Parlamentskorrespondenz Nr. 463 vom 01.08.2000
DIE NEUE UNÜBERSICHTLICHKEIT TRIFFT DIE VERBRAUCHERiNNEN
Wien (PK) - Nach Einkommensverlusten im Zuge der Sparpakete der Jahre 1996 und 1997 haben die Österreicher im Jahr 1999 wieder höhere Einkommen erzielt, wobei die Arbeitseinkommen weniger stark gestiegen sind als die Finanzeinkommen. Von den höheren Einkommen fließt allerdings nur ein Teil in den Konsum, was die Konjunktur stützt. Vielmehr stieg 1999 auch die Sparquote, wobei sich im Sparverhalten der ÖsterreicherInnen ein deutlicher Trend weg vom Sparbuch und hin zu Fondsveranlagungen zeigte. Eine neue Unübersichtlichkeit ist für die Konsumenten dadurch entstanden, dass die Produkte einander - vor allem qualitätsmäßig - immer ähnlicher und die angebotenen Dienstleistungen immer differenzierter werden. Der Preiskampf in vielen Sparten hat für die VerbraucherInnen nicht immer nur positive Effekte. "Auf jeden Fall wird es für die VerbraucherInnen immer schwieriger, das für sie adäquate und auch noch kostengünstigere Angebot herauszufinden." Das sind einige der zentralen Aussagen des Berichts zur Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher 1999 , der kürzlich vom Bundesministerium für Justiz dem Parlament vorgelegt wurde. (III-51 d.B.)
Auf 168 Seiten befasst sich der Bericht zunächst mit branchenspezifischen Problemlagen, wobei u.a. Finanzdienstleistungen, gewerbliche Dienstleistungen, Dienstleistungen im Bereich Energie, Telekommunikations-Dienstleistungen, Wohnen, Ernährung und Kosmetik etc. beleuchtet werden. Nach einem Abschnitt über "juristische Querschnittsfragen" werden in dem Bericht soziologische Querschnittbetrachtungen angestellt. Im einzelnen wird dabei auf spezifische Probleme im Zusammenhang mit der Nationalität, mit dem Alter und mit dem Geschlecht eingegangen. Nach einem Abschnitt mit ökologischen Betrachtungen schließt der Bericht mit Überlegungen zur Rechtsdurchsetzung und geht auf Verbandsklagen und Musterprozesse ein.
DEUTLICHE MEHRKOSTEN BEI GEHALTS- UND PENSIONSKONTEN DURCH DEN EURO?
Erhebliche Kostensteigerungen gab es dem Bericht zufolge bei Gehalts- und Pensionskonten. Die Preissteigerungen bei Gehaltskonten von 13 Kreditinstituten betrugen von Mitte 1996 bis Mitte 1999 für einen durchschnittlichen Nutzer bis zu 91 Prozent. "Möglicherweise können diese exorbitanten Preissteigerungen teilweise auch darauf zurückgeführt werden, dass die Kosten der Euro-Einführung auch auf den Verbraucher abgewälzt wurden", mutmaßen die AutorInnen des Berichts. Beschwerden habe es zudem bei Spesen im Zusammenhang mit Überweisungen ins Ausland gegeben. Dabei habe es besonders krasse Fälle gegeben, in denen Kleinbeträge überwiesen wurden und die verrechneten Spesen einige hundert Schilling betrugen.
Im Zusammenhang mit dem als kostengünstig beworbenen Internet-Banking moniert der Bericht, dass die Kostenvorteile in der Realität weit hinter den Versprechungen der Werbung zurückgeblieben seien.
Das Sparbuch hat dem Bericht zufolge - auf Grund der niedrigen Verzinsung - weiter an Bedeutung verloren. Trotz eines ungebrochenen Trends zu Fonds sei allerdings der Nettoertrag für den Anleger oft geringer als von der Werbung suggeriert. Großer Beliebtheit erfreut sich nach wie vor das Bausparen. Der Bausparmarkt hat sich im ersten Halbjahr 1999 "vollkommen gewandelt und zu neuen Tarif- bzw. Zinsstrukturen geführt", wird in dem Bericht festgehalten. Massive Verbraucherbeschwerden hat es im Zusammenhang mit den einseitigen Zinssatzsenkungen bei laufenden Verträgen gegeben.
