Parlamentskorrespondenz Nr. 483 vom 05.09.2000

NATIONALRAT SETZT UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS EIN

Wien (PK) - Mit einer rund 50 Fragen umfassenden Dringlichen Anfrage (1178/J) verlangten die sozialdemokratische Opposition im Rahmen der heutigen Sondersitzung des Nationalrats von Finanzminister Grasser Klarheit über geplante Budgetmaßnahmen. Im Anschluss an die Behandlung der Dringlichen Anfrage wurde eine Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung 1002/AB von Justizminister Dr. Böhmdorfer zu einer schriftlichen Anfrage der Grünen betreffend "Zeitgeist Justiz" durchgeführt. Schließlich fand über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Causa EUROTEAM bzw. Vergabepraxis des Sozialministeriums eine Kurze Debatte statt. Mit Stimmenmehrheit wurde ein Untersuchungsausschuss eingesetzt.

Als erster Redner seiner Fraktion erinnerte Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) in der Begründung der Dringlichen Anfrage zunächst daran, dass in der letzten Legislaturperiode das Budgetdefizit von 5,4 auf 2,2 Prozent des BIP gesenkt worden sei. Die Frage sei nun, wie der weitere Weg der Konsolidierung aussehe. Nach den Vorschlägen der Sozialdemokraten sollte das Konsolidierungsziel durch einen Verzicht auf unnötige Mehrausgaben, durch eine Reform der Verwaltung und durch eine gerechtere Besteuerung erreicht werden, es sollte keine negativen Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung geben und die Konsolidierung sollte sozial ausgewogen erfolgen.

Das von der Regierung präsentierte "Bremserpaket" aber sei - wie schon das Budget 2000 - eher schröpferisch als schöpferisch, die Durchschnittsverdiener würden draufzahlen, der Mittelstand werde belastet, Leistung werde bestraft. Geschont würden die Besitzer von Milliardenvermögen und die Großgrundbesitzer. Es gehe um die Frage der Glaubwürdigkeit, hielt Gusenbauer der Regierung - auf der Regierungsbank des Nationalrats vertreten durch Bundeskanzler Dr. Schüssel und Finanzminister Mag. Grasser - vor. Der Bundeskanzler habe versprochen, dass es keine Steuererhöhungen geben werde; herausgekommen sei eine Rekord-Steuerbelastung. Entgegen dem Versprechen, ausgabenseitig einzusparen, hole sich der Staat 28 Mrd. S bei den Bürgern und bei der Wirtschaft. Die Koalition habe ihr großes Ehrenwort gegeben, die Karten auf den Tisch zu legen - aber es zeige sich, dass diese Karten gezinkt seien, kritisierte der Redner.

An die Adresse der ÖVP richtete Gusenbauer den Vorwurf, am wirtschaftsfeindlichsten Budget der II. Republik mitzuwirken. Die kleinen Leute hätten schon gemerkt, dass sie von der FPÖ verraten würden. Der Mittelstand werde im Stich gelassen, auch kleine Einkommen würden massiv belastet, die LKW-Maut drohe zur unendlichen Geschichte der Verschiebungen zu werden. 15.000 Stellen im Öffentlichen Dienst weniger - wer würde das sein, fragte Gusenbauer: Krankenschwestern oder Polizisten oder Lehrer? Dem Öffentlichen Dienst drohe eine Null-Lohnrunde, weil die Regierung nicht zu Reformen im Stande sei.

Nationalratspräsident Dr. FISCHER gab vor der Beantwortung der Anfrage durch den Finanzminister bekannt, dass ein Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eingebracht worden sei. Verlangt wird in dem von den Regierungsfraktionen eingebrachten Antrag die Untersuchung "der politischen und rechtlichen Verantwortung" bei der Vergabepraxis des Sozialministeriums von 1995 bis 1999, wobei die Auftragsvergabe an die Firma EUROTEAM als "exemplarisch" bezeichnet wird. Im Lauf der Sitzung wurden von den Sozialdemokraten und von den Grünen ebenfalls Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Thema EUROTEAM eingebracht. Alle Anträge zu diesem Thema werden im Anschluss an die Kurze Debatte zur Anfragebeantwortung durch Justizminister Böhmdorfer behandelt.

Die verfehlte Finanzpolitik der letzten 30 Jahre, in denen täglich 144 Mio. S Schulden gemacht worden seien, mache eine Wende in der Finanzpolitik dringend notwendig, eröffnete Finanzminister Mag. GRASSER seine Beantwortung der Dringlichen Anfrage. Die neue Regierung sei mit der Absicht angetreten, Schluss mit dieser Finanzpolitik zu machen, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen und keine neuen Schulden mehr zu machen. Eine Zeit der Hochkonjunktur, sinkender Arbeitslosenquoten und der Rekorde beim Export und bei den Investitionen, eine Zeit des Wirtschaftsbooms sei die richtige Zeit für eine Wende in der Finanzpolitik, betonte der Finanzminister und verwies auf die Unterstützung der Bevölkerung für diese Politik: 47 Prozent der Bevölkerung hielten die Sanierung des Budgets für sehr wichtig, 42 Prozent für wichtig. 71 Prozent würden ein Scheitern dieser Bemühungen bedauern. Diese Sanierung sei notwendig im Interesse von Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum, zur Bekämpfung der Armut, um Perspektiven zu eröffnen, um den Wohlstand erhalten und verbessern zu können.

