Parlamentskorrespondenz Nr. 565 vom 13.10.2000

TOURISMUS - ÖSTERREICH WELTMEISTER, ABER VORSPRUNG SCHRUMPFT

Kritisch-konstruktiveTourismusdebatte im Wirtschaftsausschuss

 

Wien (PK) - Hauptthema im heutigen Wirtschaftsausschuss war die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft im Jahr 1999. Nach einer überaus sachlichen Diskussion zwischen den Abgeordneten und Tourismusstaatssekretärin Mares Rossmann und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein wurde der Bericht mit S-F-V-Mehrheit zur Kenntnis genommen und damit vom Ausschuss enderledigt. Ausschussobmann Günter Puttinger wusste sich aber mit allen Mitgliedern des Ausschusses darin einig, dass der Tourismusbericht wegen der enormen volkswirtschaftlichen Bedeutung der Branche für Österreich künftig wieder in der vollen Öffentlichkeit des Plenums diskutiert werden soll.

Die zentrale Bedeutung der Tourismuswirtschaft kommt in den Eckdaten des Berichts klar zum Ausdruck: Die Branche erwirtschaftete im Vorjahr mit einem Gesamtumsatz von 463,3 Mrd. S einen Anteil von fast 13 % am BIP. Nahezu 35 % der Einnahmen stammten von ausländischen Gästen. Die Betriebe beherbergten 112,7 Mill. Gäste, um 1,5 % mehr als 1998. 82,4 Mill.(+0,75 %) Reisende kamen aus dem Ausland, 30,3 Mill. (+4 %) aus dem Inland. Insgesamt gaben die Urlauber an die 200 Mrd. S aus und sicherten damit etwa 200.000 heimische Vollarbeitsplätze. Der Löwenanteil bei den Einnahmensteigerungen stammt von den Österreichern selbst, die für ihre Urlaube in der Heimat um 7,5 % mehr aufwendeten als 1998. Günstig beurteilen die Experten, dass der Umsatz mit 2 % (1998: +3,5 %) stärker stieg als die Zahl der Übernachtung mit 1,5 %, weil dies Strukturverbesserungen anzeigt. Positiv entwickelte sich auch die Reiseverkehrsbilanz. Ihr Plus stieg auf 33,3 Mrd. S.

Österreich hat seine internationale Spitzenposition im Tourismus auch im Jahr 1999 verteidigt, lautet das Resümee der Fachleute. Mit Pro-Kopf-Einnahmen aus dem internationalen Reiseverkehr von 19.909 S lag es deutlich vor der Schweiz (14.196 S), Island (10.858 S) und Spanien (10.802 S) und weit über dem europäischen Durchschnitt von 5.637 S. Nachdenklich stimmte die Abgeordneten, namentlich Günter Kiermaier (S), aber der nur unterdurchschnittliche Anteil Österreichs am aktuellen internationalen Tourismusboom und die Verluste von Marktanteilen an Konkurrenten. So ist Österreichs Anteil am stark wachsenden europäischen Tourismuskuchen während der letzten 25 Jahre um die Hälfte geschrumpft, während in Europa die Einnahmen aus dem internationalen Reiseverkehr 1998 um 6,5 % und 1999 um 7,1 % zunahmen, schwächte sich das Wachstum der internationalen Reiseverkehrseinnahmen Österreichs nach 4,6 % im Jahr 1998 im Jahr 1999 auf 3 % ab.

Mit Bezug auf die diesbezüglichen Analysen des Berichts machten die Oppositionsabgeordneten Rudolf Parnigoni und Evelin Lichtenberger dafür traditionelle Strukturschwächen verantwortlich. Sie nannten geringe Innovationstätigkeit, schleppend vorangehende Kooperationen und die Vernachlässigung des Web-Marketings.

