Parlamentskorrespondenz Nr. 749 vom 12.12.2000

UNIVERSITÄTEN: SCHRITT IN DIE VOLLRECHTSFÄHIGKEIT ?

Wien (PK) – Ein umfangreiches Programm hatten sich heute die Mitglieder des Wissenschaftsausschusses vorgenommen. Die Tagesordnung reichte von einer Aussprache über aktuelle Fragen aus dem Arbeitsbereich des Ausschusses über Berichte des Universitätskuratoriums sowie des Fachhochschulrates bis hin zum UOG, Hochschul-Taxengesetz und Hochschülerschaftsgesetz. Schließlich wurde ein S-Entschließungsantrag betreffend freier Zugang zu allen Bildungsinstitutionen diskutiert.

Die beiden Berichte wurden einstimmig zur Kenntnis genommen und im Ausschuss enderledigt. In der Diskussion darüber wurde ein weiter Bogen von Problembereichen gezogen, wobei vor allem Fragen zur Vollrechtsfähigkeit der Universitäten sowie zu Hausberufungen und zur Grundausstattung einerseits und zu Standortfragen der Fachhochschulen im Mittelpunkt standen. Der Antrag des Abgeordneten Erwin Niederwieser (S), die Bericht nicht im Ausschuss der Enderledigung zuzuführen, um im Plenum eine ausführliche Diskussion zu ermöglichen, wurde mit F-V-Mehrheit abgelehnt.

Zustimmung erteilte der Ausschuss der Novelle zum UOG und zum Hochschultaxen-Gesetz, die das Ziel verfolgt, die Lehrtätigkeit an Universitäten attraktiver zu machen und die Marktposition der Universitäten als Anbieter von Fort- und Weiterbildungsangeboten zu stärken. Der im Juni vertagte S-Antrag zum Hochschülerschaftsgesetz, der das passive Wahlrecht für alle Studierenden, unabhängig von der österreichischen Staatsbürgerschaft, vorsieht, blieb in der Minderheit. Die Regierungsvorlage zum Hochschülerschaftsgesetz, der die Einführung des "e-votings" bei Hochschülerschaftswahlen zum Inhalt hat, wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien angenommen.

Abgeordneter Niederwieser hatte am Beginn der Sitzung beantragt, diese drei Materien zu vertagen und einer neuerlichen Begutachtung zu unterziehen, da gegenüber den Entwürfen wichtige Neuregelungen dazugekommen seien. Er wurde darin von Abgeordnetem Kurt Grünewald (G) unterstützt. Die Abgeordneten der Koalitionsparteien Gertrude Brinek (V) sowie Sylvia Paphazy und Martin Graf (beide F) sprachen sich dagegen aus, da die Materien ihrer Ansicht nach plenumsreif seien, man alle wesentlichen Kritikpunkte überdacht und eingearbeitet habe und die Universitäten dringend auf die Änderungen warteten. Der Vertagungsantrag wurde daher abgelehnt.

Der Entschließungsantrag der SozialdemokratInnen, der sich gegen die Einführung von Studiengebühren wendet, wurde von den Koalitionsfraktionen mit der Begründung abgelehnt, er sei mittlerweile überholt.

Am Beginn der Tagesordnung waren die beiden Berichte des Universitätskuratoriums und des Fachhochschulrates in Verhandlung genommen worden. Darüber fanden sehr ausführliche Diskussionen statt.

UNIVERSITÄTEN: VOLLRECHTSFÄHIGKEIT UND NEUES DIENSTRECHT ALS ZIEL

Der Bericht des Universitätskuratoriums über seine Tätigkeit im Jahre 1999 (III-53 und Zu III-53 d.B.) enthält auch eine Vorschau auf das Jahr 2000 sowie einen vierseitigen Essay mit grundsätzlichen und kritischen Überlegungen zur Reorganisation des Gesamtsystems. So heißt es darin beispielsweise wörtlich: "Die Inangriffnahme von grundlegenden Strukturverbesserungen bzw. das Festschreiben von entsprechenden Umsetzungsplänen scheitert allerdings oftmals am Widerstand der an den bestehenden Strukturen Interessierten. Die erforderliche Durchsetzungsgewalt, notwendige Durchführungsanreize sowie auf mehrere Jahre ausgelegte Planungsperspektiven fehlen." Man attestiert zwar nennenswerte Fortschritte bei der Implementierung des UOG 1993, gleichzeitig beklagen die Verfasser des Berichts, dass die konkreten Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, noch nicht in vollem Umfang umgesetzt werden.