Den Sozialdemokraten warf Grasser vor, vor, die Parteipolitik vor die Sache zu reihen; nur dagegen zu sein sei zu wenig. Minister Grasser listete sodann einzelne Positionen mit globalen Summen im Zuge des Konsolidierungsprogramms auf: 10,9 Mrd. S aus der Pensionsreform, 10 Mrd. S aus der Verwaltungsreform, 5 Mrd. S durch Erhöhung der sozialen Treffsicherheit, 3 Mrd. S aus Infrastruktur-Maßnahmen, 30 Mrd. S aus dem Finanzausgleich. Ausdrücklich dankte Grasser den Ländern und besonders den Landeshauptmännern Stix, Sausgruber und Haider für die Bereitschaft, am Konsolidierungsprogramm mitzuwirken. 72 Prozent der angepeilten 100 Mrd. S würden ausgabenseitig aufgebracht, und man habe sich gefragt, ob die auf 100 Mrd. S fehlenden 28 Mrd. S nicht auch ausgabenseitig hereingebracht werden sollten. Weil aber eine fairere und sozial gerechte Vorgangsweise angestrebt wurde, habe an einnahmenseitigen Maßnahmen kein Weg vorbeigeführt. Im Ergebnis gebe es keine neuen Steuern und auch - mit Ausnahme der LKW-Steuer - keine Steuererhöhungen.

75 Prozent der Bevölkerung würden nicht zur Sanierung des Haushalts herangezogen, Beziehern von Einkommen unter 30.000 S bliebe sogar mehr in der Brieftasche. Grasser untermauerte dies an einem Beispiel aus der Praxis, das er mittels Schautafel präsentierte: Eine Alleinerzieherin mit einem Kind und einem Haushaltseinkommen von 25.000 S habe durch die Steuerreform 2000 4.055 und durch das Familienpaket 2000 6.000 S gewonnen. Durch das Sanierungspaket erleide sie keine Belastung. Ab 2002 erhielte sie durch das Kindergeld zusätzlich jährlich 72.000 S.

Bevor er die rund 50 Fragen im Detail beantwortete - wobei er allerdings mehrfach auf die ressortzuständigen Minister Sickl, Bartenstein und Gehrer verwies - kündigte Grasser für die Zukunft eine Senkung der Lohnnebenkosten, die Einführung des Kindergelds und eine Offensive im Bereich Forschung und Entwicklung an. Das von der Regierung beabsichtigte Paket sei sozial gerecht und maßvoll für den Wirtschaftsstandort Österreich, fasste Grasser abschließend zusammen.

Abgeordneter VERZETNITSCH (SP) erinnerte in Anknüpfung an Bundesminister Grasser, der zu den Vorteilen der letzten Steuerreform gesprochen hatte, daran, dass die FPÖ diese Reform seinerzeit abgelehnt hat. Er unterstrich, dass die EU kein Nulldefizit verlange und bereits die letzte Bundesregierung die Neuverschuldung extrem reduziert habe.

Der Abgeordnete zeigte sich unzufrieden darüber, dass Grasser bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage wenig Konkretes gesagt und auf seine Ressortkollegen verwiesen hat. Er frage sich daher, wie der Minister in nur wenigen Wochen eine Budgetrede halten werde, in denen er die einzelnen Maßnahmen aller Ressorts darstellen werde. Verzetnitsch kritisierte, dass durch die geplanten Maßnahmen überwiegend kleine und mittlere Einkommen betroffen seien, nachdem im vorangegangenen Budget eine Reihe von Belastungen auf die SteuerzahlerInnen zugekommen ist. Er stellte auch in Abrede, dass Einkommen unter 30.000 S nicht betroffen seien, zumal durch die Halbierung des allgemeinen Absetzbetrages auch EinkommensbezieherInnen ab 4.000 S zahlen müssten. Grasser warf er vor, bei dem Ziel, Leistungsfähigere stärker heranzuziehen, auf halbem Wege stehengeblieben zu sein. Ihm fehle als achte Säule der Budgetpolitik, Steuern, Abgaben und deren Wirkung zu überprüfen. Auch bleibe der geringe Anteil der F&E-Ausgaben am BIP eine offene Frage.

Schließlich brachte der Abgeordnete einen umfassenden Entschließungsantrag ein, in dem die aus der Sicht der SozialdemokratInnen erforderlichen Grundsätze einer sozial ausgewogenen, zukunftsorientierten und nachhaltigen Budgetkonsolidierung aufgelistet werden. Konkret fordern sie, auf die im Koalitionsübereinkommen enthaltenen Mehrausgaben in der Höhe von mindestens 70 Mrd. S zu verzichten, die "Treffsicherheit" des Budgets nicht auf den Bereich der Sozialpolitik zu beschränken, steuerliche Privilegien für große Vermögensbesitzer zu beseitigen und durch Schließung von Steuerlücken dafür zu sorgen, dass der Anteil der Körperschafts- und Vermögenssteuern am BIP jenes Niveau erreicht, das in vergleichbaren EU-Ländern mit Budgetüberschüssen gegeben ist. Das "Nulldefizit" dürfe, so der Antrag, nicht durch Einmaleffekte, sondern ausschließlich durch strukturelle Maßnahmen herbeigeführt werden, außerdem sollte es statt zu einer Senkung der Realeinkommen der öffentlich Bediensteten zu echten Reformen mit dem Ziel einer effizienten Verwaltung kommen. Die S-Abgeordneten warnen davor, das hohe Niveau der österreichischen Bildungs- und Weiterbildungseinrichtungen dem kurzfristigen Ziel der Budgetkonsolidierung zu opfern. Sie sprechen sich für die Erhöhung der Ausgaben für Zukunftsbereiche sowie für die Einrichtung eines Zukunftsfonds, finanziert durch Einmalerlöse, aus und mahnen eine Budgetpolitik ein, die durch arbeits- und verteilungspolitische Maßnahmen unterstützt wird. Schließlich verlangen sie, besonderes Augenmerk auf die Förderung der Beschäftigung und des Wirtschaftswachstums zu richten.

