Parlamentskorrespondenz Nr. 602 vom 31.10.2000
SOLL DAS MOUNTAINBIKEN AUF FORSTSTRASSEN ERLAUBT WERDEN?
Wien (PK) - Geht es nach den Sozialdemokraten, dann sollen Forststraßen mit einer Mindestbreite von 1,5 m mit dem Fahrrad befahren werden können. Auf Grundlage dieses in einem Antrag festgeschriebenen Anliegens (134/A ) gab es heute im Sportausschuss ein Hearing mit Experten.
Christian Brawenz vom Hauptverband der Land- und Forstwirtschaftsbetriebe Österreichs wies eingangs darauf hin, dass sich 83 % des österreichischen Waldes im Eigentum von privaten Waldbesitzern befinden, der Rest gehört den Bundesforsten bzw. Landesforsten. Von 108.000 km Forststraßen sind 16.000 km zum Rad fahren freigegeben, teilte er mit, machte aber gleichzeitig darauf aufmerksam, dass die alleinige Freigabe nichts bewirke, die Strecken müssten sicher und ausreichendes Kartenmaterial vorhanden sein. Auch dürfe es sich um kein unzugängliches Gelände handeln und eine Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel müsse gegeben sein.
Werner Schwarz (Vorsitzender des Bundessportausschusses) erinnerte daran, dass viele Sporttreibende in die Natur drängen und den Wald als Sportstätte ansehen. Eine generelle Lösung ist seiner Meinung nach nicht möglich, angestrebt müsste vielmehr eine Konsenslösung werden. Eine Mindestbreite von 1,5 m bedeute für die Mountainbiker Unsicherheit. Als wichtig erachtete er es, die Zielgruppe der touristischen Mountainbiker nicht außer Acht zu lassen.
Eine totale Freigabe der Forststraßen hielt Fritz Smoly von der Österreichischen Turn- und Sportunion für nicht zielführend, vielmehr müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die sowohl den Wegerhalter, den Waldbesitzer und die Radfahrer zufrieden stellen. Er unterstrich die guten Erfahrungen in regionalen Bereichen mit der Kooperation zwischen den Gemeinden, den Tourismusverbänden und den Sportvereinen, warnte aber vor einer totalen Öffnung, könnte es doch letztendlich zu einem "Verkehrs-Schilderwald im Wald" kommen.
Eine generelle Freigabe sah Wolfgang Stock (Büro für Freizeitrecht, Graz) für verfassungsrechtlich zulässig an. Für ihn stellt sich die Frage, ob eine Vertragslösung oder eine Lösung per Gesetz besser ist. Unbestritten sei die Geltung der StVO für Forststraßen; geregelt werden müssten u.a. mögliche Konflikte zwischen Radfahrern und Wanderern, eine eigene Haftpflichtversicherungspflicht für den Forststraßenerhalter wäre vorzusehen und letztlich habe eine ökologische Absicherung zu erfolgen.
Othmar Thann vom Kuratorium für Verkehrssicherheit strich heraus, dass, sollte Radfahren auf den Forststraßen erlaubt werden, die StVO gelte und somit 200 bis 300 Bestimmungen für die Radfahrer, die Straßenerhalter und für die Personen, die mit Arbeitsgeräten unterwegs sind. Um groteske Situationen zu vermeiden, dürfte die StVO nicht in vollem Ausmaß Gültigkeit haben. Von einer Kennzeichnung von Fahrrädern riet der Experte ab, bräuchte man hiezu doch eine Verfassungsbestimmung.
Stefan Wagner aus Augsburg gab bekannt, dass in fast allen Ländern Deutschlands die Einschränkung gilt, dass die Radfahrer nur Wege benützen dürfen; in Bayern ist das Radfahren, auch das Mountainbiken, unter gewissen Vorbehalten auf Forststraßen gestattet. So müssen die Rechte der Erholungsuchenden berücksichtigt, die Eigentümerverträglichkeit anerkannt und die Waldbewirtschaftung respektiert werden. Grundsätzlich gilt der Vorrang des Fußgängers vor dem Radfahrer. In allen deutschen Wald- und Naturschutzgesetzen ist festgeschrieben, dass das Radfahren in der Natur auf eigene Gefahr erfolgt und den Grundeigentümer keine erhöhten Vekehrssicherungspflichten treffen.
Ex-Rad- und Mountainbikeprofi Gerhard Zadrobilek kam auf eine Studie zu sprechen, nach der Radfahren das Herzinfarktsrisiko senkt. In den letzten Jahren wurden 240.000 Mountainbikes verkauft, 26 % der Männer und 10 % der Frauen biken. Laut einer Statistik hat Mountainbiken mit Fußball gleichgezogen. Von den 16.000 km Forststrecken für die Mountainbiker befindet sich nur ein geringer Anteil auf privatem Forstbesitz. Angesichts der 1999 zurückgegangenen Ausländernächtigungszahlen regte Zadrobilek an, mit diesem touristisch interessanten Angebot die Ausländer wieder in unser Land zu holen, üben doch 25 % aller ausländischen Gäste Radfahren und Mountainbiken regelmäßig aus.