Beschwerden hat es auch bei den Spesensätzen für Kreditkontoablichtungen gegeben. Der Bericht kritisiert, dass die gesetzlich vorgeschriebene Kontomitteilung einmal pro Jahr keine zureichende Kreditinformation enthalte. Bei den boomenden Fremdwährungskrediten würden von den Kunden die Währungs- und Zinsrisken vielfach unterschätzt - was auf fehlende oder mangelhafte Information durch BeraterInnen zurückgeführt wird. KFZ-Leasing gilt nach wie vor als Wachstumsbranche; in der Beschwerdestatistik befinden sich Probleme mit vorzeitiger Vertragsauflösung im Gefolge von Totalschaden, Diebstahl und Zahlungsunfähigkeit ganz vorn.
Ein ähnliches Bild bietet sich im Versicherungsbereich, speziell bei den Lebensversicherungen. Während hier ein Wachstum von 11 Prozent registriert wurde, war auch starker Aufklärungsbedarf festzustellen: Knapp ein Drittel aller Anfragen im Versicherungsbereich bezog sich auf diese Sparte, aber auch ein generelles Informationsdefizit der Verbraucher im Bereich Versicherungen wird konstatiert.
Der Euro ist - trotz enormer Informationskampagnen - in der Bevölkerung noch nicht wirklich präsent. Dies und die unter den Erwartungen gebliebene Informationsnachfrage wird darauf zurückgeführt, dass bisher für den Kleinverbraucher keine praktischen Auswirkungen spürbar sind, zumal der faktische Wechsel vom Schilling zum Euro erst Anfang des Jahres 2002 erfolgen wird.
INTERNET-EINKAUF HAT NOCH EINIGE TÜCKEN
Das Internet stellte 1999 nur in einigen wenigen Bereichen eine ernsthafte Konkurrenz zum herkömmlichen Handel dar: Nach wie vor wird das Einkaufserlebnis eher beim Einkaufsbummel und beim Blättern in Katalogen gesucht. Neben dem noch eher bescheidenen und zu teuren nationalen Angebot werden dafür "einige Tücken" im Internet-Handel verantwortlich gemacht. Die Sehnsucht nach tatsächlichen - und nicht nur virtuellen - Einkaufserlebnissen spiegelt sich im Trend zu Verkaufspartys - auch wenn damit ein "psychologischer Kaufzwang" ausgeübt wird. Der Versandhandel scheint mehr und mehr zum Problem für VerbraucherInnen zu werden, wobei hier eine signifikante Betroffenheit von Frauen registriert wird.
WENN EINER EINE REISE TUT ...
... dann kann er was erzählen, etwa über die Differenz zwischen Katalog und Wirklichkeit. Reisen liegt im Trend: Herr und Frau Österreicher führen jährlich rund 6 Millionen Haupturlaubsreisen durch, zwei Drittel davon ins Ausland. Anderseits ist festzuhalten, dass mehr als die Hälfte der ÖsterreicherInnen im letzten Jahr keinen Urlaub - auch keine Kurzerholungsreise - gemacht haben. Verstärkt wurde die Möglichkeit genutzt, Reisen im Ausland zu buchen - was sich auch in einer Steigerung der Beschwerden über ausländische Reiseveranstalter niederschlug. Mit der Prospektwahrheit nehmen es nicht alle Veranstalter so genau: Der Bericht nennt als besonders krasses Beispiel die im Gefolge von "el nino" aufgetretene Zerstörung des Korallenriffs in Teilen der Malediven, die weder in Prospekten noch in der Beratung ein Thema waren.
Bei Reisen zum Jahrtausendwechsel - so genannte Milleniumsreisen - wurden von einigen Veranstaltern bei Rücktritt von der Reise ein halbes Jahr vor Antritt der Reise Stornogebühren von 100 Prozent vereinbart. Da dies den Allgemeinen Reisebedingungen - bei Rücktritt bis 30 Tage vor Reiseantritt 10 Prozent Stornogebühr - widerspricht, geht der Verein für Konsumenteninformation gegen solche Klauseln mit Abmahnung und Verbandsklage vor.