Einen weiteren Schwerpunkt im Bericht bilden die Resultate der Vollrechtsfähigkeit. Hier gab das Kuratorium eine "Grundsatzempfehlung": "Grundsätzlich ist das Konzept, die Universitäten ihre Arbeitsverhältnisse in Freiheit, aber unter Verantwortung im Wettbewerbsvergleich gestalten zu lassen, ein bahnbrechender Schritt zur Modernisierung des österreichischen Universitätssystems. Solange allerdings nicht vorab sichergestellt ist, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen ausreichende Freiheit gestatten, damit durchsetzungsfähige Organisationsstrukturen entstehen können, und dass die Eigenverantwortung im Leistungsvergleich mit klaren Konsequenzen verbunden ist, sollte man zuwarten." In diesem Zusammenhang kritisiert das Kuratorium, die vorgelegten Entwürfe einer gesetzlichen Regelung seien noch "sehr verbesserungswürdig".

Die Anregung des Abgeordneten Niederwieser, das Gesprächsangebot des Universitätskuratoriums anzunehmen, wurde zustimmend aufgenommen.

Bundesministerin Gehrer ging auf die zahlreichen Bemerkungen und Anfragen ein und bezeichnete eingangs den Bericht als einen wertvollen Spiegel, der den Verantwortlichen vorgehalten werde, und mit dem man sich ernsthaft auseinandersetzen müsse, auch wenn man nicht alles 1:1 umsetzen könne. Zur weiteren Entwicklung der Universitätsstandorte sei eine Gruppe „Modernes Studieren“ eingesetzt worden, die sich mit einem Konzept beschäftige. Das Universitätskuratorium selbst habe Evaluierungen übernommen. Bei den Hausberufungen gehe man sehr streng vor, so die Ministerin. Angesprochen auf die große Zahl der Emeritierungen in den nächsten zehn Jahren meinte Gehrer, dass damit für das Dienstrecht eine neue Chance bestünde. Was die vom Kuratorium bemängelten Kompetenzüberschneidungen zwischen Rektor und Oberstem Kollegialorgan betreffe, so müsse dies an den Universitäten selbst geregelt werden, sonst sei man nicht reif für die Autonomie, bemerkte die Ressortchefin kritisch und reagierte damit auf Fragen des Abgeordneten Niederwieser.

Abgeordnete Brinek sprach ebenfalls die Hausberufungen an und unterstrich die kritische Bewertung des Kuratoriums zum Vollrechtsentwurf des Vorgängers im Wissenschaftsministerium. Man arbeite nun an einem neuen Konzept, so die V-Mandatarin.

Abgeordneter Grünewald griff das Thema Vollrechtsfähigkeit auf und meinte, dass eine zu rasche Einführung die Kooperations- und Wettbewerbsfähigkeit behindern könne. Gehrer meinte daraufhin, dass sicherlich nicht alle Universitäten reif seien, vollrechtsfähig zu werden, und man sich eine schrittweise Einführung und eventuelle Übergangsregelungen überlegen müsse. Bei der Ausgliederung denke man daran, die Universitäten zu wissenschaftlichen Anstalten zu machen. Die Vollrechtsfähigkeit mit Globalbudgets sei positiv, was auch Grünewald bejahte. Der kritischen Äußerung zur mangelnden Grundausstattung der Universitäten seitens des G-Mandatars entgegnete Gehrer, dass man beispielsweise in Deutschland auch nicht mehr Geld zur Verfügung habe, aber man dort andere Schwerpunkte setze. Vor allem sei eine effizientere Nutzung der Räumlichkeiten gefragt.

Die Rektoren der Privatuniversitäten werde man sicherlich einmal in die Rektorenkonferenz einbinden müssen, die steuerlichen Erleichterungen für die Stiftungsprofessuren müssten im Rahmen des Gesamtprojekts Steuerreform besprochen werden. Gehrer kündigte an, auch heuer wieder Maturantenbriefe zu schreiben, wo sie Informationen darüber geben werde, welche Studien gute Berufschancen eröffnen und welche nicht. Sie beantwortete damit Fragen der Abgeordneten Paphazy.

FACHHOCHSCHULEN ALS POSITIVER SEKTOR DES HOCHSCHULBEREICHS

Nach dem neuesten Bericht des Fachhochschulrates ist "die Situation im österreichischen Fachhochschulbereich im Jahr 1999 durch eine ungebrochen anhaltende Aufwärtsentwicklung gekennzeichnet".

(III-58 d.B.)

