Parlamentskorrespondenz Nr. 501 vom 18.09.2000
"KAMPFHUNDE": VERFASSUNGSAUSSCHUSS FASST ENTSCHLIESSUNG
Wien (PK) - Die Beschlussfassung eines umfassenden Entschließungsantrages der beiden Koalitionsparteien mit den Stimmen der Freiheitlichen, der ÖVP und der Grünen ist das Ergebnis der Beratungen des Verfassungsausschusses zum Thema "Kampfhunde". Demnach soll die Gefährdung von Personen durch Tiere künftig strafbar sein, wenn der Tierhalter Haltungs- oder Verwahrungsvorschriften verletzt und dadurch schwere Körperverletzung droht. Der Justizminister soll bis Ende dieses Jahres einen entsprechenden Gesetzentwurf ausarbeiten. Zusätzlich werden der Finanz- und der Innenminister beauftragt, zur Verhinderung illegaler Hundeimporte auf eine Verstärkung der Kontrollen an den Schengener Außengrenzen hinzuwirken.
Weiters treten die Abgeordneten im Entschließungsantrag für eine einheitliche Kennzeichnungs- und Meldepflicht (Chipcard) und für eine Haftpflichtversicherung für alle Hunde, für einheitliche Mindeststandards in Bezug auf Ausbildungs- und Abrichte-Richtlinien sowie für die Schaffung eines bundeseinheitlichen Bewilligungsverfahrens für die Haltung "potentiell gefährlicher Hunde" ein. Die Bundesregierung ist aufgefordert, sich gegenüber den Ländern für entsprechende Bestimmungen zu verwenden und auch darauf hinzuwirken, dass der Vollzug bereits bestehender Haltungsvorschriften und Anzeigepflichten strenger und umfassender überwacht wird.
Der Beschlussfassung des Entschließungsantrages waren umfassende Beratungen der Abgeordneten unter Beiziehung von Experten in einem Unterausschuss vorausgegangen. Vom ursprünglichen Vorhaben, sofort auf Bundesebene gesetzliche Regelungen zu treffen, haben die Koalitionsparteien Abstand genommen, nachdem die Bundesministerien für Inneres, Justiz und Wirtschaft in einem gemeinsam verfassten Papier erklärt hatten, dass entsprechende Gesetzentwürfe zum Großteil am Fehlen einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes scheitern würden.
Grün-Abgeordnete Petrovic bezweifelte zwar, dass es aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzung der Landtage und der unterschiedlichen Wahltermine tatsächlich zu bundesweit einheitlichen Regelungen kommen wird, sie stimmte dem Entschließungsantrag der Koalition aber mit dem Argument zu, dass er im Gegensatz zum ursprünglichen FP-VP-Antrag verstärkt auf bundeseinheitliche Standards abziele.
Die SPÖ wertete den Entschließungsantrag hingegen als ungenügend und sprach sich für die Verabschiedung eines eigenen Bundesgesetzes zum Schutz vor gefährlichen Hunden aus. Ein von ihr im Rahmen der Beratungen eingebrachter Antrag blieb bei der Abstimmung aber in der Minderheit. Er hätte eine Bewilligungspflicht für das Halten gefährlicher Hunde, ein Hundehaltungsverbot für Menschen, die nicht fähig sind, Hunde zu halten, eine generelle Kennzeichnungspflicht für Hunde mittels Mikrochip und ein Verbot der Aggressionszucht vorgesehen. Das Halten gefährlicher Hunde sollte auf verlässliche und entsprechend ausgebildete Personen beschränkt werden. Für Personen, die gefährliche Hunde unbefugt züchten, besitzen oder führen sah der Antrag eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vor.
Prinzipiell waren sich die Ausschussmitglieder in vielen Punkten einig. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, ob es bundesgesetzlicher Regelungen bedürfe, um zu bundesweit einheitlichen Bestimmungen zu kommen, oder ob eine Einigung der einzelnen Bundesländer untereinander nicht ausreichend sei und damit die bestehende Kompetenzlage beibehalten werden könne. Hiezu gab es auch unter den beigezogenen Experten divergierende Ansichten. So sprach sich Dr. Günther HAIDER von der Bundeskammer der Tierärzte dezidiert für ein Bundesgesetz aus, während Dr. Hermann BUBNA-LITTITZ, Veterinärmedizinische Universität Wien, meinte, in erster Linie wäre es wichtig, dass eine Kennzeichnung aller Hunde mittels Mikrochip bundeseinheitlich erfolge. Littitz trat außerdem für eine verpflichtende Haftpflichtversicherung für alle Hunde und eine verpflichtende Ausbildung für Halter zumindest von auffällig gewordenen Hunden ein.