UNDURCHSCHAUBARER TELEKOMMUNIKATIONSMARKT
Nach dem Fall des Telekom-Monopols sowie auf Grund der Vielzahl privater Anbieter und der Produkte wird der Telekommunikationsmarkt für den Verbraucher, wie der Bericht festhält, "immer undurchschaubarer. Für den Verbraucher ist es nahezu unmöglich, das für ihn günstigste Angebot auszuwählen". Es gibt aber auch eine Gemeinsamkeit: "Die Preiserhebungen haben gezeigt, dass die meisten Angebote in den Werbeaussagen der Betreiber günstiger dargestellt werden als sie tatsächlich sind." Mangelnde Transparenz wird auch in der Rechnungslegung konstatiert. Seit Einrichtung der Streitschlichtungsstelle im November 1997 wurden 875 Beschwerden eingebracht, wobei Wien signifikant über dem Durchschnitt liegt. Etwa 90 Prozent der Beschwerden bezogen sich auf Zahlungsstreitigkeiten. Rund 86 Prozent der Beschwerden entfielen auf die Telekom Austria, knapp 11 Prozent auf Mobilkom Austria, knapp 2 Prozent auf max.mobil.
Der Bericht geht auch auf die automatische Rufnummern-Anzeige ein, die es seit August 1999 gibt. In dem Bericht wird angezweifelt, dass diese Vorgangsweise im Hinblick auf das Datenschutzgesetz rechtlich gedeckt ist.
ENTSPANNTE SITUATION AUF DEM WOHNUNGSMARKT
Auf Grund der hohen Bautätigkeit der letzten Jahre vor allem in Wien und Umgebung hat sich ein leichter Überhang an freien Wohnungen ergeben, wird in dem Bericht festgestellt: "Insgesamt gilt die Situation auf dem Wohnungsmarkt derzeit als entspannt." Probleme werden im Zusammenhang mit Befristungen (687 Anfragen) und bei Immobilienmaklern (616 Anfragen) geortet, wobei das Thema Rücktritt an häufigsten angezogen wurde.
Beim Möbeleinkauf hat sich an den grundlegenden Problemen kaum etwas geändert: zu lange Lieferzeiten, Transport- und Montageschäden, mangelhafte Verarbeitung blieben 1999 als Problembereiche aktuell. Der größte Teil der Anfragen zum Thema Innenausstattung betraf große Haushaltgeräte.
EIN SCHNITZEL - ABER SCHNELL, GENFREI UND AUS ÖSTERREICH
Die Hitparade der Lieblingsspeisen wird von Fleischgerichten (36 Prozent) angeführt, gefolgt von Nudeln und Spätzle (32), Mehlspeisen (25), Gemüse (22), Schnitzel und Geflügel (jeweils 17 Prozent), Fisch, Meeresfrüchte und Gemüseauflauf (jeweils 14 Prozent). Der Bericht resümiert: "Trotz erstarkendem Gesundheitsbewusstseins scheint eine ausgewogene Ernäherung noch in weiter Ferne zu sein." Zunehmend greift der Österreicher zu Gerichten aus anderen Ländern, wenn ihm auch - nach diversen Vorfällen und abgesehen von
Spezialitäten - die österreichische Herkunft und damit die Wahrscheinlichkeit von nicht gen-manipulierten Produkten wichtig ist. Da nur wenig Zeit zum Essen bleibe, kommen mehr und mehr Fertiggerichte auf den Tisch.
Bei Kosmetika haben Tests ergeben, dass zum einen preiswerte Produkte nicht weniger wirkungsvoll sind als teure und dass zum anderen großartig beworbene zusätzliche Wirkstoffe sich meist als wenig einflussreich erwiesen. Als auffallend werden die oft aufwändigen Verpackungen beschreiben; im Extremfall habe das Drumherum dreimal so viel gewogen wie der Inhalt.
MARKTSÄTTIGUNG BEI UNTERHALTUNGSELEKTRONIK UND AUTOS
Sowohl bei der Unterhaltungselektronik wie bei neuen Autos stellt der Bericht eine gewisse Sättigung fest. Bei veralteten Systemen (wie Video- und Audio-Kassetten) gab es Markteinbrüche, bei neuen Systemen (MD-Decks, DVD-Player) dafür starke Zuwächse. Bei Autos gibt es - trotz Verbesserungen - nach wie vor Sicherheitsmängel.
30 PROZENT DER HAUSHALTE HABEN EINEN COMPUTER, 9 PROZENT INTERNET
Die Angaben über die Ausstattung der österreichischen Haushalte mit moderner Kommunikationstechnologie schwanken. Nach einer IMAS-Untersuchung haben 31 Prozent einen Computer, nach Fessel-GfK sind es 42 Prozent. Unbestritten ist, dass das Marktvolumen kontinuierlich ansteigt. Gleiches gilt für den Telekommunikationsmarkt. Speziell der Handy-Boom hielt 1999 an. Als Problem werden die Kosten - speziell bei der Zielgruppe Jugend - gesehen. Die Konsumentenschützer raten daher im Fall von Kindern und Jugendlichen zu Wertkartenhandys.