Die SozialdemokratInnen werfen in diesem Antrag der Koalition vor, dass das willkürlich gesetzte Ziel eines Nulldefizits für viele ÖsterreicherInnen gravierende Einkommenseinbußen nach sich ziehen werde, die kleinen und mittleren Einkommen überproportional belastet würden und sich die überdurchschnittlich hohe Besteuerung der Lohneinkommen weiter erhöhen werde. Vor allem kritisieren die S-MandatarInnen, dass im Gegensatz zu den Mehrbelastungen für ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen die Maßnahmen im Unternehmensbereich nur befristet beschlossen werden sollen.

In einer Replik auf seinen Vorredner meinte Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (F), dass dessen Rede Zeugnis davon abgelegt habe, wie wenig Kritik es am Budget 2001/2002 gebe. Auch fehle es der SPÖ solange an Glaubwürdigkeit, solange sie nicht selbst im ureigensten Bereich für Steuergerechtigkeit sorge. Westenthaler nahm dabei Bezug auf "Schwarzgelder an privilegierte Mitarbeiter" des ÖGB. Abgeordneter Verzetnitsch hatte in seinem Debattenbeitrag darauf hingewiesen, dass der ÖGB wegen nicht bezahlter Steuern Selbstanzeige erstattet habe.

Auf die Budgetpolitik eingehend bekräftigte der F-Klubobmann, dass die Regierung ein sozial gerechtes Budget auf den Tisch gelegt habe. Das österreichische Durchschnittseinkommen, so der Mandatar, liege unter 30.000 S und damit würden 75% der österreichischen Bevölkerung nicht belastet. Im Gegensatz dazu habe die SPÖ gefordert, dass jeder seinen Beitrag leisten solle, dazu sage aber diese Regierung nein.

Den Antrag auf Sondersitzung durch die SPÖ bezeichnete Westenthaler als Ablenkungsmanöver, mit dem die existentielle Dauerkrise der SPÖ auf das Parlament umgewälzt werden soll.

Abschließend verwies der Redner auf einen Vier-Parteien-Antrag zum Thema Temelin und unterstrich, dass man es sich nicht gefallen lassen werde, eine "Bedrohung der österreichischen Bevölkerung hinzunehmen".

Abgeordneter Dr. KHOL (VP) stellte am Beginn seiner Rede fest, das neue Regieren heiße, Schuldenpolitik zu beenden und Vollbeschäftigung zu sichern. Mit dem Reformdialog vom Freitag, wo die Maßnahmen auf den Tisch gelegt worden seien, sei die heutige Sondersitzung eigentlich "verpufft". Sie ermögliche aber die "Gräuelpropaganda" zu widerlegen, denn es gebe keine Umverteilung von unten nach oben, keine Besteuerung des 13. und 14. Monatsgehalts und keine Belastungen, wie sie im AK-Wahlkampf verbreitet worden sind.

Die auch von der Opposition geäußerte Zustimmung zu den Budgetplänen zeige, dass man auf dem richtigen Weg sei. Khol zeigte sich überzeugt, dass eine guten Budgetpolitik den wirtschaftlichen Standort sichere und er dankte in diesem Zusammenhang ausdrücklich der Bevölkerung und insbesondere den Ländern und Gemeinden für ihren Beitrag und die gezeigte Solidarität.

Diese Sitzung, so Khol, soll einem weiteren wichtigen Ziel zugeführt werden, nämlich dem Kampf gegen das AKW Temelin. Er bezeichnete es als "töricht", dass sich die Tschechische Republik in dieser Situation den Sanktionen angeschlossen habe und kein Wort mit dem österreichischen Umweltminister gesprochen habe. Um der Regierung im Kampf gegen ein unsicheres AKW den Rücken zu stärken, brachte er einen sieben Punkte umfassenden S-F-V-G-Entschließungsantrag betreffend österreichische Bedenken im Zusammenhang mit der geplanten Inbetriebnahme von Temelin ein.

Darin wird die Bundesregierung ersucht, bei der Erstellung kommender Bundesvoranschläge unter Berücksichtigung der geplanten Budgetsparziele auch weiterhin eine angemessene Dotierung von internationalen Projekten zum Ausstieg aus der Kernenergie sicherzustellen. Außerdem verlangen die Antragsteller, dass eine Inbetriebnahme des AKW Temelin unterbleibt, solange Fragen zur Sicherheit und Umweltverträglichkeit offen sind, dass dem Energiekapitel ohne ausreichenden Nachweis aktueller Sicherheitsstandards nicht zugestimmt wird, dass Österreich in alle UVP-Verfahren eingebunden und eine Gesamt-UVP zu Temelin durchgeführt wird. Weitere Punkte betreffen konkrete offene Fragen beim AKW Temelin, wie die Erdbebensicherheit und Vorkehrungen gegen andere Katastrophenfälle, eine Vor-Ort-Untersuchung des AKW durch unabhängige Experten und wettbewerbsrechtliche Bedenken gegen tschechische Atomstrom-Exporte in die EU sowie die Unterbindung tschechischer Atomstrom-Exporte nach Österreich.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) konzentrierte sich zunächst auf den gemeinsamen Antrag zu Temelin und wies darauf hin, dass die Opposition diesen wesentlich verändert habe. Temelin besitze eine "Qualität sui generis". Wenn wir, so der Abgeordnete, uns verständigen, dass es um ein Lebensinteresse Österreichs geht, sollte man eine Geste setzen, die nicht zu übersehen ist. Van der Bellen schlug daher vor, der tschechischen Regierung das Angebot zu machen, ihr ein Gaskraftwerk zu schenken. Dieses sei eine "Lebensversicherungsprämie" Österreichs, die nicht als unangemessen bezeichnet werden könne, wenn es um eine Lebensfrage geht. Denn mit diesen 4 bis 5 Mrd. S würde Österreich einen Versicherungsbeitrag leisten, und die Grünen seien bereit, die Verankerung dieser einmaligen Sonderzahlung im Budget 2001 auch zu unterstützen.

