Parlamentskorrespondenz Nr. 669 vom 16.11.2000

VERFASSUNGSAUSSCHUSS DISKUTIERT BERICHT DER VOLKSANWALTSCHAFT

Wien (PK) - In seiner heutigen Sitzung befasste sich der Verfassungsausschuss des Nationalrats mit dem Bericht der Volksanwaltschaft , mit der Frage nach einem neuen Bundesvergabegesetz sowie mit drei Oppositionsanträgen, die in der Folge vertagt wurden.

Die Volksanwaltschaft wurde im Kalenderjahr 1999 von 9.186 Personen in Anspruch genommen. 3.971 Prüfungsverfahren wurden eingeleitet, in 29 Fällen wurden die Volksanwälte von sich aus aktiv. Das geht aus dem aktuellen Bericht der Volksanwaltschaft 1999 hervor, der vor kurzem dem Nationalrat und dem Bundesrat vorgelegt wurde. Die bei weitem meisten Prüfungsverfahren im Bereich der Bundesverwaltung betrafen dabei das Sozialministerium (801 Fälle), gefolgt vom Bundesministerium für Justiz (398).

Insgesamt konnten im Berichtsjahr von den drei Volksanwälten 4.675 Prüfungsverfahren abgeschlossen werden, wobei es in drei besonders schwer wiegenden Fällen einer formellen Empfehlung und in weiteren drei Fällen einer Missstandsfeststellung bedurfte. Eine detaillierte Aufschlüsselung der 4.675 abgeschlossenen Prüfungsverfahren zeigt, dass die Volksanwaltschaft - neben den genannten Missstandsfeststellungen und Empfehlungen - weitere 577 Beschwerden als berechtigt anerkannt hat. Dem gegenüber konnte sie in 2.328 Fällen keinen Grund für eine Beanstandung finden.

Wie jeder Bericht enthält auch der nunmehr 23. Bericht der Volksanwaltschaft eine Reihe von legislativen Anregungen, die sich aus der Tätigkeit der Volksanwälte ergeben.

Im Verfassungsausschuss gratulierte Abgeordneter Krüger (F) der Volksanwaltschaft zu ihrer guten Arbeit. Ihr sei es gelungen, ein eigenständiges Profil zu erlangen, was angesichts des heimischen Parteienstaates keine Selbstverständlichkeit sei. Den Bericht lobte Krüger als ausgesprochen anschaulich. Sodann befasste sich der Abgeordnete mit Problemen in der Justizverwaltung, auf die nach ihm auch Abgeordneter Maier (S) zu sprechen kam. Abgeordnete Petrovic (G) appellierte an die "derzeit Regierenden", den Anregungen der Volksanwaltschaft endlich Folge zu leisten und thematisierte den Bestellungsmodus für die Volksanwaltschaft. Abgeordnete Baumgartner-Gabitzer (V) befasste sich mit der Frage eines Gesetzesinitiativrechtes für die Volksanwälte und regte an, damit in Zusammenhang stehende Fragen gegebenenfalls in einem eigenen Unterausschuss eingehend zu beraten. Abgeordnete Stoisits (G) verwies darauf, dass der Handlungsspielraum der Volksanwaltschaft durch die Ausgliederungen von Einrichtungen des Bundes eingeschränkt worden sei und erinnerte an die grünen Vorschläge zu einer Reform der Volksanwaltschaft. Die Abgeordneten Mertel (S) und Hetzl (F) stellten Detailfragen.

Volksanwalt Schender betonte zunächst das gute Klima in der Volksanwaltschaft. Praktisch alle Entscheidungen würden kollektiv getroffen, weil "es um die Sache und nicht um Parteipolitik" gehe. Dieses unparteiische Vorgehen begründe auch das allgemeine Vertrauen der Bevölkerung in die VA, die eine beachtliche Erfolgsbilanz vorweisen könne.

Allerdings würde legistischen Anliegen der VA oftmals nicht entsprochen, weshalb hier ein Initiativrecht der VA auf eigene Gesetzesvorschläge wünschenswert wäre. Die Privatisierung bereite der VA durchaus Kopfzerbrechen, weil sie nun keinen Prüfungsauftrag mehr ableiten könne. Man habe aber eine "österreichische Lösung" gefunden: man sei zwar nicht mehr zuständig, aber man prüfe im Interesse der Bürger weiter.

In diese Richtung äußerten sich auch die Volksanwältinnen Korosec und Krammer. Es sei eben ein Unterschied, ob man prüfen dürfe oder nicht. Hier sei eine entsprechende Regelung, wie sie etwa seinerzeit beim AMS gefunden wurde, dringend erwünscht, so der Tenor der beiden ehemaligen Politikerinnen.

Der Bericht der Volksanwaltschaft wurde einstimmig zur Kenntnis genommen.

Sodann befasste sich der Verfassungsausschuss mit der Frage eines neuen Bundesvergabegesetzes . Mit der Vorlage eines diesbezüglichen Entwurfs hatte die Regierung auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes und ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs reagiert. Insbesondere sieht der Entwurf eine neue Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems vor. So wird unter anderem das Bundesvergabeamt umstrukturiert, da der Verfassungsgerichtshof die bestehende Konstruktion als verfassungsrechtlich nicht zulässig gewertet hat. Außerdem wird künftig unterlegenen Bietern gemäß den EU-Vorgaben eine Anfechtung von Zuschlagsentscheidungen ermöglicht. Als Streitschlichtungsinstanz beibehalten wird die Bundes-Vergabekontrollkommission, ihre Zuständigkeit zur Erstellung von Gutachten wird allerdings eingeschränkt.

