Parlamentskorrespondenz Nr. 478 vom 31.08.2000

TOURISMUSBERICHT 1999: ÖSTERREICH IM FREMDENVERKEHR WEITER WELTSPITZE

Wien (PK) - Wirtschaftsminister Dr. Martin BARTENSTEIN hat dem Nationalrat kürzlich den BERICHT ÜBER DIE LAGE DER TOURISMUS- UND FREIZEITWIRTSCHAFT IN ÖSTERREICH 1999 vorgelegt. Einmal mehr belegt der Tourismusbericht die große volkswirtschaftliche Bedeutung der Branche, die im Vorjahr einen Gesamtumsatz von 463,3 Mrd. S und einen Wertschöpfungsanteil von 12,9% am BIP erzielte. 34,9% der Einnahmen stammten von ausländischen Gästen. Die gute Nachricht an die Abgeordneten lautet, dass die österreichische Tourismuswirtschaft weiter wächst. Die Betriebe haben im Jahr 1999 um 1,5% mehr Gäste beherbergt als 1998. Von den 112,7 Mill. Übernachtungen entfielen 82,4 Mill.(+0,75%) auf Aus- und 30,3 Mill. (+4%) auf inländische Gäste. Insgesamt gaben die Urlauber um 4 % mehr, nämlich 199,4 Mrd. S oder 5,9% des BIP aus und sicherten damit etwa 200.000 heimische Vollarbeitsplätze. Der Löwenanteil bei den Einnahmensteigerungen stammt von den Österreichern selbst, die bei ihren Urlauben in der Heimat um 7,5 % mehr ausgaben als 1998.

Günstig beurteilen Experten, dass der Umsatz mit 2 % (1998: +3,5%) stärker stieg als die Zahl der Übernachtung mit 1,5%, weil dies Strukturverbesserungen anzeigt. Positiv entwickelte sich auch die Reiseverkehrsbilanz. Nachdem der Überschuss seit Beginn der neunziger Jahre bis 1997 von mehr als 70 Mrd. S auf 18,8 Mrd. S geschmolzen war, konnte 1999 wieder ein Plus von 33,3 Mrd. S erreicht werden.

TOURISMUS-WELTMEISTER ÖSTERREICH BLEIBT AN DER SPITZE ...

Im internationalen Vergleich hat Österreich seine Spitzenposition im Tourismus verteidigt. Die Pro-Kopf-Einnahmen aus dem internationalen Reiseverkehr stiegen gegenüber 1998 von 19.351 auf 19.909 S. Dahinter lag die Schweiz mit einem Vergleichswert von 14.196 S an zweiter Stelle, auf den weiteren Rängen folgten Island mit 10.858 S und Spanien mit 10.802 S. Der europäische Durchschnitt lag bei 5.637 S.

Als Ursachen für die Aufwärtstendenz nennen die Experten des Ressorts die gute Konjunktur, das große Vertrauen der Verbraucher und den Euro. Österreich profitiert vom Ende wechselkursbedingter Verlagerun­gen der internationalen Reiseströme, da die südeuropäischen Konkurrenzländer durch Abwertungen keine Preisvorteile mehr erzielen können. Positiv wirken ferner die Positionsvorteile Österreichs bei Kurzurlauben, die Modernisierung des Angebots und Strukturverbesserungen.

... ABER DER VORSPRUNG SCHRUMPFT

Ein weniger günstiges Bild ergibt sich beim längerfristigen Vergleich der österreichischen Tourismuswirtschaft mit der internationalen Entwicklung. Zwar konnte die touristische Talfahrt seit 1990 im Jahr 1998 gebremst und die Situation stabilisiert werden, nachdenklich stimmt die Autoren des Berichts aber, dass Österreich vom internationalen Tourismusboom nur unterdurchschnittlich profitiert und Marktanteile an Konkurrenten verliert. So ist Österreichs Anteil am stark wachsenden europäischen Tourismuskuchen während der letzten 25 Jahre um die Hälfte geschrumpft, seit 1990 nahm er um etwa 3 Prozentpunkte ab und erreichte 1997 6,5%. Während in Europa die Einnahmen aus dem internationalen Reiseverkehr 1998 um 6,5% und 1999 um 7,1% zunahmen, schwächte sich das Wachstum der internationalen Reiseverkehrseinnahmen Österreichs nach 4,6% im Jahr 1998 im Jahr 1999 auf 3% ab.