Zum Thema Budget hob Van der Bellen hervor, dass zwar das Maastricht-Ziel wichtig sei, im fehle es aber an den politischen Prioritäten dieser Regierung. Seitens der Grünen müssten solche Eckpunkte folgendermaßen lauten: Rücksicht auf notwendige Maßnahmen im Arbeitsplatzbereich, weshalb die Senkung der Lohnnebenkosten zum jetzigen Zeitpunkt erforderlich sei. Der Redner erinnerte an den Vorschlag der Grünen zu einer ökosozialen Steuerreform. Weiters müsste ein Schwerpunkt auf Bildung, Ausbildung sowie Forschung und Entwicklung gelegt werden. Für den Anteil von 2,5% F&E-Ausgaben am BIP fehlen 27 Mrd. S und nicht 10 Mrd. Schließlich brauche man ein Armutsbekämpfungsprogramm, das seinen Namen auch verdient. Mit der Erhöhung der Kapitalbesteuerung zeigte sich Van der Bellen jedoch zufrieden. 

Auch Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL nahm ausführlich zum AKW Temelin Stellung, da dieses für ganz Mitteleuropa eine Frage von entscheidender Bedeutung sei. Temelin, so der Regierungschef, sei kein Hobbythema, sondern eine Frage der Einhaltung internationaler Standards. Er kritisierte in diesem Zusammenhang die EU, die beinahe alles regle, aber sich bis zur Stunde über keine verbindlichen Mindeststandards für AKW einigen konnte. Schüssel wies auch darauf hin, dass die Tschechische Republik zwar die internationale Übereinkunft über die Abhaltung von Umweltverträglichkeitsprüfungen unterschrieben habe, das tschechische Parlament diese bis dato aber nicht ratifiziert habe.

Der Vorschlag, wie ihn heute der grüne Parteichef präsentiert habe, sei bereits vor einigen Jahren von ihm selbst und dem damaligen Bundeskanzler Vranitzky an Tschechien erfolglos herangetragen worden. Heute habe dieser keinen Sinn mehr, denn der Strom aus Temelin werde nicht für den eigenen Strombedarf, sondern für den Export gebraucht. Ihm, Schüssel, fehle das Verständnis dafür, Maßnahmen zu unterstützen, wodurch Tschechien Strom zu Dumpingpreisen exportieren könne. Klüger wäre es, so der Regierungschef, über Energiesparmaßnahmen zu diskutieren. "Wir wollen nicht, dass Temelin ohne Umweltverträglichkeitsprüfung ans Netz geht. Wir wollen höchstmögliche Standards", bekräftigte Schüssel. Er wies in diesem Zusammenhang auch den Vorwurf zurück, österreichische Politiker reagierten hysterisch. Vielmehr treibe die PolitikerInnen die Sorge.

Zum Thema Budget unterstrich Schüssel, dass es das Unsozialste sei, jedes Jahr neue Schulden zu machen und damit über höhere Zinsen der jungen Generation den Handlungsspielraum einzuengen.

Abgeordnete Mag. KUBITSCHEK (S) klagte darüber, dass sich im Budgetpaket der Bundesregierung außer Steuererhöhungen wenig Konkretes finde. Was ist aus den angekündigten Wirtschafts- und Bildungsoffensiven geworden, fragte die Abgeordnete und zeigte sich verwundert darüber, wie sehr die Regierung in die Defensive geraten sei. Diese Regierung mache, was sie am besten könne, sagte die Abgeordnete, nämlich viel Lärm um wenig Politik.

 

In einem Entschließungsantrag betreffend Belastungsstopp ortete Kubitschek eine "Demontage des Sozialstaates" seitens der Regierung. Sie beabsichtige die Budgetkonsolidierung eindeutig zu Lasten der ArbeitnehmerInnen vorzunehmen, da die "Politik der steuerlichen Belastung der kleinen und mittleren Einkommensbezieher und einer langfristigen Entlastung der großen Einkommensbezieher, des Unternehmensbereiches und der Landwirtschaft fortgesetzt werde. Die Steuerquote, gemessen am BIP, werde weiter erhöht. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, alle im Rahmen der Budgetkonsolidierung angekündigten Maßnahmen zurückzunehmen, die im Gegensatz zu dem von der Bundesregierung angekündigten Belastungsstopp stehen und damit zu massiven Einkommensverschlechterungen der österreichischen Bevölkerung führen müssten.

In einem zweiten Entschließungsantrag vertritt die Abgeordnete die Ansicht, dass Besitzer großer Vermögen trotz der von der Bundesregierung vorgeschlagenen steuerlichen Maßnahmen noch immer eklatante Vorteile gegenüber mittelständischen Unternehmern lukrieren können, da letztere sehr wohl Veräußerungsgewinne wesentlicher Beteiligungen der Einkommensteuer unterwerfen müssen. Privatstiftungen seien aber vor allem auch gegenüber Besitzern kleiner Sparbücher bevorzugt, die von ihren geringen Sparbuchzinsen 25 Prozent Kapitalertragsteuer bezahlen müssen. Daher forderte sie den Finanzminister auf, Vorschläge zur Beseitigung der Steuerprivilegien für Kapitaleinkommen im Rahmen von Stiftungen vorzulegen, mit dem Ziel, eine steuerliche Gleichstellung der Kapitalerträge von Stiftungen mit dem Zinseinkommen aus Sparguthaben herzustellen und die Veräußerung von Beteiligungen steuerlich den Veräußerungen von Beteiligungen natürlicher Personen gleichzustellen.