 

Derzeit bieten 20 Erhalter 55 Fachhochschul-Studiengänge an 26 Standorten an. Mit dem Studienjahr 1999/2000 hat sich die Gesamtzahl der Studierenden auf 9.968 erhöht, wobei der Anteil weiblicher Studierender nur langsam von 24,75 % im Studienjahr 1994/95 auf 29,04 % im Studienjahr 1999/2000 gestiegen und somit noch immer gering ist. Die Anzahl der AbsolventInnen hat sich 1999 mit 944 Abschlüssen gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Auch bei den StudienanfängerInnen - 1999/2000 waren es 3.709 - war ein kontinuierlicher Anstieg zu verzeichnen. Kritisch bemerkte der Fachhochschulrat, dass noch immer ein zu hoher Anteil von Interessierten von dem ihrer Veranlagung entsprechenden Studienweg und der damit verbundenen Berufslaufbahn abgehalten würde, was sowohl "im Lichte der individuellen Persönlichkeitsentfaltung" als auch "vom Standpunkt eines ökonomisch nur suboptimal genutzten Potenzials bedauerlich" sei. Im Hinblick auf die Zielsetzungen der Fachhochschulen, die Durchlässigkeit im Bildungssystem zu fördern, sei auch besonderes Augenmerk auf jene Studierenden zu legen, die aus dem Sektor der dualen Vorbildung kommen

 

Allgemein wurde von den Abgeordneten die rasante und erfolgreiche Entwicklung im Bereich des Fachhochschulwesens gewürdigt und als „positiver Sektor des österreichischen Hochschulbereichs“ (Niederwieser) bezeichnet.

Da im Bericht die Standortentwicklung kritisch beleuchtet wurde und daher auch die Abgeordneten darauf eingingen, bemerkte Bundesministerin Gehrer, dass die Fachhochschulen als eine privatrechtliche Einrichtung konzipiert worden seien, was bedeute, dass die Träger alle Kriterien zu erfüllen hätten und über die Beiträge des Bundes hinaus auch die Restfinanzierung bestreiten müssten. Das Ministerium selbst mache daher keine Planungen.

Breit diskutiert wurden auch mögliche Fachhochschulstudiengänge in Sozial- und Gesundheitsberufen(Niederwieser, Grünewald und Brinek). Die Ressortchefin zeigte sich dem zwar aufgeschlossen, meinte aber, dass man hier eine genaue Bedarfsanalyse erstellen müsse, um Zweigleisigkeiten mit der Sozialakademie zu vermeiden. Es stelle sich auch die Frage, ob etwa Jugendheime oder die Telefonseelsorge bereit seien, höher Qualifizierte einzustellen und damit auch ein höheres Gehalt zu zahlen. Außerdem liege die Ausbildung im Zuständigkeitsbereich von Minister Haupt, finanziell seien die Länder verantwortlich. Fachhochschulstudiengänge in diesen Berufsfeldern würden daher eine Kompetenzänderung sowie Verschiebungen im Finanzausgleich nach sich ziehen.

Die Befürchtungen des Abgeordneten Robert Rada (S), durch die Einführung der Studiengebühren könnte der Bund die Beiträge an die Fachhochschulen kürzen, räumte Gehrer damit aus, dass man die Verträge auch in Zukunft einhalten werde, dass man aber die Lage insofern evaluieren müsse, als man in manchen Bereichen locker mit dem Geld auskomme, in manchen nicht.

Gehrer führte weiter aus, dass man auf dem Fernstudiensektor viele Anstrengungen unternehme und man gemeinsame Projekte in der EU anstrebe und reagierte damit auf Niederwieser. Um die von Abgeordneter Paphazy aufgeworfene Frage nach der Steuerregelung für die Lehrenden an den Fachhochschulen werde man sich kümmern, versprach die Ministerin.

Eine angeregte Diskussion entwickelte sich dann auch noch über akademische Grade, nachdem diese von Paphazy und Brinek thematisiert worden waren. Gehrer meinte dazu, dass man zuerst die Erfahrungen der Universitäten abwarten solle. Abgeordnete Brunhilde Plank (S), die die Einstufungen und Wertungen österreichischer StudentInnen im Ausland angesprochen und einen Wettbewerbsnachteil geortet hatte, antwortete Gehrer, dass es Übersetzungen nicht mehr gebe und das europäische Credit-Transfer-System positive Auswirkungen habe. Abgeordnetem Rada gegenüber betonte sie, dass derzeit an einer Studie über die Mitsprache der StudentInnen gearbeitet werde.

Im Anschluss daran wandten sich die Abgeordneten legistischen Fragen der Universitätsorganisation zu.

