Parlamentskorrespondenz Nr. 487 vom 06.09.2000

FINANZSCHULDENBERICHT 1999 ZEIGT NACHLASSENDEN SPAREIFER AN

Wien (PK) - Finanzminister Grasser hat dem Nationalrat kürzlich den BERICHT ÜBER DIE FINANZSCHULD DES BUNDES 1999 vorgelegt. Dieser Bericht dokumentiert und bilanziert die Finanzpolitik und das Schuldenmanagement Österreichs im ersten Jahr der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Die gemeinsame Geldpolitik hat die Wechselkursrisiken im Euroraum beendet und anstelle der nationalen Geld- und Kapitalmärkte auch für Österreich einen neuen, größeren "Heimatmarkt" für Finanzierungen entstehen lassen. Die Schuldenmanager setzten die Umstrukturierung der Bundesschuld in Richtung Anleihen fort, wobei sie auf großes Interesse des Auslandes an österreichischen Bundesanleihen stießen. Sie nützten das zunächst niedrige langfristige Zinsniveau und finanzierten den Kapitalbedarf im Wesentlichen in Form längerfristiger Anleihen mit fixer Verzinsung. Erstemissionen und Aufstockungen erfolgten mit Fristen von bis zu 28 Jahren, daher erhöhte sich die durchschnittliche Restlaufzeit der Finanzschuld von 5,9 Jahre auf 6,1 Jahre. Der auf 135,2 Mrd. S weiter erhöhte Bestand an fixverzinsten Verbindlichkeiten wird als Grund dafür genannt, dass sich der Zinsenanstieg im zweiten Halbjahr 1999 kaum auf die Nominalverzinsung der Bundesschuld auswirkte.

Die Autoren des Berichts, die Mitglieder des Staatsschuldenausschusses, konzedieren der Bundesfinanzierungsagentur ein stabilitätsorientiertes Schuldenmanagement, das starke Schwankungen des Zinsaufwandes ebenso vermeidet wie Interessenkonflikte mit den makroökonomischen Zielen der Finanzpolitik.

KURSVERLUSTE BREMSEN KONSOLIDIERUNG 

Die Finanzschuld des Bundes erreichte zu Jahresende 1999 eine Höhe von 1.690,3 Mrd. S. Bereinigt um eigene Schuldtitel im Besitz des Bundes betrug sie 1.623,4 Mrd. S. 231,4 Mrd. S oder 13,7% davon entfielen auf Verbindlichkeiten in Fremdwährungen.

Den Konsolidierungsfortschritt qualifizierte der Staatsschuldenausschuss im Jahr 1999 lediglich als bescheiden. Der neu zu finanzierende Budgetabgang betrug 68,2 Mrd. S und lag leicht über dem Vorjahreswert von 66 Mrd. S. Der Zuwachs der bereinigten Finanzschuld des Bundes machte 87,7 Mrd. S oder 5,7% aus und überstieg das Budgetdefizit, weil Kursverluste des Euro (vor allem gegenüber dem Yen), den Wert der Fremdwährungsschuld binnen Jahresfrist um 29,6 Mrd. S steigen ließen.

AUSLAND ZEIGT GROSSES INTERESSE AN BUNDESANLEIHEN

Die bereits 1998 eingeleitete Strukturanpassung der Finanzschuld an die WWU wurde 1999 fortgesetzt. Die Staatsschuldenmanager konzentrierten sich bei Finanzierungen auf titrierte Schuldformen (vorwiegend Anleihen) und legten Bundesanleihen zusammen, um das aushaftende Nominale zu vergrößern. Dazu kamen Konversionen und Rückkäufe von illiquiden Bundesanleihen. Außerdem wurde der Kreis der Investoren durch ein internationales Bieterkonsortium für Bundesanleihen und durch Syndikatemissionen erweitert.

Trotz schwierigerer Rahmenbedingungen für kleinere Emittenten war die Marktakzeptanz für österreichische Euro-Bundespapiere insgesamt hoch. Großes Interesse an österreichischen Bundesanleihen zeigten vorwiegend ausländische Primärhändler. Dadurch stieg die Auslandsverschuldung in heimischer Währung markant an. 1999 wuchsen die im Besitz von Devisenausländern befindlichen Verbindlichkeiten des Bundes in Euro von 29,9 auf 40,8% an. Einschließlich der Fremdwährungsverschuldung stieg die Auslandsverschuldungsquote im Berichtsjahr insgesamt von 37% auf 47,8%.