Das Hauptthema in der Fragerunde der Ausschussmitglieder betraf den Bereich der Haftung. Hinterfragt wurden zudem der Forstwegebau, Haftungsfälle in Bayern und der Einnahmenentfall im Tourismus durch das Ausbleiben der Mountainbiker, die in anderen Ländern entsprechende Angebote nutzen.
Stefan Wagner meinte, Bayern kenne keine speziellen Haftungsfälle, da das Radfahren im Wald eine untergeordnete Rolle spiele und Haftungsfälle mit Mountain-Bikern bis jetzt nicht vorgekommen seien. Nicht einsichtig war dem Experten, weshalb die Haftungsproblematik in der Diskussion sosehr in den Vordergrund geschoben wird, gebe es doch eine Fülle von Gerichtsurteilen, die eine Haftung der Waldbesitzer verneinen. Aus seiner Sicht dürfte es auch keine verfassungsrechtlichen Probleme geben.
Wolfgang Stock wies darauf hin, dass laut einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes es dem einfachen Gesetzgeber obliege, das Radfahren auf Forststraßen zu erlauben oder nicht. Was die Frage betrifft, ob eine vertragliche oder gesetzliche Regelung gewählt werden solle, so sei seiner Ansicht nach "beides juristisch in den Griff zu bekommen". Durch eine gesetzliche Regelung könnte natürlich auch gleichzeitig der Geltungsbereich der StVO neu gefasst werden.
Er persönlich erachte die bayrische Lösung für sinnvoll, wo es ein "Splitting" gebe. Das heißt, dass einerseits eine allgemeine Nutzungsmöglichkeit ohne Haftungsrisiko bestehe und andererseits speziell ausgewiesene Strecken eingerichtet wurden, wo strengere Haftungsbestimmungen gelten.
Da die StVO auf Forststraßen derzeit noch immer in Geltung sei, komme es manchmal zu absurden Situationen, führte Christian Brawenz aus. So müsse etwa bei unübersichtlichen Stellen gehupt werden, was im Waldgebiet wohl wenig wünschenswert sei. Er sei zudem der Ansicht, dass eine Abgeltung von Leistungen, z.B. die Beseitigung von Hindernissen oder Maßnahmen zur Straßenerhaltung, erfolgen solle. Hinsichtlich der Förderung von Forstwegen teilte er mit, dass im letzten Jahr 50 Mill. S an öffentlichen Geldern ausgeschüttet wurden. Dies entspreche einem Anteil von 2 % am Gesamtinvestitionsvolumen in diesem Bereich, betonte Brawenz.
Die Frage der Haftungen sei ein äußerst komplexes Thema, meinte sodann Othmar Thann. Ein großes Problem sah er vor allem darin, dass bei jeder Öffnung der Forstwege die StVO automatisch angewendet werden müsse. Da es seiner Meinung nach kein Spiel ohne Spielregeln geben könne, plädierte er für die Einführung eines klaren Systems und den Ausschluss vom Geltungsbereich der StVO.
Gerhard Zadrobilek zeigte sich erfreut darüber, dass mittlerweile eine positivere Einstellung bezüglich der Mountainbiker herrsche, die früher oft als Rowdys angesehen wurden. Er könne auch keine Horrorszenarien entdecken und schwarze Schafe gebe es überdies in allen Sportarten, argumentierte er. Derzeit seien 16.000 km für Radfahrer freigegeben, wobei nur ein sehr geringer Anteil an Privatwegen darin enthalten wäre. Ein Grund dafür sei, dass ansonsten die Finanzierbarkeit nicht gesichert werden könne. Generell müssten die Rahmenbedingungen in Österreich aber noch grundlegend verbessert werden, appellierte Zadrobilek.
Fritz Smoly unterstrich den gesundheitlichen Aspekt des Radfahrens und hob insbesondere die präventive Wirkung im Zusammenhang mit den Herz-Kreislauf-Erkrankungen hervor. Werner Schwarz kam schließlich auf aktuelle Studien über das Radfahren zu sprechen und machte darauf aufmerksam, dass 49 % der Österreicher regelmäßig Radfahren bzw. Mountainbiken. Umfragen unter Touristen hätten zudem ergeben, dass eine große Zufriedenheit bezüglich des österreichischen Radwegenetzes bestehe.
Der S-Antrag wurde einhellig vertagt.
(Schluss)