In der überaus sachlich geführten Diskussion räumte Staatssekretärin Mares Rossmann Handlungsbedarf ein, erläuterte aber nicht ohne Stolz die Erfolge der Förderungspolitik des Ressorts. So sei es gelungen, der Kongresswirtschaft eine spezielle Garantie anzubieten, die von den Betrieben gut aufgenommen wird und einen klaren Standortvorteil für den österreichischen Tourismus bringt. Im Bereich der Förderungen machte die Staatssekretärin auf Verbesserungen bei der KMU-Förderung durch die ÖHG sowie auf die Jungunternehmerförderung im Umfang von 149 Mill. S im Jahr 2000 aufmerksam. Sie ging dann auf die intensive Unterstützung von Restrukturierungsmaßnahmen ein und beschrieb das Schutzhüttensanierungsprogramm und das Ziel einer umweltgerechten Sanierung mit den Schwerpunkten Solarenergie und biologische Abwasserentsorgung. Die Leistungen ihrer Mitarbeiter auf dem Gebiet der Förderungen unterstrich Rossmann mit dem Hinweis auf 939 bearbeitete Anträge mit einem Umfang von 3 Mrd. S bis zum 30.9.2000.

Die aktuelle Tourismusentwicklung charakterisierte Rossmann mit steigenden Übernachtungen, Umsätzen und wiederum wachsendem Cash-Flow der Branche. In den Mittelpunkt ihrer Überlegungen rückte die Staatssekretärin aber die nach wie vor unbefriedigende Auslastung der Betriebe, die im Durchschnitt bei lediglich 27 % liegt. Sie wies auf die beachtlichen Diskrepanzen auf dem touristischen Arbeitsmarkt hin, wo einer hohen Sockelarbeitslosigkeit offene Stellen von 4.000 bis 8.000 gegenüberstehen.

Detailzahlen vom vergangenen Sommer zeigen, dass die Umsätze dort, wo die Infrastruktur stimmt, wo investiert wurde, stark stiegen, als Beispiele nannte Rossmann die Regionen Millstättersee und Faakersee. Dort, wo das Angebot am Markt vorbeigehe, bestünden dagegen zunehmende Umsatzprobleme.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein merkte an, dass die Strukturreform bei der Österreich Werbung gut unterwegs sei, ein Geschäftsführer bestellt wurde und er davon ausgehe, dass die Österreich Werbung nun in ruhigeres Fahrwasser steuere. Der Minister sah die Notwendigkeit der Saisonverlängerung in der Tourismusbranche und sprach in diesem Zusammenhang die Hoffnung aus, dass dies auch bei den Arbeitsverträgen möglich sein werde. Er appellierte an die Sozialpartner, eine diesbezügliche Vereinbarung zu treffen und die Quersubventionierung der Tourismusbranche im Bereich der Arbeitslosenversicherung zu beenden. Es gehe um den Abschluss von Jahresarbeitszeitverträgen, das wäre die Voraussetzung dafür, vierwöchige Wartefrist bei der Auflösung eines Arbeitsvertrages zur Diskussion zu stellen.

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (S) bekannte sich dazu, gute statistische Daten aus der Tourismuswirtschaft positiv zu besprechen und solcherart für eine gute Stimmung in der Branche zu sorgen. Man dürfe die Debatte aber nicht auf Statistiken reduzieren, sondern müsse auch auf die im Bericht aufgezeigten Schwächen in den Bereichen Investitionen, Kooperationsbildung und Webmarketing eingehen. Bedenklich stimme auch die Konkursstatistik, sagte der SP-Tourismussprecher und plädierte für eine differenzierte Betrachtung des Begriffs Qualität in der Tourismuswirtschaft. Sie bestehe nicht nur aus Holzdecken und Marmorfliesen, sondern im Gesamteindruck des Gastes, den er beim Gespräch mit der Reinigungsfrau gewinne. Das sei der Knackpunkt der tourismuspolitischen Diskussion: die hohen Arbeitslosenzahlen, die gesundheitlichen Probleme und der körperliche Raubbau am Personal. "Wann gehen wir die Probleme der Menschen in den Tourismusbetrieben an?" fragte Abgeordneter Schwemlein ungeduldig. Für Schwemlein sind Investitionen in funktionierende Teams gefragt, vom Hotelmanager bis zur Reinigungsfrau. 

Abgeordneter Günter Kiermaier (S) ging auf die Tatsache ein, dass Österreich nur unterdurchschnittlich am internationalen Tourismusboom teilnimmt, und befasste sich kritisch mit den rückläufigen Umsätzen in der Qualitätshotellerie, mit nicht zufriedenstellenden Restaurantumsätzen und dem nach wie vor unbefriedigendem Cash-Flow in der Tourismusbranche. Für problematisch hielt er auch das West-Ost-Gefälle im Tourismus. Niederösterreich liege mit 12.000 Betrieben und den meisten Beschäftigten im Tourismus in der Nächtigungsstatistik an der vorletzten Stelle.