Darüber hinaus werden die umfassenden Neuerungen der ÖNORM A 2050 in das neue Bundesvergabegesetz eingearbeitet. Schließlich wird die Nutzung elektronischer Medien im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe im größtmöglichen Ausmaß zugelassen. Für die Beschlussfassung des Gesetzes im Nationalrat ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

In der Diskussion wies Abgeordneter Hofmann (F) darauf hin, dass diese Vorlage die erforderliche Verfassungsmehrheit offenbar nicht erhalten würde, weshalb es sich als erforderlich erwiesen habe, eine Übergangslösung zu finden, um bis 2002 eine umfassende und zweckdienliche Neufassung erarbeiten zu können. Abgeordnete Petrovic (G) bezeichnete diese Vorgangsweise zwar als nicht zufriedenstellend, signalisierte aber dennoch die Zustimmung ihrer Fraktion, was aber als "Zeichen von bis an die Grenzen gehender Konstruktivität" gewertet werden sollte. Auch Abgeordneter Schender (F) erklärte, er sei nicht vollkommen zufrieden mit der Vorgangsweise, vor dem Hintergrund des Ist-Zustandes sei diese aber erforderlich. Abgeordneter Krüger (F) brachte sodann einen Vierparteienentschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, bis 2002 in Verhandlungen mit dem Nationalrat, mit den Ländern und Gemeinden ein neues Bundesvergabegesetz zu erarbeiten. Durch einen S-F-V-Antrag gemäss § 27 GOG sollen die kurzfristig erforderlichen Adaptionen für die genannte Übergangsfrist in das alte Gesetz eingearbeitet werden, um so den Begehren von EuGH und VfGH Genüge zu tun. Mit dieser Vorgangsweise zeigten sich die Abgeordneten Schieder (S) und Baumgartner-Gabitzer (V) zufrieden.

Die beiden Anträge wurden einstimmig angenommen, die Regierungsvorlage selbst wurde daraufhin einstimmig vertagt.

Sodann befasste sich der Ausschuss mit drei Oppositionsanträgen, die allesamt vertagt wurden.

Unter Anführung von Zitaten verlangen die Grünen in einem Entschließungsantrag die Verurteilung aller rassistischen, ausländerfeindlichen und das NS-Regime verharmlosenden Äußerungen von FPÖ-Politikern sowohl durch den Nationalrat als auch durch die Bundesregierung in Form eines Ministerratsbeschlusses (102/A (E) ).

 

Vor der Vertagung kam es zu einer kurzen Diskussion, in der die Abgeordneten Schieder, Posch, Kostelka (alle S) und Petrovic (G) dafür plädierten, den Antrag anzunehmen. Dagegen äußerte Abgeordneter Krüger (F) Bedenken, weil seines Erachtens nach der Nationalrat nicht dazu berufen sei, Aussagen eines Politikers gutzuheißen oder zu verurteilen. Die Abgeordneten Spindelegger und Baumgartner-Gabitzer (beide V) wiederum bezweifelten die formale Seite dieses Antrages und traten daher für eine Vertagung ein. In der Zwischenzeit sollte die Parlamentsdirektion überprüfen, ob dieser Antrag in seinen Konsequenzen stimmig sei. Gegebenenfalls sollte man über den Antrag im kleinen Kreis noch einmal sprechen.

Der Vertagungsantrag wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien angenommen.

Ein SP-Antrag zum Bundes-Verfassungsgesetz trägt dem Wunsch der Staatsanwälte, wie vergleichbare Behörden auch in die Bundesverfassung aufgenommen zu werden, Rechnung. Die Stellung der Staatsanwälte im Staatsaufbau wird dadurch in keiner Weise tangiert. Vor Eingang in eine Debatte erinnerte Ausschussvorsitzender Kostelka daran, dass dieser Antrag durch den Verlauf der öffentlichen Diskussion überholt wurde, weshalb seine Fraktion einen Abänderungsantrag einzubringen gedenke. Abgeordnete Baumgartner-Gabitzer (V) kündigte Ähnliches für ihre Fraktion an. Man kam daher überein, die Thematik im Vorfeld politisch abzuklären und sodann ein Begutachtungsverfahren des Ausschusses durchzuführen. Zu diesem Zweck wurde der Antrag einstimmig vertagt.

Vertagt wurde auch ein G-Antrag auf Ausdehnung der Radio- und Fernsehsendungen für Volksgruppen und MigrantInnen , da, wie Abgeordnete Petrovic (G) hinwies, die antragstellende Abgeordnete ob der Termine des Hauses in einem anderen Ausschuss engagiert sei und hier nicht Stellung nehmen könne. Auch dieser Antrag wurde einstimmig vertagt. In dem entsprechenden Entschließungsantrag fordern sie u.a. einen kontinuierlichen Ausbau der Hörfunk-Sendezeit für die ungarische und kroatische Volksgruppe in Wien und im Burgenland und für die slowenische Volksgruppe in Kärnten zu einem Ganztagsprogramm. Im Fernsehen soll in den bundesländereigenen Sendungen zumindest ein Beitrag in der Sprache der dort lebenden Volksgruppen bzw. MigrantInnen - mit deutschen Untertiteln - ausgestrahlt werden.

(Schluss)