Die Kosten für einen Mikrochip pro Hund würden laut Haider übrigens 500 S bis 600 S betragen, für ein Lesegerät wären 3.000 S bis 5.000 S zu veranschlagen.
SPÖ und Grüne setzten sich ausdrücklich für eine bundesgesetzliche Regelung ein. Abgeordneter Dr. KRÄUTER (S) wies darauf hin, dass es viel zu umständlich sei, wenn nun zuerst der Nationalrat an die Regierung herantrete, diese dann an die Bundesländer heranzutreten habe und alle neun Bundesländer dann Gesetze beschließen müssten, denen Verordnungen zu folgen hätten. Er wertete den von der Koalition vorgelegten Entschließungsantrag daher als "halbherzig", zu einer Kompetenzänderung sei "einfach kein Wollen da gewesen". Der Abgeordnete fragt sich, wie beispielsweise eine bundeseinheitliche Kennzeichnung von Hunden funktionieren soll, wenn das von neun Landesgesetzen geregelt wird: "Das ist schlicht und einfach nicht möglich."
Ähnliche Bedenken äußerte auch Abgeordnete Dr. PETROVIC (G). Natürlich könnten theoretisch alle Bundesländer gleiche Regelungen schaffen, meinte sie, in der Praxis sei es aber so, dass das aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzung der Landtage und der unterschiedlichen Wahltermine "ausgeschlossen" sei.
Dieser Argumentation widersprachen die Abgeordneten der Koalitionsparteien. Abgeordneter PRINZ (V) gab zu bedenken, dass eine einheitliche Vorgangsweise aller Bundesländer dasselbe Ergebnis brächte wie ein Bundesgesetz. Seine Fraktionskollegin Abgeordnete Dr. FEKTER erklärte, es sei nicht schlüssig, in einem Bundesgesetz die einzige Lösung zu sehen, bundeseinheitliche Regelungen könnten auch auf anderem Weg erreicht werden.
Für die FPÖ machte Abgeordneter Mag. HAUPT darauf aufmerksam, dass der von den Experten geäußerte Wunsch nach bundeseinheitlichen Regelungen im Entschließungsantrag berücksichtigt sei. Er warnte davor, die vorliegende Thematik mit der Forderung nach einem bundeseinheitlichen Tierschutzgesetz zu vermengen, da es hier nicht in erster Linie um Tierschutz, sondern um den Schutz von Menschen vor gefährlichen Hunden gehe. Dieser Argumentation schloss sich auch sein Fraktionskollege Abgeordneter Dr. GROLLITSCH an, der im Übrigen betonte, dass die Freiheitlichen sich nach wie vor zum Ziel eines bundeseinheitlichen Tierschutzgesetzes bekennen würden.
Zum Gesetzesantrag der SPÖ sagten Grollitsch und Haupt, das Festmachen der Gefährlichkeit eines Hundes an einer Rasse sei nur bedingt möglich, was auch Dr. BUBNA-LITTITZ bekräftigte. Bestimmte Rassen zu verbieten, wäre kontraproduktiv, unterstrich der Experte, die Züchter und Halter würden auf andere Rassen und Kreuzungen ausweichen.
Auch Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) bemängelte, dass der rassespezifische Aspekt im Gesetzesantrag der SPÖ zu stark sei. Kritisch stand sie außerdem der Liste der Verlässlichkeitskriterien im SP-Antrag gegenüber.
Die Abgeordneten Dr. PAPHAZY (F) und MURAUER (V) sprachen sich ausdrücklich für eine Versicherungspflicht für Hunde in Bezug auf Haftungsschäden aus. Auch G-Abgeordnete PETROVIC äußerte sich dazu prinzipiell positiv, forderte aber, bestimmte Hunde wie beispielsweise Blindenhunde davon auszunehmen. SP-Abgeordneter Mag. MAIER gab demgegenüber zu bedenken, dass Versicherungsanstalten, wie Erfahrungen in Deutschland zeigten, gefährliche Hunde nicht versichern würden.
Bei der Abstimmung wurde der Entschließungsantrag der Koalitionsparteien in der Fassung des in der heutigen Sitzung vorgelegten Abänderungsantrages mit FP-VP-G-Mehrheit beschlossen. Von den anderen Fraktionen abgelehnt wurden sowohl das heute von der SPÖ beantragte Bundesgesetz zum Schutz vor gefährlichen Hunden als auch der urpsrüngliche Antrag der SPÖ, das Waffengesetz und das Strafgesetzbuch um Bestimmungen zur Abwehr von Gefahren, die von gefährlichen Hunden ausgehen, zu ergänzen. (Schluss)