Parlamentskorrespondenz Nr. 649 vom 13.11.2000

KULTURAUSSCHUSS BESCHLIESST KÜNSTLER-SOZIALVERSICHERUNGSFONDS

Morak: Pensionsrechtliche Absicherung ist nur "Fuß in der Tür"

Wien (PK) – Der Kulturausschuss befasste sich heute mit dem Thema der Künstlersozialversicherung, das seit rund 15 Jahren zu den dringlichsten im Bereich der Kulturpolitik zählt. Schon vor dem Arbeitsrechtsänderungsgesetz 1997 gab es mehrere Anläufe, alle KünstlerInnen sozialrechtlich abzusichern. Eine Lösung scheiterte unter anderem immer wieder an der Frage der Aufbringung der Mittel für jene Kunstschaffenden, die die dafür nötigen Beiträge aus ihrem Einkommen nicht selbst leisten können. Auch die Definition des KünstlerInnenbegriffs war umstritten.

Das Arbeitsrechtsänderungsgesetz 1997 verlieh dem Problem neuerlich Aktualität, da es die Kunstschaffenden in den Begriff der neuen Selbständigen und damit in die Pensionsversicherung miteinbezog, was für viele, insbesondere nicht etablierte KünstlerInnen, eine kaum zu bewältigende Beitragslast nach sich gezogen hätte. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber nach Protesten von KünstlerInnen beschlossen, die diesbezüglichen Bestimmungen für Kunstschaffende erst mit 1. Jänner 2001 in Kraft treten zu lassen, mit der Intention, bis dahin eine sozial verträgliche Lösung für die Betroffenen zu schaffen.

Die nun dem Parlament zugeleitete Vorlage zum Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz sieht eine Förderung der von den einzelnen KünstlerInnen zu leistenden Beiträge in die Pensionsversicherung im Wege von Zuschüssen vor, die zusätzlich zum Kunstförderungsbeitrag eingehoben werden. Die Administration erfolgt über einen Fonds, in dessen Rahmen eine Künstlerkommission, die wiederum in Kurien für einzelne Kunstsparten eingeteilt ist, über die Qualifikation als Künstler im Sinne der Gesetzesvorlage Gutachten erstellt. Der Beitragszuschuss soll jährlich 12.000 S betragen, wobei dieser Betrag durch Verordnung im jeweils folgenden Kalenderjahr angepasst werden soll.

(312 d.B.)

Um für den Fonds eine gesicherte finanzielle Basis zu schaffen, soll dieser aus Mitteln des Bundes sowie aus zusätzlichen Beiträgen nach dem Kunstförderungsbeitragsgesetz gespeist werden. Eine entsprechende Änderung dieses Gesetzes stand ebenfalls auf der Tagesordnung des heutigen Kulturausschusses. Danach ist die Einführung einer Kabelrundfunkgebühr pro TeilnehmerIn und Monat in der Höhe von 3,40 S vorgesehen, die der Stützung der Beiträge in die gesetzliche Pensionsversicherung von selbständigen KünstlerInnen dient. Darüber hinaus soll eine einmalige Abgabe von 120 S für ein Gerät geleistet werden, das zum Empfang von Rundfunksendungen über Satellit bestimmt ist. Befreit werden in einem Kalenderjahr jene Unternehmen, bei denen die zu leistende Abgabe unter 12.000,-- S liegt.  (313 d.B.)

Die Opposition beklagte, dass die nun zur Diskussion stehende Lösung keinen umfassenden Versicherungsschutz biete, sondern nur den Zuschuss zur Pensionsversicherung regle. Abgeordneter Josef Cap (S) brachte in diesem Zusammenhang auch einen Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung ersucht wird, bis Jahresende 2001 einen Entwurf für ein umfassendes Künstlersozialversicherungsmodell, das auch den Bereich der Kranken- und Unfallversicherung miteinbezieht, und einen entsprechenden Finanzierungsplan zu erarbeiten und dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorzulegen. Bei der Abstimmung fand der Antrag jedoch nur die Unterstützung der Grünen und wurde somit abgelehnt.

In die gleiche Kerbe schlug Abgeordnete Eva Glawischnig (G), die das deutsche Modell der Künstlersozialversicherung, wie sie es in ihrem Antrag, der ebenfalls zur Debatte stand, formuliert hatte, realisiert haben will. Danach hätten die Mittel des Fonds durch die KünstlerInnensozialabgabe, durch einen Zuschuss des Bundes in der Höhe von 25 % der Summe aller von KünstlerInnen zu leistenden Sozialversicherungsbeiträge, durch Zinserträge aus Fondsmitteln und durch freiwillige Zuwendungen aufgebracht werden sollen.

