sich mit der Dringlichen Anfrage selbst ins politische Geschehen bringen zu wollen. Sie würden sich aus der bisher konsensualen Politik "davon stehlen" und "billige Parteipolitik" betreiben. Dem Abgeordneten zufolge hätten die Grünen gar kein Interesse an den Antworten des Bundeskanzlers auf die an ihn gestellten Fragen gehabt. Er wies auch die in der Begründung der Dringlichen Anfrage enthaltene Feststellung, die Österreicher würden zur Konsumation von Atomstrom gezwungen, zurück. Weiters machte er auf geplante wirksame Maßnahmen gegen Atomstromimporte im neuen ELWOG aufmerksam.
Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) verwies auf die Möglichkeiten, die Österreich hätte, in Sachen Atompolitik Glaubwürdigkeit zu signalisieren, wenn man etwa an das ElWOG denke. In diesem Sinne brachte die Rednerin einen Entschliessungsantrag ein, wonach Atomstrom nicht nach Österreich importiert werden dürfe.
Abgeordneter BRIX (S) kritisierte, dass die Standards von Temelin nicht annähernd entsprächen, weshalb der Bundeskanzler sich bei der EU entsprechend einbringen sollte, um ein solches Projekt hintanzuhalten. Der Kanzler möge endlich handeln, so der Redner, der via Entschliessungsantrag forderte, dass die Regierung sicherstellen solle, dass Firmen, die Atomstrom importierten, von Förderungen ausgeschlossen werden. Weiters solle die Regierung auf die Regierung der Tschechischen Republik einwirken, Temelin in der geplanten Form nicht in Betrieb zu nehmen. Auch der Import von Atomstrom, gleich über welche Kanäle, sollte verunmöglicht werden, heisst es in dem Antrag.
Abgeordneter KOPF (V) zeigte sich erstaunt über die Linke. Diejenige in Tschechien gefährde die österreichische Sicherheit, jene in Österreich sei dafür verantwortlich, dass die österreichische Regierung auf internationaler Ebene keine Möglichkeiten habe, dagegen tätig werden zu können. Sodann brachte der Redner einen Entschliessungsantrag ein, der de facto wortident mit jenem der SPÖ ist. Gleichzeitig zeigte sich Kopf verwundert, dass die Sozialdemokratie diesem Antrag nicht beigetreten sei, sondern stattdessen einen eigenen Antrag eingebracht habe.
Bundesminister Mag. MOLTERER berichtete von einer APA-Meldung, wonach die Ladung des ersten Blocks in Temelin genehmigt worden sei. Diese werde zum ehest möglichen Zeitpunkt erfolgen. Diese Entwicklung stimme ihn sehr bedenklich, und er plädiere daher dafür, eine gemeinsame Entschliessung aller vier Parteien zustande zu bringen. Gerade jetzt liege es im Interesse der Sache, eine gemeinsame Linie zu vertreten.
Abgeordneter FALLENT (F) hielt die Sanktionen für mitverantwortlich, dass es der Regierung nicht im erforderlichen Ausmass möglich sei, auf Tschechien entsprechend Druck zu machen. Umso wichtiger sei nun eine gemeinsame Vorgangsweise des Hauses, dies umso mehr, als ohnehin alle vier Parteien die Kernkraft ablehnten.
Abgeordneter GRAF (F) unterstrich, dass es kein sicheres Atomkraftwerk gebe, kritisierte aber gleichzeitig die Art, wie die Grünen diese Anfrage vorgebracht hätten. Konkret schlug er der Abgeordneten Glawischnig vor, ihre Rede an die deutschen Minister Trittin und Fischer zu schicken, denn diese hätten im Gegensatz zu den Österreichern nichts gegen Temelin unternommen.
Abgeordnete Mag. PRAMMER (S) vermisste reale Substanz in der Anti-Atompolitik der neuen Regierung. Diese bleibe die Antworten auf die brennenden Fragen schuldig und trete nicht entschlossen genug gegen die Inbetriebnahme Temelins auf. Vielmehr sollte diese Regierung den entschlossenen Kurs der alten Regierung fortsetzen, meinte Prammer.
In der Abstimmung verfielen die G-Entschließungsanträge sowie der S-Entschließungsantrag der Ablehnung, der F-v-Entschließungsantrag hingegen fand eine Mehrheit.
