Parlamentskorrespondenz Nr. 456 vom 21.07.2000

DIE EHRGEIZIGEN BUDGETZIELE DER BUNDESREGIERUNG

Wien (PK) - Finanzminister Mag. Grasser hat dem Nationalrat kürzlich das BUDGETPROGRAMM DER BUNDESREGIERUNG FÜR DIE JAHRE 2000 BIS 2003 übermittelt. Es dokumentiert die Absicht der Bundesregierung, den in den Jahren 1998 und 1999 eingetretenen Stillstand in der Budgetkonsolidierung zu überwinden und durch eine beschleunigte Budgetsanierung das gesamtstaatliche Defizit im Jahr 2001 auf 1,3 % und schon 2002 auf null zu senken. Gleichzeitig soll durch Privatisierungen in Höhe von rund 200 Mrd. S die Schuldenquote bis Ende 2003 dauerhaft von derzeit rund 64 % auf unter 55 % des BIP zurückgehen.

Mit dieser überaus ehrgeizigen Zielvorgabe reagiert die Bundesregierung nicht nur auf internationale Kritik an der bisherigen Budgetpolitik, sie argumentiert vor allem auch mit der Stabilität des Wirtschaftsstandortes und der langfristigen Sicherung der sozialen Standards. Niedrige öffentliche Defizite bilden in der EU die Voraussetzung für das Zusammenspiel der Geld- und Lohnpolitik sowie für niedrige Preise und Zinsen. Ein ausgeglichenes Budget verhindert das weitere Steigen der Schuldenlast und die zunehmende Verdrängung produktiver Ausgaben durch Zinszahlungen. Und schließlich wirbt die Bundesregierung mit dem Hinweis auf den größeren finanziellen Spielraum bei Konjunkturrückschlägen und bei der Durchsetzung wichtiger gesellschaftspolitischer Anliegen für ihre neue Linie in der Finanzpolitik.

Das Bundesdefizit soll so weit als möglich ausgabenseitig reduziert werden, alle Ausgabenkategorien sollen Beiträge zur Konsolidierung leisten. Zusätzliche Mittel will die Regierung für die Forschungs- und Technologiepolitik und für die Familien bereit stellen. Eine stufenweise Senkung der Lohnnebenkosten soll den Wirtschaftsstandort attraktiv erhalten.

Die Regierung schätzt die konjunkturellen Rahmenbedingungen sehr positiv ein. Sie rechnet bis 2001 mit Wachstumsraten von über 3 % und in den Jahren danach noch mit Zuwächsen von mindestens 2,5 %. Allfällige restriktive Wirkungen der Budgetsanierung seien günstig, weil sie der Inflation entgegenwirken und damit den Konjunkturaufschwung verlängern werden. Hinsichtlich der Verteilungswirkungen sei das Budgetprogramm so gestaltet, dass es den Grundsätzen sozialer Gerechtigkeit bestmöglich Rechnung trage, versichern die Autoren des neuen Budgetprogramms. 

DIE AUSGANGSLAGE

Das Defizit des Bundes betrug 1999 rund 2,5 %, das gesamtstaatliche Defizit rund 2 %. Österreich war damit Schlusslicht innerhalb der 15 EU-Staaten, deren öffentliches Defizit 1999 im Durchschnitt 0,6 % betrug. Auch im Jahr 2000 weist Österreich das mit Abstand höchste Budgetdefizit unter allen EU-Mitgliedstaaten aus. Auch die gesamtstaatliche Verschuldungsquote Österreichs verschlechterte sich von 63,5 % im Jahr 1998 auf 64,9 % im Jahr 1999, während diese Relation im Durchschnitt aller EU-Staaten von 69 % auf 67,6 % sank. Schon mittelfristig hätte eine unveränderte Ausgaben- und Steuerpolitik weiter wachsende Defizite, eine massive Erhöhung der Schuldenlast und die schrittweise Verdrängung anderer öffentlicher Ausgaben durch Zinszahlungen bedeutet.

Eine Fortschreibung des Konsolidierungsprogramms aus dem Jahr 1998 wurde von Rat und Kommission als wenig ambitioniert und nicht im Einklang mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt qualifiziert. Das Defizitziel sei in hohem Maße durch Einmalmaßnahmen erreicht worden. Im Falle eines Rückgangs der Konjunktur sei nicht sicher, dass der Wert von 3 % des BIP nicht überschritten wird. Anlass zu internationaler Kritik boten auch die hohen Staatsschulden, die trotz der niedrigen Zinsen jährlich 3,5 % des BIP für Zinszahlungen verschlingen.