Abgeordnete ZIERLER (F) kritisierte die "massive Fundamentalopposition" der SPÖ ohne Fakten und Hintergründe. Heute wie in den letzten Monaten vermisse sie eine Antwort auf die Frage, warum Österreich seine Finanzen sanieren müsse. "Warum vergisst die SPÖ die 1.700 Mrd. S an Finanzschulden, die sie in ihrer Regierungszeit aufgehäuft hat". Die Worte der Anfragesteller entsprächen nicht den Fakten, sagte Zierler und nannte die 8.000 S, das die letzte Steuerreform einer vierköpfigen Familie mit 30.000 S Einkommen bringt. Und während die Pensionisten von der SPÖ immer nur hörten: weniger, weniger, weniger, bringe die Finanzpolitik dieser Regierung den Pensionisten mehr Geld. Zierler wandte sich gegen die Politik der Panikmache und der Verunsicherung, wie sie die SPÖ betreibe. Die Menschen hätten erkannt, dass diese Bundesregierung Politik für sie macht.

Abgeordneter SCHWARZENBERGER (V) verwies auf die schlechte Position Österreichs im EU-internen Budgetvergleich und hält es für hoch an der Zeit, den Weg der Budgetkonsolidierung konsequent zu gehen. Überdies finde diese Politik auch die Unterstützung der Bevölkerung.

Beim Thema soziale Staffelung der Agrarförderungen verwechsle die SPÖ offensichtlich soziale Staffelung mit Grössendegression, stellte der VP-Agrarsprecher klar. Die Volkspartei bekenne sich zur Größenstaffelung, die, wo es möglich ist, in Österreich intern bereits eingeführt wurde. Es sei aber aus ökologischen Gründen wichtig, auch grosse Betriebe in ihren Umweltanstrengungen zu unterstützen. Schwarzenberger wandte sich gegen einen österreichischen Alleingang, der dazu führen würde, auf EU-Mittel für die ländliche Entwicklung zu verzichten.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) berichtete von der Enttäuschung der Bürger über die Bundesregierung, die erst 10 Tage vor der geplanten Inbetriebnahme des AKW Temelin erste Schritte setze. Glawischnig erinnerte in diesem Zusammenhang an Initiativen der Grünen für rechtzeitige Entscheidungen, die von den Klubobmännern Khol und Westenthaler in der Präsidiale abgelehnt wurden. Es ist gut, dass es den Vier-Parteien-Antrag gibt, der dank der Grünen als starkes Signal an Tschechien formuliert wurde, aber er kommt wahrscheinlich zu spät. Wenn Temelin in Betrieb geht, trägt die Bundesregierung und die Regierungsparteien die Mitverantwortung, weil diese Initiative zu spät zustande gekommen sei. Einmal mehr hielt es Glawischnig für peinlich, dass österreichische Firmen am Bau oder an der Versicherung von Temelin mitwirken und kritisierte Verträge österreichischer Stromversorger mit einer tschechischen Firma, die Temelin fertig baut. Glawischnig sprach sich vehement für den EU-Beitritt der Nachbarstaaten in die EU aus, ebenso vehement plädierte sie für eine ökonomische Ausstiegshilfe aus der Kernkraft.

Abgeordneter GRADWOHL (S) erinnerte Abgeordnete Zierler daran, dass ihre Fraktion jene Steuerreform abgelehnt habe, deren positiven Auswirkungen sie jetzt für sich selbst reklamiere und wies den Vorwurf einer Fundamentalopposition entschieden zurück.

Die SPÖ will F-PolitikerInnen Haider, Zierler oder Riess-Passer, die sich in jüngster Vergangenheit positiv zu einer sozialen Staffelung der Agrarförderungen geäußert haben, beim Wort nehmen. Gradwohl brachte daher einen Entschließungsantrag ein, in dem der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft aufgefordert wird, dem Nationalrat bis 31. Oktober 2000 einen Vorschlag zur sozialen Staffelung von Agrarfördermitteln, insbesondere der Marktordnungsprämien, zur gerechteren Verteilung im Sinne einer inneragrarischen Solidarität vorzulegen. Die Abgeordneten argumentieren, dass Agrarsubventionen deshalb eine so wichtige Rolle für soziale Gerechtigkeit, Zielgenauigkeit und Effizienz spielen, weil durchschnittlich 60% des Einkommens der Bauern und Bäuerinnen auf Agrarförderungen beruhen. Sie fordern daher, Agrarförderungen in Zukunft verstärkt nach Arbeitserfordernis und Arbeitserschwernis auszurichten und die agrarische Förderungspolitik für den ländlichen Raum auf den Faktor "Arbeit" abzustimmen, dem die bisherigen Bestimmungsfaktoren Fläche, Anzahl der Rinder etc. unterzuordnen sind.

Dann kritisierte der Abgeordnete, dass die Bundesregierung "aus ihrem Unvermögen, Struktur- und Verwaltungsreformen umzusetzen, offenkundig in Lohnkürzungen Zuflucht" suche, und brachte in diesem Zusammenhang einen Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst seriöse Verhandlungen über eine Gehaltsrunde zu führen und einen fairen Gehaltsabschluss anzustreben. Die Versäumnisse der Regierung dürften nicht auf dem Rücken der BeamtInnen ausgetragen werden, so der Antrag.