Staatssekretär Morak, mit den Befürchtungen konfrontiert, dass damit das Thema einer umfassenden sozialrechtlichen Absicherung von KünstlerInnen von der Regierung ad acta gelegt werde, versicherte, dass die Errichtung des Künstler-Sozialversicherungsfonds nur ein Beginn, nur ein „Fuß in der Tür „ sei, und diese Bundesregierung auch „Maximalvisionen“ habe. Dies war für die SozialdemokratInnen auch der Grund dafür, der Vorlage trotz „aller Mängel und Kritik“ zuzustimmen. 

Diskutiert wurde auch der KünstlerInnenbegriff. Während die Opposition von einem zu engen KünstlerInnenbegriff sprach, führten die F- und V-Abgeordneten ins Treffen, dass dieser ganz im Gegenteil völlig dynamisch gefasst sei und in der Künstlerkommission nur KünstlerInnen über KünstlerInnen entscheiden würden.

Die beiden Vorlagen wurden unter Berücksichtigung eines von den Regierungsfraktionen eingebrachten Abänderungsantrages, der die gesetzliche Regelung für die Zuschussgewährung zur Literarischen Verwertungsgesellschaft betrifft, mit den Stimmen von S, F und V angenommen.

Miterledigt wurden drei Initiativen der Opposition, die sich ebenfalls die Schaffung und Finanzierung einer Künstlersozialversicherung zum Inhalt haben.

Die SozialdemokratInnen haben die Erhöhung des Kunstförderungsbeitrages von 4,60 S. auf 6,60 S. monatlich beantragt, wobei die Mehreinnahmen als Beitrag zur Finanzierung der geplanten Künstlersozialversicherung und zur Verbesserung der sozialen Lage der KünstlerInnen verwendet werden sollte. (148/A[E])

Die beiden Anträge der Grünen sehen einerseits in einem Entschließungsantrag die Verwirklichung eines Künstlersozialversicherungsgesetzes (25/A[E]) sowie die Errichtung eines KünstlerInnensozialversicherungs-Fonds nach deutschem Vorbild vor. (214/A)

Abgeordneter Cap (S) beleuchtete in seiner Wortmeldung die Vorlage deshalb kritisch, weil die Regierung mit dieser Fondslösung keinen umfassenden Versicherungsschutz gebracht hat. Die Definition des KünstlerInnenbegriffs sei eng und konventionell, avantgardistische Kunstproduzenten, wie z.B. MedienkünstlerInnen würden davon nicht erfasst. Er bezweifelte auch, dass die Höhe der Zuschüsse tatsächlich garantiert sei, da eine Wertsicherung der Höchstgrenze nicht vorgesehen sei. Den bürokratischen Aufwand hält der S-Abgeordnete für überproportional, außerdem habe seiner Meinung nach der Bundeskanzler eine Reihe ungerechtfertigter direkter Eingriffsmöglichkeiten.

Abgeordnete Glawischnig (G) bezeichnete die Vorlagen als unausgewogen und die darin vorgenommenen Differenzierungen als sachlich nicht gerechtfertigt. Beispielsweise hätten Musiker, darstellende Künstler und Filmschaffende weitere Härten zu erwarten, da sie teilweise befristete Angestellte und teilweise Freischaffende seien, die zusätzlich durch die Sperre des Arbeitslosengeldes getroffen würden. Sie erläuterte daher die Vorzüge des deutschen Modells, das gut funktioniere. Den Einwand des Staatssekretärs, dass dieses Modell in Österreich unfinanzierbar sei, konterte sie damit, dass die Umverteilung in Richtung Kunstschaffende durchaus Sinn mache. Außerdem gebe es auch in Österreich Unternehmen auf dem Kultursektor, die Gewinne machen.

Glawischnig wies weiters darauf hin, dass die zersplitterte und unübersichtliche Rechtslage in der Krankenversicherung aufrecht bleibe. Sie wandte sich auch dagegen, Kulturpolitik als Sozialpolitik zu betreiben. Die Aufbringung der Zuschüsse sei daher auch nicht durch das Kunstbudget zu leisten, sondern die sozialrechtliche Absicherung von KünstlerInnen sei Aufgabe des Gesamtstaates. Abgesehen davon, verfolgten die Grünen jedoch ein allgemeines Grundsicherungsmodell, das Einzellösungen verzichtbar mache und all diese Probleme löse.