Ein erster Schritt zur Budgetsanierung war das Budget 2000. Strukturreformen waren in der kurzen Zeit seiner Erstellung aber unmöglich. Der wichtigste Beitrag zur Defizitsenkung kam 2000 von globalen Ausgabensenkungen und Mehreinnahmen.

Das Budget 2000 sieht im allgemeinen Haushalt Ausgaben von 781,5 Mrd. S und Einnahmen von 726,8 Mrd. S vor. Das administrative Nettodefizit beträgt 54,6 Mrd. S. Die Ausgaben liegen um 6,1 Mrd. S, das Defizit um 13,6 Mrd. S unter dem vorläufigen Erfolg 1999. Der Budgetvollzug sei im Plan, berichtet der Finanzminister, der davon ausgeht, dass das für 2000 veranschlagte Defizit eingehalten werden kann.

AMBITIONIERTE BUDGETZIELE FÜR DIE JAHRE 2001 bis 2003

Aufgrund der günstigen Wirtschaftsentwicklung und im Hinblick auf die deutlich größeren Konsolidierungsfortschritte in anderen EU-Mitgliedstaaten hat die Regierung beschlossen, die Defizitrückführung rascher und ambitionierter als ursprünglich geplant vorzunehmen. Das gesamtstaatliche Defizit wird 2001 auf rund 1,3 % des Bruttoinlandsprodukts zurückgeführt. Für 2002 und 2003 wird für den Gesamtstaat ein ausgeglichenes Budget angestrebt. Durch vermögensbezogene Maßnahmen in Höhe von rund 200 Mrd. S soll die Schuldenquote bis Ende 2003 dauerhaft von derzeit rund 64 % auf unter 55 % des BIP zurückgehen.

GUTE WIRTSCHAFTSAUSSICHTEN

2000 und 2001 rechnet die Regierung mit einem realen Wachstum von jeweils mehr als 3 %, in den Folgejahren mit Zuwächsen um mindestens 2,5 %. Die gute Wirtschaftslage in Europa steigere den Export, während die Steuer- und Familiensteuerreform 2000 die Inlandsnachfrage stützt. Zudem profitiere die europäische Wirtschaft von der amerikanischen Konjunktur, von Budgetkonsolidierungen und Strukturreformen, aber auch vom hohen Dollarkurs, der Exporte in die Dollarmärkte verbilligt. Allerdings wird Europa in den kommenden Jahren die Rolle der "Konjunkturlokomotive" von den USA übernehmen müssen.

Die Regierung registriert eine starke Exportnachfrage im Sachgüterbereich, eine Ausweitung der Ausrüstungsinvestitionen und eine gesteigerte Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. Das Ziel des Nationalen Aktionsplanes für Beschäftigung - 100.000 Jobs mehr bis 2002 und eine Senkung der Arbeitslosigkeit auf 3,5 %  - wurde bereits heuer erreicht. Die Beschäftigungsdynamik von 25.000 bis 30.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen pro Jahr erleichtert den Wechsel aus schrumpfenden in wachsende Arbeitsmärkte. Personen, die im öffentlichen Dienst Arbeit gesucht haben, finden Beschäftigung im privaten Sektor.

Konjunktur und durch die Wechselkursentwicklung steigende Import-, v.a. Erdölpreise haben das Preisniveau wieder stärker angehoben. Der Schwellenwert von 2 % werde zwar nicht überschritten werden, dennoch müsse der Inflation in der nächsten Zeit Augenmerk geschenkt werden.

Allenfalls restriktive Wirkungen der Konsolidierung schätzt die Bundesregierung günstig ein, da sie Inflationsgefahren verhindern, das überdurchschnittliche Wachstum verlängern und schädliche Auswirkungen auf die Beschäftigung vermeiden helfen.

Bei den Privatisierungen erwartet die Regierung wegen der hohen Gewinnerwartungen in den Unternehmen des Bundes gute Erlöse, eine Belebung des Kapitalmarktes, eine generelle Senkung der Finanzierungskosten und Impulse zur Expansion der Wirtschaft.