Abgeordnete Evelin Lichtenberger (G) kritisierte die Abschlankung des Berichts. Ihr fehlten Empfehlungen sowie eine gesamtheitliche Darstellung der Tourismuspolitik. Im Einzelnen verlangte Lichtenberger das Eingehen auf das Tourismuskapitel der Alpenkonvention, die Vorlage eines gesamtösterreichischen Seilbahnkonzepts und Investitionen in die "touristische Software". Darunter verstand sie auch die Arbeitsbedingungen für ArbeitnehmerInnen und UnternehmerInnen und die finanziellen Rahmenbedingungen. Der Eindruck der Menschlichkeit im Tourismus sei ein Kriterium für Urlaubsentscheidungen, das durch die beste Infrastruktur, durch noch so viele geschnitzte Balkone und Aircondition-Anlagen nicht aufgewogen werden könne. Schließlich erbat die Abgeordnete Auskunft darüber, was für das Ressort Nachhaltigkeit im Tourismus bedeute und regte eine Kosten-Nutzen-Rechnung zur Kongressgarantie an. Hinsichtlich der Nutzung des Internet für den Tourismus plädierte die Tiroler Abgeordnete für das System "Discover".

Staatssekretärin Rossmann stellte klar, dass die touristische Förderungspolitik ihres Ressorts nicht auf die "Hardware" konzentriert sei und nannte die Unterstützung von Kooperationen und Destinationen als Schwerpunkt. Sie gab den Abgeordneten Recht, die Handlungsbedarf bei den Mitarbeitern sahen und wies darauf hin, dass beim AMS sowie in den EU-Fonds Förderungsmittel zur Weiterbildung bereitliegen, die nicht abgeholt werden. Ein spezielles Problem seien die mangelnden Sprachkenntnisse. Hinsichtlich der enormen Belastung der Mitarbeiter setzte die Staatssekretärin auf Teamwork, Bewusstseinsbildung und Maßnahmen gegen "schwarze Schafe" unter den Unternehmern. Den Vorschlag für mehr Koordination bei den Seilbahnen nahm Rossmann ebenso positiv auf wie den Wunsch nach Einschränkung der Paragastronomie und die Forderung nach Ganzjahreskonzepten im Tourismus. Rossmann will das System "Discover" nützen und durch eine rasche Entschlackung der Bürokratie den Steuerdruck von der Hotellerie nehmen, die unter stark wachsender internationaler Preiskonkurrenz stehe.

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (S) unterstrich einmal mehr die Bedeutung regionaler Kooperationen in der Tourismuswirtschaft und sah darin auch einen Ansatz für die Lösung der Arbeitnehmerprobleme, die er konkret mit dem Satz umschrieb: "Die Menschen verdienen wenig und flüchten daher aus dieser Branche."

Abgeordneter Helmut Haigermoser (F) lobte das Engagement der Staatssekretärin, die das schwierige Erbe der alten Koalition antreten musste und bereits eine Reihe von Problemen mit Bravour gelöst habe. Haigermoser bekannte sich dazu, Kosten zu sparen und Synergien zu nutzen. Zuversichtlich zeigte sich der Redner angesichts der Kooperation der Außenhandelsstellen mit der Österreich Werbung.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) sah die Aufgabe der Österreich Werbung darin, weltweit Lust auf Österreich zu machen und die Werbebemühungen der Betriebe zu unterstützen, den Abschluss von Geschäften sollte sie aber den Reisebüros überlassen. Schließlich deponierte der Wirtschaftsvertreter Klagen der Unternehmen über - von ihm so genannte - Schikanen der Arbeitsinspektion und drängte auf gesetzliche Initiativen durch den Wirtschaftsminister.

Beim Thema Kooperationen meldete Abgeordneter Schwemlein (S) Interesse an einer fraktionsübergreifenden Zusammenarbeit bei der Einrichtung von Modellregionen an.

Staatssekretärin Rossmann zeigte sich darüber gesprächsbereit und wies darauf hin, dass touristische Modellregionen bereits bestehen. Die Auffassung der Abgeordneten Lichtenberger (G), die Österreich Werbung sei ein Auslaufmodell, teilte die Staatssekretärin nicht. Ihre Hauptaufgabe bleibe die Vermarktung der Dachmarke Österreich und die Kooperation mit der Privatwirtschaft. (Schluss)