 

Abgeordneter Mag. TRATTNER (F) warf Abgeordnetem Gradwohl vor, ein falsches Budget gelesen zu haben. "Ihre Dringliche Anfrage richtet sich offenbar gegen ein Budget ihres ehemaligen Finanzministers Edlinger", sagte Trattner pointiert. Wie üblich agiere die SPÖ an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei. Sie übersehe die hohe Zustimmung der Österreich zum Ziel eines Nullbudgets und übersehe, dass die österreichische Bevölkerung auch hinter der Absicht stehe, die Lohnnebenkosten zu senken. Bis 2003 Überschüsse zu erwirtschaften sei die Voraussetzung dafür, eine Steuerreform zu verwirklichen, die  sowohl den Arbeitgebern als auch den Arbeitnehmern Vorteile bringen wird - auch dafür hat die Bundesregierung die Unterstützung einer Mehrheit der Österreicher. Diese Bundesregierung gehe den richtigen Weg, künftige Generationen von Zinszahlungen zu entlasten.

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) dankte der Opposition dafür, mit der heutigen Sondersitzung die Möglichkeit eröffnet zu haben, einen Vier-Parteien-Antrag zur Sicherheit von Temelin einzubringen und damit den Bedürfnissen der österreichischen Bevölkerung zu entsprechen. Dann wandte sich der Redner der Budgetpolitik zu und sagte, "Schuldenpolitik ist ein Verbrauch von Zukunft und der größte Feind von Arbeitsplätzen", das sei die Lehre aus den siebziger und achtziger Jahren, als Schuldenmachen als politisches Instrument propagiert wurde.

Die Selbstdarstellung Gusenbauers als Schutzherr der Wirtschaft wies Stummvoll zurück. Vertrauen sei in der Wirtschaft wichtig, weil Budgetkonsolidierung und Sicherung des Wirtschaftsstandortes gleichrangige Ziele seien, Budgetsanierung habe derzeit Vorrang. In einer längerfristigen Perspektive komme der Lohnnebenkostensenkung und der Forschung zur Sicherung der Arbeitsplätze hohe Bedeutung zu. Die diesbezügliche Doppelstrategie des Finanzministers fand die ausdrückliche Zustimmung Stummvolls.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) brachte den Entschliessungsantrag seiner Fraktion für ein 5-Mrd. S- Ausstiegsangebot an Tschechien ein, mit dem das Nachbarland bei der Errichtung eines Gaskraftwerks als Ersatz für das AKW Temelin unterstützt werden soll.

Zur Debatte über die Budgetsanierung äußerte Öllinger sein Befremden darüber, wie "sensibel" die Frage der Stiftungen behandelt worden sei und merkte an, er hätte sich diese Sensibilität bei der Frage sozialer Ausgaben gewünscht, denn für ihn sei viel wesentlicher, was im Rahmen der Budgetsanierung ausgabenseitig geschehe. Hier habe man aber auf klare Aussagen verzichtet und den Ball an die Länder weitergespielt. Herbe Kritik übte Öllinger an der fehlenden  Bereitschaft des Bundes, Mehrausgaben in der Rüstung zu überdenken. 

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) erinnerte Abgeordnete Glawischnig daran, dass alles, was im Vier-Parteien-Entschließungsantrag steht, am Regierungsgipfel zum Thema Temelin mit Zustimmung der Grünen vereinbart wurde. Froh zeigte sich der Abgeordnete, dass sich Abgeordneter Gusenbauer mit seiner Weigerung zu einem Anti-Temelin-Schulterschluss nicht durchgesetzt habe, sondern die Vernünftigen in der SPÖ die Oberhand behalten haben. Den Antrag der Grünen wies Schweitzer mit dem Argument zurück, er würde ein Präjudiz für andere Länder schaffen, die unsichere AKW haben und Mitglied der EU werden wollen. Der Vier-Parteien-Antrag entspricht den Notwendigkeiten, die heute bestehen, sagte Schweitzer und stellte fest, dass die Bundesregierung und der Nationalrat damit alles getan haben, um den Sicherheitsbedürfnissen der österreichischen Bevölkerung zu entsprechen.

Abgeordneter Dr. SPINDELEGGER (V) stellte in seinem Resümee der heutigen Debatte fest, sie habe keine neuen Informationen gebracht. Sie habe aber gezeigt, dass die SPÖ beim Nulldefizit für 2002 einen Meinungswandel vollzogen hat, insofern Gusenbauer das Nulldefizit zunächst zwar positiv gesehen, heute aber ein klares Nein dazu gesagt habe. Gerade aus der Verantwortung der SPÖ für den 1.600 Mrd. S-Schuldenberg, der seit 1970 aufgehäuft wurde, wäre ein klares "Ja" des SPÖ-Vorsitzenden angebrachter gewesen. 

Demgegenüber lobte Spindelegger den Mut der Bundesregierung in ihrer Zielsetzung ein Nulldefizit zu erreichen. Wir bekennen uns dazu, dafür auch Lasten zu tragen. Auch die SPÖ sollte die Courage aufbringen, ja zum Defizitabbau zu sagen. "Denn es gibt keine Alternative zum Schuldenabbau", sagte Spindelegger und erinnerte an die legitimen Interessen kommender Generationen.

Bei der Abstimmung wurde der Vier-Parteien-Entschließungsantrag betreffend österreichische Bedenken im Zusammenhang mit der geplanten Inbetriebnahme des AKW Temelin einstimmig angenommen.