LEITLINIE AUSGABENSENKUNG

Die Rückführung des Bundesdefizits erfolgt so weit als möglich ausgabenseitig. Alle Ausgabenkategorien, Ermessens- und Personalausgaben sowie gesetzliche Verpflichtungen sollen einen wesentlichen Konsolidierungsbeitrag leisten. Zusätzliche Mittel werden hingegen für die Forschungs- und Technologiepolitik zur Verfügung stehen, auch die finanziellen Rahmenbedingungen für Familien werden verbessert. Die Betriebe sollen durch eine stufenweise Senkung der Lohnnebenkosten entlastet werden, um den Wirtschaftsstandort Österreich attraktiv zu halten.

Die Verwaltungsausgaben werden auf dem Niveau von 2000 stabilisiert, insbesondere durch höhere Produktivität und Effizienz. Verwaltungsreform und -innovation sowie das Controlling haben besondere Bedeutung bei der Budgetsanierung.

Im Sozialsystem stehen Strukturanpassungen bei den Pensionen und die Verbesserung der Zielerreichung bei Sozialleistungen im Vordergrund. Förderungen für die Wirtschaft werden primär zur Steigerung des Innovations- und Wachstumspotentials eingesetzt, Förderungen ohne Wirtschafts- und Arbeitsmarktsbezug zurückgenommen. Durch Privatisierungen und andere vermögenswirksame Maßnahmen werden die Zinsenaufwendungen gesenkt. Überschüsse bei Fonds und in der zweckgebundenen Gebarung werden zum Teil zur Budgetentlastung herangezogen.

Die Budgetsanierung soll nicht über Privatisierungserlöse und Einmalmaßnahmen erfolgen: Solche Einnahmen will die Regierung nur für einmalige Ausgaben verwenden, in erster Linie für die Tilgung von Schulden, aber auch für Investitionen mit bleibenden Standorteffekten, z.B. in der Forschungsförderung.

Länder und Gemeinden tragen im Rahmen des Finanzausgleichs zur Budgetkonsolidierung bei. Sozialversicherungsträger, öffentliche Körperschaften und Unternehmungen des Bundes werden in die Budgetkonsolidierung einbezogen.

SCHWERPUNKTE DER KONSOLIDIERUNGSMASSNAHMEN

Die Ausgaben der VERWALTUNG sollen bis 2003 stabilisiert werden. Dies erfordert Maßnahmen bei Personaleinsatz, Nebengebühren und Gehaltsanpassungen. Die Zahl der Bundesbediensteten (ohne Bundeslehrer und Universitäten) wird bis Ende 2003 um 9.000 gesenkt. Eine konsolidierungskonforme Gehaltspolitik im öffentlichen Dienst wird 2001 bis 2003 die Ausgaben dämpfen. Zudem wird geprüft, welche Leistungen und Aufgaben der Verwaltung noch zeitgemäß sind, welche Arbeitsabläufe gestrafft und mit geringerem Personalbedarf bewältigt werden können. An dieser Stelle verweist die Regierung auf das Kapitel "Leistungsfähiger Staat - Ausgaben- und Aufgabenreform" in ihrem Programm vom Februar 2000.

Ziel der BUNDESSTAATSREFORM ist eine neue Qualität der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Eine BVG-Novelle soll eine wirkungsvolle, kundenorientierte und bürgernahe Zusammenarbeit der Gebietskörperschaften und der bundesstaatlichen Verwaltung gewährleisten.

Der ONE-STOP-SHOP ist beim Arbeitsmarktservice sowie im Anlagen- und im Gewerberecht vorgesehen. E-Government soll Gewerbeanmeldung, Anmeldung zur Sozialversicherung und Anmeldung einer Steuernummer an einer Stelle erlauben. Voraussetzung dafür ist die elektronische Vernetzung zwischen Gewerbebehörden, Sozialversicherung, Finanz, Firmenbuch und Wirtschaftskammern sowie die elektronische Signatur.

Großvorhaben in der INNEREN SICHERHEIT bilden die Reform der Wachkörper und ihres Dienstrechtes. Die Qualität der Sicherheitsdienstleistung und ein optimaler Ressourceneinsatz stehen dabei im Vordergrund. Die Ausgliederung der Kontrolle des ruhenden Verkehrs wird im Einvernehmen mit den einzelnen Städten und Gemeinden geprüft.

Die Reform der UNIVERSITÄTEN soll zu echter Selbständigkeit mit mehrjährigen Leistungsverträgen (volle Rechtsfähigkeit) weitergeführt werden. Globalbudgets zur selbstverantwortlichen Gestaltung inklusive Personalbudget sind ebenso geplant wie der verstärkte Wettbewerb zwischen den Unis.