Traditionelle Strukturschwächen seien noch nicht überwunden, sondern nur gemildert, heißt es in den Detailanalysen. Genannt wird die schwache Innovationstätigkeit, die schleppend voran gehende Kooperationsbildung und die Vernachlässigung des Web-Marketings. Globalisierungsdruck und Innovationswettbewerb lassen befürchten, dass das bereits niedrige Marktanteilsniveau der österreichischen Tourismuswirtschaft mittelfristig im günstigen Fall gehalten werden kann.

PROGNOSEN FÜR DAS JAHR 2000

Für das heurige Jahr erwarten die Experten ein Plus bei den Einnahmen aus dem internationalen Reiseverkehr um 4,5 % auf insgesamt 168,3 Mrd. S, was - trotz Konjunkturaufschwung, besserer preislicher Wettbewerbsfähigkeit und boomender internationaler Tourismus- und Freizeitmärkte - fortgesetzte Marktanteilsverluste bedeute. Die Ausgaben im Zuge von Auslandsreisen werden voraussichtlich um 5% auf 134,1 Mrd. S wachsen, der Überschuss in der Reiseverkehrsbilanz leicht um 0,9 Mrd. S auf 34,2 Mrd. S steigen. Die wachsende Nachfrage der Österreicher nach Aufenthalten im Inland wird den Umsatz um 5% bis 7% steigen lassen, was die Tourismusentwicklung in Österreich positiv beeinflussen, den Gesamttrend aber nicht verändern wird. Beim gesamten Tourismus- und Freizeitumsatz besteht Hoffnung auf ein Überschreiten der 485 Mrd. S-Grenze.

DETAILS AUS DER WINTERSAISON 1998/99

Im Winter 1998/99 stiegen die Übernachtungen im Jahresabstand um 5,25%, die Umsätze um 2,8% auf 99,3 Mrd. S. Die Österreicher gaben für den Inlandsurlaub um 3,5% mehr aus, während ihre Aufwendungen im Ausland um 10% sanken.

Deutliche Zuwächse wurden bei Gästen aus Polen (+21%), Ungarn (+19,5%), Tschechien und der Slowakei (+17,5%), Belgien und Luxemburg (+15%), den Niederlanden (+11,5%), aus den USA und Großbritannien (je +10%) sowie aus Italien (+6,5%) erzielt.

DIE SOMMERSAISON 1999

Auch in der Sommersaison hielt die Erholung weiter an: Die Umsätze stiegen nach 3,5% im Sommer 1998 im Vorjahr um 3% auf 97,5 Mrd. S. Die Österreicher wendeten für Auslandsreisen etwa gleich viel auf wie im Vorjahr, gaben für Urlaube im Inland mit 9% aber deutlich mehr aus. Mit 2,25% fiel das Plus bei den Einnahmen aus dem internationalen Reiseverkehr geringer aus. Kräftig wuchsen im Sommer die Umsätze je Nächtigung.

Die sommerliche Reiseverkehrsbilanz, die 1997 mit 760 Mill. S ins Minus gerutscht war, verzeichnete 1999 einen Überschuss von 4,8 Mrd. S. Um 5% mehr Italiener, um 4% mehr Polen und um 3% mehr Niederländer besuchten unser Land. Stark rückläufig waren die Nächtigungen aus den GUS-Staaten (–21%), Frankreich (–9,5%) sowie aus USA und Ungarn (je –5%).

DAS HOTEL-UND GASTGEWERBE

Die rund 39.000 Beherbergungs- und Gaststättenbetriebe  erwirtschafteten mit 42.700 Selbstständigen und 147.500 unselbstständigen Arbeitskräften einen Produktionswert von 164 Mrd. S, der Anteil der Bruttowertschöpfung des Sektors an der Summe der Wirtschaftsbereiche betrug 4%. Personalaufwand und Wertschöpfung je unselbstständig Beschäftigtem sind niedriger als in den meisten anderen Wirtschaftszweigen. Die Arbeitslosenquote war 1999 mit 18% hoch.

Trotz deutlicher Verschiebungen zu Gunsten größerer Betriebe ist das Beherbergungs- und Gaststättenwesen nach wie vor kleinbetrieblich strukturiert, wobei der Trend in Richtung höhere Qualität weist. Seit 1980 wuchs die Zahl der Betten in den 5-/4-Stern-Betrieben im Sommer um 87,1% und um 96,6% im Winter, während in der 2-/1-Stern-Kategorie 52,2% der Sommer- und 46% der Winterkapazität abgebaut wurden. Die 3-Stern-Betriebe erweiterten ihre Kapazitäten noch bis Mitte der neunziger Jahre, seither geht die Bettenzahl auch dort zurück. 

