REGIERUNGSVORLAGE: KINDSCHAFTSRECHTS-ÄNDERUNGSGESETZ 2001
Wien (PK) - Das vom Justizministerium erstellte und jetzt von der Regierung dem Parlament zugeleitete Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz, dessen Ministerialentwurf im Jänner 1999 zur Begutachtung ausgesandt wurde, verfolgt eine Reihe allgemeiner Zielsetzungen: die Stärkung der Rechtsstellung junger Menschen, die Betonung der Verantwortung der Eltern für das Kind/die Kinder, eine Modernisierung der Regeln für die Vermögensverwaltung und die Lösung von in der Praxis auftretenden Einzelproblemen.
Als wesentliche Inhalte der Vorlage werden u.a. die Senkung der Altersgrenze von derzeit 19 auf 18 Jahre, die Gestaltung des Rechts auf persönlichen Verkehr nicht nur als Recht der Eltern, sondern des Kindes selbst, die Einführung der selbständigen Verfahrensfähigkeit von Minderjährigen über 14 Jahren in Pflegschaftsverfahren, eine klare Regelung der Einwilligung von minderjährigen Kindern in medizinische Behandlungen, ein zivilrechtliches Verbot, bei minderjährigen Kindern eine Sterilisation durchzuführen, die gesetzliche Verankerung der Mediation im Kindschaftsrecht, klare Regelungen für gesetzliche Vertreter, die nicht Eltern, Groß- bzw. Pflegeeltern sind und Neuerungen bei der Anerkennung der Vaterschaft genannt.
Die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters von 19 auf 18 Jahre hat auch Auswirkungen auf das Jugendgerichtsgesetz 1988: Eine entsprechende Regierungsvorlage sieht u.a. vor, dass auch die obere Altersgrenze für die Anwendung des Jugendstrafrechts vom 19. auf das 18. Lebensjahr gesenkt wird.
GEMEINSAME OBSORGE BEIDER ELTERN
In der politischen Diskussion der letzten Zeit hat das Thema der gemeinsamen Obsorge beider Elternteile nach einer Scheidung eine große Rolle gespielt. Nach geltendem Recht können die Eltern eines minderjährigen Kindes im Falle der Trennung dem Gericht eine Vereinbarung darüber vorlegen, wem die Obsorge zukommen soll. Das Gericht hat diese Vereinbarung zu genehmigen, wenn sie dem Wohl des Kindes entspricht.
In der Fassung der Regierungsvorlage lautet der entsprechende Paragraf (177): "Wird die Ehe der Eltern eines minderjährigen ehelichen Kindes geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt, so bleibt die Obsorge beider Eltern aufrecht. Sie können jedoch dem Gericht - auch in Abänderung einer bestehenden Regelung - eine Vereinbarung über die Betrauung mit der Obsorge vorlegen, wobei ein Elternteil allein betraut oder im Fall der Obsorge beider diejenige eines Elternteils auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt sein kann. In jedem Fall einer Obsorge beider Eltern haben sie dem Gericht eine Vereinbarung darüber vorzulegen, bei welchem Elternteil sich das Kind hauptsächlich aufhalten soll. Dieser Elternteil muss immer mit der gesamten Obsorge betraut sein. Das Gericht hat die Vereinbarung der Eltern zu genehmigen, wenn sie dem Wohl des Kindes entspricht."
Kommt eine entsprechende Vereinbarung nicht zu Stande oder entspricht diese Vereinbarung nicht dem Wohl des Kindes, hat das Gericht zu entscheiden, wer mit der Obsorge betraut wird. Wenn beide Eltern mit der Obsorge betraut sind und ein Elternteil die Aufhebung der gemeinsamen Obsorge beantragt, hat das Gericht jenen Elternteil mit der alleinigen Obsorge zu betrauen, bei dem sich das Kind hauptsächlich aufhält.
In den Erläuterungen heißt es dazu: "In Hinkunft soll nicht das Weiterbestehen der Obsorge beider Eltern, sondern deren Aufhebung eines Antrags bedürfen. Im Übrigen hält der Entwurf aber - Erkenntnissen der Wissenschaft folgend - daran fest, dass den Kindern im Fall der Trennung oder Scheidung der Eltern eine klare Orientierung gegeben werden muss, indem sich die Eltern darüber einigen müssen, im Haushalt welchen Elternteils sich das Kind hauptsächlich aufhalten soll."