Sämtliche Entschliessungsanträge der Oppositionsparteien verfielen der Ablehnung. Die Anliegen der SPÖ hatten gelautet: "Sozial ausgewogene, zukunftsorientierte und nachhaltige Budgetkonsolidierung", "Belastungsstopp", "Schließung der Steuerlücken bei Privatstiftungen", "Gehaltsrunde für öffentlich Bedienstete", "soziale Staffelung zur gerechteren Verteilung von Agrarförderungen".

Die Grünen hatten ein 5 Mrd. S-Ausstiegsangebot an Tschechien für das AKW Temelin vorgeschlagen.

KURZE DEBATTE ÜBER ANFRAGEBEANTWORTUNG DES JUSTIZMINISTERS(1002/AB)

Die Grünen zeigten sich sehr besorgt um den Ruf der unabhängigen Justiz, erklärte eingangs Abgeordnete Mag. STOISITS (G). Sie kam sodann auf den Vorschlag des einfachen Parteimitglieds Haider bezüglich der Bestrafung von kritischen Oppositionellen zu sprechen. Daraufhin haben die Grünen Minister Böhmdorfer - kurz nachdem er sein Amt übernommen hat - das Misstrauen ausgesprochen, weil sie seine Verfassungsauffassung für äusserst gefährlich halten und hielten, erinnerte Stoisits. Kritisch betrachtete sie auch, dass seine Kanzlei noch immer den Namen Böhmdorfer auf dem  Briefpapier benutze.

Justizminister Dr. BÖHMDORFER meldete sich zu Wort, um, wie er sagte, einige Missverständnisse auszuräumen. Er habe nie verlangt, unterstrich der Justizminister, dass Oppositionspolitiker eingesperrt oder mit dem Mandatsverlust bedroht werden sollen. Unrichtig sei auch, dass jene Kanzlei, an der er einmal beteiligt war, massenweise Oppositionspolitiker klage. Weiters stellte er fest, dass er an der angesprochenen Anwaltskanzlei nicht mehr beteiligt sei. Aber in seinem Vertrag sei festgelegt, dass beim Ausscheiden der Name der Anwaltsfirma erhalten bleiben müsse. Er könne daher gar nicht anders handeln, betonte Böhmdorfer.

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) wies eingangs darauf hin, dass die Sozialdemokraten dem Justizminister bei seinem Amtsantritt mit Achtung entgegengetreten sind. In weiterer Folge habe sich jedoch etwas entwickelt, was er nicht ganz verstanden habe, meinte Jarolim unter Bezugnahme auf die Aussagen Haiders in Richtung der Verfolgung von Andersdenkenden. Unverständlich sei ihm auch, warum die Kanzlei, die über Jahre hindurch das Klagsinstrument der FPÖ war, weiterhin auf der Verwendung des Namens Böhmdorfer besteht. 

Abgeordneter Dr. OFNER (F) machte darauf darauf aufmerksam, dass die Vorsitzende der österreichischen Richtervereinigung, Barbara Helige, nicht Böhmdorfer kritisiert habe, sondern sich vielmehr gegen Äußerungen und Vorschläge des SP-Justizsprechers Jarolim gewehrt habe. Was den Vorwurf angeht, dass Freiheitliche andere Politiker mit Klagen überschütten, so sei es seiner Meinung nach kein Skandal, dass viel geklagt, sondern dass viel beleidigt werde.

Auch Abgeordnete Dr. FEKTER (V) kam auf einige Aussagen der Präsidentin der Richtervereinigung Helige zu sprechen, die ihrer Ansicht nach von der Opposition missbraucht werde. Helige wende sich nämlich gegen das mediale Spektakel, das die Justiz generell in ein Licht rücke, das sie nicht verdiene.

Es würde die Sache enorm vereinfachen, argumentierte Abgeordneter ÖLLINGER (G), wenn die FPÖ nicht mehr auf eine Kanzlei zurückgreifen würde, auf deren Briefpapier der Name des Justizministers stehe. Auch Helige machte darauf aufmerksam, dass gewisse Bilder in der öffentlichen Meinung entstehen, die nicht mehr wegzubringen sind. Zudem ist Öllinger der Auffassung, dass es dem Justizminister gut anstünde, in der so sensiblen Causa Gross etwas andere Worte zu finden.  

KURZE DEBATTE ÜBER EINSETZUNG EINES UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSSES

Abgeordneter GAUGG (F) warf der SPÖ wirtschaftliche Verschwendungspolitik vor. Milliardenbeträge seien ohne Kontrolle in dubiose Kanäle geflossen, wodurch Subventionsparadiese für Günstlinge geschaffen wurden, kritierte der F-Redner. Als Beispiel nannte Gaugg die Causa Euroteam, wo etwa für eine Schulungsmaßnahme von acht Teilnehmern 3,8 Mill. S ausgegeben wurden.

Abgeordneter BRIX (S) erinnerte daran, dass die Sozialdemokraten immer für eine restlose Aufklärung der Causa Euroteam gestanden sind. Er wehrte sich jedoch dagegen, dass  - wie im Antrag Gaugg gefordert - nur das Sozialministerium, der ÖGB sowie die Arbeiterkammer geprüft werden sollen. Schließlich forderte er die Regierungsfraktionen auf, dem SP-Antrag, wonach ein Viertel der Abgeordneten einen Untersuchungsausschuss einsetzen könne, beizutreten. Sodann brachte er einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Euroteam ein.