Sie wurde in der Frage der Abgrenzung von Sozial- und Kulturpolitik von Abgeordneter Inge Jäger (S) unterstützt. Jäger wies aber auch darauf hin, dass es unter den KünstlerInnen nicht nur Altersarmut gebe. Auch viele junge KünstlerInnen seien von Armut betroffen. Die S-Abgeordnete Christine Muttonen brachte auch einige negative Stellungnahmen von KünstlerInnen, insbesondere jene des Dachverbandes der Filmschaffenden zu Sprache.

Seitens der Regierungsfraktionen unterstrich Abgeordnete Andrea Wolfmayr (V), dass es sich nur um einen Beginn einer weiteren sozialrechtlichen Absicherung der Kunstschaffenden handeln könne. Mit dieser Vorlage werde auch eine neue Denkweise deutlich, nämlich dass es nicht mehr nur um Zuschüsse und Förderungen von oben gehe, sondern es zu einer grundsätzlichen Verbesserung der Produktionsbedingungen komme. Außerdem habe man damit den Künstlerbegriff in den Griff bekommen.

Auch die Vorsitzende des Ausschusses Brigitte Povysil (F) drückte ihre Freude über den Entwurf aus, den sie als einen Meilenstein für die soziale Absicherung von KünstlerInnen bezeichnete. Vor allem würden nicht etablierte KünstlerInnen unterstützt. Der KünstlerInnenbegriff, so Povysil, werde durch KünstlerInnen definiert und sei ausgesprochen dynamisch. Dem schloss sich Abgeordnete Sylvia Paphazy (F) an, da in der Künstlerkommission KünstlerInnen über KünstlerInnen entscheiden.     

Staatssekretär Morak bekräftigte, dass es sich nur um einen Beginn handeln könne, kein Beginn aber einfach sei. Warum man sich für ein Fondsmodell und nicht für ein Versicherungsmodell entschieden hat, begründete er damit, dass KünstlerInnen eine eigene Risikogruppe seien. Man könne sie daher nicht an andere Versicherungen anschließen, eine eigene kleine Versicherung würde einen zu hohen Verwaltungsaufwand bedeuten und damit die Finanzierung in Frage stellen.

Hätte man sich für das deutsche Modell entschieden, so hätte dies die Kostenseite stark belastet. Auch in Deutschland seien die finanziellen Anteile des Bundes und der Verwertungsgesellschaften sowie die Verwaltungskosten stark angestiegen, die Planstellen hätten sich von 39 auf 141 erhöht. Auch sei die Situation der Buchverlage in Österreich anders als in Deutschland. Das Musik-, Sprech-, Film- und Tanztheater werde in Österreich so hoch wie in kaum einem anderen Land subventioniert, noch höhere Zuschüsse seien daher nicht möglich. Das Gleiche gelte für den Galerie- und Kunsthandel. Eine Einbeziehung wie in Deutschland hätte jedoch noch höhere Förderungen durch den Bund notwendig gemacht. Man habe sich daher für ein Modell entschieden, das rasch funktioniert und auch durchsetzbar sei, das die Bürokratie niedrig hält und die Selbstverwaltung garantiert. Morak versuchte auch die Zweifel an der Finanzierungsgarantie ausräumen und teilte dem Ausschuss mit, dass man bei der schwierigen Berechnung des Aufwandes noch ca. 1000 Anspruchsberechtigte als Spielraum habe. Darüber hinaus sei die Verpflichtung zum Zahlen gesetzlich vorgeschrieben.

Der Kritik des Abgeordneten Cap an der starken Stellung des Bundeskanzlers begegnete Morak damit, dass die Rechnungshofkontrolle dies notwendig mache. Die Rechte des Kanzlers im Aufsichtsrat seien dafür aber eingegrenzt worden.

Über den KünstlerInnenbegriff habe es eine langwierige Diskussion gegeben. Man habe ihn letztendlich von den wesentlichen Kunsttechniken abgeleitete, in sehr weit gefasst und damit die Möglichkeit geschaffen, das dieser von aktiven KünstlerInnen dynamisch weiterentwickelt wird.