In den Privatquartieren sank die Bettenzahl seit 1980 im Sommer um rund 53% und im Winter um 48%. Die Bettenzahl in Ferienhäusern und ‑wohnungen stieg im Zeitraum 1980 bis 1999 im Sommer von 59.000 auf 224.000 und im Winter von 38.000 auf 196.000. Ein großer Teil dieses Zuwachses resultiert aus der Umwandlung bereits vorhandener Unterkünfte.

Die Kapazitätsauslastung war 1999 in den Privatquartieren mit 17,7% im Winter und 17,4% im Sommer am niedrigsten. Die beste Bettenauslastung hatten 5-/4-Stern-Betriebe mit 42,8% (Winter) bzw. 50,6% (Sommer). Generell war die Auslastung im Sommer 1999 mit 28,7% etwas niedriger als im Winter (29%). Nach einer rückläufigen Bettenauslastung in den Sommern seit 1991 ist seit 1998 wieder ein Aufwärtstrend spürbar.

FINANZIELLE PROBLEME DER BETRIEBE

In ihrer betriebswirtschaftlichen Analyse der Hotellerie registrierten die Autoren des Berichts eine starke Zurückhaltung bei den Investitionen. Das habe dazu beigetragen, die Verschuldung kurzfristig zu stabilisieren, langfristig sei dadurch aber eine Beeinträchtigung der Konkurrenz­fähig­keit zu befürchten.

Die stärkere Nachfrage hat die Auslastung der 3- und 4/5-Stern-Kategorie verbessert. Nach wie vor hoch ist die Überschuldung, sowohl in statischen (negative Eigenkapitalquote) als auch in dynamischen Kennzahlen (Entschuldungsdauer 15 Jahre und mehr).

Die finanziellen Probleme betreffen nicht die gesamte österreichische Tourismuswirtschaft, sondern nur Betriebe mit ungünstigen Betriebsgrößen. Diese stellen im Alpenraum allerdings die Mehrheit dar. Wie im Handel, bei Banken, Versicherungen und den Kinos verstärkt sich zunehmend auch in der Hotellerie der Druck zu größeren Einheiten. Vor allem Betriebe mit weniger als 100 Betten sind gut beraten, nach neuen Wegen zu suchen und dem unausweichlichen Strukturwandel aktiv zu begegnen, raten die Fachleute. In Frage kommen der Verkauf des eigenen oder der Kauf eines benachbarten Betriebes, die Zusammenlegen mehrerer Kleinbetriebe zu einem gemeinsamen Unternehmen, das Eingehen von Kooperationen und die Besetzung von Marktnischen.

Das Wirtschaftsministerium unterstützt diese Entwicklungen mit Investitionsförderungen, durch Beratung und Ausbildung. Als Ziele gelten im Einzelnen weiterhin Qualitätsverbesserung, Innovation, Rationalisierung, Diversifizierung des Angebots, Saisonverlängerung, Optimierung der Betriebsgrößen, Erweiterung der Dienstleistungskette, Verbesserung der Eigenkapitalbasis, Zielgruppenorientierung, Neuübernahmen und Betriebsfortführungen.

ZUKUNFTSTHEMEN IM TOURISMUS: ÜBERBETRIEBLICHE KOOPERATION, WEB-MARKETING, CLUSTER

Da Kooperationen und Innovationen als die wichtigsten Schwachstellen der österreichischen Tourismuswirtschaft erkannt wurden, lautet der erste tourismuspolitische Schwerpunkt des Ressorts im Jahr 1999 auf überbetriebliche Orientierung der Förderungen. Kooperationen zwischen den Betrieben sollen erleichtert werden. Experten erwarten davon Größen- und Verbundvorteile für die relativ kleinen Tourismusbetriebe und zugleich Impulse zur Bildung regionaler Marken im Sinne touristischer Destinationen.