Schuldaufnahmen erfolgten 1999 weitestgehend in Form von fix verzinsten Euro-Bundesanleihen im längerfristigen Laufzeitsegment von über fünf Jahren. Verbriefte, formlos übertragbare Schuldformen des Bundes erreichten zu Jahresende 1999 einen Deckungsgrad von 84% (1998: 81%), während nicht titrierte S/Euro-Verbindlichkeiten nur noch 15% und Fremdwährungskredite und -darlehen 1% der Gesamtschuld ausmachten. Schuldtitel mit Geldmarktverzinsung (unter Berücksichtigung von Zinsenswaps) bildeten Ende des Berichtsjahres 8,6% des Schuldenportefeuilles des Bundes. Von der bereinigten Finanzschuld in Höhe von 1.623,4 Mrd. S wiesen 145 Mrd. S oder 8,9% eine Restlaufzeit von bis zu einem Jahr auf. Das Volumen an Währungstauschverträgen nahm 1999 im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Jahren sowohl bei der Fremdwährungsschuld als auch bei der Verschuldung in heimischer Währung markant zu. Die Schulden des Bundes aus Währungstauschverträgen erhöhten sich im Berichtsjahr um insgesamt 61,8 Mrd. S oder 61,6%. Davon entfielen 48,1 Mrd. S auf Swap-Verbindlichkeiten in Euro und 13,7 Mrd. S auf Swap-Verbindlichkeiten in Nicht-WWU-Währungen. Der Stand an Verbindlichkeiten aus Währungstauschverträgen erreichte dadurch die Höhe von insgesamt 162 Mrd. S. Diesen Verbindlichkeiten standen Forderungen des Bundes an die Swap-Partner in Höhe von 159,5 Mrd. S gegenüber. Auch hier zeigt sich das Bestreben des Schuldenmanagements, die Schuldenstruktur möglichst rasch an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen.

LÄNGERE LAUFZEIT DER FINANZSCHULD

Im Berichtsjahr nahm die Fristigkeit der Bruttoaufnahmen erstmals seit 1995 wieder deutlich zu, und zwar von 7,7 (1998) auf 9,2 Jahre. Diese Entwicklung geht im Wesentlichen auf die Ausstattung der Euro-Anleihen zurück, die das Bruttofinanzierungsvolumen vorwiegend abdeckten. In Euro erfolgten Erstemissionen und Aufstockungen mit Laufzeiten von 4 Jahren bis zu 28 Jahren, wobei beinahe 60% des Volumens mit Fristigkeiten von 10 oder mehr Jahren ausgestattet wurden. Die Restlaufzeit aller aushaftenden Verbindlichkeiten des Bundes erhöhte sich im Durchschnitt von 5,9 Jahre Ende 1998 auf 6,1 Jahre Ende 1999. 

Die Schuldenmanager des Bundes nützten das sehr niedrige langfristige Zinsniveau in der ersten Hälfte des Vorjahres und finanzierten den Kapitalbedarf im Wesentlichen in Form von längerfristigen Anleihen mit fixer Verzinsung. Der Bestand an fixverzinsten Verbindlichkeiten (inclusive Zinsenswaps) erhöhte sich deutlich (+135,2 Mrd. S oder +10,2%), während die Verschuldung in variabler Verzinsung (einschließlich sprungfixer Verzinsung) um 17,9 Mrd. S oder 7,1% abgebaut wurde. Ende 1999 waren 86,2% der aushaftenden Verbindlichkeiten des Bundes an einen fixen Satz gebunden (1998: 84,1%). Der Anteil an Titeln mit variabler oder sprungfixer Verzinsung, deren Zinssätze von der Entwicklung der Kapitalmarktrenditen abhängen, verminderte sich von 4,2% auf 2,8%. Zu Geldmarktkonditionen wurden bis Ende 1999 8,6% der Verbindlichkeiten des Bundes (1998: 9,1%) finanziert.

Der Zinsenanstieg im zweiten Halbjahr 1999 wirkte sich angesichts des hohen Fixzinsanteils an der Finanzschuld des Bundes und infolge von Aufstockungen bestehender Anleihen auf die Nominalverzinsung der Verschuldung des Bundes kaum aus. Die Nominalverzinsung der Finanzschuld des Bundes reduzierte sich mit –0,3 Prozentpunkten relativ deutlich und erreichte Ende 1999 einen Durchschnittszinssatz von 5,4%.

Zins- und sonstiger Aufwand weiteten sich 1999 nur moderat aus. Der Zinsendienst stieg gegenüber dem Vorjahr um 1,3 Mrd. S oder 1,4% (1998: +2,2 Mrd. S oder +2,5%) und erreichte 91,4 Mrd. S. Der sonstige Aufwand betrug 1999 netto 0,1 Mrd. S.

Fristen und Verzinsung lassen die Finanzschuld des Bundes hinsichtlich von Veränderungen des Zinsniveaus oder eventueller kurzfristiger Finanzmarktstörungen weiterhin relativ robust erscheinen. Das stabilitätsorientierte Schuldenmanagement des Bundes vermeidet starke Schwankungen des Zinsaufwandes ebenso wie Interessenkonflikte mit den makroökonomischen Zielen der Finanzpolitik.