Auch hinsichtlich Internet-Anschluss differieren die Angaben: IMAS nennt 8, Fessel-GfK 9 Prozent. Seit 1997 gibt es Steigerungen um 80 Prozent. Dennoch war im Jahr 1999 die Marktbedeutung des Internet relativ gering.
LAND DER HÄUSELBAUER - MIT WACHSENDEM ENERGIE- UND UMWELTBEWUSSTSEIN
Der Bericht zitiert eine IMAS-Studie, wonach 1996 in Österreich 17.200 Ein- und Zweifamilienhäuser errichtet wurden, davon 4.500 Fertighäuser.
In einem Exkurs gehen die Autoren des Berichts auf den Zusammenhang zwischen Bauen, Energie und Haustechnik ein. Seit Jahren ist eine Steigerung der Energie-Effizienz feststellbar. Nunmehr strebe die "energetische Qualität der Gebäudehülle" auf eine Schwelle zu, "ab der ein konventionelles (Heiz-)Energiesystem überflüssig wird". Der Bericht spricht in diesem Zusammenhang von einem Kosteneinsparungspotential, das - auch aus der Perspektive der Durchschnittsfamilie - in absehbarer Zeit den "definitiven Durchbruch für treibhausneutrale Hausenergiesysteme" bedeuten könnte. Dies wird auch im Zusammenhang mit Förderungen gesehen.
VERWIRRENDE WERBUNG, ÜBERRUMPELTE VERBRAUCHER
Werbung verwirrt Konsumenten nicht nur, sie belästigt sie auch zunehmend, indem sie unaufgefordert in die Privatsphäre des Einzelnen eindringt, etwa über Telefon, Fax und e-mail, aber auch durch exzessive Verteilung von Werbematerial an Wohnungstüren und durch so genannte Gewinnspiele. Im Bereich der Haustürgeschäfte haben Beschwerden über Straßenwerbung diverser Spendenorganisationen zugenommen, stellt der Bericht fest. Für überrumpelte Verbraucher sei es oft sehr schwer, zu ihrem Recht zu kommen, zumal mögliche Prozesskosten und Streitwert auseinander klaffen.
SPEZIFISCHE PROBLEME VON AUSLÄNDERN, SENIOREN, JUNGEN, FRAUEN
KonsumentInnen aus dem Ausland haben bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche als Verbraucher die größten Schwierigkeiten. Dieser Befund gilt in den Bereichen Wohnungskosten und Wohnungsqualität, Umgang mit Immobilienmaklern und Adressenbüros, mit Inkassobüros und Kreditvermittlern sowie im Gebrauchtwarenhandel. Sprachschwierigkeiten, aber auch Besorgnisse wegen der Aufenthaltsberechtigung u.ä. werden dafür als ursächlich angesehen, aber auch die Aggressivität der Geschäftspartner.
Junge - und somit unerfahrene - Menschen haben vermehrt Probleme auf den Gebieten Wohnungsuche und -einrichtung, Sportartikel und Telekommunikation. Bei älteren VerbraucherInnen treten Probleme vor allem in Bekleidungsfragen, in der Krankenzusatzversicherung und im Zusammenhang mit Timesharing (z.B. Ferienhäuser im Ausland) und mit Werbefahrten auf. Eine höhere Problemfrequenz bei Frauen wird bei Schlankheitsmitteln und beim Versandhandel, bei Männern im Bereich KFZ und Sportartikel registriert. Bei Kindern und Jugendlichen ist kennzeichnend, dass mehr als die Hälfte angibt, ihre Einkäufe nicht zu planen, sondern die Kaufentscheidung spontan zu treffen.
Ein eigener Abschnitt des Berichts ist "ökologischen Querschnittbetrachtungen" (Österreichisches Umweltzeichen, Umweltzeichen für Tourismusbetriebe, Strahlenangst bei Mobilfunk-Basisstationen) gewidmet.
Abschließend werden Verbandsklagen und Musterprozesse als Instrumente der Durchsetzung von Verbraucher-Rechten dargestellt, die vom Verein für Konsumenteinformation angestrengt wurden.
(Schluss)