E-VOTING BEI HOCHSCHÜLERSCHAFTSWAHLEN

Durch eine Änderung der Bundesgesetze über die Organisation der Universitäten sowie über die Organisation der Universität der Künste sollen die Universitäten die Möglichkeit erhalten, Universitätslehrgänge im Rahmen ihrer Teilrechtsfähigkeit und damit außerhalb der bisher für diesen Bereich geltenden besoldungsrechtlichen Normen des Bundes abzugelten. Weiters ist vorgesehen, die Frist für die Wiederbestellung von Gastprofessoren von 5 auf 3 Jahre zu verkürzen und Forschungsassistenten, die aus Drittmitteln bestellt wurden, mit der selbständigen Abhaltung von Lehrveranstaltungen zu beauftragen. Das Hochschul-Taxengesetz hat Anpassungen an die Neuerungen zum Inhalt. (389 d.B.)

In der Debatte beklagte Niederwieser die mangelnde Kooperation der Regierungsparteien, die es den SozialdemokratInnen verunmögliche, an dieser Stelle zuzustimmen. Nachdem Ausschussvorsitzender Graf und Bundesministerin Gehrer den Hintergrund der fehlenden Kontaktnahme erläutert hatten, meinte Niederwieser, seine Fraktion werde zwar heute die Zustimmung nicht geben, sollte aber bis zum Plenum noch ein entsprechendes Angebot seitens der Regierungsfraktionen erfolgen, dann werde man sich diesem nicht verschließen. Die Vorlage passierte sodann mit den Stimmen von F und V den Ausschuss.

In weiterer Folge standen zwei wesentliche Anliegen zum Hochschülerschaftsgesetzes auf der Tagesordnung des Ausschusses.

Mit der geplanten Änderung des Hochschülerschaftsgesetzes wird die rechtliche Basis für die Durchführung von Hochschülerschaftswahlen auch per elektronischer Datenübermittlung, dem sogenannten e-voting, geschaffen. Weitere Punkte der Novelle betreffen strukturelle und organisatorische Änderungen der Vertretung von Studierenden an Akademien sowie eine stärkere Formalisierung des Rechtsinstitutes des „konstruktiven Misstrauensvotums“, das nun einer Unterstützung von mindestens 10 % der für das entsprechende Organ wahlberechtigten Mandatare bedarf (394 d.B.) Die SPÖ tritt in ihrem Antrag die Einführung des passiven Wahlrechtes für alle Studierende bei ÖH-Wahlen. (87/A)

Für die Sozialdemokraten erklärte Niederwieser, die Vorlage der Regierungsparteien hätte gravierende Mängel und sei derzeit daher nicht akzeptabel. Konkret vermisste er Rechtssicherheit beim e-voting und das passive Wahlrecht für alle ausländischen Studierenden. Abgeordnete Brinek hielt dem entgegen, dass man den Verfassungsdienst des BKA und den Datenschutzrat mit dieser Vorlage befassen werde, sodass man noch eingreifen könne, sollten sich die Bedenken wirklich als substantiell erweisen. Abgeordneter Grünewald meinte, man könne so eine Vorlage erst dann beschließen, wenn die besagten Bedenken ausgeräumt seien. Vorsitzender Graf verwies darauf, dass bis zur Einbringung der Thematik im Plenum noch geraume Zeit zur Verfügung stehe, die gegebenenfalls noch für allfällige Korrekturen genutzt werden könne. Brinek brachte in diesem Zusammenhang zwei Ausschussfeststellungen sowie einen Abänderungsantrag zur Stärkung der Rechtsaufsicht ein. In der Fassung dieses Abänderungsantrages wurde die Vorlage ebenso mit den Stimmen von F und V angenommen wie die beiden Ausschussfeststellungen. Der mitverhandelte S-Antrag hingegen wurde abgelehnt.

Abgeschlossen wurde die Ausschusssitzung mit einer Diskussion zu den Studiengebühren aufgrund eines S-Entschließungsantrages, in dem der freie Zugang von jungen Menschen zu allen Bildungsinstitutionen urgiert und die Einführung von Studiengebühren abgelehnt wird. (274/A[E]) Hier vertrat Brinek die Ansicht, der S-Antrag sei überholt, da die von der Regierung gesetzten Maßnahmen sozial ausgewogen seien, was auch die hohe Zahl an Neuinskriptionen belege. Weitere Erkenntnisse könne man erst aus Evaluierungen gewinnen, die beizeiten vorgenommen werden müssten, woraufhin man allfällig nachjustieren könne. Niederwieser hielt dem entgegen, dass der Antrag im Herbst 2001 vielleicht wieder aktueller denn je sein könne. In der Abstimmung fand er jedenfalls keine Mehrheit.

(Schluss)