BUNDESTHEATERBERICHT IM KULTURAUSSCHUSS ENDERLEDIGT

Der Kulturausschuss befasste sich sodann mit dem Bericht des Bundestheaterverbandes, der nach der sogenannten Ausgliederung der Bundestheater letztmalig vorgelegt wurde.

In dessen Vorwort hält Georg Springer fest, mit diesem Bericht werde „im buchstäblichen Sinne das letzte Kapitel“ einer Geschichte des künstlerischen und auch wirtschaftlichen Erfolgs einer Organisationsform geschrieben, die für die letzten Jahrzehnte „sicherlich die richtige“ gewesen sei. Andere Zeiten erforderten aber andere Formen, und so habe der Bundestheaterverband innerhalb kürzester Zeit „einen radikalen Übergang vollzogen“. Dieser sei, so Springer, immer mit dem Ziel erfolgt: „Unser Publikum soll und darf von Veränderungen – Verbesserungen natürlich ausgenommen – nichts bemerken“. Springer verleiht in dem Bericht seiner Hoffnung Ausdruck, „dass uns die zuständigen Vertreter der Gesetzgebung und Vollziehung dieses Landes auch in Zukunft mit demselben Verständnis, demselben Interesse und derselben Unterstützungsbereitschaft begegnen werden wie bisher“.

In der Saison 1998/99 gelang es den Bundestheatern grosso modo, das hohe Besucherniveau der vorangegangenen Saisonen zu halten. Waren 1997/98 insgesamt 1,425.845 Besucher in insgesamt 1.448 Vorstellungen gegangen, so verfolgten 1998/99 insgesamt 1,410.071 Zuseher die 1.414 Aufführungen. Dem leichten Besucherplus bei Volks- und Staatsoper – bedingt durch eine größere Anzahl an Vorstellungen - steht ein leichtes Minus bei Burg- und Akademietheater gegenüber, wobei dort die Zahl der Veranstaltungen von 818 auf 776 zurückging. Insgesamt belief sich die Summe der präsentierten Stücke samt Lesungen, Sonderschauen und sonstigen Events auf 210. Wie schon zuletzt gibt es darunter spektakuläre Premieren, Dauerbrenner und die eine oder andere Überraschung.

ZUKUNFTSDEBATTE IM AUSSCHUSS

In der Diskussion im Ausschuss sprach Abgeordneter Gaugg (F) die überhöhten Bezüge einzelner Theaterfunktionäre an, während sich Abgeordneter Prinz (V) für die Entwicklung der Gastspieltätigkeit und allfällige Aktivitäten für Kinder und Jugendliche interessierte. Die Abgeordneten Hornek (V) und Muttonen (S) wollten wissen, wie künftig über die Entwicklung in den Bundestheatern berichtet werde, während die Abgeordneten Paphazy (F), Glawischnig (G) und Wurm (S) die Lage in der Volksoper thematisierten.

Staatssekretär Morak konzedierte zwar, die Gagen im Bereich des Theaters an der Wien seien "saftig", doch habe der Bund dort weder Verantwortung noch Einfluss. Es gebe aber auch, gab Morak zu bedenken, keine Bundesgelder, die dorthin fließen würden. Zu den Gastspielen merkte der Staatssekretär an, die Burg habe erst kürzlich erfolgreich in München, Hannover und Zürich Aufführungen absolviert, und Ioan Holaender sei es gelungen, bei der Japan-Tournee der Staatsoper auch noch Gewinn zu machen. Erfolgreich seien auch die Gastspiele in Madrid und Hannover gelaufen. Sodann wies Morak auf die vielfältigen Aktivitäten für Kinder hin. Was die Information der Abgeordneten anbelange, erneuerte Morak sein Angebot, für Auskünfte zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Verfügung zu stehen.

Angesprochen auf die Lage in der Volksoper meinte Morak, er schätze die Arbeit von Mentha außerordentlich, und dieser habe seine volle Unterstützung. Es sei schwierig, neue Publikumsschichten für die Volksoper anzusprechen, zumal in Wien lediglich 4 Prozent der Einwohner prinzipiell für das Theater zu interessieren seien. Er habe aber Vertrauen zu Mentha, dem es gelingen werde, das Haus für die neuen Herausforderungen zu rüsten. Im übrigen liege Mentha im Budgetplan, zusätzliche Mittel seien daher auch nicht erforderlich.

Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen und somit im Ausschuss enderledigt. (Schluss)