Große tourismuspolitische Bedeutung messen die Fachleute der zunehmenden Verbreitung des WorldWideWeb (WWW) zu. Nicht nur dem Verkauf von Waren und Dienstleistungen über das Internet, auch dem Tourismusmarketing im Netz wird eine große Zukunft vorhergesagt. Nach einer Anfangsphase, in der vor allem die technische Realisierbarkeit im WorldWideWeb diskutiert und erste Erfahrungen mit dieser Informationstechnologie gesammelt wurden, werden die Online-Aktivitäten mittlerweile systematisch geplant und integriert umgesetzt. Die wachsenden Anforderungen an die Online-Aktivitäten machen es zunehmend notwendig, die im WorldWideWeb eingesetzten Marketingmaßnahmen auch auf ihren Erfolg zu überprüfen, heißt es im Bericht.

Mit dem Terminus CLUSTER hat zuletzt ein in der Industriepolitik verwendeter Begriff Einzug in die Tourismuspolitik gehalten. Unter Cluster versteht die Sektion Tourismus und Freizeitwirtschaft einen international wettbewerbsfähigen branchenübergreifenden Wirtschaftskomplex entlang einer spezifischen Produktions- und Dienstleistungskette, wobei Kultur, Wintersport und Gesundheit aussichtsreiche touristische Cluster in Österreich darstellen dürften. Das Ressort hat 1999 eine Pilotstudie zur "Wellbeing-Destination of Europe" in Auftrag gegeben. In dieser Vorstudie sollen die Erfolgschancen einer Clusterstrategie für die Entwicklung des Gesundheitstourismus in Ostösterreich und den angrenzenden Nachbarländern erhoben werden.

DIE ÖSTERREICH WERBUNG

Ein spezielles Kapitel gilt auch im jüngsten Tourismusbericht wieder der Österreich Werbung, die sich mit ihren Aktivitäten ein hohes Maß an internationaler Anerkennung erworben hat und auf zahlreiche in- und ausländische Auszeichnungen verweisen kann, unter anderem auf den Staatspreis für Marketing 1999, den Effie Award für den gesamten Werbeauftritt 1998, den Print Oscar und den "Travel Star-Gold Award".

Die Österreich Werbung verfolgt eine konsequente Dachmarkenpolitik mit Konzentration auf die touristischen Kernkompetenzen Österreichs. Den Markenkern bilden "Berge", "Seen", "Stadt/Kultur", "Gastlichkeit" und die Vielfalt des Angebots im Winter.

Der deutschsprachige Raum, aus dem rund 75% der Österreich-Gäste stammen, bildet den Kernmarkt. In Westeuropa stellen die Niederlande, Italien und Großbritannien wichtige Zielländer dar, in Zentral- und Osteuropa Ungarn, Tschechien, Polen und die GUS sowie als Fernmärkte die USA und Japan. Während sich die Österreich Werbung bei den europäischen Nachbarn auf die Pflege der Dachmarke konzentriert und zugleich die Vielfalt Österreichs bewirbt und spezielle Interessen wie Gesundheit, Kongresse, Events und Incentives anspricht, dominiert in Ländern mit geringeren Österreich-Kenntnissen die Verstärkung bestehender Images, etwa die Kultur.

Die Kernzielgruppe in Europa ist die Familie. Es gilt, Österreich als "das Familienurlaubsland in Europa" auszuweisen. Im Winter stellen zusätzlich die sportlich Aktiven eine wichtige Zielgruppe dar. Darüber hinaus sollen, vor allem im Nahbereich, weitere Zielgruppen durch intensives Special-Interest-Marketing beziehungsweise themenspezifische Angebote angesprochen werden.

Wandern wird als Ganzjahresaktivität mit Schwerpunkt im Herbst beworben. Als Winterurlaubsland ist Österreich ganzheitlich positioniert und setzt auch auf "sanfte" Wintersportarten wie Rodeln oder Langlaufen. Die ÖW präsentiert Österreich außerdem als das ideale Land für Städtetrips sowie als Land der Kultur. Auch in diesem Segment gibt es geographische Schwerpunkte (vor allem die Fernmärkte, Spanien, sowie weitere Länder in Westeuropa).

Durch Einsparungen im Managementaufwand und durch effizienten Einsatz der finanziellen Mittel konnte die Österreich Werbung ihre Marketingkraft zuletzt stark steigern. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies: Mit einem Budget von 379 Mill. S setzte die ÖW 1.500 Marketingaktivitäten, organisierte 180 Pressefahrten und 80 Pressekonferenzen für österreichische und internationale Medien, betreute Österreich-Auftritte bei 140 Messen weltweit und gestaltete 140 Studienreisen für Vertreter von Reisebüros- und Veranstalter sowie 70 Österreich-Workshops (III-56 d.B). (Schluss)