Parlamentskorrespondenz Nr. 682 vom 20.11.2000

JURISTENKOMMISSION TAGT ZUM THEMA PATIENTENRECHTE IM PARLAMENT

Wien (PK) - Nationalratspräsident Heinz Fischer begrüßte heute die Mitglieder einer Tagung der Österreichischen Juristenkommission, darunter zahlreiche Abgeordnete, die sich im Parlament dem Thema "Patientenrechte in Österreich" widmeten.

Der Veranstaltungsort Parlament sei richtig gewählt, sagte der Nationalratspräsident, da das Thema Patientenrechte einen medizinischen, einen juristischen, aber sicher auch einen parlamentarischen Aspekt habe. Es fehle nicht an rechtlichen Bestimmungen, in denen Patientenrechte verankert seien, sagte Präsident Fischer und erinnerte an die bemerkenswerten legislative Fortschritte der letzten Jahre, etwa an das Unterbringungsgesetz und die Novellen zum Krankenanstaltengesetz sowie zum Ärztegesetz, in denen Aufklärungs- und Informationsrechte der Patienten festgeschrieben wurden, aber auch an das Fortpflanzungsmedizingesetz und an das Aids-Gesetz. Es bestehe aber weiterhin die Frage, ob die Patienten wirklich ausreichend in die Lage versetzt seien, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen. Dieses Problem sei zwar nicht auf Patientenrechte beschränkt, spiele dort aber eine besondere Rolle, zeigte sich der Nationalratspräsident überzeugt und würdigte in diesem Zusammenhang die Tätigkeit der Patientenanwaltschaften in den Bundesländern Wien, Kärnten, Burgenland und Vorarlberg, die Abhilfe zu schaffen suchen.

Gerhard Holzinger sah es als Präsident der Österreichischen Juristenkommission als eine der Aufgaben dieser Vereinigung an, sich durch die Abhaltung von Veranstaltungen für Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit und für den Schutz der Menschenrechte einzusetzen. Diesem Ziel diene auch die heutige Tagung über Patientenrechte.

Die Ausgangssituation der Diskussion skizzierte Gerhard Holzinger, indem er auf die Vielzahl von Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder und auf die im privatrechtlichen Behandlungsvertragswesen entwickelten Patientenrechte hinwies. Dennoch meinten Kritiker, dass die Rechtslage unzureichend sei und die Ausarbeitung eines umfassendes Patientenschutzgesetz im Verfassungsrang geboten sei. Außerdem werden grundlegende Bestimmungen für die Einrichtung von Patientenanwaltschaften und eine Regelung für medizinische Schadensfälle gefordert, sei es im Sinne eines Fonds- oder einer Versicherungslösung. Eine sachkundige Diskussion der unterschiedlichen Interessenstandpunkte sei aber auch deshalb notwendig, weil eine weitergehende Verrechtlichung von Patientenrechten Kosten nach sich ziehe.

Staatssekretär Reinhard Waneck sah das Bild des Arztberufes durch den hippokratischen Eid bestimmt und infolgedessen von einer traditionell paternalistischen Sicht des Arzt-Patienten-Verhältnisses. Daraus resultierten Probleme, den Patienten als gleichberechtigten Partner anzuerkennen, obwohl dies aus grundrechtlicher Sicht geboten sei. Gleichzeitig stellten die Patienten immer höhere Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Ärzte und des medizinischen Systems insgesamt. Dies sei der Hintergrund, vor dem Mediziner und Juristen aufgerufen seien, das Verhältnis Arzt-Patient zeitgemäss zu regeln. Der Gesundheitsstaatssekretär zählt dazu im Einzelnen ein unabhängiges System zur Abgeltung medizinischer Schäden und die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für Menschen, die sich als Plasmaspender mit Hepatitis C infisziert haben. Darüber hinaus erwarte die gesamte Bevölkerung mit Recht, als potentielle Patienten Zugang zum gesamten Leistungsspektrum des Gesundheitssystems zu haben. Dazu gehöre auch die Gewährleistung der ärztlichen Versorgung in der Nacht und an Wochenenden. In diesem Sinne sei derzeit eine Novelle zum Ärztegesetz in Begutachtung, in der Gruppenpraxen rechtlich verankert werden.

Darüber hinaus zeigte sich der Staatssekretär überzeugt, dass es wünschenswert wäre, ein juristisches Basiswissen über die rechtlichen Grundlagen des Arztberufes in der Medizinerausbildung zu verankern, da die Skepsis vieler Ärzte gegenüber dem Ausbau von Patientenrechten auf Mängel an juristischer Wissensvermittlung auf dem medizinischen Ausbildungsweg zurückzuführen sei.