KURZE DEBATTE ZU ANFRAGEBEANTWORTUNG 697/AB
Abgeordneter PARNIGONI (S) kritisierte die Beantwortung des Ministers als dürftig und bemängelte die Beendigung zahlreicher wichtiger Projekte im Verkehrsbereich. Die Infrastrukturpolitik liege lahm, weshalb der Minister endlich tätig werden solle, zumal dringende Probleme einer schnellen Lösung harrten. Konkret nannte er den Semmering-Basistunnel, den Linzertunnel und die Güterzugumfahrung St. Pölten, Projekte also, die auch einen arbeitsmarktpolitischen Effekt haben würden.
Bundesminister DI SCHMID wies die Forderungen der Sozialdemokraten als "Chuzpe" zurück. Diese hätten ihm einen enormen Schuldenberg hinterlassen und forderten jetzt von ihm auch noch, jene Projekte, welche sie selbst "augenscheinlich nicht realisiert haben", ins Werk zu setzen. Die jetzige Regierung betreibe die Verkehrspolitik aber ernsthaft, und dementsprechend werde nicht nur evaluiert, welche Projekte konkret finanzierbar seien, sondern auch, nach welchen Prioritäten man dabei vorgehen müsse. Wer immer sich über die fehlenden Fertigstellungen bei besagten Tunnel- und Schienenprojekten beklagen wolle, müsse sich an die alte Regierung wenden, die eben dies unterlassen habe.
Abgeordneter HEINZL (S) unterstrich die Kritik seines Fraktionskollegen und wies dabei auf die sinkende Verkehrssicherheit hin, die auch dem Umstand geschuldet sei, dass der Verkehr immer mehr auf die Strasse verlagert werde. Die Einstellung von Bahnlinien sei kontraproduktiv und politisch in mehrerer Hinsicht unklug, meinte der Redner.
Bundesminister DI SCHMID stellte demgegenüber richtig: Die Mariazeller-Bahn wird nicht eingestellt. Auch habe er mit keinem Wort vom Aussetzen der Bahnhofserneuerung in St. Pölten gesprochen. "Ich habe lauter Ruinen von Ihnen geerbt - ich werde sie revitalisieren", rief der Minister den SPÖ-Abgeordneten zu.
Abgeordneter Mag. KUKACKA (V) erinnerte an das "klägliche Scheitern" der sozialdemokratischen Verkehrsminister und nannte den Semmering-Basistunnel und den Master-Plan. Die neue Regierung sei nun angetreten, wieder Ordnung in die Infrastrukturpolitik zu bringen. "Wenn wir 50 Mrd. S beim Verkauf der Telekom-Lizenzen erzielen, dann nur deshalb, weil wir gegen die Vorschläge der SPÖ ein Versteigerungsverfahren im Gesetz vorgesehen haben", sagte Kukacka und sah darin ein Beispiel mehr, wie wenig Ahnung die SPÖ von Finanzpolitik habe. Die Entscheidung des Bundesministers für einen neuen Prioritätenplan mit Vorrang für den viergleisigen Ausbau Wien-St. Pölten sei richtig, alles andere wäre eine Fortsetzung der verfehlten SPÖ-Verkehrspolitik.
Abgeordneter Mag. FIRLINGER (F) führte die Polemik der Sozialdemokraten darauf zurück, vertuschen zu wollen, was in der Vergangenheit in der Verkehrspolitik alles schief gegangen sei. Wie meistens fehle "Hauptruinenbauer Einem" auch bei der heutigen Debatte, kritisierte Firlinger und sprach von Flucht aus der Verantwortung. Der neue Bundesminister habe mit seiner Prioritätensetzung eine Weichenstellung zum Wohle der österreichischen Verkehrspolitik vorgenommen, meinte der F-Verkehrssprecher und untermauerte dies mit dem Hinweis auf Kosten-Nutzenberechnungen zur Umfahrung St. Pölten.
Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) ortete hingegen eine verkehrspolitische Weichenstellung Richtung Abstellgleis. Niemand wisse, wo die viergleisige Strecke Wien-St.Pölten gebaut werden soll. Das lege den Verdacht nahe, dass lange untersucht und geplant werden soll, um gleichzeitig Geld in den Straßenbau zu investieren. Während die Zugdichte zwischen Wien und St. Pölten und damit die Wartezeiten und Verspätungen zunehmen, unterbreite der Ministers Sparvorschläge für die Bahn, formuliere diesbezüglichen Vorschläge für die Straße aber wesentlich weniger konkret.
(Schluss)