VOLLJÄHRIG MIT 18, MEHR RECHTE AB 14, KEINE STERILISATION
Mit der Absenkung der Volljährigkeit vom 19. auf das vollendete 18. Lebensjahr wird auch in Österreich eine europäische Entwicklung nachvollzogen. Diese Grenze soll in jedem Fall gelten, d.h. dass das im ABGB vorgesehene Rechtsinstitut einer Verlängerung der Minderjährigkeit über diese Grenze hinaus - als ein pauschaler und sehr weitgehender Eingriff in die Handlungs- und Geschäftsfähigkeit eines Menschen - nach der Vorlage nicht weiter bestehen soll.
Der Stärkung der Rechtsstellung des heranwachsenden Menschen dienen auch Bestimmungen, denen zufolge die elterliche Befugnis zur stellvertretenden Zustimmung zu medizinischen Behandlungen auf jene Fälle eingeschränkt wird, in denen das Kind diese Einwilligung nicht selbst geben kann. Ab dem vollendeten 14. Lebensjahr wird Einsichts- und Urteilsfähigkeit angenommen. Die Herbeiführung einer dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit bei minderjährigen Kindern wird in dem Entwurf ausgeschlossen, außer bei einem lebensgefährlichen Risiko durch eine Schwangerschaft.
BESUCHSRECHT: VOM RECHT DER ELTERN ZUM RECHT DES KINDES
Das Recht auf persönlichen Verkehr - nach dem Wortlaut des Gesetzes bisher ein Recht des nicht erziehenden Elternteils - soll nach dem Entwurf primär als Recht des Kindes normiert werden. Flankierend dazu wird die Möglichkeit der "Besuchsbegleitung" geschaffen, d.h. dass Besuchsbegleitung auf Antrag angeordnet werden kann, wobei der Antragsteller eine dazu bereite Person benennen muss.
VERMÖGENSVERWALTUNG
In der Vermögensverwaltung sieht der Entwurf die Einschränkung gerichtlicher Einmengung auf das "für eine angemessene Aufsicht nötige Maß" sowie die Entlastung der mit der Vermögensverwaltung betrauten Personen vor. In- und ausländische Anlageformen sowie in- und ausländische Vermögensverwalter sollen - im Sinn der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben - gleich behandelt werden. Für bestimmte Verwalter - nämlich die Träger der Jugendwohlfahrt - wird Kompetenz und Objektivität angenommen. ( 296 d.B. )
ÄNDERUNG DES JUGENDGERICHTSGESETZES, DES STRAFGESETZBUCHS UND DES GEICHTSORGANISATIONSGESETZES
In Weiterführung der Neuregelung durch das Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes schlägt die Regierung Änderungen im Jugendgerichtsgesetz, im Strafgesetzbuch und im Gerichtsorganisationsgesetz vor. Die Regierungsvorlage sieht die Absenkung der oberen Altersgrenze für die Anwendung des Jugendstrafrechts vom 19. auf das 18. Lebensjahr vor. Die gerichtliche Zuständigkeit soll bei den Gerichtsabteilungen für Jugendstrafsachen bzw. am Wohnort des Beschuldigten (für Strafsachen wegen Taten, die vor dem 19., allenfalls vor dem 21. Lebensjahr begangen wurden) konzentriert werden. Die Anwendungen der verfahrensrechtlichen Sonderbestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes sollen erweitert werden. Die vollzugsgerichtliche Zuständigkeit soll von der Justizanstalt für Jugendliche Gerasdorf an den Jugendgerichtshof Wien übertragen werden. Schließlich sollen Sonderbestimmungen für die strafrechtliche Behandlung von Personen unter 21 Jahren - etwa Ausschluss der lebenslangen Freiheitsstrafe - geschaffen werden. ( 340 d.B. )
STRAFGESETZBUCH: MINDESTSTANDARDS ZUM SCHUTZ VON GELD GEGEN FÄSCHUNG
Im Zusammenhang mit der Einführung des EURO steht eine Änderung des Strafgesetzbuchs, durch die auch in Österreich Mindeststandards zum Schutz von Geld gegen Fälschung geschaffen werden sollen. Da die im Rahmenbeschluss des EU-Rats vom 29. Mai 2000 normierten Sanktionen bereits durch geltendes Recht abgedeckt sind, enthält der Entwurf nur einzelne Ausweitungen bei einigen Tatbeständen. ( 345 d.B. )
Die vollständigen Titel der Regierungsvorlagen:
296 d.B.: Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ehegesetz, das Unterhaltsvorschussgesetz, die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, das Rechtspflegergesetz, die Exekutionsordnung, die Strafprozessordnung 1975, das Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht, das Gerichtsgebührengesetz, das Strafgesetzbuch, das Bankwesengesetz und das Krankenanstaltengesetz geändert werden (Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001 - KindRÄG 2001)
340 d.B.: Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden
345 d.B.: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird
(Schluss)