Dem Vorschlag, gleichzeitig mit den Patientenrechten auch die Patientenpflichten und die Rechte der Ärzte zu stärken, hielt der Staatssekretär dagegen, es sei die Pflicht der Politik, auf der Seite der Schwächeren zu stehen und das sei im Arzt-Patienten-Verhältnis der Patient, dessen Gesundheit so rasch wie nur möglich wieder herzustellen sei. Die Gesundheit muss ständig erzeugt werden, werde sie dies nicht, sei das Volk bereits krank, schloss Gesundheitsstaatssekretär Waneck.

Stadtrat Josef Rieder berichtete eingangs seiner Ausführungen vom drastischen Rückgang der Infektionskrankheiten in den Industriegesellschaften während der letzten Jahre, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass die stark steigende Lebenserwartung zu einer Zunahme degenerativer Erkrankungen geführt habe. Daraus resultierten völlig andere Aufgaben für die Medizin und das Gesundheitssystem. Nicht Leiden, die gewissermaßen in einem Zuschlag medizinisch beseitigt werden können, stehen im Vordergrund, sondern Behandlungen, die es mit sich bringen, dass der Patient in eine ständige Beziehung zum Arzt tritt. Die Hegemonie der chronischen Krankheiten habe ein neues Patientenbewusstsein entstehen lassen, stellte der Wiener Gesundheitsstadtrat fest. Abzulesen sei dies an der wachsenden Zahl von Patienten, die an medizinischen Kongressen teilnehmen, an der Haltungsänderung der Mediziner selbst, aber auch an der Entwicklung der palliativen Medizin und der Hospizbewegung nunmehr auch in Mitteleuropa.

Patientenrechte können nicht auf Knopfdruck juristisch geschaffen werden, sagte Rieder, sie entwickeln sich vor dem Hintergrund ökonomischer und sozialer Prozesse sowohl bei den Patienten als auch den Ärzten. Der Stadtrat untermauerte diese Auffassung anhand der Entwicklung der medizinischen Selbsthilfegruppen, die in Wien 1986 rechtlich verankert wurden und für die 1992 ein spezieller Beirat eingerichtet wurde. In Wien wurde auch die erste Patientenanwaltschaft mit weitreichenden Patientenrechten und ein Entschädigungsfonds für Patienten geschaffen, der auch in Fällen in Anspruch genommen werden kann, in denen aufgrund juristischer Entscheidungen kein Anspruch gegeben wäre.

Für Stadtrat Rieder stand die Frage im Vordergrund, was dem Patienten tatsächlich nütze, wie er wirklich zu seinem Recht komme. Dabei mahnte Josef Rieder die Patientenorientierung der Medizin ein und unterstrich noch einmal die wichtige Rolle der Patientenanwaltschaft. Sie sollte nicht nach dem Modell der Volksanwaltschaft konzipiert sein, die im Nachhinein tätig werde, sondern als vermittelnde Institution zwischen Arzt und Patient. Rieder betonte auch das Recht auf Information und wies daraufhin, dass echte Kommunikation zwischen Arzt und Patient Zeit brauche, wobei besonders schwierige Problem für Menschen zu lösen seien, die nicht mehr in der Lage seien, ihre Recht ohne weiteres wahr zu nehmen, weil sie etwa alt oder behindert seien.

DAS WEITERE PROGRAMM DER TAGUNG

Im Anschluss an Josef Rieder wird Christian Kopetzki (Universität Wien) über "Verfassungsfragen des Patientenschutzes" und Gerhard Aigner (Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen) über die "Situation der Patientenrechte in Österreich" referieren.

Nach der Pause um 11 Uhr wird zunächst Johannes W. Pichler (Universität Graz) die "legislative Ausgestaltung von Patientenrechten" beleuchten, ehe der Wiener Patientenanwalt Viktor Pickl die Rolle von Patientenanwaltschaften bei der Wahrung von Patientenrechten analysieren wird. Das Vormittagsprogramm wird Ernst Wolner (Universität Wien) mit einem Vortrag über "Patientenrechte aus ärztlicher Sicht" abschließen.

Um 14 Uhr steht eine Podiumsdiskussion unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten der Österreichischen Juristenkommission Erwin Felzmann auf dem Programm. Es diskutieren Holger Baumgartner (Ethikkommission der Universitätsklinik Innsbruck), Franz Lauer (Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs), Wolfgang Leitner (Rechtsanwaltskammer Wien), Leopold Michael Marzi (Allgemeines Krankenhaus Wien), Hildegund Piza (Universitätsklinik Innsbruck), Helmut Schwamberger (Amt der Tiroler Landesregierung), Josef Souhrada (Hauptverband der Sozialversicherungsträger.

Nach einer Plenardiskussion wird Waltraut Kotschy (Generalsekretärin der Österreichischen Juristenkommission) eine Resümee der Tagung ziehen. Das Schlusswort wird der Präsident der Österreichischen Juristenkommission Gerhart Holzinger an die Tagungsmitglieder richten. (Schluss)