DEFIZITENTWICKLUNG LAUT MAASTRICHT - KONSOLIDIERUNGSEIFER LIESS SEIT 1998 NACH

In eigenen Kapiteln befasst sich der Staatsschuldenausschuss mit der Erfüllung der Maastricht-Kriterien durch Österreich. Die Analyse der Entwicklung des gesamten öffentlichen Defizits in Österreich resümieren die Finanzexperten mit einem Mangel an strukturellen Maßnahmen, die längerfristig dämpfend wirken, und stellten eine Verlangsamung der Bemühungen zur Konsolidierung der Staatsfinanzen bei Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungsträgern fest. Während in den Jahren 1996 und 1997 der gesamtstaatliche Defizitabbau 27,5 Mrd. S bzw. 45,1 Mrd. S betragen habe, habe der Rückgang 1999 nur knapp 10 Mrd. S ausgemacht. Die größten Konsolidierungserfolge seien 1997 erzielt worden, als das öffentliche Defizit auf 1,9% des BIP gesenkt werden konnte. Im Jahr 1998 stieg die Defizitquote wieder auf 2,5% des BIP an und wurde nach vorläufigen Ergebnissen im Jahr 1999 auf 2% des BIP zurückgeführt. Der Anstieg der Defizitquote des Jahres 1998 zeigt sich sowohl in einem höheren Defizit des Bundes (1997: 2,7% des BIP; 1998: 2,9% des BIP) als auch in einem Rückgang der Überschüsse der Länder und Gemeinden (1997: 0,8% des BIP; 1998: 0,5% des BIP).

Hinsichtlich der sektoralen Verteilung der Salden des öffentlichen Sektors ist generell zu berücksichtigen, dass diese stark von den spezifischen institutionellen und rechtlichen Gegebenheiten (Aufgabenverteilung, Steuerkompetenzen, Finanzausgleichsregeln) innerhalb des öffentlichen Sektors abhängt. In Österreich prägt der Bund die Höhe und Entwicklung des Defizits, während die Länder und Gemeinden in Summe traditionell einen leichten Budgetüberschuss erzielen und die Sozialversicherungsträger in etwa ausgeglichen bilanzieren. 

Das Nachlassen von Konsolidierungsmaßnahmen in den Jahren 1998 und 1999 spiegelt sich insbesondere in der Entwicklung des Primärhaushaltes aller öffentlichen Haushalte wider. Der Primärsaldo der öffentlichen Haushalte, der über die aktuellen budgetären Einnahmen- und Ausgabenrelationen Aufschluss gibt und Aufwendungen für Budgetdefizite der Vergangenheit außer Acht lässt, drehte sich zwar innerhalb des Beobachtungszeitraumes 1995 bis 1999 von einem Defizit in einen beachtlichen Überschuss, womit eine notwendige Voraussetzung für die Konsolidierung bzw. Rückführung der Schuldenquote geschaffen wurde. Die Primärüberschüsse der Jahre 1998 und 1999 erreichten jedoch mit 34,2 Mrd. S (1998) und 42,6 Mrd. S (1999) nicht mehr die Höhe des Jahres 1997 von beinahe 50 Mrd. S. Gemessen an der Wirtschaftsleistung waren zwischen 1997 und 1999 Primärüberschüsse von 2% des BIP (1997), 1,3% des BIP (1998) und von 1,6% des BIP (1999) zu verzeichnen.

SCHULDENENTWICKLUNG LAUT MAASTRICHT

Die gesamte öffentliche Verschuldung in Österreich gemäß Maastricht-Vertrag betrug Ende 1999 1.742,6 Mrd. S. Davon entfielen 1.591 Mrd. S oder 91,3% auf den Bund bzw. 1.608,1 Mrd. S oder 92,3% auf den Bundessektor, zu dem auch die Verbindlichkeiten des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds, des Bundeswohnbaufonds und des Insolvenzausgleichsfonds zählen. Der im Maastricht-Vertrag geforderte rückläufige Verlauf der Verschuldungsquote (Anteil der öffentlichen Verschuldung am BIP) fand im Berichtsjahr keine Fortsetzung. Nach einer beachtlichen Verminderung der Verschuldungsquote von über 68,4% Ende 1995 auf 63,5% Ende 1998, die durch zusätzliche Maßnahmen im Vermögensbereich und durch Umstrukturierungen unterstützt wurde, stieg - nach vorläufigen Ergebnissen - die Verschuldungsquote des Gesamtstaates im Jahr 1999 um 1,4% (rund 38 Mrd. S) auf 64,9% des BIP. Für diese Entwicklung waren im Jahr 1999 insbesondere die hohen buchmäßigen Kursverluste der Finanzschuld des Bundes von 29,5 Mrd. S infolge der Aufwertung des Yen verantwortlich. Der Überschuss im Primärhaushalt von 1,6% des BIP im Jahr 1999 hätte allerdings auch ohne diese Sonderentwicklung nicht ausgereicht, um ohne zusätzliche schuldenreduzierende Maßnahmen die öffentliche Verschuldung gemessen am BIP weiter zu vermindern, heisst es im Finanzschuldenbericht 1999 (III-59 d.B.). (Schluss)