Der ÖVP gehe es nicht um Ablenkung, betonte Abgeordneter Mag. KUKACKA (VP), sondern um eine restlose Aufklärung der Fakten. Der V-F-Antrag gehe über den Fall Euroteam hinaus und umfasse die Kontrolle über die gesamte Vergabepraxis des Sozialministeriums. Der Rohbericht des Rechnungshofes zeige, welch dubiose Förderungspolitik und Machenschaften es gegeben habe.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) warf FPÖ und ÖVP vor, mit ihrem Antrag alles und nichts untersuchen zu wollen. "Sie formulieren einen Untersuchungsauftrag, der nicht zu erfüllen ist". Bereits bei der Einsetzung des Unterausschusses zu diesem Thema habe er dafür plädiert, das Thema "Euroteam" zu untersuchen, statt "quer durch den Gemüsegarten" zu recherchieren. Denn sinnvolle Untersuchungsarbeit sei nur aufgrund eines präzise definierten Gegenstandes möglich. Die Zentrale der Auftragsvergaben in der Causa Euroteam sei das Bundeskanzleramt gewesen. Die Absicht der Koalitionsparteien, das Sozialministerium zu untersuchen, zeige, dass die Antragsteller von der Causa Euroteam keine Ahnung haben. "Das ist die dünnste Luft, die jemals zu einem Untersuchungsausschuss verdichtet werden sollte", schloss Öllinger.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) warf der SPÖ vor, stets gemauert zu haben, wenn ein Skandal im Bereich der SPÖ zu Tage getreten sei, und erinnerte an den Flughafen Schwechat, die DDSG und die Länderbank. Wenn über 100 Mill. S an Steuergeldern misswirtschaftlich verwendet werden, sei dies ein Anlass für eine genaue Untersuchung und keineswegs eine "Show", wie dies Abgeordneter Brix darzustellen versucht habe. Gegenüber Abgeordnetem Öllinger hielt die Rednerin fest, dass das Ziel des Untersuchungsausschusses klar genug definiert sei.

Abgeordneter Dr. KOSTELKA (S) vermutete, dass die Regierungsparteien in der heutigen Sitzung deshalb bestrebt seien, über Temelin und den nun beantragten Untersuchungsausschuss zu sprechen, weil sie sich der Schwächen ihres Budgetkonzepts - und das sei das eigentliche Thema des Tages - bewusst seien. Der Rohbericht des Rechnungshofes zum Thema Euroteam sei von F-Klubobmann Westenthaler in gesetz- und verfassungswidriger Weise veröffentlicht worden, sagte der SP-Klubchef und warf den Antragstellern überdies vor, nur dort untersuchen zu wollen, wo Sozialdemokraten tätig waren. Die SPÖ wäre durchaus bereit, dem Untersuchungsausschuss zuzustimmen, wenn auch der Verantwortungsbereich der ÖVP-Minister untersucht wird. Das sei aber nicht im Sinne von FPÖ und ÖVP. Dennoch werde die SPÖ kooperativ im Untersuchungssausschuss mitarbeiten, weil es ihr um die Sache geht - im Gegensatz zu den Koalitionsparteien. "Ihnen geht es um ein politisches Theater", sagte Abgeordneter Kostelka.

Abgeordneter Dr. TRINKL (V) nannte die Abschaffung von Missständen "die beste Methode, das Budget in Ordnung zu bringen". Er verstehe die SPÖ und ihren Versuch nicht, leichtfertig über 118 Mill. S hinweg zu gehen. Dieser Untersuchungsausschuss sei wichtig. Aufträge an Euroteam wurden nicht ausgeschrieben, Leistungen nicht nachgewiesen - es besteht der Verdacht, dass im Sozialministerium sehr großzügig mit Steuergeld umgegangen wurde. Die SPÖ wäre gut beraten, einen Schlussstrich unter diese Vergangenheit ziehen, meinte Abgeordneter Trinkl. 

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) sprach von einem eigenartigen parlamentarischen Schauspiel. "Eine parlamentarische Mehrheit will einer alten Regierungspartei ans Zeug flicken". Das Problematische daran sei, dass die Hälfte der alten Regierungsmannschaft in der neuen Mehrheit vertreten sei. Dies sollte die FPÖ bedenken. Überdies sei es sachlich falsch, das Interesse auf das Sozialministerium zu richten, offenbar in der Absicht, SPÖ-Institutionen zu kritisieren. Dagegen sei an sich nichts einzuwenden, wohl aber gegen die Einseitigkeit, mit der dies geschehen soll, gab Abgeordneter Kogler zu bedenken und unterstrich einmal mehr die Notwendigkeit, die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen zu einem Minderheitsrecht zu machen.

Die Grünen hoffen, dass der Prüfungsauftrag doch noch so formuliert werden kann, dass alle Ministerien geprüft werden können und ein einäugiges Vorgehen vermieden werden kann. Für das Scheitern des Untersuchungsausschusses werden die Antragssteller verantwortlich sein, die Grünen werden ihr Bestes für sein Gelingen beitragen.

Bei der Abstimmung wurde der Antrag der Koalitionsparteien auf Einsetzung eines Untersuchungsausschuss mehrheitlich angenommen. (Der Untersuchungsauftrag lautet: "Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung im Zusammenhang mit der im Zeitraum vom 1. Jänner 1995 bis 31. Dezember 1999 durch das damalige Bundesministerium für Arbeit und Soziales bzw. Arbeit, Gesundheit und Soziales veranlassten Vergabe (Vergabepraxis) von öffentlichen Geldern an Förderungswerber inklusive deren Vernetzungen zu anderen öffentlichen Stellen als Auftragnehmer oder Förderungsempfänger.)

Die diesbezüglichen Anträge der Oppositionsparteien fanden keine Mehrheit.

Schließlich ersuchte der Nationalrat den Bundespräsidenten einstimmig, die ausserordentliche Tagung mit Mittwoch, dem 6. September 2000, zu beenden.

(Schluss)