Parlamentskorrespondenz Nr. 741 vom 11.12.2000

BUDGETAUSSCHUSS: FP-VP-MEHRHEIT FÜR KAPITALMARKTOFFENSIVE

Wien (PK) - Nur 500.000 Österreicher besitzen Aktien, erst  3 % der österreichischen Arbeitnehmer sind an ihren Unternehmen beteiligt und die Wiener Börse hinkt hinter der internationalen Entwicklung nach. Angesichts dieses Befunds will die Bundesregierung mit einem Bündel gesetzlicher Maßnahmen einen Impuls für den heimischen Kapitalmarkt setzen. Die diesbezügliche Vorlage mit dem Titel " Kapitalmarktoffensive " hat der Budgetausschuss heute in Verhandlung genommen und nach lebhafter Debatte unter Berücksichtigung eines V-F-Abänderungsantrages mit der Mehrheit der Koalitionsparteien verabschiedet. Während SP-Abgeordnete Marianne Hagenhofer die Befürchtung aussprach, die steuerliche Förderung von "stock options" für Manager würde Ellbogentaktik und kurzfristige Profitstrategien in den Unternehmen begünstigen und Abgeordneter Werner Kogler (G) Skepsis gegenüber den Einnahmenerwartungen des Finanzministers äußerte, unterstützten die Abgeordneten Reinhard Firlinger (F), Günter Stummvoll (V) und  Hermann Böhacker (F) den Finanzminister in dessen nachdrücklichem Eintreten für eine Verbesserung des heimischen Kapitalmarktes. "Eigenkapitalmangel ist die Hauptursache für Insolvenzen und das wichtigste Hemmnis für die  Unternehmensexpansion", sagte Minister Grasser und warf Abgeordneter Hagenhofer vor, mit ihrer Ablehnung der Mitarbeiterbeteiligung jenen zu schaden, die sie schützen wolle.

DIE WESENTLICHSTEN NEUERUNGEN

Aufgrund dieses Ausschussbeschlusses wird das Nationalratsplenum bereits am kommenden Donnerstag über folgende Neuerungen zu entscheiden haben: Verdoppelung des Freibetrages bei der Mitarbeiterbeteiligung auf 20.000 S pro Jahr, Begünstigung von Stock-Options, Abzugsfähigkeit von Zuwendungen an Belegschaftsbeteiligungs-Stiftungen und Streichung der seit der Steuerreform 2000 vorgesehenen Spekulationsertragsteuer. Körperschaften sollen Einnahmen von betrieblichen Stiftungen auf den Zweckerfüllungszeitraum bzw. auf 10 Jahre verteilen können. Dies gilt auch für Zuwendungen der neuen Belegschaftsbeteiligungsstiftungen.

Gleichzeitig wird die Grenze der Steuerpflicht für Beteiligungsveräußerungen von mehr als 10 % auf unter einen Prozent gesenkt, wovon die Bundesregierung Mehreinnahmen von 1 Mrd. S erwartet. Die pauschalierte Erfassung der Spekulationserträge von Investmentfonds wird laut Bundesregierung mit Mehreinnahmen von 700 bis 800 Mill. S zu Buche schlagen.

Weitere Punkte: Erbschaftssteuerbefreiung in- und ausländischer Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn der Erblasser zu weniger als einem Prozent am Nennkapital beteiligt ist, Veröffentlichung von Prospekten via Internet sowie in englischer Sprache, erleichterte Emission von Euro-Wertpapieren und gesetzliche Verankerung der internationalen Zusammenarbeit der Bundeswertpapieraufsicht.

Der sonstige, bislang ungeregelte, Wertpapierhandel erhält eine Aufsicht und wird in einen EU-konform geregelten Markt mit Zulassungsverfahren und Verbot des Insidertradings, jedoch ohne Mindestbestandsdauer und gesonderte Börseprospektpflicht übergeführt. Alternative Handelssysteme werden zugelassen und nicht als Winkelbörsen verfolgt, sofern sie ordnungsgemäß unter staatlicher Aufsicht arbeiten.

Bei der Steuerbefreiung von nicht der Einkommensteuer unterliegenden Beteiligungserwerben wird mit Mindereinnahmen von unter 100 Mill. S. gerechnet.