Die bereits beschlossene PENSIONSREFORM soll weiterentwickelt werden. Die Regierung will bei allen gesellschaftlichen Gruppen zu einem Mehrsäulensystem der Altersversorgung übergehen, mit einer beitragsfinanzierten staatlichen Pension (l. Säule), einer kapitalgedeckten Zusatzpension (2. Säule) und einer individuell finanzierten 3. Säule.

Die FÖRDERUNGEN sollen besser auf die geänderten ökonomischen Bedingungen und Erfordernisse der Wirtschaft abgestimmt werden, wobei die Bereiche Forschung, Entwicklung und Innovation Priorität haben. Zusätzliche Mittel sollen durch Umschichtungen und Privatisierungserlöse bereitgestellt werden.

Vorschläge einer Expertengruppe zur ERHÖHUNG DER TREFFSICHERHEIT UND VERTEILUNGSGERECHTIGKEIT BEI DEN SOZIALLEISTUNGEN sollen bis Ende August 2000 vorliegen.

Die Privatisierung soll ZINSENTLASTUNGEN DURCH SCHULDENABBAU im Umfang von 150 Mrd. bis 200 Mrd. S bringen. Auch Länder und Gemeinden sollen mit Privatisierungserlösen zum Abbau der Schulden beitragen und die Zinsenlast des Gesamtstaates senken.

Bei FONDS UND ZWECKGEBUNDENEN GEBARUNGEN sollen Überschüsse abgeschöpft und zur Senkung des Bundesbeitrages an die Pensionsversicherung verwendet werden. In der Siedlungswasserwirtschaft wird der Bund durch Schuldenrückzahlungen um rund 2 Mrd. S jährlich entlastet. Zweckbindungen werden zurückgenommen.

Einer konsequenten FAMILIENFÖRDERUNG misst die Bundesregierung besondere Priorität zu. Mütter und Väter sollen die Wahlfreiheit haben, ob beide Partner Beruf und Familie gleichzeitig verbinden oder einer von beiden sich zeitweise ausschließlich der Familienarbeit widmet. Dies setzt voraus, die finanziellen Rahmenbedingungen der Familien im Sinne des Regierungsübereinkommens (Kinderbetreuungsgeld) zu verbessern.

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG zählen zu den wichtigsten Grundlagen für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und die Entwicklung der Gesellschaft. Da die derzeitige F&E-Quote bei weitem nicht dem Entwicklungsstand Österreichs entspricht, beabsichtigt die Bundesregierung, in den Jahren 2001 bis 2003 erhebliche zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen.

Bei den Verhandlungen mit Bund und Ländern für den neuen FINANZAUSGLEICH orientiert sich der Bund weiter am Grundsatz, Disparitäten in der Leistungs- und Finanzkraft sowie in der wirtschaftlichen Entwicklung zu minimieren. Im Sinne eines optimalen Zusammenspiels der Gebietskörperschaften sollen Entscheidungen über Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen jeweils auf der gleichen Ebene getroffen werden. Der Bund rechnet mit einem jährlichen Überschuss der Länder und Gemeinden von zumindest 0,5 % des BIP und erwartet ab 2001 außerdem einen jährlichen Solidarbeitrag.

Von der kürzlich mit der PTBG (Post und Telekom-Beteiligungs-Verwaltungsgesellschaft) fusionierten ÖIAG sollen Staatsdruckerei, Dorotheum, Print Media Austria, Flughafen Wien, Postsparkasse, Telekom und Austria Tabak zu 100 % privatisiert werden und die Erlöse zur Schuldentilgung bei ÖIAG und PTBG dienen, die diesbezüglichen Haftungen des Bundes laufen aus.

Durch Anhebung der VIGNETTENPREISE per 1.1.2001 und der LKW-MAUT per 2002 unter Beachtung der internationalen Entwicklung sollen die Straßenbetreibergesellschaften im Jahr 2003 Mehreinnahmen von rund 4,8 Mrd. S erzielen.

Von ÖBB und SCHIG erwartet die Regierung Vorschläge für eine Senkung der zusätzlichen Budgetbelastung um 2,1 Mrd. S im Jahr 2001, um 3 Mrd. S 2002 und um 4 Mrd. S im Jahr 2003.

Das Budgetprogramm der Bundesregierung für die Jahre 2001 bis 2003 sei so gestaltet, dass seine VERTEILUNGSWIRKUNGEN den Grundsätzen sozialer Gerechtigkeit bestmöglich Rechnung tragen, lautet der Schlusssatz des Dokuments (III-55 d.B.). (Schluss)