AUS DER DEBATTE      

In der Debatte hatte Abgeordnete Hagenhofer (S) außerdem kritisiert, dass angesichts zahlreicher Nachteile für Arbeitnehmer derart weitreichende Begünstigungen für Aktienbesitzer beschlossen werden sollen. Außerdem befürchtete die Abgeordnete Einnahmenverluste für die Sozialversicherung. "Das ist ein Weg, den die SPÖ nicht mitgehen kann", schloss Hagenhofer.

Abgeordneter Reinhard Firlinger (F) legte einen Abänderungsantrag mit einer Reihe redaktioneller Änderungen, präzisierten Bestimmungen für öffentliche Angebote und angemessen definierten Fristen für das neue dritte Marktsegment sowie Anpassungen der Pönalezahlungen an den internationalen Standard vor. Eine - mit F-V-Mehrheit angenommene - Ausschussfeststellung zielte auf Vollzugserleichterungen für die Kreditinstitute bei der Einführung der vorgesehenen Abzugssteuer auf Substanzgewinne von Investmentfonds. Gegenüber Abgeordneter Hagenhofer räumte Firlinger ein, dass man sich zwar überlegen soll, ob man alles übernehmen will, was aus den USA und Großbritannien komme, hielt aber fest, dass man sich einem Prozess nicht entziehen könne, der für die Standortattraktivität Österreichs wichtig sei.

Abgeordnete Günter Stummvoll (V) sah die Kapitalmarktoffensive positiv und sprach von einem Beispiel für die Auflösung des Reformstaus durch die neue Bundesregierung. Der Abgeordnete begrüßte den Impuls für den Kapitalmarkt, da das Instrument Stock-Option vor allem im Bereich der New Economy notwendig sei. Die Mitarbeiterbeteiligung diene der Motivation der Mitarbeiter einer höheren Standortattraktivität. Gegenüber Abgeordneter Hagenhofer betonte der Wirtschaftsvertreter den wesentlich höheren Beitrag, den die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer gegenüber der Lohnsteuer zur Aufkommensneutralität der Kapitalmarktoffensive leisten.

Abgeordneter Werner Kogler (G) wies auf den zu erwartenden hohen Verwaltungsaufwand hin und kritisierte seinerseits die unverhältnismäßig hohe steuerliche Begünstigung der Stiftungen, von denen vor allem Mitarbeiter im geschützten Bereich profitieren werden.

Abgeordneter Hermann Böhacker (F) betonte die Notwendigkeit eines Impulses für den unterentwickelten österreichischen Kapitalmarkt. "Die Wirtschaft braucht mehr Risikokapital und das Instrument der Mitarbeiterbeteiligung." Dies entspreche auch langjährigen Forderungen des ehemaligen SP-Finanzsprechers Nowotny, erinnerte Böhacker und nannte Hagenhofers Kritik unverständlich.

Finanzminister Karlheinz Grasser sprach von einem großen Nachholbedarf der Wiener Börse hinsichtlich Kapitalausstattung, Liquidität und Performance. Die österreichische Wirtschaft brauche mehr Eigenkapital, da der Eigenkapitalmangel als Insolvenzursache Nummer Eins und als Haupthemmnis bei der Unternehmensexpansion zu betrachten sei. Minister Grasser erinnerte daran, dass die Wiener Börse einmal größer gewesen sei als jene Londons und nannte es eines der größten Versäumnisse der vorangegangenen Regierung, die Kapitalmarktoffensive nicht eingeleitet zu haben. Grasser fügte überdies hinzu, dass Internationale Experten die mangelnde Flexibilität des österreichischen Kapitalmarktes als ein wesentliches Problem für Österreich darstellten.

Der Kritik der Abgeordneten Hagenhofer hielt Grasser entgegen, dass die Kapitalmarktoffensive aufkommensneutral gestaltet wurde, wobei er es "nicht fair" nannte, die Maßnahmen des Konsolidierungspakets hier in Betracht zu ziehen. Die Förderung der Mitarbeiterbeteiligung - an der schon jetzt großes Interesse weit über den geschützten Bereich hinaus bestehe - werde dazu führen, dass Mitarbeiter mehr Geld in der Tasche haben, sagte Grasser, und warf Abgeordneter Hagenhofer vor, jenen zu schaden, die sie schützen wolle. "Es ist nicht möglich, in einem globalisierten Umfeld eine restriktive Strategie zu fahren", zeigte sich Grasser überzeugt.

(Fortsetzung)